Sie haben das Beispiel einer Teilhauptschule angeführt, die aufgelöst wurde. Ich nehme das einmal so als Tatsache, wie Sie das dargestellt haben. Sie sagen, die Auflösung sei eine Folge der sechsstufigen Realschule gewesen. Herr Kollege Odenbach, die Auflösung war wohl in erster Linie auf die demografische Entwicklung in dieser Schule zurückzuführen. Möglicherweise haben einige Übertritte dazu geführt, dass die Mindestschülerzahl von 15 nicht mehr zusammenkam. Herr Kollege Odenbach, was wäre denn bei dem Modell geschehen, das Sie so unterstützen? Da betreiben Sie Augenwischerei.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Odenbach?
Nach Ihrer Darstellung würde die Aufbaustufe die kleinen Schulen retten. Ich sage Ihnen: Die Aufbaustufe, kombiniert mit dem uneingeschränkten Elternwillen, wird viel stärker zur Gefährdung der Existenz kleiner Schulen führen als die Einführung der sechsstufigen Realschule. Die Erfahrungen in Rheinland-Pfalz und in Hessen sprechen eine ganz deutliche Sprache. Herr Kollege Odenbach, als 1990/1991 in Rheinland-Pfalz der Elternwille für den Wechsel in andere Schullaufbahnen freigegeben wurde, ging die Zahl der Kinder, die nach der Grundschule auf die Hauptschule wechselten, von 40% auf 25,8% zurück. Wie wollen Sie bei solchen Schülerrückgängen, die in Bayern nicht anders sein werden als in Rheinland-Pfalz oder in Hessen, als Retter der heimatnahen Beschulung auftreten? Herr Kollege Odenbach, das ist nicht fair, und das kritisiere ich.
Sie sprechen von verstärkten Mitbestimmungsmöglichkeiten der Eltern. Wenn man den Eltern künftig die Möglichkeit geben will, ihr Kind ungeachtet jeder Notengrenzen und ungeachtet jeden Rates der Lehrer auf das Gymnasium oder die Realschule zu schicken, dann haben Sie Recht.
Interessant ist die Argumentation, dass man in der 4. Jahrgangsstufe noch nicht wisse, ob ein Kind für eine spätere Laufbahn in der Realschule geeignet sei. Nach den Ferien aber sollen die Lehrkräfte in der Aufbaustufe wissen, wer in den Genuss der zusätzlichen Fördermaßnahmen kommen kann und wer nicht. Hier sind die Eltern plötzlich überhaupt nicht mehr gefragt. Mit der Freigabe des Elternwillens hieven Sie Kinder auf eine Plattform, auf die sie von ihrer Leistung her nicht hingehören. Sie verdonnern die Kinder dazu, ein Jahr dort zu
bleiben und ein Jahr Stress zu erleben. Anschließend haben die Eltern nichts mehr zu melden: Nach dem Gesetzentwurf des BLLV entscheidet das Kollegium, ob das Kind wiederholt oder an eine andere Schule verwiesen wird.
Meine Damen und Herren, all das rechtfertigt eine Aufklärung durch die Bayerische Staatsregierung, auch in der Hinsicht, dass falsch ist, was Sie in letzter Zeit geäußert haben. Es ist zum Beispiel unzutreffend, dass es eine weitere Übertrittsmöglichkeit nach der 5. Jahrgangsstufe geben soll. Sehen Sie sich einmal die Schaubilder des BLLV an, die heute noch im Internet abrufbar sind. Denen zufolge ist nach der 5. Jahrgangsstufe kein Übertritt vorgesehen. Die letzte Ausgabe des „Bayerischen Junglehrers“ enthält plötzlich ein neues Schaubild – weil der große Präsident Dannhäuser offensichtlich gemerkt hat, dass die vorgesehene Regelung Ärger bereitet –, in dem ein kleiner Pfeil nach der 5. Jahrgangsstufe auf den weiteren Übertritt aufs Gymnasium hinweist. Herr Kollege Odenbach, der Gesetzestext sieht einen solchen Übertritt nicht vor.
Herr Kollege Hahnzog, Sie sind offensichtlich nicht vor das Verfassungsgericht gegangen. Dafür werden Sie gute Gründe gehabt haben.
Der Schluss liegt nahe, dass die Staatsregierung ihren Spielraum nicht überschritten hat. Daher sehe ich keinen Grund, Ihrem Antrag zuzustimmen, zumal ich keine unwahren Behauptungen in dieser Broschüre finden konnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur drei Anmerkungen zum Abschluss dieser zweistündigen Debatte, die Folgendes gezeigt hat: Erstens. Die Staatsregierung denkt überhaupt nicht daran, sich an Gesetze zu halten.
Zweitens. Die Staatsregierung denkt überhaupt nicht daran, sich an Beschlüsse des Landtags zu halten.
Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie tragen nichts dazu bei, das zu verhindern. Sie halten sich noch nicht einmal an Ihre eigenen Beschlüsse, die Sie im Ausschuss gefasst haben. Das ist in unserer Demokratie ein trauriges Bild.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Die Beiträge, die teilweise von der linken Seite kamen, waren des Themas nicht würdig. Ich sage das ganz bewusst. Es geht hier um Perspektiven von jungen Menschen, und ich habe den Eindruck, dass das Thema von Ihrer Seite nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit angegangen wird. Ich sage das deutlich, weil es mir sehr wichtig ist, dass wir die „Bildungsoffensive Bayern“ verwirklichen können, weil sie die besseren Perspektiven für junge Menschen schafft. Ich sehe es als Verpflichtung an, dass sich der Landtag ernst und intensiv mit den inhaltlichen Fragen befasst und dass sichergestellt wird, dass die Bildungsoffensive mit ihren Konsequenzen der Öffentlichkeit klar und verständlich dargelegt wird.
Eltern und Schüler erwarten von uns völlig zu Recht, dass wir intensiv und ausführlich darüber aufklären, wie sich die bayerische Bildungspolitik in den nächsten Jahren gestaltet. Wir tun dies in einer sehr dialogbereiten Form. Die Ministerin, ich, die Kollegen aus der Fraktion und insbesondere alle, die dienstlich mit der Schulreform befasst sind, bemühen sich, aufzuklären, zu informieren und die Eltern zu beraten. Jedes Kind, das durch die Bildungsoffensive einen Weg einschlägt, der den eigenen Begabungen, Neigungen und Fähigkeiten besser entspricht, hat mehr Chancen für seine Zukunft. Je mehr Kinder und Eltern wir entsprechend beraten können, umso besser ist das letztlich für viele junge Menschen. Diese Verpflichtung haben wir, und wir nehmen Sie ernst.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin nicht bereit, einige Vorwürfe hier im Raum stehen zu lassen. Deshalb habe ich mich zu Wort gemeldet. Wenn wir bemerken, dass politische Einflussnahme betrieben wird, dann greifen wir ein. Das ist keine Frage. Es gibt auf beiden Seiten eine Reihe von Rügen. Wir haben auch eingegriffen, als schulfrei gegeben wurde, damit die Betreffenden zu einer Veranstaltung des Aktionsbündnisses fahren konnten. Auch im umgekehrten Fall greifen wir ein. Ich stelle da allerdings fest, man kann nicht immer so eingreifen, wie man es sich vorstellt, weil vieles subtil geschieht – möglicherweise auf beiden Seiten- und in solchen Fällen die Möglichkeiten der Schulaufsicht begrenzt sind.
Ich möchte auch sagen, es stört mich an der Debatte, mit welcher Einseitigkeit sie gerade von der Opposition geführt wird. Ich schließe nicht aus, dass es an Realschulen oder Gymnasien Flugblätter oder Veröffentlichungen gibt, die nicht in Ordnung sind. Ich bitte aber, in gleicher Weise festzustellen, dass es mindestens die gleichen Verstöße auch im Bereich der Volksschulen und des BLLV gibt.
Ich weise darauf hin, in welch subtiler Weise man sich an die Eltern von Kindergartenkindern wendet.
Man hat Briefe an Omas und Opas verschickt und einen Schulbusfahrer munitioniert, damit er die Flugblätter des BLLV an die Kinder im Bus verteilt. Ich frage mich wirklich, ob jeder Lehrer die Grenze zwischen seinem dienstlichen Verhalten und seiner verbandlichen Freiheit kennt.
Mit Kindern umzugehen, ist eine sehr verantwortliche Tätigkeit. Vor allem bei der politischen Einflussnahme ist in höchstem Maß Verantwortung gefragt. Ich kann nur fordern und wünschen, dass die Thematik in den nächsten Tagen nicht eskaliert und wir möglicherweise noch mehr Kummer und Ärger bekommen. Wenn die Sache in einen Volksentscheid münden sollte, würde es uns in der Tat wehtun, dass wir ein halbes Jahr lang große Probleme mit den entsprechenden Werbemaßnahmen hätten.
Herr Dr. Schuhmann, Sie haben mich heute in einer nicht fairen Art und Weise angegriffen. Sie waren unsachlich, was meinen Beitrag anbelangt. Herr Dr. Schuhmann, ich schätze Sie menschlich sehr, aber Ihr Beitrag meine Rede betreffend war nicht in Ordnung. Das haben viele Kollegen festgestellt, und Sie müssen ehrlich zugeben, Sie waren in diesem Punkt nicht anständig.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Schuhmann?
Ich will im Augenblick keine Zwischenfragen beantworten. Ich möchte nur noch auf einige Vorwürfe, die mir gemacht wurden, eingehen.
Ich habe nachfragen lassen, aber der Fall, der vorhin genannt wurde und in dem es um BSE geht, ist der zuständigen Stelle im Hause nicht bekannt. Ich würde darum bitten, dass uns die Unterlagen übergeben werden. Allerdings war vorhin zu hören, dass sich das
Ganze an einer Privatschule abgespielt hat. Damit sind unsere Möglichkeiten, einzuschreiten, begrenzt. Ich biete Ihnen gern an, dass wir der Angelegenheit nachgehen, wenn Sie uns die Unterlagen aushändigen.
Ich möchte noch auf etwas anderes hinweisen, das mir wichtig ist. Es besteht für die Staatsregierung bzw. für das Kultusministerium ein Sachlichkeitsgebot, kein Neutralitätsgebot. Die rechtliche Lage ist eindeutig und unzweifelhaft fest gehalten. Ich kann nur an die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 19. Januar 1994 erinnern, in der das verbindlich festgelegt ist.
Ich wehre mich dagegen, dass den Juristen unseres Hauses eine unsachliche und unsaubere Behandlung der Angelegenheit unterstellt wird. Wir arbeiten genau, denn wir möchten uns nichts vorwerfen lassen. Außerdem befinden wir uns in einem Rechtsstaat. Wenn Sie die Sache prüfen lassen wollen, rufen Sie die Gerichte an, aber stellen Sie in der Öffentlichkeit keine Behauptungen auf, die Sie nicht beweisen können.
Ansonsten möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Befragungen der Bürgerinnen und Bürger durch die Medien in den letzten Tagen – ich verweise auf die „Süddeutsche Zeitung“ von gestern – ergeben haben, dass viele Leute hingegangen sind, ohne genau zu wissen, welchen Inhalt das Volksbegehren hat.