Die Änderungsanträge sind eine Kampfansage. Ihnen liegt überhaupt nichts an der Integration. Sie leisten mit Ihrem Vorgehen in der Zuwanderungsdebatte zudem noch einen Beitrag zur Desintegration, wenn Sie Ausländer meist in einen Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen oder mit Abzocken von Sozialkassen in Verbindung bringen. In Ihrem Denk- und Sprachstil muss sich noch einiges gravierend ändern.
Wir alle wissen: Die Bundesrepublik Deutschland ist seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Die Frage lautet daher nicht, ob Zuwanderung nach Deutschland stattfinden soll, sondern wie Zuwanderung aktiv gestaltet werden kann, damit sich alle – diejenigen, die schon bisher hier leben und diejenigen, die zu uns kommen –hier miteinander zu Hause fühlen.
Das neue Zuwanderungsgesetz hatte erstmals die gesetzlichen Grundlagen für eine zukunftsorientierte, verantwortliche Gestaltung von Zuwanderung geschaffen und Integration als zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe ins Bewusstsein gerückt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung berücksichtigt ausgewogen die unterschiedlichen Interessen, wie der im vergangenen Jahr erreichte Konsens zwischen allen großen gesellschaftlichen Gruppen – Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Kirchen seien beispielhaft genannt – beweist. Lediglich die Union hat wider besseren Wissens aus rein wahltaktischen Gründen ihre Zustimmung verweigert und konstruktive Gespräche abgelehnt. Mit dieser Haltung wird die dringend erforderliche Verbesserung der Integration von Migrantinnen und Migranten deutlich erschwert und die Chance vertan, die erstmalig auf einer Rechtsgrundlage basierende Konzeption des Forderns und Förderns, einschließlich deren Finanzierung möglichst bald umzusetzen.
Nun soll nach Unionswillen – darauf bezieht sich der CSU-Antrag – ein eigenes Integrationsgesetz erarbeitet werden, da die Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz zum Scheitern verurteilt seien. Diese Unionsalternative sollte vor der Sommerpause fertig sein. Da beißt sich doch der Hund in den Schwanz und dreht sich auf der Stelle im Kreis. Saarlands Müller kritisiert, ein eigenes Integrationsgesetz könne als falsches Signal verstanden werden. Ein falsches Signal? Wofür eigentlich? Dafür, dass mehr als einmal klar wird, worin die eigentlichen Interessen der Union und vor allem Bayerns liegen? Es ist offensichtlich, dass mit der angekündigten niedersächsischen Initiative lediglich nach Auswegen aus der selbst verursachten Blockade gesucht wird.
Immerhin hat sich auch in der Union die Einsicht durchgesetzt, dass angesichts der Versäumnisse der letzten 40 Jahre integrationspolitischer Handlungsbedarf besteht. Doch die aktuelle migrationspolitische Aufgabe umfasst mehr als Integration. Integration wiederum ist mehr als bloße Sprachförderung. Sie umfasst alle Aspekte schulischer, beruflicher, sozialer und rechtlicher Integration. Das Integrationsgesetz der Union reduziert politisches Handeln einseitig auf einen schmalen Anteil auf der einen Seite der Medaille, nämlich auf die sprachliche Eingliederung, ohne die Grundlagen für die Zuwanderung, den Arbeitsmarktzugang und die rechtliche Integration mitzuregeln. Es fällt somit meilenweit hinter das Anliegen des rot-grünen Gesetzes zurück.
Der Eindruck, dass hier Propaganda und Augenwischerei betrieben werden, verstärkt sich, wenn man die jüngsten Publikationen des Bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums genauer unter die Lupe nimmt. Es genügt eben nicht – wie man jetzt im Folgebericht Aus
länderintegration der interministeriellen Arbeitsgruppe vom April 2003 nachlesen kann –, diese selbst geschaffene Situation nur zu beklagen und zu dokumentieren. Das verbessert die Ausländerintegration nicht, sondern ist Zeichen eines reines Verwaltens, statt eines Gestaltens.
Die von der Bundesseite ursprünglich zu Jahresbeginn 2002 beabsichtigte Neukonzeption der Sprachförderung wurde mit Rücksicht auf die Beratung des Zuwanderungsgesetzes zurückgestellt. Deshalb konnten weitere Überlegungen auf Landesebene zur zielgruppenspezifischeren Ausrichtung der Sprachkurse nicht in Angriff genommen werden.
Was heißt denn das im Klartext? Sie machen auf Landesebene nichts, weil Sie auf Bundesebene blockieren. Die Kommunen baden das dann aus. Schon deswegen muss schnellstens gehandelt werden.
Generell müssen bei der Integrationsförderung – vor allem auch hier in Bayern – deutlich mehr Anstrengungen unternommen werden, um den Kreislauf „sprachlos, bildungslos, arbeitslos“ zu unterbrechen. Unser Dringlichkeitsantrag gibt hierzu entscheidende Impulse. Die Beherrschung der deutschen Sprache, die schulische und berufliche Förderung, die Wertevermittlung, die gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen und politischen Leben sowie die soziale Beratung und Begleitung von Migrantinnen und Migranten sind die Hauptfelder, in denen die Integrationsarbeit stattfinden muss. Deswegen haben wir vier Säulen definiert, die wir auch schon in unseren Anträgen des letzten Jahres ausführlich erläutert haben: Sprachkompetenz und Bildung, berufliche Ausbildung und Arbeit, Teilhabe am öffentlichen und staatlichen Leben sowie soziale Integration.
Vor diesem Hintergrund fordern wir die Staatsregierung auf, einen umfassenden und ganzheitlichen bayerischen Integrationsplan zu entwickeln und in Gang zu setzen, um die Integration intensiv zu fördern. Der Folgebericht, den ich vorhin schon zitiert habe, zeigt hier deutliche Mängel. So schlägt er zum Beispiel einen Schwerpunkt hinsichtlich von Änderungen im Jugendstrafrecht vor, die dessen Erziehungscharakter völlig ins Gegenteil verkehren.
Unter Integration verstehen wir die gleichberechtigte Teilhabe am sozialen, kulturellen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben für alle Menschen, und zwar für Migrantinnen und Migranten ebenso wie für hier lebende Deutsche. Integration bedeutet somit nicht Anpassung oder sogar Assimilation. Integration erwartet nicht die Aufgabe der eigenen Identität und die Unterordnung unter eine Leitkultur. Dieses Verständnis, das sich gleichermaßen an die zu Integrierenden wie an die Integrierenden selbst richtet, orientiert sich am Ziel, eine Kultur der Toleranz, der Akzeptanz, der Anerkennung und des gleichberechtigten Miteinanders auf der Basis der in unserer Verfassung festgelegten Grundwerte, Rechte und Pflichten zu fördern.
Dabei bilden die Beherrschung der deutschen Sprache als Hauptschlüssel der Integration, die schulische und berufliche Qualifikation, die Wertevermittlung und das Miteinander im gesellschaftlichen Leben, die soziale Beratung und Begleitung von Migrantinnen und Migranten die Kernbereiche der Arbeit. Es geht uns sozusagen um eine Integrationslandschaft, die mehr ist als die Aneinanderreihung einzelner Maßnahmen, weil sie den Menschen Orientierung gibt, ihnen Rechte gewährt, aber auch Pflichten abverlangt. Der Staat, der Integrationspolitik betreibt, ist kein autoritärer, befehlender Staat, er wird vielmehr zu einem sozialverantwortlichen Vertragspartner.
In den Punkten 3 und 4 unseres Antrags haben wir dementsprechende Vorschläge aufgenommen und im Detail ausformuliert, die wir gestern im Rahmen eines Fachgesprächs mit Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen, der Ausländerbeiräte und integrativ arbeitender Einrichtungen vorgebracht haben. Mit dieser Argumentation sehen wir uns ganz nahe beim Antrag der GRÜNEN, dem wir ebenfalls zustimmen.
Der Mensch bringt sogar Wüsten zum Blühen. Die einzige Wüste, die ihm noch Widerstand leistet, befindet sich in seinem Kopf.
Lassen Sie sich doch dabei helfen, die christsoziale Integrations- und Zuwanderungswüste in Ihrem Kopf zu bewässern und stimmen Sie unserem Antrag zu. Danke für die teilweise Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Vogel, Sie haben mit beredten Worten versucht, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion zu bewegen, dem Zuwanderungsgesetz der Bundesregierung in Berlin zuzustimmen. Sie haben das Gesetz unverändert wieder eingebracht; es hat traurige Berühmtheit, und zwar deswegen – daran sieht man, dass Sie vor nichts zurückschrecken –, weil Rot-Grün –
im Bundesrat, Wowereit und Kollegen, versucht haben, ein Gesetz durch Verfassungsbruch in Kraft zu setzen.
Dies alles wird von einer beispiellosen Desinformationskampagne der Bundesregierung und Rot-Grün über den Inhalt dieses Gesetzes begleitet. Sie versuchen, den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land mit millionenschweren Werbekampagnen vorzumachen, dass dieses Gesetz die Zuwanderung in Deutschland begrenzt.
Das Gegenteil ist der Fall. Ich kann nur jedem empfehlen, einen Blick in die Begründung des Gesetzes zu werfen. Sie lässt nicht den geringsten Zweifel über die Ziele der Koalition offen. Darin heißt es wörtlich:
Zu den öffentlichen Interessen gehören im Gegensatz zum geltenden Ausländergesetz nicht länger eine übergeordnete ausländerpolitisch einseitige Grundentscheidung der Zuwanderungsbegrenzung oder der Anwerbestopp.
Sie sagen selbst in der Begründung, Sie wollen keine Zuwanderungsbegrenzung, Sie wollen eine andere Ausländerpolitik. Das ist etwas ganz anderes, als Sie den Menschen in Ihrer Werbekampagne sagen.
Durch dieses Gesetz wird die Zuwanderung in allen Bereichen massiv ausgeweitet. Dies gilt für die Zuwanderung unter Vorgabe humanitärer Gründe ebenso wie für die Arbeitsmigration. Deutschland soll unter Preisgabe seiner Identität in ein multikulturelles Einwanderungsland verwandelt werden.
Insgesamt müssen wir nach In-Kraft-Treten des Gesetzes mit einer Steigerung des jährlichen Zuwanderungssaldos um circa 100000 Personen rechnen. Dies entspricht im Übrigen auch der Einschätzung von Rita Süßmuth und ihrer Kommission, deren Konzeption das Zuwanderungsgesetz fast unverändert übernommen hat. Im langjährigen Durchschnitt haben wir in Deutschland bereits jetzt eine jährliche Nettozuwanderung von 200000 Ausländern. Mit dem neuen Recht würde der Saldo also auf 300000 Ausländer pro Jahr ansteigen. Nach den Berechnungen des Bevölkerungswissenschaftlers Münz von der Humboldt-Universität in Berlin ergäbe sich damit bis 2050 bundesweit ein Ausländeranteil von 18 bis 20%. Zugleich würde der Ausländeranteil in einer Reihe von Städten auf über 50% ansteigen.
(Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Sudeten sind schon da! – Freiherr von Rotenhan (CSU): So was!)
In vielen Großstädten wird schon ab 2010 der Anteil der Zugewanderten bei den unter 40-Jährigen bei mindestens 50% liegen.
Der führende deutsche Bevölkerungswissenschaftler Birg stellt fest, dass durch eine Ausweitung der Zuwanderung in diesem Sinn die deutsche Bevölkerung in vielen Städten und Regionen zu einer Minderheit im eigenen Land werden würde.
Besonders deutlich wird das Täuschungsmanöver der rot-grünen Bundesregierung bei der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt mit der generellen Aufhebung des Anwerbestopps auch für weniger oder nicht Qualifizierte. Vom angeblichen Vorrang einheimischer Arbeitnehmer bleibt hier nicht mehr viel übrig. Darüber hinaus erlaubt die Zuwanderung im Auswahlverfahren – das Kernstück der Neuregelung – die Zuwanderung einschließlich Familiennachzug ohne jede Bedarfsprüfung und sogar ohne jegliches Arbeitsplatzangebot. Das Gesetz sieht künftig für Arbeitsplatzmigration die Möglichkeit einer pauschalen Prüfung aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsausschusses des örtlichen Arbeitsamtes vor; die bundesweite Lage wird nicht mehr berücksichtigt.
Auch in Sachen Asyl sind die Aussagen von Rot-Grün irreführend. Die wichtigste Aufgabe besteht darin, den Zustrom der Asylbewerber abzuwehren, die sich derzeit zu 80%, ja über 90%, zu Unrecht auf das Asylrecht berufen, weil sie sich bei uns – aus ihrer Sicht verständlich – ein besseres Leben erhoffen. Stattdessen eröffnet das neue Recht weitere Anreize zur ungesteuerten Zuwanderung in die Sozialsysteme. Ich nenne hier nur die Härtefallregelung, die ein weiteres Verfahren nach Ablehnung durch die Gerichte ermöglicht. Ich nenne die Erweiterung um den Asylgrund nichtstaatliche oder geschlechtsspezifische Verfolgung.
Selbst Bundesinnenminister Schily hat immer betont, dass er dies nicht für richtig hält und von der Koalition zu diesen Dingen gezwungen wurde.
Das können Sie nachlesen; Schily hat selbst immer betont, dass er es persönlich nicht für notwendig hält, diesen Grund aufzunehmen. Das ist in den Koalitionsverhandlungen erfolgt.
Das künftige Zuwanderungsgesetz schafft die Duldung ab. Es gibt nur noch zwei Möglichkeiten des Aufenthaltsstatus. Das kann dazu führen, dass derjenige, der heute geduldet wird, zukünftig eine befristete Aufenthaltsberechtigung hat und dass es ihm auf diese Weise möglich ist, länger in Deutschland zu bleiben und zudem mit diesem Aufenthaltsstatus, beispielsweise abgelehnter Asylbewerber, auch noch ein Recht auf Familiennachzug geltend machen kann. Das alles wird durch dieses Gesetz ermöglicht.