Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

Herrn Kollegen Sprinkart sehe ich nicht. Wortmeldungen liegen mir dann nicht mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen.

Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 3

Gesetzentwurf der Staatsregierung

über das bevölkerungsbezogene Krebsregister Bayern (Drucksache 14/2365)

Zweite Lesung –

Änderungsantrag der Abgeordneten Kellner, Gote, Schopper und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 14/3146)

Änderungsantrag der Abgeordneten Renate Schmidt, Steiger, Wolfrum und anderer und Fraktion (SPD) (Drucksache 14/3349)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Es sind maximal 30 Minuten pro Fraktion verabredet worden. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Hirschmann. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir auf meinen Zettel geschrieben: „Warum erst jetzt?“ Selbstverständlich begrüßen auch wir gerade nach der flächendeckenden

Ausdehnung ausdrücklich die Einführung eines bevölkerungsbezogenen Krebsregisters in Bayern. Während im Sozialbericht noch das informationelle Selbstbestimmungsrecht betont wird, um damit die nicht vorhandene Meldepflicht zu rechtfertigen, ist nun endlich der notwendige Schritt zur flächendeckenden Erfassung der immer noch zweithäufigsten Todesursache in Deutschland getan. Damit werden künftig auch endlich die notwendigen Daten zur Verfügung stehen, um Ursachen aufzudecken und zukünftiges Leiden zu lindern.

Der Gesetzentwurf der Staatsregierung wurde bereits im Dezember letzten Jahres eingebracht. Heute nun wird er in Zweiter Lesung behandelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dies sehr lange gedauert hat, liegt jedoch nicht an der Verweigerungshaltung der Opposition, sondern ganz eindeutig an handwerklichen Fehlern der Staatsregierung. Aus sehr guten Gründen haben wir von Anfang an, auch als dies im Sozialpolitischen Ausschuss zur Debatte stand, darauf bestanden, eine flächendeckende Erfassung aufzunehmen. Dies geschah insbesondere auch durch die Kollegin Christa Steiger aus Oberfranken.

Die Haushaltsmittel von 1998 decken im Einzugsbereich nur 60% ab, zwei Drittel Millionen Menschen in Oberbayern und 13 Landkreise, also zirka 1,5 Millionen. Deutschland nimmt – ich denke, es ist wichtig, dies an dieser Stelle zu betonen – sowohl bei der onkologischklinischen Forschung als auch bei den Therapieresultaten einen untergeordneten Platz ein.

Dies liegt unserer Meinung nach auch daran, dass es, abgesehen vom Saarland, kein flächendeckendes Register gibt, auf das zurückgegriffen werden könnte. Das in der ehemaligen DDR bestehende Register wurde nicht weitergeführt.

Schon lange halten wir es für notwendig, Krebsdaten flächendeckend zu erfassen, damit zum Einen die Bedingungen für die epidemiologische Forschung verbessert werden, zum Zweiten die Möglichkeit geschaffen wird, Qualität und Erfolg der Behandlung zu messen, indem etwa Heilung und Sterblichkeit bei der Anwendung einzelner Methoden dokumentiert werden. Dies ist dringend erforderlich, weil wir im europäischen Vergleich zwar, was die finanziellen Aufwendungen für die Gesundheit, gemessen am Bruttosozialprodukt, angeht, einsam an der Spitze liegen, bei der Fünf-Jahres-Überlebensrate jedoch in den Bereichen Lungenkrebs, Darmkrebs, Brustkrebs, Gebärmutterkrebs sowie Kopf- und Halskrebs lediglich an dritter bzw. an vierter Stelle.

Zur Bereitstellung dieser Basisdaten ist unbedingt eine lückenlose Registrierung notwendig. Die Patientinnen und Patienten haben hierfür großes Verständnis, weil jeder und jede weiß, dass eine fundierte Forschung lediglich aufgrund gesicherter Daten zum medizinischen Fortschritt und damit zum Nutzen für jeden Einzelnen und Einzelne beiträgt.

Mittlerweile – das betone ich ausdrücklich – ist durch die Intentionen der SPD-Mitglieder des Haushaltsausschusses die Bereitstellung der notwendigen zusätzlichen Gelder für eine Schließung der Lücken des Registers sicher

gestellt, wofür ich mich auch im Namen der heutigen und möglichen zukünftigen Betroffenen bedanke.

Nichtsdestotrotz, liebe Kollegen und Kolleginnen, frage ich die Staatsregierung, warum es zu dieser enormen Verzögerung hat kommen müssen. Wäre der heute zu beschließende Antrag bereits früher in dieser Form eingebracht worden, wären wir schon einen großen Schritt weiter. Wäre die Staatsregierung bereits sehr viel früher dem Vorbild des Saarlands gefolgt, könnten wir diese Errungenschaft bereits seit Jahren haben. Das Saarland stellt seit 20 Jahren sehr erfolgreich die Daten in einem Krebsregister zusammen.

Ich danke den Mitgliedern und „Mitgliederinnen“, die im Landesgesundheitsbeirat arbeiten,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CSU – Dr. Wilhelm (CSU): Was ist denn das?)

Mitglieder, entschuldigen Sie bitte -,

(Hofmann (CSU): Was tut man nicht alles!)

aber auch dem Kollegen Dr. Zimmermann, der sich auch dort dafür eingesetzt hat, dass wir endlich zu einer gemeinsamen Linie kommen, um Krebsdaten zu erfassen.

Lieber Kollege Kobler, Sie lachen. Vielleicht ist das heute ein Anlass zur Freude, da stimme ich Ihnen zu.

(Kobler (CSU): Ich finde es gut! Wir haben eine breiten Konsens geschafft!)

Ich darf aber an den Sozialbericht der Bayerischen Staatsregierung erinnern, in dem die beiden Regierungsbezirke Oberfranken und Niederbayern nicht vorgekommen sind. Ich denke, das wäre schon früher Aufgabe der Bayerischen Staatsregierung gewesen.

(Beifall des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD) – Kobler (CSU): Das haben wir von Anfang an moniert!)

Dennoch waren wir diejenigen – das sage ich an dieser Stelle –, die Sie dazu motiviert haben, nicht nachzugeben und im Interesse der Bürger und Bürgerinnen das Krebsregister auf diese beiden Regierungsbezirke auszudehnen.

Wir stimmen dem Antrag mit der Änderung zu, die am 6. Juli im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts und Parlamentsfragen endberaten wurde, dass nämlich in Artikel 16 Absatz 1 ein früherer Zeitpunkt eingefügt wird. Wir bedanken uns noch einmal bei allen, die endlich eingesehen haben, dass es wichtig ist, die beiden Regierungsbezirke Oberfranken und Niederbayern in das Krebsregister einzubeziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Zimmermann. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Hirschmann, dieses positive Ergebnis nach so langer Diskussion in den vorberatenden Ausschüssen und die, wie ich meine, sehr sachlich geführte Auseinandersetzung eignen sich in keiner Weise für ein eventuelles parteipolitisches Scharmützel, weil die Problematik, die sich dahinter verbirgt, zum einen so sensibel und zum anderen aufgrund der Versorgungsnotwendigkeiten auch so differenziert ist. Ich hielte es nicht für vernünftig, daran eine parteipolitische Auseinandersetzung anzuschließen.

Ich gebe Ihnen recht: Wir alle haben gemeinsam darum gerungen, dass nicht nur die erwähnten zwei Regierungsbezirke, sondern auch jene Landkreise in das Krebsregister aufgenommen werden, die bisher nicht bedacht wurden.

Ich verhehle nicht, dass die Diskussion vor 14 Tagen im Landesgesundheitsrat und die sachlichen und fachlichen Feststellungen, die dort von Kapazitäten der bayerischen Medizin in der Strahlentherapie und der Onkologie getroffen wurden, den Durchbruch gebracht haben.

Ich möchte mich wie Frau Kollegin Hirschmann bei allen Mitgliedern des Haushaltsausschusses, speziell bei denen, die aus den beiden genannten Regierungsbezirken kommen, bedanken. Es kommt nicht sehr häufig vor, dass inhaltliche Veränderungen im Haushaltsausschuss nicht nur tiefgreifend angedacht und diskutiert, sondern letztlich auch einer positiven Erledigung zugeführt werden können. In meiner fünfjährigen Parlamentstätigkeit darf ich dies zum ersten Mal feststellen – Sie geben mir Recht, Herr Kollege Wahnschaffe, Frau Kollegin Hirschmann. Darum ist es ein fast einmaliger Vorgang, den wir heute parlamentarisch feststellen können, dass die Argumente, die im Fachausschuss vorgetragen und in vorauseilendem Gehorsam zur Seite gestellt werden, von den Haushältern aufgegriffen und dann wie erwähnt durch die notwendige fachliche Ergänzung positiv erledigt werden können.

Meine Damen und Herren, das Spannende an diesem Krebsregister ist nicht allein, dass wir in Zukunft eine Flächendeckung im gesamten Freistaat haben werden, sondern vielmehr eine Evaluierung der zwölf Millionen bayerischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zum Wohle und zu Heilungsmöglichkeiten für weitere Krebserkrankungen in unserem Land.

(Wahnschaffe (SPD): Aber nur wenn die Ärzte mitziehen!)

Das wird nicht nur auf Bayern beschränkt bleiben, sondern dieses Kollektiv von zwölf Millionen bayerischer Bürgerinnen und Bürgern wird in das große deutsche Krebsregister Eingang finden, und damit wird eine viel stärkere Aussagekraft bei der Behandlung verschiedenster Krebsformen möglich werden.

Darum haben wir auch darauf gedrungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das Krebsregistergesetz zum 1. Januar 2002 in allen Landkreisen des Freistaates Bayern aufgenommen wird, damit auch die speziellen örtlichen Gegebenheiten nach Häufigkeit evaluiert werden und die Heilungsmöglichkeiten mit in den Vordergrund gerückt werden.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wahnschaffe?

Selbstverständlich.

Herr Kollege Wahnschaffe, bitte.

Herr Kollege Dr. Zimmermann, stimmen Sie mir zu, dass die positive Einschätzung der Auswirkungen des Krebsregistergesetzes, die Sie soeben vorgenommen haben, nur dann zum Tragen kommt, wenn auch die Ärzte und alle, die im Gesundheitsbereich mit dieser Frage zu tun haben, mitwirken und damit die Daten an die entsprechenden Krankenhäuser geliefert werden?

(Hofmann (CSU): Selbstverständlich!)

Sind Sie bereit, einen entsprechenden Appell von hier aus an die Ärzte, also Ihre Kollegen, zu richten?

Herr Kollege Wahnschaffe, Sie nehmen diesen Aspekt vorweg. Selbstverständlich wäre ich darauf noch zu sprechen gekommen. Ihre Anmerkung ist auch dahin gehend zu verstehen, dass selbstverständlich alle Verbände und Institutionen zum Erfolg dieses Registers an einem Strang ziehen müssen. Ich denke an die Kassenärztliche Vereinigung, an die Kassenzahnärztliche Vereinigung, die Landesärzte- und die Landeszahnärztekammer, an die Ärzteorganisationen, aber auch an die Bayerische Krebsgesellschaft.

Sehr gern nehmen wir auch die Unterstützung dieser Gesellschaft an, die angekündigt hat, alle ihre Möglichkeiten und Ressourcen dahin gehend einzusetzen, damit sich das Meldeverhalten der Zahnärzte und Ärzte verbessert. Die Aussage eines flächendeckenden bevölkerungsbezogenen Krebsregisters macht selbstverständlich nur dann Sinn, wenn die Ergebnisse entsprechend den Häufigkeiten repräsentativ sind.

Kolleginnen und Kollegen, ich muss noch einen dritten Punkt ansprechen. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es nur dann vernünftig ist, Daten zu erheben, wenn ein unmittelbarer Anschluss an ein Tumorzentrum vorhanden ist. In Augsburg, Regensburg, München, Erlangen und Würzburg gibt es bereits Tumorzentren. Es handelt sich um eine sehr starke Verquickung der dort vorgehaltenen Krankenhäuser der höheren Versorgungsstufe mit den die Krebsdaten evaluierenden Stellen, mit deren Hilfe ein unmittelbarer Abgleich auch qualitätssichernder Maßnahmen vorgenommen werden soll, ob zum Beispiel bei der Behandlung eines Bronchi

alkarzinoms im Stadium XY – sage ich vereinfacht – nach einer Operation eher eine Strahlentherapie oder eine Chemotherapie in Betracht kommt. Meines Erachtens. bringen die Daten, abgestimmt auf moderne medizinische Erkenntnisse und Verfahren, ein optimales Ergebnis.