Dazu habe ich in der letzten Debatte schon Folgendes gesagt: Ein positives Saldo haben wir noch bei den Türken. Wenn wir in Bayern im letzten Jahr ein Plus von 3000 hatten, dann sagt diese Zahl noch gar nichts, sondern diese Zahl wird erst dann bedeutungsvoll, wenn wir wissen, dass 42000 weggezogen und 45000 zugezogen sind. Die 42000, die weggezogen sind, sind kein Problem mehr. Ein Problem ist es aber, die 45000 einzugliedern und zu integrieren.
Meine Damen und Herren, wir müssen also auf dem aufbauen, was die Staatsregierung im Dezember 1999 vorgelegt hat. Ich weiß, dass das viele Seiten sind, 200 und noch einige, und dass wir sehr wenig Zeit haben, das zu studieren. Aber dies ist eine hervorragende Grundlage, auf der wir aufbauen können, wenn wir darangehen wollen, dieses Problem in einem Gesamtkonzept zu lösen. Vielleicht könnten auch der Bundeskanzler und der Bundesinnenminister dieses Konzept einmal lesen.
Die CSU-Fraktion hat aufgrund dieses Berichts ein ganzes Paket von Anträgen eingereicht, die hier verabschiedet wurden, und wir werden weitere folgen lassen.
Fazit, meine Damen und Herren: Die Stichworte „Ausländer“, „Zuwanderung“, „Integration von Ausländern“ werden uns nicht mehr loslassen. Ich glaube, dass die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, ein solches Gesamtkonzept, wie wir es einfordern, nicht haben will, zumindest nicht vor der nächsten Bundestagswahl, weil er natürlich weiß, dass er mit den Ansichten, die er vertritt, keine Mehrheit in der SPD findet und dass das, was die SPD will, in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähig ist. Deshalb müssen wir umso mehr darauf drängen, dass dieses Konzept bald kommt.
Meine Kolleginnen und Kollegen, wie sich unser Land – das gilt für Bayern und das gilt für Deutschland – entwickelt, wie es in 20, 30 Jahren aussehen wird, das wird jetzt entschieden. Jetzt werden die Weichen gestellt. Eine dieser Weichen wurde gerade behandelt beim Thema Steuerreform. Eine andere der Weichen, die für unsere Zukunft entscheidend sein werden, trägt die Auf
schrift „Zuwanderung“. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen und den Antrag der GRÜNEN abzulehnen.
Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Merkl, was Sie bei der Beschreibung der Flüchtlings- und Einwanderungswellen nach Deutschland immer wieder verschweigen, ist die Tatsache, dass die Ursache dafür, dass Menschen in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind, in erster Linie in den Konflikten und Kriegen begründet ist, vor denen die Menschen geflohen sind. Die Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge sind dafür ein Ausdruck: die ehemaligen Länder Jugoslawiens, die Türkei mit dem Krieg im Südosten, der Irak, Afghanistan. Die Tatsache, dass eben diese Konflikte in erster Linie Ursache für Flucht und Migrationsbewegungen sind, sollten Sie nicht verleugnen, weil uns das in der Debatte auf ein schiefes Gleis bringen würde.
Nichtsdestotrotz müssen wir in der Migrationsdebatte unterscheiden. Auf der einen Seite haben wir die Migration, die durch kriegerische Auseinandersetzungen bedingt ist, auf der anderen Seite haben wir die Diskussion um Arbeitsmigration. Dabei geht es in erster Linie darum, was unsere Gesellschaft an Arbeitsmigration braucht.
Da sage ich, meine Damen und Herren: Die Green Card macht es möglich. Endlich wird in Deutschland, ja sogar in Bayern, hier im Bayerischen Landtag, offensiv über ein Einwanderungsgesetz diskutiert.
Fast möchte ich ein bisschen nostalgisch werden und sagen: Dass ich das noch erleben darf, dass sich der bayerische Innenminister Beckstein in seinem Eifer beinahe überschlägt, Aufenthaltserlaubnisse für ausländische Fachkräfte in Windeseile zu erteilen, das ist schon ein kleines Wunder. Ich habe gestern der „Augsburger Allgemeinen“ entnommen, dass sich Herr Beckstein höchstpersönlich dafür einsetzt, dass die ausländischen Fachkräfte innerhalb von 14 Tagen ihre Aufenthaltserlaubnis bekommen sollen. Wir werden sehen, ob es in der Praxis dann auch tatsächlich so funktioniert.
Nichts hört man im Moment mehr von den fundamentalistischen und realitätsverleugnenden Parolen der CSU, Deutschland sei kein Einwanderungsland oder wir bräuchten keine Einwanderungsbestimmungen.
(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Boot ist voll! – Gegenruf des Abgeordneten Hofmann (CSU): Das hat doch der Schily gesagt!)
Das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Partei, die seit vielen Jahren auf die Notwendigkeit einer geordneten Einwanderung hinweist und dazu bereits in den vergangenen Legislaturperioden im Bundestag entsprechende Gesetzentwürfe vorgelegt hat. Endlich hat sich die Erkenntnis, dass wir Zuwanderung brauchen, in weiten Teilen der Gesellschaft durchgesetzt – und das ist, denke ich, das Wichtige –, wie die derzeitige Debatte um die Green Card zeigt.
Ihre Abschottungspolitik, meine Damen und Herren von der CSU, Ihre Angst- und Neidkampagnen haben sich als falsch und nicht zukunftsfähig erwiesen.
Nun versuchen Sie die Kurve zu kratzen. Mit dem heutigen Antrag machen Sie aber einmal mehr deutlich, dass Sie nicht nach vorne schauen, sondern Ihre alten Slogans aus der Mottenkiste herauskramen, die da lauten: Zuwanderung muss begrenzt werden,
Zuwanderung müssen wir verhindern, wir müssen den Familiennachzug begrenzen usw. Das sind Slogans und Parolen von gestern, die Sie in der Mottenkiste lassen sollten.
Wenn wir feststellen, dass wir Arbeitsmigration brauchen, Herr Kollege Glück, dann sollten wir auch nicht die Fehler der Vergangenheit machen wie in den Fünfzigerund Sechzigerjahren, wo wir nach Arbeitskräften gerufen haben, um dann festzustellen, dass Menschen gekommen sind.
Unter den Folgen der damals nicht stattgefundenen Integration der Gastarbeitergeneration haben wir heute noch schwer zu leiden.
Die Zuwanderungskonzeption, die die Politik jetzt erarbeiten muss, ist für uns untrennbar mit Integration und Integrationspolitik verknüpft. Um Menschen integrieren zu können, ist es wichtig, sie nicht zu isolieren oder isoliert nach ihren verwertbaren Fähigkeiten zu sehen. Zur Integration gehören die Familien, zur Integration gehört der kulturelle Hintergrund, möglicherweise auch die Religion, zur Integration gehört die Förderung der Sprachkenntnisse. Ein Integrationskonzept muss umfassend sein, es muss den gesamten Menschen umfassen, Herr Kollege Glück.
Eine Integrationspolitik, die die Familien der Zuwanderer ausklammert oder verhindert, dass Familien zusammengeführt werden, ist unmenschlich und sollte vor allem von einer Partei, die für sich in Anspruch nimmt, familienfreundlich zu sein, nicht propagiert werden. Andernfalls muss man fragen: Hört für Sie die Familienfreundlichkeit beim Pass auf?
Dass eine Partei wie die CSU, die auf ihr christliches Weltbild so viel Wert legt, die Debatte um die Einwanderung mit dem, wie ich meine, menschenverachtenden Slogan eröffnet: „Wir wollen nur die, die uns nützen, und nicht die, die uns ausnützen“, ist bezeichnend. Was ist das für ein Menschenbild, meine Damen und Herren? Anscheinend möchten Sie nur diejenigen aufnehmen, die wir für unsere wirtschaftlichen Interessen ausnützen können, während Sie vor den Flüchtlingen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen und auf unsere Unterstützung angewiesen sind, die Tür verschließen wollen.
(Hofmann (CSU): Kein Land in Europa hat mehr aufgenommen als Deutschland, dass das einmal klar ist!)
Ich gehe auf die aktuelle Debatte ein, bei der Sie sagen, man soll aufrechnen. Arbeitsmigration gegen Flüchtlingsmigration. Dagegen verwahren wir uns ganz entschieden.
Einerseits verkünden Sie in den Integrationsdebatten selbstgefällig die Überlegenheit Ihres christlichen Weltbildes, andererseits wollen Sie, wenn es um die aktuelle Zuwanderungsdebatte und um Asyl geht, gegeneinander aufrechnen. Ich sage: Das kann so nicht gehen. Sie interessiert anscheinend nur noch der allein stehende junge, intelligente und hoch qualifizierte Arbeitnehmer; der sollte willkommen sein. Der Flüchtling, der um sein Leben bangt, der unsere Hilfe braucht, den aber sollen wir jetzt vor der Türe lassen. So kann es nicht gehen.
Wir GRÜNE, meine Damen und Herren, treten aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte für eine Neuorientierung in der Migrations- und Integrationspolitik ein. Wir sagen: Wir brauchen eine transparente und menschensrechtsorientierte Konzeption der Einwanderungspolitik, die den humanitären, den wirtschaftlichen und
Ein zukunftsfähiges Konzept muss die Realität unserer Einwanderungsgesellschaft anerkennen. Nur wer akzeptiert, dass ein unumkehrbarer Einwanderungsprozess nach Deutschland stattgefunden hat und dass weiterhin Einwanderung stattfinden wird und auch aus demographischen und wirtschaftlichen Gründen stattfinden muss, kann eine Einwanderungspolitik gestalten. Wir können es uns sowohl aus sozialen als auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten – Stichworte Globalisierung, Wirtschaftsstandort Bayern –, einem großen Teil der hier lebenden Menschen die Integration und berufliche Perspektiven zu verweigern. Hier sind besonders jugendliche Migrantinnen und Migranten gemeint. In noch stärkerem Maße sind es die jugendlichen Flüchtlinge, denen von Gesetzes wegen Ausbildung und Arbeitsmöglichkeiten verweigert werden.
Integration darf nicht missverstanden werden als Aufforderung zur Assimilation an eine vermeintlich existierende deutsche oder bayerische Leitkultur. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert auch jedem Zuwanderer, frei zu entscheiden, wie er oder sie hier leben möchte. Für alle gleichermaßen verbindlich sind dabei aber die Normen und Werte des Grundgesetzes.
Nun zur Flüchtlingspolitik. Mit uns, meine Damen und Herren, wird es eine Aushöhlung des Asylrechts und des Flüchtlingsschutzes nicht geben. Asylrecht und Flüchtlingsschutz entziehen sich als grundgesetzlich und völkerrechtlich verankerte individuelle Rechtsansprüche jeglicher Quotenregelung.
Wer vor Verfolgung und Unterdrückung flieht, meine Damen und Herren, muss seinen individuellen Anspruch auf Schutz in einem rechtsstaatlichen Verfahren geltend machen können. Ich denke, dass sich eine der reichsten Wirtschaftsnationen der Welt diesen Grundsatz auch weiterhin leisten kann.
Das klare Bekenntnis zur Genfer Flüchtlingskonvention der europäischen Regierungen auf dem letzten Gipfel macht aus meiner Sicht Gott sei Dank deutlich, dass die Harmonisierung der Asylpolitik auf der europäischen Ebene auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention stattfinden wird.
Meine Damen und Herren, sagen Sie Ja zu einer zukunftsfähigen Einwanderungs- und Integrationspolitik. Stimmen Sie unserem Antrag zu. Zuwanderung hat unsere bayerische Gesellschaft immer bereichert und soll sie auch weiterhin bereichern. Deshalb Ja zu unserem Antrag.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Merkl, ich war angenehm über ihre Ausführungen überrascht, die durchaus abgewogen waren und eine gewisse Rationalität erkennen ließen. Mir ist auch aufgefallen, dass Ihre Ausführungen keineswegs repräsentativ für die CSU sind. So hört man das innerhalb der CSU ganz selten. Mit dieser Nachdenklichkeit, in dieser Abgewogenheit hört man dies selten. Wenn man, ganz aktuell, die Presseberichte von gestern und heute liest, hört man ganz andere Töne. Lassen wir das aber beiseite.