Protokoll der Sitzung vom 09.07.2003

Der Weg, den die Bürgerinitiative vorgesehen hat, nämlich die Untersuchung des höhenfreien Ausbaus der B10, wird auch von meinen Leuten für vernünftig und richtig gehalten. Eine abschließende Entscheidung ist aber noch nicht getroffen worden. Deswegen ist es aus unserer Sicht falsch, wenn wir die andere Maßnahme, die aus unserer Sicht nicht optimal ist, in den „Vordringlichen Bedarf“ aufnehmen. Die Maßnahme, die vor Ort für richtig gehalten wird und die die Oberbürgermeisterin mit dem Runden Tisch auf den Weg bringen will, erscheint uns vorzugswürdig. Ob diese Maßnahme realisierbar ist, muss die weitere Planung ergeben.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Letzte Zusatzfrage: Herr Geiger.

Herr Staatsminister, wenn ich Ihre Aussage richtig werte, könnte man daraus schließen, dass mittel- und langfristig beide Straßen in dieser Form ausgebaut werden?

Die Meinungsbildung ist insbesondere auch vor Ort noch nicht abgeschlossen. Der Runde Tisch hat noch keine abschließende Entscheidung getroffen. Nachdem die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes ein langfristiges Projekt ist, war es sicher vernünftig, dass die Maßnahme in den „Weiteren Bedarf“ aufgenommen werden soll, damit man nicht ganz blockiert ist. Es

besteht vor Ort breite Übereinstimmung darin, dass etwas geschehen muss. Jetzt stellt sich die Frage, ob der Vorschlag des Runden Tisches weiterverfolgt wird. Wenn das erfolgt, halte ich die andere Maßnahme nicht mehr für vernünftig.

Wenn dieser Vorschlag nicht weiterverfolgt wird, müssten wir uns weitere Möglichkeiten ansehen. Ich halte den Weg, den die Oberbürgermeisterin geht, für zweckmäßig, zumal sie sich mit der Einrichtung des Runden Tisches in dieser Frage auch sehr engagiert hat. Wir versuchen, unsere Vorstellungen mit einzubringen. Wir stecken nicht dahinter, dass es vor Ort eine Menge an Ärger gegeben hat. Hier müssen andere Leute und andere Interessen mitgewirkt haben.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Strasser ist jetzt da. Nächste Frage, Herr Strasser.

Frau Präsidentin, ich war immer da!

Herr Staatsminister, warum hat die Staatsregierung, hier das zuständige Innenministerium, den vom Straßenbauamt Neu-Ulm vor Monaten erarbeiteten Vorentwurf der Umfahrung Dillingen/Höchstädt der Bundesstraße 16 noch nicht an das Bundesverkehrsministerium zur Genehmigung weitergeleitet, obwohl auch die Regierung von Schwaben das Projekt bereits geprüft hat?

Frau Präsidentin, Herr Kollege Strasser! Der Vorentwurf des Straßenbauamtes Neu-Ulm für die Umfahrung Dillingen/ Höchstädt im Zuge der Bundesstraße 16 datiert vom 30. Dezember 2002. Er wurde von der Regierung von Schwaben mit Schreiben vom 21. Februar 2003 der Obersten Baubehörde zur Genehmigung vorgelegt. Als Voraussetzung für die Genehmigung ist als nächstes der Sichtvermerk des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen einzuholen. Wegen der zurzeit vordringlichen Fortschreibung des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen war es bisher nicht möglich, den Vorgang mit entsprechend eingehender Begründung dem Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vorzulegen. Dadurch entsteht jedoch keine Verzögerung, weil das Straßenbauamt Neu-Ulm angewiesen wurde, auf der Grundlage des Vorentwurfs unter Berücksichtigung der Prüfbemerkungen der Regierung die Planfeststellungsunterlagen zu erarbeiten.

Im Planfeststellungsverfahren werden das Ergebnis der Raumordnung und die darauf aufbauende Bestimmung der Linie nochmals eingehend überprüft. Dazu muss das Straßenbauamt Neu-Ulm eine alternative Südumfahrung von Höchstädt eingehend untersuchen, die in jüngster Zeit von einer starken Bürgerinitiative aus dem Höchstädter Stadtteil Deisenhofen mit Nachdruck gefordert wird. Hinzu kommt, dass die Wasserwirtschaftsverwaltung aufgrund des Hochwassers an Pfingsten 1999 den Hochwasserschutz an der Donau im Bereich Höchstädt verbessern muss. Denkbar wäre, falls neue Deiche an der Donau südlich Höchstädt angelegt werden müssen, diese ähnlich der B 19 im Bereich der Oberen Iller bei Immenstadt mit einer Südumfahrung der B 16 zu kombi

nieren. Sollte von der Wasserwirtschaftsverwaltung eine derartige Lösung angestrebt werden, wäre in jedem Fall mit zeitlichen Verzögerungen zu rechnen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Gibt es Zusatzfragen? – Herr Winter.

Herr Staatsminister, können Sie zustimmen, dass derzeit kein Anlass besteht, das gemeinsame Planfeststellungsverfahren für Dillingen/Höchstädt abzukoppeln?

Nein. Ich habe doch gesagt, dass wir verlangt haben, das Planfeststellungsverfahren vorzubereiten und zu beantragen, auch wenn der Vorentwurf formell noch nicht genehmigt ist. Dazu sind erhebliche Arbeiten gemäß den Prüfbemerkungen der Regierung durchzuführen. Es gibt Verfahren, die schnell und einfach sind. Andere Verfahren sind von der Sache und der Natur her leider sehr kompliziert. Letzteres ist hier der Fall. Deswegen muss dieses Verfahren sorgfältig durchgeführt werden. Es dauert einige Zeit, aber es läuft. Wir sind dabei, die unterschiedlichen Alternativen im Rahmen der Erarbeitung der Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren zu überprüfen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Herr Staatsminister. Damit ist die Zeit für die Fragestunde vorbei. Wir fahren fort in der Tagesordnung.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 3

Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden gemäß § 86 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag

Gemäß unserer Geschäftsordnung ist der Vollversammlung über die Behandlung der Petitionen jeweils für die Hälfte der Wahldauer des Landtags mündlich zu berichten. Die Berichterstattung obliegt federführend dem Vorsitzenden des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden. Ich erteile hierzu das Wort dem Vorsitzenden, Herrn Abgeordneten Schindler.

(Mehrlich (SPD): Jetzt haben Sie mir meine letzte Frage in diesem Parlament nicht mehr gegönnt, obwohl noch drei Minuten Zeit gewesen wären!)

Schindler (SPD). Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Petitionen können nicht im Mittelpunkt der Arbeit eines selbstbewussten Landesparlaments stehen, sie sind aber mehr als nur ein lästiges Anhängsel.

Selbstverständlich muss in einem Landesparlament, gerade wegen der zunehmenden Undurchsichtigkeit politischer Entscheidungen, der Verschränkung politischer Entscheidungsebenen und allenthalben spürbarer Finanznöte die Debatte über grundsätzliche Fragen und Lösungsmöglichkeiten auf Landesebene das Bild unse

rer Arbeit prägen. Petitionen sind bei diesem Verständnis unserer parlamentarischen Arbeit aber keine lästigen Einmischungsversuche der Bürgerinnen und Bürger, die möglichst schnell und geräuschlos erledigt werden sollen, sondern sind – wie es einmal ausgedrückt worden ist – die wichtigste Nebensache unserer Arbeit. Sie bringen Leben in das Parlament, sind oft Seismograf für aufkommende Probleme und geben gelegentlich wertvolle Anregungen für weiter gehende parlamentarische Initiativen.

Deshalb möchte ich zu Beginn meines Berichts nicht nur allen Kolleginnen und Kollegen für ihre Mühen bei der Behandlung von Petitionen danken, sondern auch den Petenten für das Vertrauen, das sie dem Parlament entgegenbringen, wenn sie sich mit einer Bitte, einer Beschwerde oder auch einer Anregung an uns wenden, und für die Hilfestellung, Entscheidungen der Regierung zu korrigieren, –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

wie es zum Beispiel bei der Problematik der Beihilfe für Angestellte geschehen ist. Natürlich war es auch in dieser Legislaturperiode nicht möglich, alle Erwartungen zu erfüllen. Schließlich können und wollen wir keine SuperRevisionsinstanz sein. Es gibt im Übrigen auch keinen Erfahrungssatz, dass Petitionen immer und von Haus aus berechtigt sind. Wir haben also auch viele Bürgerinnen und Bürger enttäuschen müssen, weil wir ihrem Anliegen nicht zum gewünschten Erfolg verhelfen konnten. Wichtig war aber, dass wir den Menschen das Gefühl vermittelt haben, dass ihr Anliegen ernsthaft geprüft wird: nicht im Sinne einer juristischen Begutachtung – das können andere vielleicht sogar besser als wir –, sondern im Hinblick auf praktikable Lösungen, oft in einem Geflecht von Interessen. Ich meine, das kann keine Instanz besser als die Volksvertretung. Jedenfalls brauchen wir einen Vergleich mit Beschwerdeinstanzen in der Privatwirtschaft oder irgendwelchen BeschwerdeHotlines und Fernseh-Ombudsleuten nicht zu scheuen.

Wenn Sie einen Blick auf das vorliegende Zahlenmaterial werfen, das Herr Segl vom Ausschussdienst wieder präzise aufbereitet hat,

(siehe Anlage 2)

dann stellen Sie fest, dass die Gesamtzahl der Eingaben in dieser Legislaturperiode erstmals seit der 12. Wahlperiode rückläufig ist. In der nunmehr fünfjährigen Legislaturperiode hatten wir nicht einmal so viele Eingänge wie ansonsten in vier Jahren. Der Rückgang hat sicherlich vielfältige Ursachen und ist kein bayerisches Phänomen, sondern wird in den meisten anderen Landtagen ebenso festgestellt wie im Bundestag. Eine Erklärung für den Rückgang ist sicherlich, dass wir in dieser Periode eine Vielzahl von Massenpetitionen mit bis zu 48000 Unterschriften und dafür weniger einzelne Eingaben hatten. Ein weiterer Grund liegt darin, dass die Zahl der Eingaben von Ausländern, insbesondere von Bürgerkriegsflüchtlingen, obwohl immer noch 1805, drastisch zurückgegangen ist, weil die meisten Flüchtlinge aus Bosnien und dem Kosovo zurückgekehrt oder weiter gewandert

sind. Der ebenfalls signifikante Rückgang von Baurechtspetitionen mag auf den Rückgang der Bautätigkeit insgesamt zurückzuführen sein; eine schlüssige Erklärung fehlt allerdings. Für die Vermutung aber, dass der Rückgang der Anzahl der Petitionen Ausdruck eines gesunkenen Vertrauens in das Parlament sei, gibt es keinen stichhaltigen Beleg. Der Blick auf die Statistik zeigt, dass uns weit mehr Eingaben aus Oberbayern erreicht haben, als es dem Bevölkerungsanteil entspricht. Die Franken und Schwaben waren wiederum zurückhaltender mit Eingaben, was sicherlich etwas mit dem Sitz des Parlaments zu tun hat. Das gleiche Phänomen ist auch in Berlin zu beobachten. Erfreulich ist, dass die Zahl der positiven Erledigungen insgesamt gegenüber der letzten Wahlperiode leicht gestiegen ist und nun 32,4% beträgt. In vielen Fällen müsste allerdings noch genauer untersucht werden, ob auch die Petenten die Erledigung als so positiv empfunden haben wie wir.

Recht gering ist auch in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode die Zahl der Berücksichtigungsbeschlüsse geblieben. Die prozentualen Anteile sind von Ausschuss zu Ausschuss höchst verschieden und reichen von 0,6% im Innenausschuss über 2% im Hochschulausschuss bis zu 11,2% im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes. Auch die Gründe hierfür sind höchst differenziert zu betrachten. Die Unterschiede haben natürlich etwas mit den jeweiligen Sachthemen zu tun: Fast die Hälfte aller Berücksichtigungsbeschlüsse im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes haben Fragen der Beihilfen für Angestellte betroffen. Es fällt im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes offensichtlich viel leichter, bei allgemeinen Personalfragen Berücksichtigung zu beschließen, als bei Fragen des Strafvollzugs oder Ausländerangelegenheiten, wo wir es nicht nur mit starren Fronten zwischen den Fraktionen, sondern meistens mit ausprozessierten Fällen ohne eigene Regelungskompetenz des Freistaates zu tun haben.

Beim Zwischenbericht über das Petitionsgeschehen habe ich im März 2001 angekündigt, dass ein Gesetzentwurf zur Reform des Petitionsrechts eingebracht werden wird. Die SPD-Fraktion wollte damit nach der Verfassungsänderung von 1998, als ein neuer Artikel 115 Absatz 2 mit einer Ermächtigungsgrundlage für das Petitionsrecht in die Bayerische Verfassung eingeführt worden ist, erreichen, dass die Sachaufklärungsinstrumente der Ausschüsse, insbesondere das Akteneinsichts- und das Auskunftsrecht als Rechte des Landtags normiert werden, damit der Landtag bei der Behandlung von Petitionen nicht länger auf die Gnade oder die Selbstverpflichtung der Staatsregierung angewiesen ist.

Daneben war auch geplant, das Petitionsrecht übersichtlicher zu gestalten und das unsystematische Nebeneinander von Petitionsgesetz und Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag zu überwinden. Obwohl der Landtag bei den Bürgerinnen und Bürgern diesbezüglich im Wort stand, ist es leider anders gekommen, weil sich die Mehrheit leider nicht zu einer gesetzlichen Verankerung des Akteneinsichts- und Auskunftsrechts und schon gar nicht zur Ausgestaltung als Minderheitenrecht durchringen konnte. Damit sind wir gegenüber den anderen Landtagen und dem Bundestag, bei denen die genannten Rechte seit Jahren eine Selbstverständlich

keit sind, weit zurückgefallen und liegen zusammen mit Hessen auf dem letzten Platz.

Angesichts der offensichtlich tief sitzenden Ängste der Staatsregierung und der Mehrheitsfraktion vor dem Schreckgespenst des ständig Akten anfordernden und alles untersuchenden Landtags, war es doch erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit später das so genannte Parlamentsinformationsgesetz beschlossen worden ist. Dieses Gesetz begründet ebenfalls eine Pflicht der Staatsregierung, den Landtag über bestimmte Gesetzesvorhaben und vor allem Bundes- und Europaangelegenheiten zu unterrichten. Ich begrüße natürlich dieses Gesetz, kann aber vor diesem Hintergrund die geradezu anachronistische Haltung zu Informationsrechten des Landtags bei der Behandlung von Petitionen nicht verstehen. Der neue Landtag sollte schon im eigenen Interesse, um nicht länger Bittsteller neben dem Bittsteller sein zu müssen, –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

unbedingt nachbessern. Dann könnten auch die sonstigen Reformvorschläge, wie die Zusammenfassung aller Unzulässigkeitstatbestände im Gesetz, die Regelung der Drittbeteiligung am Petitionsverfahren – was insbesondere bei baurechtlichen Eingaben eine große Rolle spielt – und das schwierige Problem des Verwaltungsvollzugs trotz Vorliegens von Petitionen, nicht nur im Baurecht, sondern insbesondere auch bei Ausländerpetitionen, einer Neuregelung zugeführt werden. Ich werde auf die Notwendigkeit von Reformen schon wegen der Verkleinerung des Landtags am Schluss meiner Ausführungen noch einmal zurückkommen und wende mich jetzt der Tätigkeit des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden zu.

Trotz des auffallenden Rückgangs der Fallzahlen betrafen über 40% der Eingaben das Ausländerrecht. Es waren nicht nur viele Fälle, sondern es waren jeweils auch Schicksale, mit denen wir uns beschäftigen mussten. Obwohl jeder Fall für sich zu beurteilen war, können doch Typisierungen vorgenommen werden: Breiten Raum nahmen Eingaben von Bürgerkriegsflüchtlingen ein, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht in ihr Heimatland zurückkehren wollten. Auffallend ist hier die große Zahl von Eingaben von Arbeitgebern ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich dafür eingesetzt haben, dass ihr jeweiliger Mitarbeiter oder ihre jeweilige Mitarbeiterin hier bleiben dürfen. Ebenso auffallend und gleichermaßen auch bedrückend ist der hohe Anteil von Eingaben, bei denen es um Kinder ausländischer Eltern ging, die hier in Bayern geboren worden sind, und nun mit ihren Eltern, die jahrelang geduldet worden sind, aus welchen Gründen auch immer, in eine für sie völlig fremde Heimat zurückkehren sollen. Signifikant ist auch die Zahl der Eingaben, mit denen die Anerkennung als Altfall nach den IMK-Beschlüssen begehrt worden ist. Dazu kam noch eine kleine Zahl von reinen Asylfällen und von Eingaben mit vertriebenenrechtlichem Hintergrund.

Unsere Handlungsmöglichkeiten diesbezüglich waren denkbar gering. Zum einen fehlte es meistens an einer

originären landesrechtlichen Zuständigkeit, sodass wir uns mehrfach damit behelfen mussten, Eingaben an den Deutschen Bundestag zu verweisen, zum anderen fehlte es aber auch an Bereitschaft im Petitionsausschuss, nach unkonventionellen Lösungen im Einzelfall zu suchen. Wenngleich allerorten von Deregulierung und Staatsvereinfachung die Rede ist, so gibt es offensichtlich beim Vollzug des Ausländerrechts keinen politischen Willen, auch einmal fünfe gerade sein zu lassen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es wird Sie nicht wundern, dass ich deshalb bedauere, dass das Gesetz zur Neuregelung der Zuwanderung bis heute nicht zu Stande gekommen ist, das zumindest für einen Teil der sich länger bei uns aufhaltenden Ausländer eine Lösung gebracht hätte.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe deshalb auch nur wenig Verständnis dafür, wenn Ausländereingaben unter Hinweis auf die Zuständigkeit des Bundes mit Bedauern abgelehnt und gleichzeitig alle Bemühungen des Bundes um eine Reform blockiert werden. Ich hoffe dennoch, dass es in absehbarer Zeit zu einer am Gebot der Vernunft, aber auch der Menschlichkeit orientierten Neuregelung der Zuwanderung kommt.

Erheblich eingeengt haben uns aber auch die Beschlüsse der Innenministerkonferenz zur Rückführung von Bürgerkriegsflüchtlingen und zwischenstaatliche Abkommen zum Beispiel über die Rückführung von Vietnamesen. Gelegentlich peinlich war es aus meiner Sicht zu erleben, wie in manchen, nicht in allen Ausländerämtern versucht worden ist, das Entstehen sogenannter Altfälle zu verhindern, und wie viele Fälle zwischen Ausländeramt und Arbeitsamt hin- und hergeschoben worden sind, wenn das Ausländeramt nur dann einen verfestigten Aufenthaltsstatus zugebilligt hat, wenn eine Arbeitserlaubnis vorlag und umgekehrt die Arbeitsverwaltung keine Arbeitserlaubnis erteilt hat, wenn nur eine ausländerrechtliche Duldung vorhanden war. Hier wäre Mut zur Deregulierung und Kreativität gefragt gewesen, ging es doch in allen Fällen um menschliche Schicksale.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich nun zu einigen Beispielen kommen. Ein jugoslawischer Staatsbürger albanischer Staatszugehörigkeit hat seit neun Jahren in einem Betrieb zur Herstellung von Motorsegelflugzeugen in Oberbayern zur vollsten Zufriedenheit des Unternehmers eine Spezialtätigkeit, nämlich das Bespannen und Cellonieren der Flugzeuge ausgeübt. Gerade für solche Spezialtätigkeiten hat das Arbeitsamt keine passende Schublade, in die dieser Fall passt, sodass das für die Arbeitsgenehmigung erforderliche öffentliche Interesse verneint worden ist. Leidtragende sind nicht nur der ausländische Arbeitnehmer und seine Familie, sondern eben auch ein mittelständisches Unternehmen mit 18 Mitarbeitern, das nun mit großem Aufwand eine Ersatzkraft suchen und einar

beiten muss. Wegen der ablehnenden Haltung der Arbeitsverwaltung konnten wir nicht mehr als eine Verzögerung erreichen und haben die Eingabe deshalb zuständigkeitshalber an den Bund abgegeben.

Natürlich gab es auch schlicht egoistisch motivierte Eingaben von Unternehmen zu Gunsten ihres jeweiligen ausländischen Mitarbeiters. Dennoch kann nicht übersehen werden, dass wir uns durch eine allzu starre Reglementierung selbst Schwierigkeiten machen und dass hier ein lohnendes Feld für die oft beschworene Deregulierung wäre.

Ein größerer Entscheidungsspielraum wäre auch in den Fällen nötig, in denen es um den Schutz ausländischer Frauen nach Trennung oder Scheidung geht. Der einschlägige §19 des Ausländergesetzes ist zwar geändert worden, so dass bereits nach zweijährigem Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft oder bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der Frauen entstehen kann. Trotzdem hatte sich der Ausschuss mit einer Reihe von schwierigen Fällen zu befassen. So zum Beispiel mit einer bulgarischen Staatsangehörigen, die bei uns als Altenpflegerin arbeitet. Sie hat sich von ihrem zweiten Ehemann, einem Deutschen, getrennt, weil sie von Ihm geschlagen wurde. Im Falle der Rückkehr nach Bulgarien sieht sie sich von ihrem dort lebenden ersten Ehemann bedroht. Die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung aufgrund der Arbeitsaufenthaltsverordnung wurde abgelehnt, da ein diesbezügliches Abkommen mit Bulgarien nicht besteht. Der Fall fand schließlich erst dadurch einen positiven Abschluss, dass die Petentin nun von einem deutschen Mann ein Kind erwartet und sie bei deutscher Staatsangehörigkeit des Kindes ein Aufenthaltsrecht bekommen kann.