Herr Kollege Knauer, meines Erachtens hätten sogar Sie den Dringlichkeitsantrag stellen können, dass das Kultusministerium aufgefordert wird, diese Publikation nicht zu verteilen bzw. die Verteilung einzustellen.
Aus dem Protokoll weiß ich, dass Herr Freller bei der Diskussion anwesend war. Das Ministerium konnte also nicht sagen, es hätte davon nichts gewusst. Unter Berücksichtigung aller Fakten war der Ausschuss übereinstimmend der Meinung, dies nicht zu tun.
Der Dringlichkeitsantrag war aber nicht einmal das Papier wert, auf dem er gedruckt wurde. Noch während es sozusagen trocknete, erfolgte die Auslegung der Zeitschrift „Schule aktuell“, Sonderausgabe Februar 2000. Man kann die Publikationen in dem gut aufgemachten, bestimmt auch nicht billigen Druckwerk aus der Sicht der Staatsregierung akzeptieren. Auf der letzten Seite aber ist zu lesen:
den Jahrgangsstufen 5 und 6, die man an der Hauptschule ansiedeln will. Das heißt: verlorene Zeit, zerstückelte Schullaufbahn, Schulwechsel in der Pubertät, gesamtschulartige Strukturen, Schließung einzelner Hauptschulen, unzulängliche Vorbereitung, keine Mitwirkung der Eltern.
Am Schluss folgt die Aufforderung, sich nicht in die Listen des Volksbegehrens einzutragen. Dies widerspricht dem Beschluss des Bildungsausschusses.
Das ist doch eine Frage des Selbstverständnisses der CSU. Was haben Sie sich denn überhaupt dabei gedacht, als Sie dem Antrag zugestimmt haben?
Es ist auch nicht uninteressant, wie das Schreiben herausgegangen ist. Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Redaktion „Schule aktuell“ schreibt: „Sehr geehrte Damen und Herren des Sekretariats!“ Angesprochen werden also die Damen und Herren des Sekretariats, in der Schulhierarchie gewiss nicht die Stärksten.
Mit dieser Sendung erhalten Sie eine Sonderausgabe der Elternzeitschrift „Schule aktuell“. Bitte helfen Sie mit, dass sie möglichst rasch die Eltern erreicht. Dazu einige Hinweise: Die Klassenleiter/ Klassenleiterinnen werden gebeten, die Hefte den Schülern nach Hause mitzugeben.
Meine Damen und Herren, ich finde, dies ist mit dem, was der Bildungsausschuss vorgegeben hat, nicht vereinbar. Deswegen stelle ich die Frage: Brauchen Sie das? Warum war das notwendig? Wie steht es um Ihre Sache? Wie schlecht müssen die Argumente sein, wenn man zu solchen Mitteln greifen muss? Das ist die Frage.
Ich bin der Auffassung, dass wir dies auch unter dem Gesichtspunkt betrachten sollten, mit welchem Personenkreis wir es hier zu tun haben. Sie weisen die Damen und Herren des Sekretariats sowie die Klassenleiter und Klassenleiterinnen an, zu handeln. Das ist die Situation. Ich meine, Sie weisen die Betroffenen an, entgegen den bestehenden rechtlichen Grundlagen und entgegen dem Beschluss des Bildungsausschusses des bayerischen Parlaments zu handeln. Dazu muss das Bildungsministerium Stellung nehmen.
Ausgerechnet der Dienstherr, das Ministerium, beginnt mit den Verstößen gegen die rechtlichen Grundlagen und gegen den Beschluss des Bildungsausschusses. Wir sollten uns darüber unterhalten, was damit in beamtenrechtlicher Hinsicht gemeint ist. Ich weise auf Artikel 96 der Bayerischen Verfassung hin. Ich darf zitieren: „Die Beamten sind Diener des ganzen Volkes, nicht
einer einzelnen Partei.“ Ich glaube, so muss es auch sein. Das muss auch in Ihrem Interesse sein. Im Kommentar von Maunz steht zu Artikel 96 der Bayerischen Verfassung: „Ihm obliegt es, eine stabile Verwaltung zu sichern und einen Ausgleich gegenüber den politischen Kräften zu bilden.“ So weit die Definition der politischen Treuepflicht der Beamten.
Genau darum geht es in diesem Fall. Sie bedienen sich eines Kreises von Personen, die voll Ihrem Einfluss unterliegen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die grundsätzliche Debatte, die wir manchmal miteinander führen und die sich damit befasst, ob Lehrer unbedingt im Beamtenverhältnis beschäftigt sein müssen. Ihre Antwort und auch die Antwort von Herrn Faltlhauser und Herrn Huber war immer, wir müssen das Streikrecht ausschalten können, um die ordentliche Verwaltung aufrechtzuerhalten. Ich sage Ihnen, gerade weil dieser Personenkreis Ihren Weisungen unbedingt nachkommen muss, bringen Sie diese Menschen in eine Konfliktsituation, die nicht verantwortet werden kann.
Schade, dass niemand vom Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes anwesend ist. Das ist bedauerlich. Es würde Herrn Dr. Eykmann nicht schaden, darüber zu diskutieren. Wer lange genug im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes war, weiß, wie problematisch die Stellung von Beamten oft ist, wenn sie entgegen ihrer eigenen Meinung auf Anweisung handeln müssen.
Herr Kollege Knauer, das Ganze hat System. Zum Beispiel bedurfte es einer langjährigen Auseinandersetzung zwischen beiden Vorsitzenden des Petitionsausschusses und dem noch ungeteilten Kultusministerium unter Staatsminister Zehetmair, das auf unseren Antrag das Verfahren in Gang gesetzt hat, bis klar war, dass Beamte Petitionen stellen dürfen. Ich bitte Sie, sich zu überlegen, was das für ein Staatsverständnis ist. Das Ministerium hat seinen Bediensteten über Jahrzehnte hinweg das Petitionsrecht verweigert. Wenn ich mir das überlege, ist es für mich fast logisch, dass die Damen und Herren im Kultusministerium meinen, sie könnten anweisen, was sie wollen. Sie haben noch immer die alten Gedankengänge im Kopf.
Ich bin gar nicht der Auffassung, dass Herr Freller diese Anweisung gegeben hat. Ich weiß es nicht, er kann es uns nachher erklären. Das, was mich stört, ist, dass es schon wieder einen vorauseilenden Gehorsam gibt. An den Schlüsselpositionen im Bildungsministerium müssen Menschen sitzen, die von sich aus meinen, das muss gemacht werden, und sich über den gemeinsamen Beschluss des Bildungsausschusses hinwegsetzen. Herr Staatssekretär, ich frage Sie, ob Sie nicht dem Vorgang nachgehen wollen, der im Grunde genommen eine Dienstpflichtverletzung durch diejenigen darstellt, die das Ganze in Gang gebracht haben. Ich fordere Sie hiermit auf, dem nachzugehen.
Es gibt keine Einbahnstraße. Es gibt immer zwei Wege, und zwar insbesondere im beamtenrechtlichen Dienstund Treueverhältnis. Ich meine, wir haben es hier mit einem Missbrauch des Über- und Unterordnungsverhältnisses, einem Missbrauch der Fürsorgepflicht des Dienstvorgesetzten und einem Missbrauch der Beschäftigten zu tun. Dem Missbrauch der Beschäftigten muss ein Ende gesetzt werden. Deswegen fordern wir Sie auf, die Verteilung der Broschüre zu unterbinden.
Von Ihrer Seite wird eingewendet werden, das geht nicht, die Broschüren sind schon draußen, man kann das nicht mehr stoppen. Ich habe aber heute die Information erhalten – Herr Staatssekretär, Sie können darauf hinweisen –, dass sich Menschen vor Ort geweigert haben, die Broschüre zu verteilen, weil sie das nicht mit ihrem Gewissen und ihren Pflichten im Rahmen des Dienstverhältnisses für vereinbar halten. Ich erinnere an den Vorfall in Regensburg. Herr Staatssekretär, Sie werden darüber Bescheid wissen. Sie werden auch den Beschluss des Kreistages des Landkreises Oberallgäu kennen. Mit den Stimmen der CSU wurde die sechsstufige Realschule abgelehnt.
Herr Staatssekretär, nach den Informationen, die ich heute Vormittag von einer Schule in Oberbayern erhalten habe, soll dieses Heft zusammen mit den Zwischenzeugnissen verteilt werden. Bitte überlegen Sie, was das heißt. Überlegen Sie, welche Gedankengänge hier vermengt werden, wenn man zusammen mit dem Zwischenzeugnis eine Propagandainformation verteilt.
Herr Staatssekretär, das Schlimme an der Situation ist doch, dass Sie, obwohl Sie im Bildungsausschuss anwesend waren, die Schulleitung, die bei Ihnen nachgefragt hat, angewiesen haben, die Broschüre zu verteilen. Insofern missachten Sie den Beschluss des Bildungsausschusses vom 10. Februar.
Ich stelle mir die Frage, warum derartige Dinge ablaufen. Warum werden Beschlüsse, die wir gemeinsam gefasst haben und die an sich erfreulich sind – ich fände es gut, wenn die Sache tatsächlich so gehandhabt würde –, einseitig gebrochen, und zwar von denen, die am längeren Hebel sitzen und Anweisungen geben können? Hier wehrt sich mein persönliches Demokratieverständnis und –empfinden.
Ich stelle fest, es geht nur um die Zulassung eines Volksentscheides, also ein Volksbegehren. Wenn Sie schon jetzt in diese Auseinandersetzung Steuergelder in Millionenhöhe hineinpumpen, fürchte ich mich vor dem, was finanziell aufgewendet wird für nichts und wieder nichts, wenn es zu einem Volksentscheid kommen sollte. Haben Sie denn so viel Angst?
Muss man in ein demokratisches Instrument wie das Volksbegehren tatsächlich so viel an Steuergeldern stekken, um eine Sache zu verhindern? Können wir nicht, wenn es schon in der Verfassung verankert ist, etwas mehr Demokratieverständnis aufbringen und die Demokratie leben? Wir sollten die Demokratie leben und nicht nur mit dem Knüppel auf diejenigen einschlagen, die sich weigern, einer Anweisung von oben nachzukommen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Dringlichkeitsantrag, der gegenwärtig zur Beratung ansteht, heißt es, dass der Bayerische Landtag beschließen wolle, die Staatsregierung aufzufordern, die weitere Verteilung der kultusministeriellen Publikation „Schule aktuell“, Sonderausgabe Februar 2000, zu unterlassen, weil sie unwahre Aussagen gegen das Volksbegehren „Die bessere Schulreform“ enthalte und damit gegen den von allen Landtagsfraktionen und von Ihnen zitierten Antrag des bildungspolitischen Ausschusses verstoße.
Herr Kollege Franzke, ich habe versucht, Ihnen sehr genau zuzuhören. Ihre Ausführungen treffen eigentlich nicht genau den Punkt, der in dem Dringlichkeitsantrag angesprochen wurde.
Ach, Frau Kollegin Werner-Muggendorfer, machen Sie ruhig Ihre Zwischenbemerkungen; die kommen aus Ihrer Fraktion immer gut an.
Herr Kollege Franzke, Sie haben in Ihren Ausführungen nicht davon gesprochen, dass wir die Staatsregierung auffordern sollten, die Verteilung einzustellen, weil unwahre Behauptungen in dieser Broschüre enthalten sind, sondern Sie haben auf etwas aufmerksam gemacht, über das man in der Tat diskutieren kann, vielleicht auch muss. Es geht nämlich darum, wie groß letztendlich der Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum der Staatsregierung ist, im Falle eines Volksbegehrens ihre Meinung darzustellen bzw. welche Möglichkeiten sie dann hat, auf Folgen eines Volksbegehrens hinzuweisen.
Herr Kollege Franzke, nachdem diese Dinge hier offensichtlich rechtlich geregelt werden, bin ich eigentlich froh – ich gehe davon aus, dass die Informationen stimmen –, wonach der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband eine einstweilige Verfügung erwirken will. Angeblich hat er letzte Woche eine solche beantragt. Wenn das stimmt, Herr Kollege Franzke, wundert es mich, dass noch keine gerichtliche Entscheidung getroffen ist. Ich habe heute von dritter Seite gehört, dass eine gerichtliche Entscheidung möglicherweise für heute anvisiert ist. Ich kann dazu weiter nichts sagen.
Ich drücke die Hoffnung aus: Wenn eine solche Gerichtsentscheidung in den nächsten Stunden oder Tagen kommt, dann sollten wir die Gelegenheit wahrnehmen, darüber zu diskutieren, inwieweit das Kultusministerium im rechtlichen Rahmen gehandelt hat.
Im Übrigen weise ich darauf hin, Herr Kollege Franzke, dass es bereits ein Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gibt, das der Staatsregierung offensichtlich eine entsprechende Ermächtigung eingeräumt hat. Dieses finden Sie im Entscheidungsband 47 auf Seite 1. Ich bin kein Jurist; ich kann auf die Dinge nur verweisen.
Herr Kollege Knauer, halten Sie es nicht für sinnvoll, dass wir nicht wieder auf gerichtliche Entscheidungen warten? Sollten wir als Parlament nicht versuchen, parlamentarisch-politisch zu handeln?