Wir müssen die politischen Kampagnen dagegen weiter fortsetzen. Eines muss klar sein: Drogen werden immer zu unserer Gesellschaft gehören. Wir müssen den Jugendlichen klarmachen, dass der Gebrauch von Drogen keine Problemlösungsstrategie ist, dass Suchtmittel nicht die gewünschte Coolness bringen und die Anerkennung meist nur von kurzer Dauer ist.
Wirklich erschüttert haben mich die Zahlen in der Interpellation zum sexuellen Missbrauch. Dafür darf es null Toleranz – diese Vokabel nehme ich sonst nicht so gerne in den Mund – geben. Alle demokratischen Kräfte in diesem Haus müssen die gesellschaftliche Ächtung von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen als Signal nach außen geben. Diese Zahlen sind alarmierend. Das Material zeigt eine deutliche Zunahme von sexuellen Missbrauchsdelikten an Kindern, darunter auch besonders schwere Fälle. 1998 waren es zumindest in der PKS-Statistik 54 Fälle, im Jahr 2000 schon 253. Ich hätte gerne eine Erklärung, worauf das Innenministerium diesen Anstieg zurückführt, ob nun die Dunkelziffer zurückgegangen ist oder ob sich das Anzeigeverhalten verändert hat.
Es muss klar sein: Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren sind am meisten gefährdet. Es sind nicht nur die Mädchen, sondern auch die Jungen, die in der potenziellen Gefahr von sexuellem Missbrauch stehen. Man darf nicht davor zurückscheuen, sexuellen Missbrauch zu ächten. Ein Instrument ist die Kampagne „Kinder sind unschlagbar“, die vorhin angesprochen wurde. Wir müssen deutlich machen, dass sexueller Missbrauch ein Überschreiten aller Grenzen ist. Allein der Gedanke daran treibt mir die Zornesröte ins Gesicht.
Mit ihrer Antwort zum Thema Mitbestimmung zeigt die Staatsregierung auch dort, dass sie der Häuptling mit zwei Gesichtern ist. Die Staatsregierung ist ganz begeistert, wenn auf kommunaler Ebene Kinder- und Jugendvertretungen eingerichtet werden; laut Staatsregierung hat sich die Tätigkeit der vielen Kinder- und Jugendbeauftragten bewährt. Diese Euphorie erscheint mir nicht ganz verständlich, wenn ich daran zurückdenke, wie unser Antrag auf Einrichtung eines Kinderbeauftragten ohne großes Federlesen abgelehnt wurde. Wir wollten eine Lobby für Kinder auf Landesebene, ob nun als Ombudsmann oder als Ideengeber, um die Kinderpolitik in verschiedensten Bereichen voranzubringen. Die Behindertenbeauftragte ist ein positives Beispiel, das als Vorbild für einen Kinderbeauftragten oder eine Kinder
Kinder sind unsere Zukunft – das wird immer wieder gerne formuliert –, aber es ist noch ein weiter Weg zurückzulegen, bis unser Alltag und unsere Gesellschaft kinderfreundlicher gestaltet sein wird. Ich nenne nur die Stichworte Toleranz auf Spielplätzen, Toleranz gegenüber Kindern und Jugendlichen in Räumen. Wir müssen Kinder fördern und fordern, müssen ihnen Schutzräume geben und die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz stärken. Es liegt noch ein steiniger Weg vor uns, bis die Mitwirkung von Eltern in Schulen nicht als Einmischung betrachtet wird und sie als Erziehungspartner ernst genommen werden.
Frau Ministerin, Sie haben schon im Sozialbericht die Botschaft ausgesandt: Wir jammern hier auf hohem Niveau; Kinderarmut und Bildungsnotstand in der Dritten Welt wären doch noch viel schlimmer.
Dieser Appell erinnert mich daran, wie die Eltern in der Jugend immer dann, wenn man nicht aufgegessen hat, gesagt haben: Denk an die Kinder in Afrika, die haben gar nichts zu essen. Es ist völlig unbestritten, dass es eine Katastrophe ist, dass ein Großteil der Kinder in Afrika keine Chance auf Bildung hat, dass Armut und Reichtum dort noch weiter auseinanderklaffen. Dagegen wollen wir auch politisch agieren. Armut wird aber immer individuell und in Relation zu den hiesigen Verhältnissen erlebt. Kinder, die nicht an Klassenausflügen teilnehmen können, die nicht zu Kindergeburtstagen gehen können, weil sie kein Geschenk haben, empfinden ihre persönliche Situation als schmerzlich und sehen klar ihre Defizite. Da Sie schon Ihr Herz für die Dritte Welt entdeckt haben, hätten Sie auch unseren Antrag auf eine Kampagne gegen ausbeuterische Kinderarbeit unterstützen müssen und ihn nicht mit hanebüchenen Argumenten ablehnen dürfen.
Es gibt das Lied von Herbert Grönemeyer „Kinder an die Macht“. Manchmal denke ich mir angesichts der Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause, dass das eine wunderbare Alternative wäre.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei der Staatsregierung dafür bedanken, dass sie die von uns eingereichte Interpellation zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Bayern derart zügig und umgehend beantwortet hat, dass wir sie heute in unserer letzten Vollversammlung in dieser Legislaturperiode diskutieren
können. Offensichtlich hat die Staatsregierung aus der verheerenden Debatte über den Sozialbericht gelernt, als der Wahlkampf von der Weigerung, unliebsame Wahrheiten zur Kenntnis zu nehmen, überschattet war. Das ist eine positive Entwicklung.
Herr Kollege Unterländer, Sie wissen, dass ich Sie schätze; das betone ich hier nochmals. Ich schätze Sie auch aus der Zeit, als Sie Mitarbeiter in der CSU-Stadtratsfraktion waren und ich Stadträtin war. An dieser Stelle kann ich sagen, dass Sie sich auch seinerzeit vehement nicht nur für die Realisierung von mehr Kinderkrippen eingesetzt haben, sondern auch dazu beigetragen haben, dass die pädagogische Qualifikation der Mitarbeiter in den Krippen durch das so genannte BellerProjekt von Staatsregierung, Stadt und Bund wesentlich verbessert worden ist. Umso trauriger bin ich, wenn ich erleben muss, was Sie hier vortragen, was Sie auch soeben wieder zum Ausdruck gebracht haben. Wir haben doch viel Positives auf den Weg gebracht, zum Beispiel – jetzt zitiere ich Sie – die Beteiligung von Kindern, etwa durch Kinderforen. Auf Stadtratsebene gibt es Kinderforen, aber sie wurden von der Landeshauptstadt München initiiert, nicht von der Bayerischen Staatsregierung, auch nicht von Ihnen selbst, Herr Kollege Unterländer.
Das wäre auch Aufgabe der Staatsregierung. Die Initiative, die Sie seinerzeit im Stadtrat gezeigt haben, sollte auf dem Weg hierher nicht gemindert worden sein.
Mit diesem Bericht verhält es sich anders als mit dem Sozialbericht, was mit Sicherheit auch daran liegt, dass die momentane Situation, in der sich Kinder und Jugendliche in Bayern befinden, in den Augen der Staatsregierung wahrhaft rosig zu sein scheint. In den Augen der Staatsregierung! Beim Lesen der Beantwortung der Interpellation kam ich beinahe zu der Auffassung, die Arbeit der SPD im Arbeitskreis Kinderpolitik wäre überflüssig gewesen, weil die Kinder und Jugendlichen in Bayern in einer heilen Welt leben.
Die Wirklichkeit ist aber anders. Die in dieser Beantwortung dargestellte Realität ist einseitig und kontrastiert mit den Erfahrungen, die ich seit zehn Jahren in meiner Kindersprechstunde mache. Ich möchte ein Beispiel nennen. In einem Gespräch, das ich mit 14-jährigen Kindern führte, sagten sie mir: Wir würden gerne andere Kinder zu unserem Geburtstag einladen, aber wir trauen uns nicht, weil diese Kinder aus einer anderen Schicht mit anderen Wohn- und Lebensverhältnissen kommen.
Wenn sie sehen, wie es bei uns ist, habe ich einen schweren Stand in der Klasse. Das ist vielfach die Realität, die in dem Armutsbericht deutlich wird. Ich muss sagen, in einer rosigen Welt leben unsere Kinder und Jugendlichen in Bayern vielfach nicht.
Ich komme zu einem Besorgnis erregenden Vorfall, der sich in der letzten Woche abgespielt hat. Ich möchte das
Thema bewusst ansprechen, weil es mit der gesamten Problematik zusammenhängt. Es geht um den Selbstmord eines Schülers in Coburg. Das ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Bis heute konnte niemand eine Ursache für das Verhalten der Kinder finden. In einem derartigen Fall, der uns zu denken geben sollte, geht es darum, kritisch nachzufragen, was läuft an unseren Schulen. Wo ist die Selbstbeteiligung der Schülerinnen und Schüler, die dadurch Eigenverantwortung lernen könnten? Wo stärkt man die Lehrerinnen und Lehrer, indem man sie auch in der Schule ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen lässt? Wo werden Gelder an die Schulen gegeben, die in eigener Verantwortung verteilt werden können, so wie es Schüler und Lehrer vereinbaren? Das alles hängt sehr wohl damit zusammen, wie viel Verantwortung man an die Schule delegiert und wie man Schülerinnen und Schüler aktiv beteiligt.
Herr Kollege, ich bin sogar stolz darauf, in diesem Punkt schwachsinnig zu sein, und ich werde es bleiben.
Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass die Situation, die in der Interpellation deutlich wird, auch damit zu tun hat, wie es um unsere Wertschätzung von Kindern und Jugendlichen bestellt ist. Darum geht es in erster Linie. Ich zitiere einen Psychologen namens Prof. Lössl, der zu der Situation gesagt hat, noch wichtiger ist ein gesellschaftlicher Dialog über Kinder. Genau einen solchen Dialog haben wir mit vielen Anträgen hier im Landtag auf den Weg bringen wollen.
Kinder brauchen Zeit und Freiräume. Eltern müssen Zeit für ihre Kinder haben. Die Meinung des Ministerpräsidenten, entweder einem Beruf nachzugehen oder Kinder zu erziehen, zeigt eine Einstellung von gestern. Heute geht es darum, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Berufstätigkeit und Kindererziehung vereinbart werden können. Dieses zu unterstützen heißt, die Ganztagsschule einzuführen, die Lehrpläne umzukrempeln und – Frau Stewens – die Bildungspolitik mit der Sozialpolitik zu verbinden und als Querschnittsaufgabe zu betrachten.
Auch wenn man die Verbesserung der Bedingungen für Kinder als wichtige gesellschaftliche Aufgabe sehen kann, muss die Politik in Bayern ihre originäre Aufgabe erfüllen und endlich angemessene Rahmenbedingungen für die Kinder in Bayern schaffen. Der Hauptaspekt,
den wir bei der Sozialpolitik nicht vergessen sollten, ist aber der, Kinder und Jugendliche als eigenständige Persönlichkeiten wahrzunehmen, weshalb wir – dafür bedanke ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen – die Kinderrechte in die Bayerische Verfassung einbringen wollten.
(Zuruf von der CSU: Gott sei Dank! – Frau Steiger (SPD): Schämen Sie sich! – Weitere Zurufe von der SPD)
Kollegen und Kolleginnen, ich möchte Ihnen noch eines mit auf den Weg geben. Ich möchte Sie bitten, die Freizeitangebote den Bedürfnissen der Kinder entsprechend auszugestalten, endlich den Mut zu haben, die Ganztagsschule zu realisieren, und endlich dazu beizutragen, eine Kinderbeauftragte in diesem Hause zu installieren. Damit könnten Sie Ihre Lippenbekenntnisse in die Realität umsetzen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im Jahr 1998 – also vor der letzten Landtagswahl – hat die SPD eine Interpellation zu Kindern eingebracht, die deckungsgleich ist mit der Interpellation, die sie jetzt wieder vor der Landtagswahl in den Bayerischen Landtag eingebracht hat. Auch in dieser Interpellation 1988 wurden bereits die günstigen Rahmen- und Lebensbedingungen für Kinder und Familien aufgezeigt. Diese Einschätzung ist nach wie vor gültig. Ich möchte das an drei Beispielen aufzeigen.
Erstens. Die Lebensbedingungen der Kinder werden wesentlich durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Familien bestimmt. Die Chancen, ein auskömmliches Familieneinkommen zu erzielen, sind in Bayern besser als in den meisten anderen Ländern Deutschlands; denn wir haben die höchste Frauenerwerbsquote, die niedrigste Sozialhilfequote und ein Landeserziehungsgeld, das beispielhaft und das höchste in allen Flächenländern ist. Damit können Sie von Rot-Grün dort, wo Sie das Sagen haben, nicht mithalten.
Zweitens. Die Eltern müssen in freier Entscheidung bestimmen, ob und gegebenenfalls wie sie Familie und Erwerbstätigkeit miteinander in Einklang bringen wollen. Um diese Wahlfreiheit tatsächlich zu schaffen, wurde der Ausbau der kindgerechten Betreuungsangebote intensiviert. Wenn Sie, liebe Vorrednerinnen, das in Abrede stellen und sagen, es wäre höchste Zeit gewesen, dann muss ich darauf hinweisen, einen solchen Kraftakt, 313 Millionen e zu investieren, schafft kein anderes Bundesland.
Nein, nein. Die Frauenerwerbsquote in Bayern ist nach wie vor die höchste in Deutschland. Das heißt, die Bedingungen für eine hohe Frauenerwerbsquote sind in Bayern gut, sonst hätten wir nicht so hohe Zahlen vorzuweisen.
Drittens. Wie die Ergebnisse der Pisa-Studie belegen, liegen die Bildungsangebote für die bayerischen Kinder und Jugendlichen an vorderster Stelle. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich wundere mich immer wieder, welch seltsame Verdrängung Sie hier betreiben, wenn die Ergebnisse der Pisa-Studie auf den Tisch kommen und zur Diskussion gestellt werden. Sie müssen akzeptieren, dass wir in Bayern im vorderen Drittel liegen, und das als einziges Bundesland, während Sie dort, wo Sie an der Regierung sind, diese Ergebnisse nicht vorzuweisen haben. Nachdem Bildungspolitik Ländersache ist, müssen Sie sich das schon ankreiden lassen.
(Beifall bei der CSU – Frau Radermacher (SPD): Wenn Sie die Studie gelesen hätten, würden Sie nicht einen solchen Blödsinn erzählen!)
Entschuldigung, Frau Kollegin, die Pisa-Studie ist doch nicht von der CSU erstellt worden, sondern es waren unabhängige Fachleute, die diese Ergebnisse festgestellt haben. Diese Fachleute haben auch festgestellt, dass die Förderung von ausländischen Kindern in Bayern wesentlich besser ist als die Förderung von deutschen Kindern in einigen Bundesländern, in denen Sie an der Regierung sind. Das müssen wir auch einmal festhalten.
Obwohl Pisa gute Ergebnisse gezeitigt hat, haben wir einige Verbesserungen auf den Weg gebracht. Ich erinnere an die Sprachlernklassen. Hundert sind bereits eingerichtet, weitere hundert kommen hinzu. Die Sprachstandsdiagnosen im Kindergarten sind ein ganz wesentlicher Faktor. Sie haben früher in Abrede gestellt, dass man die deutsche Sprache lernen müsse, um Integrationschancen zu haben. Mittlerweile wird das Gott sei Dank von Ihnen akzeptiert. Darüber brauchen wir nicht mehr zu diskutieren.