Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

Wenn ich nach den Asservaten gefragt hätte, hätte mir Herr Maier die Antwort gegeben, die ich jetzt bekommen habe, nämlich dass er keine Bedenken hatte, die Festplatte beim Sachverständigen zu belassen. Warum?

(Zuruf von der SPD)

Sie wissen die Antwort immer schon vorher, hören Sie doch einmal zu. Sie müssen sich Ihrer Sache sehr unsicher sein, weil Sie hier ständig dazwischenquatschen.

Der Staatsanwalt als Gruppenleiter Maier hat mir erklärt, er habe als der verantwortliche Staatsanwalt die Festplatte bewusst beim Sachverständigen belassen, und zwar aus drei Gründen: Erstens handelt es sich um einen öffentlich anerkannten Sachverständigen, also eine unabhängige Person. Zweitens ist es in Wirtschaftsstrafverfahren üblich, derartige Asservate längere Zeit beim Sachverständigen zu belassen. Insbesondere ging es auch darum, zu klären, ob man die Daten nicht doch lesen kann. Drittens hatte die Festplatte keinen besonderen Beweiswert, weil nichts drauf war. Das ist die Antwort des Gruppenleiters bei der Staatsanwaltschaft, Maier, warum er die Festplatte beim Sachverständigen belassen hat.

Selbst wenn derjenige, der aus dem Rathaus kommt, immer klüger ist, hätte ich damals nicht gesagt, ich weise Sie an, das sofort zur Asservatenkammer zu bringen, oder gar, ich verlange, dass monatlich kontrolliert wird, ob die Sachen noch da sind.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Paulig?

Herr Staatsminister, Sie haben ständig von einem Sachverständigen gesprochen. Von welchem Sachverständigen haben Sie gesprochen? Wo befand sich die Platte zuletzt?

Es handelt sich um den Sachverständigen Dr. Wißner, der beauftragt worden ist. Das ist doch allgemein bekannt.

Es ist doch unstreitig, dass die Staatsanwaltschaft die Festplatte dem Sachverständigen zur Begutachtung gegeben hat. Den Akten habe ich entnommen – das muss man aber noch genau klären –, dass dieser gesagt hat, er hat versucht, die Daten freizulegen, es hat aber nicht funktioniert. Er hat bei einem anderen Sachverständigen nachgefragt, aber auch bei diesem hat es nicht funktioniert. Dann hat man vereinbart, es bleibt bei dem Sachverständigen, weil dieser mehr Sachkunde hat und die Entwicklung besser beobachten kann. Vielleicht ist die technische Entwicklung irgendwann so weit, dass man das, was im Moment nicht lesbar ist, lesbar machen kann. Das ist doch unstreitig.

(Zuruf von der SPD)

Sie quatschen hier nur dazwischen, Sie sollten lieber die Akten lesen. Die Staatsanwaltschaft hat das Asservat bewusst beim Sachverständigen belassen, weil man gesagt hat, erstens ist es nichts Besonderes, zweitens hat es keinen besonderen Wert und drittens ist es am besten beim Sachverständigen aufgehoben, wenn man es irgendwann lesen kann. Ich muss sagen, ich bedauere, dass es nicht auffindbar ist.

(Zurufe von der SPD)

Ich bin dabei, eine Sache ernsthaft zu diskutieren und nicht dumm daherzureden.

Ich komme zu dem Vorfall im Untersuchungsausschuss, den Frau Paulig als riesige Tragödie dargestellt hat. Anscheinend muss ich Ihnen Nachhilfeunterricht in Sachen „Untersuchungsausschuss“ geben. Ein wenig Erfahrung habe ich damit. Ein Untersuchungsausschuss hat die Aufgabe, abgeschlossene Sachverhalte zu klären. Das macht man in Berlin im Hinblick auf Parteispenden usw. Problematisch ist es, wenn ein abgeschlossener Sachverhalt vorliegt und daneben ein Ermittlungsverfahren läuft. In diesem Fall muss ich darauf achten, dass das Ermittlungsverfahren nicht durch den Untersuchungsausschuss behindert wird. Ich möchte wissen, was Sie gesagt hätten, wenn ich die Akten dem Untersuchungsausschuss geschickt hätte. Möglicherweise wären Straftaten verjährt, weil sie nicht verfolgt werden konnten, weil ich die Akten an den Untersuchungsausschuss abgegeben habe. Die Akten müssen selbstverständlich bei der Staatsanwaltschaft verbleiben. Da können Sie gern den Kopf schütteln, aber so ist es. Aus diesem Grund haben wir von den Akten Kopien angefertigt und diese nach Bonn geschickt.

Dann kam die Anfrage des Untersuchungsausschusses des Bundestags nach der Festplatte. Meine Überlegung war: Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen herausbekommen, dass es ein Institut, nämlich das Bundesamt für Sicherheit und Information, gibt, das Chancen sieht, Teile der Festplatte lesbar zu machen, nicht mehr und nicht weniger. Die Staatsanwaltschaft hat vorgehabt, die Festplatte dorthin zu schicken. Glauben Sie, ich schicke dieses Beweismittel dann dem Untersuchungsausschuss in Berlin? Ich schicke es selbstverständlich dem Sachverständigen, damit er es möglichst bald lesbar machen kann, so dass auch der Untersuchungsausschuss etwas damit anfangen kann. Mit einer Festplatte, die keiner lesen kann, ist dem Untersuchungsausschuss nicht gedient.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wahnschaffe?

Später.

Aus diesem Grunde habe ich damals entschieden, die Festplatte umgehend diesem Institut zu schicken, damit sie lesbar gemacht wird, und nicht dem Untersuchungsausschuss, wobei ich um die Nöte von Untersuchungsausschüssen weiß und gern helfe, wenn es nur irgendwie geht. Aber wenn es sich um ein Beweismittel in einem Strafverfahren handelt, geht das Ermittlungsverfahren vor.

Herr Staatsminister, können Sie dem Hohen Haus erklären, wieso Sie es auf der einen Seite für richtig halten, wenn der Staatsanwalt diese – in Ihren Augen an sich wertlose – Festplatte als Beweismittel über längere Zeit beim Sachverständigen belässt, während Sie andererseits auf die Anforderung des Untersuchungsausschusses in Berlin mit Ablehnung reagieren, weil Sie es als Behinderung der Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in Augsburg betrachten?

(Beifall bei der SPD)

Um gleich einem Einwand zuvorzukommen, möchte ich noch folgende Anschlussfrage stellen: Wann hat die Staatsanwaltschaft in Augsburg Erkenntnisse darüber gewonnen, dass sie durch das Bonner Institut mehr aus der Festplatte herausbekommen kann als dies dem zuvor damit beauftragten Sachverständigen gelang? Warum hat sie erst dann gehandelt, als der Untersuchungsausschuss in Berlin diese Anforderung an Sie gestellt hat?

Bitte, Herr Staatsminister Dr. Weiß.

Herr Kollege, diese Fragen kann ich nicht beantworten, dazu muss ich erst die Staatsanwaltschaft befragen. Eins kann ich aber ganz klar sagen: In dem Moment, als die Anfrage des Bundestags-Untersuchungsausschusses da war, hatte ich die Information der Staatsanwaltschaft – ich weiß nicht mehr genau, war das direkt davor oder eine Woche vorher – ich hatte die Information der Staatsanwaltschaft also bereits davor, dass das Bundesamt für Sicherheit und Information sich in der Lage sieht, einen Versuch zu unternehmen, bei dem man eine gewisse Chance auf Erfolg sieht.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wann war das?)

Ich kann es Ihnen im Moment nicht sagen, aber ich hoffe, dass ich es Ihnen am 4. Mai präzise mitteilen kann. Die Frage ist für mich aber eigentlich nicht relevant. Entscheidend ist: Wenn die Möglichkeit besteht, etwas sichtbar zu machen, dann muss die Staatsanwaltschaft diese Chance nutzen und die Festplatte nicht dem Untersuchungsausschuss schicken. Das möchte ich hiermit ganz deutlich sagen, und das soll mein Resümee sein.

Noch etwas möchte ich sagen: Was das Rechtshilfeersuchen aus der Schweiz anbelangt, Frau Paulig, so haben Sie hier einen Popanz aufgebaut. Nachdem Sie die Aussagen von Staatsanwalt Maier zitiert haben, gehe ich davon aus, dass Sie nicht die ganze Aussage gelesen haben, sondern nur ein paar Stellen, die vorgelegt wurden. Hätten Sie nämlich die ganze Aussage gelesen, dann hätten Sie die Antwort von Herrn Maier auf diese Frage bereits gewusst.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Frage habe ich an Sie gestellt!)

Herr Maier hat vor dem Untersuchungsausschuss gesagt, er weiß ganz genau, wie so etwas abläuft, dass so eine Sache über mehrere Bundesministerien läuft usw. Er hat gesagt, dass es deshalb verständlich ist, wenn etwas so lange dauert. Bei einem Rechtshilfeersuchen der Schweiz bei uns dauert das genau so lange wie bei einem Rechtshilfeersuchen von uns in die Schweiz.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe die Frage an Sie gestellt!)

Diese Frage ist also schon beantwortet gewesen, wenn Sie die Antwort des Staatsanwalts vor dem Berliner Untersuchungsausschuss gelesen haben.

Ich möchte auf jeden Fall deutlich sagen: Erstens. Ich bedauere, was passiert ist und dass diese Platte nicht auffindbar ist. Zweitens. Ich habe eine umfassende Aufklärung einschließlich eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens angeordnet. Drittens. Ich werde am 4. Mai, wenn der Vorsitzende es zulässt, im Ausschuss darüber berichten. Wenn Fehler gemacht worden sind, dann wird reagiert, auch hart reagiert werden. Ich lasse nicht zu, dass die bis dahin redliche Arbeit, die unsere Staatsanwälte in ganz Bayern leisten, durch so etwas in den Dreck gezogen wird.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Der Staatsminister des Inneren hat ums Wort gebeten. Herr Dr. Beckstein, bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gemeldet, weil sowohl Herr Kollege Dr. Jung als auch Sie, Frau Kollegin Paulig, Fragen gestellt haben, die das Landeskriminalamt betreffen. Es ist mir deshalb ein Anliegen, diese Fragen in der Plenarsitzung eindeutig und damit hoffentlich dauerhaft klarzustellen. Es hat diesbezüglich bereits eine Anfrage von Frau Ruth Paulig und Frau Susanne Tausendfreund am 24.09.1999 gegeben, die die Überschrift trägt: „Behinderung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen durch Landesbehörden“.

In dieser Anfrage wurde inhaltlich gefragt, warum das Landeskriminalamt im Zusammenhang mit der Rekonstruktion der Daten die Unterstützung verweigert habe. Es wurden vier Fragen gestellt. Die Antwort hat damals das Justizministerium gegeben, weil es um die Fragen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegangen ist. Die Antwort wurde nicht in Druck gelegt, wie ich gerade erfahren habe, weil Drucklegung nicht erbeten war. Mir ist es aber ein Anliegen, in aller Deutlichkeit klarzustellen, wie die Sache gelaufen ist, um unrichtige Vorwürfe zurückzuweisen.

Ich lese jetzt ganz einfach vor, ich glaube, das kann man so am besten darstellen. Die Frage Nummer 3 lautete:

Wie lief der konkrete Vorgang zeitlich und personell ab.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das habe ich schon vorgelesen!)

Ich zitiere aber eine andere Passage, nämlich das, was mir der Sachbearbeiter – allerdings über die Führung des Landeskriminalamtes – an das Innenministerium auf die Frage – wie lief der konkrete Vorgang zeitlich ab – geschrieben hat.

(Wahnschaffe (SPD): Auf dem großen Dienstweg!)

Zu Frage 3 teilte der zuständige Sachbearbeiter des Referats 41 seinem Vorgesetzten und damit uns, folgendes mit. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich eine ganze Seite vorlese, aber ich glaube, damit wird die Sache eindeutig klar. Vorab möchte ich noch auf folgendes hinweisen: Die Anfrage hat zwei verschiedene Sachverhalte betroffen. Der eine war die Frage der Sichtbarmachung dessen, was auf einer Festplatte ist. Der zweite Vorgang ging um die Konvertierung eines Magnetbandes. Ich hoffe, dass andere in diesem Raum die technischen Vorgänge präziser nachvollziehen können als ich. Aber auch der Laie kann feststellen, dass es sich um zwei unterschiedliche Vorgänge handelt, nämlich zum Ersten um die Frage der Festplatte und zum Zweiten um die Konvertierung eines Magnetbandes.

Zu der Frage, wie lief der konkrete Vorgang ab, schreibt also der zuständige Sachbearbeiter:

Im Januar oder Februar 1996 erkundigte sich ein Staatsanwalt von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Augsburg telefonisch nach Untersuchungsmöglichkeiten im Bayerischen Landeskriminalamt für den Fall, dass eine Festplatte mit dem Programm „Wipe File“ mehrfach überschrieben worden ist. Der Grund des Ermittlungsverfahrens und der bzw. die Namen des bzw. der Beschuldigten oder Zeugen wurde nicht erwähnt. Dem anfragenden Staatsanwalt wurde mitgeteilt, dass bei einer so behandelten Festplatte der Restmagnetismus untersucht werden kann, um auf diese Art und Weise an die ursprünglichen Informationen zu gelangen. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Programm „Wipe File“ eine 255-fache Überschreibung ermöglicht und die Wahrscheinlichkeit einer Datenrestaurierung um so geringer ist, je häufiger die ursprüngliche Information überschrieben worden ist. Eine Untersuchung von Datenträgern auf Restmagnetismus ist beim Sachgebiet 41 bis heute nicht möglich. Dem Staatsanwalt wurde daher eine vertrauenswürdige Firma empfohlen, die solche Untersuchungen vornimmt.

Ich füge ein, die Stellungnahme datiert vom 12.10.1999. Ich zitiere weiter:

Am 11.03.1996 meldete sich der Staatsanwalt erneut telefonisch und fragte an, ob die vor einigen Wochen gemachten Aussagen nach wie vor Gültigkeit haben und ob uns die Firma Convar bekannt war. Der Grund des Ermittlungsverfahrens und der bzw. die Namen des bzw. der Beschuldigten oder Zeugen wurde auch bei diesem Gespräch nicht erwähnt. Dem Staatsanwalt wurde bestätigt, dass die Aussagen nach wie vor Gültigkeit haben. Zur Firma Convar erhielt der Staatsanwalt die Auskunft, dass auch diese Firma auf dem Gebiet der Datenrettung einen guten Ruf genießt.

Mit Schreiben vom 02.04.1996 wurde das Sachgebiet 41 von dem privaten Sachverständigen Dr. Wißner um Konvertierung eines Magnetbandes gebeten. Dr. Wißner bezog sich auf einen Auftrag der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Augsburg im Ermittlungsverfahren Karlheinz Schreiber mit dem Aktenzeichen 502 JS

127135/96. Bei der Umsetzung der Datenkonvertierung handelt es sich um eine Standardtätigkeit, die in jedem gut ausgestatteten Sachverständigenlabor durchführbar ist. Darüber hinaus wird diese Leistung auch von zahlreichen Privatfirmen erbracht. Es ist nicht Aufgabe des Bayerischen Landeskriminalamts, Hilfsdienste für private Sachverständige zu erbringen. Die Konvertierung des Bandes wurde daher mit dem Hinweis auf private Dienstleister abgelehnt. Ein Zusammenhang mit den vorherigen telefonischen Anfragen der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Augsburg war nicht erkennbar.

(Dr. Jung (SPD): Aha!)

Es hätte aber auch zu keinem anderen Ergebnis geführt, wenn der Zusammenhang erkennbar gewesen wäre. Hätte sich die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Augsburg mit der Bitte um Konvertierung unmittelbar an uns gewandt, wäre diese Tätigkeit im Rahmen des üblichen Dienstbetriebs erledigt worden.

Ich darf das bewerten. Bei der Frage der Lesbarkeit der Festplatte hat das Landeskriminalamt, ohne dass irgendeine Beziehung zu irgendeinem konkreten, namentlich bezeichneten Verfahren erkennbar gewesen wäre erklärt, dass diese technische Möglichkeit zum damaligen Zeitpunkt beim Landeskriminalamt nicht bestanden hat. Ich gehe davon aus, dass sie auch heute nicht besteht.

Damit ist es nicht zu einer konkreten Anfrage oder Beauftragung des Landeskriminalamts gekommen.