Protokoll der Sitzung vom 09.07.2003

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekanntgegeben. Wir fahren mit der Behandlung der Dringlichkeitsanträge fort. Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Kellner und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vorziehen der Steuerreform durch Subventionsabbau und Reduzierung des Verwaltungsapparates solide gegenfinanzieren (Drucksache 14/13056)

sowie den nachgezogenen

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Ach, Kupka und anderer und Fraktion (CSU)

Für ein Vorziehen der Steuerreform – aber kein Strohfeuer auf Pump (Drucksache 14/13069)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Das Wort hat Frau Kollegin Kellner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das Vorziehen der Steuerreform – das momentan in aller Munde ist – wird gravierende Auswirkungen auf den bayerischen Nachtragshaushalt 2004 haben. Das war für uns Anlass, heute dieses Thema ins Plenum einzubringen. Wenn ich mir ansehe, was die Staatsregierung und die CSU-Minister dazu verlauten, stelle ich fest, dass dies jeder Beschreibung spottet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da heißt es zum Beispiel: Steuersenkung solide finanzieren. Die CSU-Fraktion hat in der Überschrift ihres Antrags die Worte „aber kein Strohfeuer auf Pump“ verwendet. Ich kann nur sagen: Das sind wohlfeile Schlagzeilen mit keinem Cent dahinter. Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser und liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, deshalb fordern wir Sie heute auf, im Plenum Ihre Finanzierungsvorschläge vorzustellen, die sich bisher immer im Nebulösen verloren haben. Sagen Sie jetzt bitte nicht, das sei Sache der Bundesregierung.

(Dr. Bernhard (CSU): Freilich!)

Herr Kollege Dr. Bernhard, Sie sind zweimal reingefallen. Sie erklären in Ihrem Antrag, dass die Union seit Jahren für spürbare und rasche Steuersenkungen einträte. Das Eintreten finden wir ja gut. Wenn Sie jedoch seit Jahren dafür eintreten, müssen Sie doch eigentlich seit Jahren eine Gegenfinanzierung dafür haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernhard (CSU): Sie haben die Wirtschaft so ruiniert, dass kein Spielraum mehr besteht!)

Das sind die ersten Ausreden aus der ersten PusherBank. Ich finde es auch nett, wie Sie immer den Subventionsabbau beschreiben. Sie sagen immer Ja zum Subventionsabbau. Aber im selben Halbsatz sagen Sie, dass keiner auf etwas verzichten soll. Ich hätte gerne von Ihnen erklärt bekommen, wie das gehen soll. Raus mit Ihren Vorschlägen. Hier und heute schlägt für Sie die Stunde der Wahrheit. Heute wird sich zeigen, ob Sie Reformer oder doch nur Besitzstandswahrer sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernhard (CSU): Das Wort „Regierung“ kommt von regieren! Da muss man selber was tun!)

Was ist denn das für eine Regierung, die sich ständig hinter dem breiten Rücken des Kanzlers versteckt? Ist das hier eine Feiglingsveranstaltung oder was?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zu den Fakten: Die dritte Stufe der Steuerreform wird um ein Jahr vorgezogen. Damit wird vor allem der Mittelstand entlastet – was zu begrüßen ist – und die Bürgerinnen und Bürger. Diese Entlastung erfolgt um ein Jahr früher als ursprünglich vorgesehen. Ihr Kanzlerkandidat hat genau das vor der Bundestagswahl nachdrücklich gefordert. Als Finanzierung hatte er damals einen Subventionsrasenmäher von 10% vorge

schlagen. Außerdem hat er immer wieder bekräftigt, eine Steuerreform auf Pump dürfe es nicht geben. Das sagen Sie heute auch. Jetzt müssen Sie die Karten auf den Tisch legen, Fakten nennen und nicht ständig hin und her zappeln. Sie veranstalten hier ein Rumlavieren, das seinesgleichen sucht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kommt auch draußen so an. Ich habe einmal die Zeitungen durchgelesen. In der „Abendzeitung“ heißt es: „Stoiber gegen seine eigene Idee“. Weitere Überschriften lauten „Stoiber in der Zwickmühle“, „Stoiber im Schwitzkasten“ und „Abenteuerlicher Kurswechsel der CSU“.

Zum Thema Subventionskürzung heißt es in der „tz“:

Die auf dem Tisch liegenden Subventionskürzungen lehnt er auch ab. Stoiber muss jetzt Klartext reden, wo er sparen will. Als beleidigter Nein-Sager kann er im Wahlkampf nicht punkten.

Das ist genau unsere Meinung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Bernhard und Sie, Herr Finanzminister, Sie würden, wenn Sie Mut hätten, noch heute den Menschen vor der Landtagswahl in Bayern reinen Wein einschenken. Mut ist aber ein Fremdwort für Sie geworden. Hier geht es nur noch darum, abzutauchen und sich zu drücken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das fällt auch dem früheren Bundesfinanzminister Theo Waigel auf, der Ihnen ab und zu einmal einen guten Ratschlag gibt, und zwar umsonst, während Kirch zahlen musste. Die Union darf keine Tabus aufstellen, sagt er da. Wie wahr! Ministerpräsident Stoiber aber verweigert sich, macht auf Fundamentalopposition und wartet auf Vorschläge der Bundesregierung. Seine Meinung schaut dann etwa so aus – und Sie schließen sich der Meinung des Ministerpräsidenten an –: erstens ja, zweitens aber, drittens, erst ist der Kanzler am Zug.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So hat es die „Augsburger Allgemeine“ formuliert; ich will hier keine Ideen klauen. Ich sage nur: Welch ein Armutszeugnis für eine Regierung

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernhard (CSU): In Berlin!)

in Bayern und eine Partei, die sonst vor Kraft kaum mehr laufen kann. Da reisen Sie durch die Lande, sprechen von „50 plus x“, und bringen noch nicht einmal einen läppischen Kürzungsvorschlag zustande.

(Hofmann (CSU): Das würde euch so passen, dass wir eure Arbeit machen!)

Da sieht man, wo die „50 plus x“ enden. Herr Hofmann, jetzt, wo es schwierig wird, jetzt, wo Sie Steherqualitäten beweisen müssen, verstecken Sie sich hinter der rotgrünen Bundesregierung. So schaut es mit dem Mut der CSU aus!

(Fortgesetzte Zurufe des Abgeordneten Hofmann (CSU) – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Was würden denn da wir sagen?

(Hofmann (CSU): Macht ihr eure Hausaufgaben!)

Ich habe während meiner 13 Jahre im Landtag doch auch nicht gesagt: Ich lehne alles ab, was von rechts kommt, machen Sie doch Ihre Hausaufgaben.

(Hofmann (CSU): Wir haben unsere Hausaufgaben in Bayern gemacht! – Lebhafte Gegenrufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der SPD)

Wir alle in der Opposition machen Vorschläge, die Sie ablehnen, um sie dann nach einem Jahr zu recyceln und als Ihre eigenen zu verkaufen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

So sind Sie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Finanzminister, es ist schon erbärmlich. In Ihrem Steuerreformkonzept – „Die bessere Alternative“ haben Sie es genannt – haben Sie im Jahr 2000 die Absenkung der Entfernungspauschale gefordert. Jetzt, wo dieser Vorschlag von Rot-Grün kommt, sagen Sie: So eine alte Klamotte. Herr Staatsminister, dann lassen Sie doch das Buch, in dem Sie diese alte Klamotte verewigt haben, aus den Bibliotheken abziehen und einstampfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben mir das Buch ja dankenswerterweise verehrt, so dass ich die Passage auf die Schnelle herauskopieren konnte.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schmeiß es weg! – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Man weiß nie, wofür man solche Belege noch brauchen kann. Ich hebe es lieber noch auf.

Der bayerische Nachtragshaushalt 2004 kann nur dann ohne Erhöhung der Neuverschuldung auskommen, wenn Bayern im Bundesrat dem Abbau von Steuervergünstigungen zustimmt. Sie, Herr Staatsminister, haben doch schon ohne Steuerreform gravierende Probleme damit, den Nachtragshaushalt 2004 auszugleichen.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, Herr Faltlhauser schwätzt!)

Ja, der Minister versucht gerade zu erfahren, wo er noch ein paar Cents herbekommen könnte. Das wird ihm nicht gelingen; Herr Minister, da kann Ihnen auch Ihr Steuerreferent nicht helfen. – Sie müssen jetzt 780 Millionen e in einem Haushalt einsparen, der jetzt schon ein Sparhaushalt ist, der in wichtigen Gruppen, unter anderem bei Zuschüssen an Kommunen und Verbände, bereits eine 20-prozentige Sperre – das ist ein Fünftel – zu verkraften hat. 780 Millionen e sind nur die potenziellen Einnahmeausfälle, die Sie jetzt schon haben; die vorgezogene Steuerreform des Bundes ist darin noch nicht enthalten. Herr Staatsminister Faltlhauser, deshalb fordern Sie ganz richtig – ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung“: