Herr Kollege Schieder, sind Sie ebenso wie ich der Auffassung, dass die immer wieder vorgebrachte Kritik an der Sanierung der Firma Holzmann scheinheilig ist, zumal man weiß, dass die Bayerische Staatsregierung für Holzmann-Süd eine Auffanglösung mit Hilfe staatlicher Mittel bereits vorbereitet hatte?
Herr Kollege Dr. Kaiser, dem stimme ich zu. Außerdem sind die nur neidisch, weil Bundeskanzler Schröder die Sanierung zu Stande gebracht hat. Kohl hat die Lösung solcher Fälle während der 16 Jahre seiner Regierungszeit nicht geschafft.
Mit Artikel 3 stellen wir die Tariftreueerklärung auf eine gesetzliche Grundlage. Das ist notwendig, weil, wie wir aus vielen Erklärungen des Innenministers wissen, sich die Tariftreueerklärung, die es in Bayern auf Druck der IG Bau und des DGB im Verwaltungswege gibt, nicht durchgesetzt hat. Sie ist keine ausreichende Grundlage und hat keinen Biss. Die Tariftreueerklärung benötigt eine gesetzliche Grundlage, auch angesichts verschiedener Urteile, die dazu inzwischen gefällt worden sind. Die gesetzliche Kompetenz ergibt sich im übrigen auch aus dem Vergaberechtsänderungsgesetz, das seit dem 1. Januar 1999 gilt. Diese landesgesetzgeberische Kompetenz schöpfen wir aus.
Mit Artikel 4 wollen wir erreichen, dass das Verfahren möglichst unbürokratisch und einfach abgewickelt wird. Der Bieter, der sich um einen öffentlichen Auftrag bewirbt, muss demzufolge schon bei der Abgabe eines Gebots Bescheinigungen vorlegen, aus denen der öffentliche Auftraggeber ohne weitere Nachforschungen ersehen kann, dass es sich um einen zuverlässigen Unternehmer handelt. Das ist der Kern des Problems: dass öffentliche Aufträge nur an zuverlässige Unternehmer erteilt werden sollen.
Herr Kollege, ich lasse keine Zwischenfrage zu, weil meine Redezeit begrenzt ist. Ich bitte jetzt um Fairness. Gerade Sie sollten sich dieses Themas annehmen.
Die Bescheinigungen sollen vom Gewerbezentralregister stammen, weil man daraus auf einen Blick sehen kann, ob jemand das Entsendegesetz einhält, gegen die Vorschriften gegen illegale Beschäftigung und anderes verstößt. Das ist eine ganz einfache Handhabung. Wir wollen, dass eine Bescheinigung der Finanzbehörde und der Sozialversicherungsträger vorgelegt wird, dass der Unternehmer zuverlässig ist, also Steuern und Sozialabgaben abgeführt hat. Wir wollen weiter eine Bescheinigung über die Tariftreue des Unternehmers. Bisher bescheinigt sich der Unternehmer das im Verwaltungswege selbst. Es ist kein guter Weg, jemanden sich selbst bescheinigen zu lassen, dass er gesetzes- und tariftreu
Ich darf Sie darauf hinweisen, dass es nach dem Betriebsverfassungsgesetz Aufgabe der Betriebsräte ist, die Einhaltung von gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen zu überwachen und auf deren Einhaltung zu bestehen. Deshalb schlagen wir vor, der Betriebsrat solle bescheinigen, dass ein Unternehmer die Tarifverträge einhält. Wenn ein Bewerber diese Bescheinigungen vorlegt, kann er in den Kreis der Bieter aufgenommen werden; das wirtschaftlichste Angebot wird nach dem Vergaberecht ausgewählt. Wer die Bescheinigungen nicht vorlegt, kann von vornherein vom Gebot ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf einige Regelungen, damit seine Bestimmungen durchgesetzt werden können. Ein derartiges Gesetz darf nicht nur auf dem Papier stehen, sondern muss in der Praxis angewendet werden und braucht deshalb Biss. Wir wollen erreichen, dass auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere im Bausektor wieder Recht und Ordnung herrscht und der Tarif Gültigkeit hat. Wir brauchen einen geordneten Arbeitsmarkt im Interesse unserer kleineren einheimischen Bauhandwerksbetriebe und insbesondere im Interesse unserer Bauarbeiter hier in Bayern.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD legt einen Gesetzentwurf vor, der nicht ganz unproblematisch ist. Herr Kollege Schieder, in diesem Gesetzentwurf sind Dinge enthalten, die eventuell gegen das Verfassungsrecht verstoßen. Sie hätten zumindest erklären müssen, dass der Bundesgerichtshof einen Vorlagebeschluss gefasst hat.
Wunderbar, Herr Kollege Dr. Hahnzog. Meiner Ansicht nach sind Sie der Rechtsphilosoph der SPD und derjenige, der alles weiß. Aber wenn Herr Kollege Schieder in diesem Hause zu einer Versachlichung der Problematik beitragen will, muss er ein paar Dinge erwähnen, auf die ich eingehen will.
Ein ähnliches Gesetz, wie es die SPD in Bayern einführen will, gibt es in Berlin. Im Rahmen des Streits über die Anwendung dieses Gesetzes hat der Bundesgerichtshof einen Vorlagebeschluss gefasst. Das Gesetz wird dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
Wir machen doch kein Gesetz, damit es später eingestampft wird. So sind wir nicht, denn dann bescheinigt
Ich muss Ihnen sagen, warum der Bundesgerichtshof so entschieden hat. Der Bundesgerichtshof sagt, das Berliner Gesetz verstößt gegen ein Bundesgesetz. Der Bund hat im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung im Bereich des Arbeitsrechts ein Tarifvertragsgesetz erlassen.
Herr Kollege Brosch, würden Sie die Güte haben, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Sachverhalt, den Sie eben schildern, uns sehr wohl bekannt ist? Sie werden doch wohl nicht erwarten, dass wir hier einen Gesetzentwurf zu einem derart wichtigen Thema einbringen, ohne inhaltlich voll kompetent zu sein und zu wissen, was auf diesem Gebiet los ist. Wir werden im Laufe der Gesetzesberatungen natürlich klarmachen, warum es trotz der von Ihnen angesprochenen BGH-Entscheidung Sinn macht, dass der bayerische Gesetzgeber tätig wird.
Herr Kollege Schieder, ich habe die Güte, das zur Kenntnis zu nehmen, was Sie gesagt haben, aber ich darf vorlesen:
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hält das Berliner Vergabegesetz jedoch für verfassungswidrig. Zunächst fehle dem Landesgesetzgeber für das Tarifrecht eine gesetzgeberische Zuständigkeit. Für das Arbeitsrecht gebe es eine konkurrierende Zuständigkeit des Bundes und der Länder. Da der Bund mit der Verabschiedung des Tarifvertragsgesetzes von seiner Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht habe, sei für ein Landesgesetz kein Raum. Aber auch wenn eine Zuständigkeit des Landes bestehe, verstoße das Berliner Vergabegesetz gegen Bundesrecht, und zwar zum einen gegen die Bestimmung des Tarifvertraggesetzes über die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und zum anderen gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Schließlich begegnet die Regelung insoweit durchgreifenden Bedenken, als der Zugang zum Markt für Straßenbauarbeiten vom Land Berlin als marktbeherrschendem Nachfrager davon abhängig gemacht werde, dass sich der Bieter den Regelungen eines Tarifvertrags unterwirft. Damit wird nach Ansicht des Kartellsenats in die im Grundgesetz geschützte negative Koalitionsfreiheit eingegriffen. Die Ungültigkeit eines Gesetzes kann nur vom Bundesverfassungsgericht festgestellt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Sie etwas regeln wollen, was für große Teile der bayerischen Bauwirtschaft überlebenswichtig ist, gestehe ich Ihnen
gern zu. Im Freistaat Bayern haben wir das Problem dadurch geregelt, dass wir nicht auf gesetzgeberischer Ebene tätig geworden sind, sondern eine Verwaltungsvorschrift erlassen haben, die wir seit mehreren Jahren praktizieren.
Leider haben sich die Gemeinden im Freistaat Bayern nicht so verhalten. Sie haben nicht solche Erklärungen verlangt, wie sie beim Freistaat Bayern gang und gäbe sind. Nur einige größere Städte haben sich angeschlossen.
Die bayerische Verwaltungsvorschrift zur Tariftreue- und Nachunternehmererklärung läuft in diesem Sommer aus. Es bleibt abzuwarten, wie hier weiter verfahren wird. Deshalb bin ich der Meinung, wir müssen darüber reden. Wir können heute nicht sagen, wir verabschieden einfach ein Gesetz, das sich später als verfassungswidrig herausstellt. Herr Kollege Schieder, wir werden das alles ausführlich beraten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vorab will ich eine Bemerkung im Zusammenhang mit der Frage von Herrn Kollegen Zeitler zu Philipp Holzmann machen. Ich meine, das war durchaus zu verstehen und durchaus richtig, wie im Übrigen auch die in der rhetorischen Frage gegebene Antwort des Herrn Kollegen Dr. Kaiser berechtigt war.
Wir begrüßen den Vorstoß der SPD-Fraktion. Das Anliegen ist wichtig und richtig. Die Zustände am Bau und am Arbeitsmarkt für Bauleute sind wenig erfreulich. Das politische Instrumentarium zur Herbeiführung einer Verbesserung ist zum einen nur begrenzt gegeben und zum anderen nur begrenzt griffig. Ich erinnere an den 13-Punkte-Katalog von Herrn Schäuble aus dem Jahr 1996, oder das Arbeitnehmerentsendegesetz, das Gezerre um den Mindestlohn. der lange Zeit nicht in Kraft treten konnte. Es gab keine Allgemeinverbindlichkeit, weil der BDA nicht zugestimmt hat, und zwar aus Gründen, die mit dem Bau nichts, aber auch gar nichts zu tun hatten.
Ein Instrument besteht darin, dass die öffentliche Hand durch Nachfrage steuert. In Bayern wurde im Zuge des Beschäftigungspakts die Tariftreue- und Nachunternehmererklärung eingeführt. In Nordrhein-Westfalen wird Ähnliches über Runderlasse praktiziert. Berlin hat ein Gesetz, das allerdings vom BGH in Frage gestellt worden ist, nachdem vorher schon die Vergabe im Tief- und Straßenbau nur an tariftreue Unternehmen vom Kammergericht moniert worden ist. Das heißt, es gibt Regelungen in unterschiedlichem Rechtsrang, in unterschiedlicher Rechtsqualität. Die SPD will mit ihrem Entwurf mehr Verbindlichkeit und einen größeren Geltungsbereich erreichen, was wir für ein wünschenswertes Anliegen halten.
Nachdem das Berliner Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht kommt, geht es darum zu klären, wer zuständig ist und inwieweit Bedingungen verankert werden dürfen. Wie der Anrufungsbeschluss des Bundesrates zum Vergaberechtsänderungsgesetz zeigt, sind die Länder daran interessiert, dass neben Zuverlässigkeit, Termintreue, Leistungsfähigkeit und Qualität noch weitere Kriterien bei der Angebotsbewertung relevant sein dürfen und als Voraussetzung für die Vergabe anerkannt werden.
Die SPD-Fraktion hat in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf dankenswerterweise Formulierungen aus dem EU-Grünbuch und aus dem GWB zitiert, die auf die Zulässigkeit oben genannter Forderungen hindeuten. Man wird sich in den Beratungen sicher mit Bedenken aus Teilen der Wirtschaft auseinander setzen müssen. Ich erinnere mich, es wurde gesagt, die Transparenz würde leiden und Vergaben wären leichter manipulierbar. Diese Bedenken teilen wir nicht. Ich denke, es wird ganz woanders manipuliert. Stichwort: Die Rubrik „nützliche Aufwendungen“. Auch hier geht es um schwarze Kassen.
Wir sind der Meinung, dass die öffentliche Hand als Auftraggeber durchaus die Tariftreue abfragen soll. Dabei ist die öffentliche Hand nicht nur als Auftraggeber für Bauleistungen zu sehen. Neben Vergaben nach VOB wäre auch an Vergaben nach VOL, VOF usw. zu denken. Für uns wäre wünschenswert, wenn als Kriterium nicht nur die Tariftreue, sondern beispielsweise auch die Ausbildungsleistung einzelner Betriebe oder die Frauenförderung in einzelnen Betrieben einbezogen würde. Deswegen werden wir uns an den Beratungen intensiv beteiligen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Um das Wort hat Staatsminister Dr. Beckstein gebeten. Bitte, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der SPD hat ein gutes, ehrenwertes Ziel. Die Staatsregierung hat in der Vergangenheit Tariftreueerklärungen und Subunternehmererklärungen von ihren Auftragnehmern verlangt. Als für die Oberste Baubehörde Verantwortlicher habe ich das im Detail natürlich immer wieder verfolgt. Wir haben als der größte Auftraggeber in diesem Bereich die Dinge umzusetzen gehabt und gesehen, welche Schwierigkeiten es dabei gibt. Es ist uns auch ein großes Anliegen, die Arbeitnehmer gerade in der schwierigen Baubranche vor Billigarbeitskräften zu schützen.
Die Frage, ob der Gesetzentwurf der SPD der Rechtsauffassung des BGH entspricht, ist meines Erachtens allerdings – ich sage: leider – eindeutig zu klären. Die Juristen des Innenministeriums – sowohl der Obersten Baubehörde als auch der Verfassungsrechtsabteilung – sagen mir, es könne keinen ernsthaften Zweifel geben, dass der Gesetzentwurf der SPD gegen die tragenden
Gründe des Berliner Beschlusses des BGH, KVR 23/98 – die Begründung liegt seit 9. Februar vor –, verstoße.
Herr Kollege Hahnzog, dies zeigt, dass Sie keine Ahnung von der Schwierigkeit dieses Problems haben. Schwierigkeit des Problems bedeutet: Wenn eine Vergabe aufgrund rechtswidriger Kriterien erfolgt, kann das von einem anderen unterbunden werden, und es können Schadensersatzforderungen erhoben werden. Das bedeutet, dass unter Umständen das gesamte Vergabesystem infrage gestellt wird und unabsehbare Schadensersatzforderungen gegen den Auftraggeber geltend gemacht werden. Aufgrund der Tariftreueerklärung und deren Anwendung sind bereits einzelne Schadensersatzklagen anhängig. Das ist keine einfache Situation. Man kann deswegen nicht so schnell sagen: Machen wir eben einmal ein rechtswidriges Gesetz. Ihre Äußerung verrät eine bedauerliche Einstellung des Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Landtags. Diese Einstellung kann ich nicht verstehen.
Meines Erachtens muss es darum gehen – das prüfen die Fachleute des Innenministeriums mit den anderen Ministerien –, wie wir eine rechtliche Regelung auf den Weg bringen können, die den Kriterien des BGH in dem Beschluss vom 25. Januar und der Begründung vom 9. Februar entspricht. Die Daten zeigen, dass dies eine sehr kurz zurückliegende Entscheidung ist.