Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Der Abstimmung zugrunde liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 14/12252, die Änderungsanträge auf den Drucksachen 14/12389, 14/12390 und 14/12405 bis 14/12407 sowie die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes auf Drucksache 14/12638.
Vorweg lasse ich über die vom federführenden Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes zur Ablehnung vorgeschlagenen Änderungsanträge auf den Drucksachen 14/12406 und 14/12407 abstimmen.
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag auf Drucksache 14/12406 abstimmen. Wer entgegen dem ablehnenden Votum des federführenden Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.
Wer entgegen dem ablehnenden Votum des federführenden Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist auch dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Zum Gesetzentwurf empfiehlt der federführende Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes Zustimmung der Maßgabe verschiedener Änderungen. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 14/12638. Wer dem Gesetzentwurf mit den vom federführenden Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes empfohlenen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Dann ist das so beschlossen.
Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, treten wir gemäß § 60 der Geschäftsordnung unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des federführenden Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen bitte ich auf die gleiche Weise anzuzeigen. – Keine. Stimmenthaltungen? – Das sind die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Das Gesetz ist damit so angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher und erziehungsgeldrechtlicher Vorschriften“.
Durch die Annahme des Gesetzentwurfes in der Fassung des federführenden Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes haben die Änderungsanträge auf den Drucksachen 14/12389, 14/12390 und 14/12405 ihre Erledigung gefunden. Das Hohe Haus nimmt davon zustimmend Kenntnis.
zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und zur Beseitigung von Benachteiligung, Diskriminierung und Ausgrenzung (Bayerisches Gleich- stellungsgesetz für Menschen mit Behinderung) (Drucksache 14/7034)
eines Bayerischen Gesetzes zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung und zur Änderung anderer Gesetze (Bayeri- sches Behindertengleichstellungsgesetz und Ände- rungsgesetze – BayBGG und ÄndG) (Drucksache 14/11230)
Änderungsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Schopper, Gote und anderer und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 14/11878)
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute ein Bayerisches Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderung verabschieden, dann war der Weg bis hierhin ein langer und sehr mühsamer. Die Vorgeschichte betrifft die Einfügung des Artikels 3 Absatz 3 in das Grundgesetz – niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden – sowie Artikel 118a der Bayerischen Verfassung: – Menschen mit Behinderung dürfen nicht benachteiligt werden. Der Staat setzt sich für gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung ein.
Das zeigt, wie lange der Prozess gedauert hat. Es ist aber unsere Aufgabe, diese Artikel mit Leben zu erfüllen und den Paradigmenwechsel in der Politik für Menschen mit Behinderung auch in Bayern zu vollziehen. Wir müssen weg von der Fürsorge, hin zum selbstbestimmten Leben. Wir müssen weg vom „wir wissen schon, was für euch gut ist“ hin zu selbst entscheiden und selbstbestimmt und selbstbewusst leben können. Wir merken, allein die Änderung in der Sprache ist enorm. Statt immer von Behinderten zu sprechen, ist jetzt von Menschen mit Behinderung die Rede. Das hat lange Zeit gedauert und hat sich noch lange nicht bei allen durchgesetzt. Das merken wir immer wieder.
Auch wir selbst müssen uns immer wieder kritisch hinterfragen, wie wir mit diesen Begriffen umgehen.
Die Geschichte des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderung ist also eine ziemlich lange. Ich möchte es aber nicht versäumen, sie trotzdem ins Gedächtnis zu rufen. Im Oktober 2000 gab es in Düsseldorf einen Kongress mit ganz konkreten Forderungen nach einem Gleichstellungsgesetz des Bundes und nach Ländergleichstellungsgesetzes. Dazu kamen dann die Entscheidungen auf Bundesebene, das waren drei Gesetzesvorhaben: Erstens: das Gesetz zur Eingliederung von Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Das ist im Jahr 2000 in Kraft getreten. Zweitens: das SGB IX, das 2001 in Kraft getreten ist und drittens: das Bundesgleichstellungsgesetz von 2002. Diese Bundesgesetze müssen auch in Bayern Konsequenzen haben.
Für uns Sozialdemokraten war von Anfang an klar, dass ein Bundesgleichstellungsgesetz allein nicht genügt,
(Beifall bei der SPD – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sonst wird immer auf die Länderhoheit gepocht!)
Das hat auch etwas mit dem Selbstverständnis der Länderparlamente zu tun. Für uns als SPD-Fraktion war es auch von vornherein klar, dass wir ein Landesgleichstellungsgesetz brauchen. Das war auch die Forderung der Verbände, der Wohlfahrtsverbände, der Selbsthilfeorganisationen, der LAGH, des VdK und von vielen anderen Organisationen. Nicht zuletzt war es eine Forderung von Frau Ina Stein, der Behindertenbeauftragen der Bayerischen Staatsregierung.
Wenn man sich bewusst macht, dass acht Prozent der bayerischen Bevölkerung schwerbehindert sind, dann heißt das, jeder bzw. jede zwölfte in Bayern ist betroffen. Das sind etwa eine Million Menschen. Wenn man sich weiterhin bewusst macht, dass davon nur 4,5 Prozent von Geburt an eine Behinderung haben, dann kann von einem Bayerischen Gleichstellungsgesetz, von einem Ländergesetz nur jeder von uns profitieren. Zu dieser einen Millionen Menschen kommen noch die Lebenspartner hinzu, die Kinder, die Eltern, Menschen, die Menschen mit Behinderung unterstützen, mit ihnen leben und mit ihnen arbeiten. Das sind mehrere Millionen Menschen. Das ist, weiß Gott, keine Minderheit.
Menschen mit Behinderung brauchen Teilhabe, brauchen Selbstbestimmung. Sie wollen Ausbildung und Arbeit. Menschen mit Behinderung – das wird immer wieder vergessen – sind ein nicht zu unterschätzender Faktor, denn sie sind auch Arbeitgeber, und sie schaffen auch Arbeitsplätze.
Wie gesagt, der Weg bis heute war sehr lang. Soweit zu kommen, hat sehr vieler Überzeugungsarbeit bedurft, und bedeutete das Bohren dicker Bretter, denn am Anfang, als wir unseren Gesetzentwurf vor sage und schreibe zwei Jahren eingebracht haben, stand die Mehrheit in diesem Hause wie auch die Staatsregierung ihm ablehnend gegenüber. Die Ablehnung war festgemauert nach dem Motto: Das brauchen wir nicht, wir warten ab, was der Bund macht. Mehr brauchen wir nicht. – Langsam hat sich diese Haltung durch viele Initiativen aufgeweicht. Schließlich – und das hängt mit dem September des vergangenen Jahres zusammen – sagte Ministerpräsident Stoiber in einer seiner vielen Regierungserklärungen: Wir machen ein Bayerisches Gleichstellungsgesetz.
Jetzt sind wir also soweit, dass auch die Staatsregierung einen Gesetzentwurf eingebracht hat. Das ist gut, umso mehr, weil wir heute ein Gleichstellungsgesetz verabschieden können. Es ist gut, weil vieles, was wir in unserem Gesetzesentwurf eingebracht haben, im Gesetzentwurf der Staatsregierung übernommen worden ist. Ich hätte mich allerdings noch mehr gefreut, wenn Sie alles übernommen hätten. In diesem Fall hätte ich überhaupt
nichts dagegen gehabt, wenn Sie alles abgeschrieben hätten. Mir ist nicht das Erstgeburtsrecht wichtig, mir geht es darum, dass Menschen mit Behinderung in Bayern eine Verbesserung erfahren.
Ich möchte einige Punkte ansprechen, wo wir große Einigkeit haben. Das ist die Barrierefreiheit, sie ist der Dreh- und Angelpunkt. Aber Barrierefreiheit heißt nicht nur, Stufen und Hindernisse abzubauen. Wir haben neben den sichtbaren Hindernissen auch gewaltige Mengen von unsichtbaren Hindernissen in den Köpfen und bei der Kommunikationsfreiheit von Menschen mit Behinderung.
Wir müssen an das Baurecht, die Bauordnung, den ÖPNV, das Wohnen und all diese Themen herangehen. In der Konsequenz gehört dazu auch eine Änderung in der Architekturausbildung; denn kein gutwilliger Architekt kann barrierefrei und behindertengerecht bauen, wenn er dazu die Grundvoraussetzungen nicht verpflichtend erworben hat. Der Abbau von Barrieren ist nicht nur für Menschen mit Behinderung sinnvoll, sondern auch für Familien, für Menschen, die mit dem Kinderwagen unterwegs sind, für Leute, die schwere Lasten transportieren usw. Wir alle haben etwas davon. Die Gedankenlosigkeit bei der Planung muss deshalb abgebaut werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Zugang zur Kommunikation. Das betrifft vor allem die sehbehinderten, die gehörlosen und die hörgeschädigten Menschen. Wichtig ist zum Beispiel die Anerkennung der Gebärdensprache oder der Kommunikationszugang für sehbehinderte Menschen zu den modernen Technologien. Ganz wichtig wäre, dass die Einrichtung von kommunalen Behindertenbeauftragten künftig nicht mehr freiwillig geschieht, sondern die Kommunen von vornherein verpflichtet werden, die Belange von Menschen mit Behinderung in ihre Planungen aufzunehmen in Form der Kommunalen Behindertenbeauftragten. Ein weiteres wichtiges Thema ist das Verbandsklagerecht und die Berücksichtigung der Belange von Frauen mit Behinderung, da diese sehr häufig eine doppelte Benachteiligung erfahren.
Damit hört es mit den Gemeinsamkeiten schon auf. Mir erschließt sich überhaupt nicht, warum Sie sich nicht trauen, die Gleichstellung für alle Lebensbereiche in dem Gesetz festzuschreiben und unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. In dem Gesetzentwurf der Staatsregierung fehlen leider elementare Punkte für eine echte Gleichstellung. Ich bedauere sehr, dass Sie zwar angelaufen und abgesprungen sind, beim Springen aber gebremst haben und frühzeitig gelandet sind. Warum diese Zögerlichkeit? Warum treffen Sie keine Kernaussage im Gleichstellungsgesetz für Kindergärten oder eine Kernaussage zur Schule?
Sie haben argumentiert, dazu gebe es Einzelgesetze. Dieses Argument greift zu kurz; denn wir haben im Gleichstellungsgesetz eine ganze Latte von Änderungen bei Einzelgesetzen beschlossen. Da Frau Stein heute
hier ist und in der „Süddeutschen Zeitung“ angemahnt und beklagt hat, dass weder im Kindergartengesetz noch im Erziehungs- und Unterrichtsgesetz ein Kernsatz Eingang gefunden hat, möchte ich noch einmal betonen, dass das gemeinsame Lernen, das gemeinsame Erziehen, das gemeinsame Aufwachsen und das gemeinsame Voneinander-Lernen wichtig ist. Dadurch werden Vorurteile abgebaut, ja, sie entstehen überhaupt nicht. Dadurch werden außerdem Barrieren in den Köpfen abgebaut. Kinder mit und ohne Behinderung können unendlich viel voneinander lernen. Ich halte es für falsch, im Gesetzentwurf der Staatsregierung quasi bei der Frühförderung aufzuhören und bei der Änderung im Hochschulgesetz wieder zu beginnen und elementare Bereiche wie Kindergärten und Schulen einfach auszulassen. Sie sollten nicht den Kopf in den Sand stecken und auf Einzelgesetze verweisen.
Das Gesetz und die gesamte Bevölkerung können nur gewinnen, wenn wir diese Kernsätze hineinschreiben. Eine weitere Differenz zwischen uns besteht bezüglich des Landesbehindertenrates. Für uns ist der Landesbehindertenrat eine Stärkung der Selbsthilfe. Diese Stärkung haben wir in unserem Änderungsantrag eingefordert. Die CSU-Fraktion hat einen Änderungsantrag eingebracht, da der Landesbehindertenrat im Gesetzentwurf der Staatsregierung überhaupt nicht vorkam. Sie trauen wieder einmal der Eigenverantwortung und der echten Teilhabe nicht. Nach unserer Auffassung soll der Landesbehindertenrat alle beraten und unabhängig sein. Im Änderungsantrag der CSU-Fraktion wird der Landesbehindertenrat demgegenüber wieder gegängelt und bevormundet, da die Staatsministerin oder der Staatsminister für Soziales den Vorsitz haben wird. Wir wollen außerdem, dass der oder die Behindertenbeauftragte wie der Datenschutzbeauftragte künftig beim Landtag angesiedelt ist.