Den Abhöraktionen nach dem Gesetz zu Artikel 10 des Grundgesetzes, die Sie gegen rechtsextremistische Einzeltäter ausweiten wollen, wollen wir uns überhaupt nicht verschließen. Sie sagen aber, dass Sie diese Aktionen gegen jegliche Gewalttäter ausweiten wollen. Ihre Definition von Gewalttätern führt dazu, dass möglicherweise zwei Drittel der bayerischen Bevölkerung über G-10-Untersuchungen abgehört werden. Das weisen wir zurück. Hören Sie auf mit diesen Gewalttäterdefinitionen.
Sie fordern strafrechtliche Verschärfungen für Menschen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren. Wir bestehen auf dem erzieherischen Charakter des Jugendgerichtsgesetzes und wollen diesen erhalten wissen.
Bei der Zulassung von Versammlungen ist zu prüfen, ob wir eindeutigere Regelungen brauchen bei minderheitenfeindlichen oder rassistischen Aussagen von Gruppen, die das Demonstrations- und Versammlungsrecht für sich in Anspruch nehmen. Ich erwähne nur die DVU oder die Kundgebung der NPD, die in München geplant ist. Hier müssen wir die Bestimmungen des Versammlungsrechts noch einmal überprüfen. Das ist richtig.
Der Antrag auf Verbot der NPD wird derzeit von der Bundesregierung überprüft. Ob dieser Verbotsantrag letztendlich aber gestellt wird, hängt von der Qualität der Beweise ab. Schließlich muss dieser Antrag auch aus der Mitte der politisch Verantwortlichen kommen, also aus dem Bundestag, der Bundesregierung und dem Bundesrat. Man muss in diesem Zusammenhang aber auch sehen, dass mit einem solchen Verbotsantrag nur eine vermeintliche Lösung des Problems in Angriff genommen wird, denn während rechtsextremistische Gruppen abtauchen, werden gleichzeitig neue Organisa
tionen aufgebaut und die DVU und die Republikaner damit reingewaschen. Es ist nicht leicht, dieses Problem mit einem Verbot der NPD zu lösen. Wir werden auch alle anderen konkreten Maßnahmen in Angriff nehmen müssen, die dazu notwendig sind.
Lassen Sie mich dazu noch einiges ansprechen. Es geht uns auch darum, in unserer Gesellschaft Rechtsnormen gegen die Ausgrenzung von Minderheiten und gegen Ausländerfeindlichkeit weiter zu entwickeln und ihnen Gesetzescharakter zu geben. Ich erinnere nur an Ihre Kampagne gegen das Staatsangehörigkeitsrecht. Wie viel Fremdenfeindlichkeit wurde in diesem Zusammenhang geschürt. Wir haben darüber ausführlich debattiert. Ich will es nicht im einzelnen wiederholen. Ein Zitat von Ministerpräsident Stoiber möchte ich Ihnen aber nicht vorenthalten:
Wenn wir mit dieser neuen Staatsbürgerregelung die ganze Kurdenproblematik und das damit verbundene massive Gewaltpotenzial nach Deutschland importieren, schätze ich die Gefährdung der Sicherheitslage höher ein als bei der RAF in den 70er und 80er-Jahren.
(Zurufe von der CSU: Recht hatte er! – Herrmann (CSU): Darf man über die PKK in Deutschland nichts mehr sagen?)
Wie weit hat dieses Zitat zugetroffen, und hat es nicht dazu geführt, dass zum einen das Staatsbürgerschaftsrecht verwässert und zum anderen die Fremdenfeindlichkeit weiter geschürt wurde? Dieses Zitat hat sicher einen Beitrag dazu geleistet.
Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel anführen. Auch Ihr Sträuben gegen die Anerkennung homosexueller Partnerschaften bitte ich einmal unter dem Gesichtspunkt der Ausgrenzung von gesellschaftlichen Gruppen zu sehen. Rechtsnormen prägen das gesellschaftliche Zusammenleben.
Ein weiterer Bereich ist die Gewalt in der Erziehung. Sie haben sehr plausibel ausgeführt, dass Gewalt in der Erziehung weitere Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen, Heranwachsenden und möglicherweise auch bei Erwachsenen unterstützt. Die Korrelation ist inzwischen durch Studien belegt. In diesem Zusammenhang verstehe ich es aber nicht, dass die CDU/CSU im Bundestag den Gesetzentwurf zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung, also einen Gesetzentwurf, der sich gegen Gewalt an Kindern ausspricht, abgelehnt hat. Hier zeigt sich, wie zwiespältig Sie mit dem Begriff Gewalt umgehen.
Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. In den Ländern, in denen ein solches Gesetz bereits umgesetzt ist, wie z.B. in den skandinavischen Ländern teilweise schon seit 20 Jahren, sind Gewalttaten gegen Kinder um etwa zwei Drittel zurückgegangen. Durch ein sol
ches Gesetz wird auch das Rechtsempfinden der Eltern enorm geprägt und gestärkt. Ich hoffe nur, dass dieses Gesetz morgen im Bundesrat verabschiedet wird.
Faktoren wie hohe Arbeitslosigkeit und hohe Ausländerquote werden immer wieder als ökonomische und soziale Ursachen für Fremdenfeindlichkeit genannt. Durch keine sozialwissenschaftliche Studie ist belegt, dass hohe Arbeitslosigkeit zur Ausbildung von Fremdenfeindlichkeit beiträgt. Auch der Ansatz, dass eine hohe Ausländerquote zu Fremdenfeindlichkeit führt, ist schlichtweg falsch. Darauf hat erneut Klaus Wahl, Forscher am Deutschen Jugendinstituts in einem Artikel der „Neuen Züricher Zeitung“ vom 9./10. September 2000 mit Nachdruck hingewiesen.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, den ich in meinen Ausführungen bereits erwähnt habe: die rigorose Abschiebepolitik der Bayerischen Staatsregierung. Beispielsweise wird bei uns die Altfallregelung im Vergleich der Bundesländer am schärfsten umgesetzt. Menschen hätten die Chance einer humanitären Lösung, wenn sie in ein anderes Bundesland gingen. In Bayern haben sie diese Chance nicht. Dieser Umstand wurde heute gerade von der evangelischen Kirche, vom kirchlichen Ökumenereferenten Thomas Prieto Peral deutlichst gerügt. Ich darf aus der dpa-Meldung vom 28.09.2000 zitieren:
Durch die bundesweit schärfsten Ausführungsbestimmungen zu der von der Innenministerkonferenz 1999 erlassenen Altfallregelung gehe in Bayern die Anerkennungsquote für langjährig geduldete Asylsuchende gegen Null.
Diese Erklärung erfolgte zum morgigen „Tag des Flüchtlings“. Ich zitiere weiter aus dieser Pressemitteilung:
Bayerisches Ziel sei offenbar nicht die Lösung sozialer Härten, sondern der erneute Beweis restriktiver Ausländerpolitik.
Ich erinnere nur an die Stichtagsregelung, die zur Ablehnung einer gesamten Familie führt, wenn nur ein Familienmitglied später zugereist ist. Dann wird die ganze Familie abgeschoben. Das gibt es in anderen Bundesländern nicht. Wenn ein Mitglied einer großen Familie straffällig geworden ist, wird die gesamte Familie in Sippenhaft genommen. Das gibt es in anderen Bundesländern nicht. Wo bleibt der garantierte Schutz der Familie, der auch für Asylsuchende gewährleistet sein muss? Hier klaffen die von Ihnen proklamierte Wertediskussion und die praktische Politik meilenweit auseinander.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Am 6. Juli hat der Deutsche Bundestag einstimmig – laut Protokoll also auch mit den Stimmen der CSU – den Antrag auf Drucksache 14/3729 verabschiedet. Darin wurde ganz klar ein anderer Umgang mit Abschiebung gefordert. Die Abschiebung ist danach, sofern eine Ausreiseaufforderung ergangen ist, zu widerrufen für Behinderte, für Kranke, für alleinstehende alte Menschen, für Mütter mit Kleinkindern, für unbegleitete Minderjährige,
für Ehepaare, die verschiedenen Ethnien angehören, für ehemalige Lagerinsassen, für Zeugen in Kriegsverbrecherprozessen und für Jugendliche, die in Deutschland aufgewachsen und weitgehend integriert sind. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung sind folgende Minimalkritierien zu berücksichtigen: Die Sicherheit für Rückkehrwillige, die einer ethnisch-religiösen Minderheit angehören; die Existenzmöglichkeit für die Person oder Familie, um ein Mindestmaß sozialer Überlebenschancen zu gewährleisten; der Zustand des Gebäudes im Heimatort, in das die Person zurückkehren soll bzw. geplante oder schon durchgeführte Rekonstruktionsprogramme. Haben Sie diesen Beschluss irgendwann umgesetzt? Wo ist die Anweisung an die bayerischen Ausländerbehörden, diesen einstimmigen Beschluss des Bundestages auch in Bayern umzusetzen? Wir hätten uns bereits in diesen Sommerferien manche unverständlichen inhumanen Abschiebungen ersparen können.
Noch einen Punkt will ich in diesem Zusammenhang ansprechen. Ich habe ein Bündel von Anträgen zur zivilen Konfliktregelung eingebracht. Zum Beispiel werden mit dem Antrag auf Drucksache 14/2451 Fortbildungsmaßnahmen für Lehrerinnen und Lehrer, Programme und Materialien verlangt zur Frage, wie Konflikte an Schulen ohne Gewalt zivil geregelt werden können.
Wie kann Konflikten, die zu Gewalt zu eskalieren drohen, mit zivilen Konfliktregelungen vorgebeugt werden? Die CSU hat diesen Antrag abgelehnt. Auch die SPD hat diesen Antrag abgelehnt, was ich noch viel weniger verstanden habe. Genau das, was Herr Glück heute als große Erneuerung an den Schulen genannt hat, habe ich Ihnen aufgezeigt. Ich habe dargestellt, wie an Schulen Programme zur zivilen Konfliktregelung durchgeführt werden sollen und wie es zu gemeinsamen Regeln kommen kann. Ich habe dargestellt, wie Vereinbarungen getroffen und Streitfälle durch Schlichter und Schlichterinnen geregelt werden. Das war Ihnen völlig wurst. Die Hauptsache war, dass dieser Antrag abgelehnt wurde. Diese Politik ist mehr als unglaubwürdig.
Lassen Sie mich jetzt auf die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Bayerns eingehen: Die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Bayerns hat seit jeher in starkem Maße von internationaler Zusammenarbeit und internationalen Einflüssen profitiert. Internationaler Austausch und Zusammenarbeit sowie kontinuierliche Zuwanderung sind auch künftig von höchster Bedeutung für Bayern und seine Bewohner und Bewohnerinnen. Die Sicherung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts Bayern hängt entscheidend davon ab, ob sich in Bayern Menschen aus anderen Ländern willkommen und anerkannt fühlen oder ob sie mit Übergriffen und einer feindseligen Stimmung konfrontiert werden. Bei manchen Anforderungen aus der Wirtschaft sind wir tatsächlich sehr nahe am Nützlichkeitsdenken. Diese Zusammenarbeit muss aber von Kooperation und Achtung geprägt sein. Nur dann ist ein wirklicher Kompetenzaustausch möglich. Nur dann kann sich der Standort Bayern mit Hilfe der internationalen kulturellen Kompetenz dieser Menschen nach vorne entwickeln.
Ich möchte es kurz auf den Punkt bringen: Wir können nicht im Hinflug Menschen abschieben und im Rückflug befristet nützliche Menschen einfliegen. Dieses Konzept wird nicht aufgehen. Wir brauchen eine andere Gestaltung der Gesellschafts– und der Einwanderungspolitik. Die Einwanderungskommission auf Bundesebene wird sich dieser Einwanderungsproblematik sehr differenziert und kompetent annehmen. Ich möchte an die CSU den Appell richten: Blockieren und boykottieren Sie diese Vorschläge nicht, sondern gestalten Sie eine künftige Einwanderungspolitik mit.
Hier im Landtag fordern wir in sechs Bereichen klare und konkrete Maßnahmen, mit denen dem Rechtsextremismus entgegengewirkt werden soll:
Bei der Polizei, der Justiz und den Behörden ist auf Prävention und auf Zusammenarbeit mit Vereinen, Organisationen und den Bürgerinnen und Bürgern zu setzen.
Diskriminierungen von Personen, die anders aussehen als diejenigen, die üblicherweise als Bayern bezeichnet werden, sind auszuschließen. Wir fordern, dass die Überprüfung von Personen aufgrund ihres „südländischen Aussehens“ unterlassen wird.
Wir setzen uns dafür ein, dass bei Ermittlung und Verfolgung rechtsextremer Straftaten durch Landeskriminalamt und Kriminalpolizei verstärkt Sonderermittlungsgruppen eingesetzt werden.
Wir brauchen dringend eine Zeugenschutzdienststelle und flächendeckenden Opferschutz. Das Problem besteht darin, dass sehr viele Opfer nicht wissen, wohin sie sich zur Beratung wenden sollen, geschweige denn eine Strafanzeige erstatten. Aus Angst tauchen deshalb viele Straftaten nicht in der Statistik auf. Deshalb brauchen wir einen umfassenden, flächendeckenden und qualifizierten Opferschutz.
Ausstiegswilligen aus der rechtsextremistischen Szene sind Ausstiegsmöglichkeiten und Ausstiegsprogramme anzubieten.
Bei rechtsextremen Straftätern ist für zügige Ermittlungen, für zügige Anklageerhebungen und zeitnahe Verurteilungen zu sorgen.
Wir fordern, dass über den Landkreistag, den Städtetag und den Gemeindetag Programme entwickelt werden, die Präventions– und Aufklärungsarbeit auf der
kommunalen Basis stärken. Hierzu werden wir die entsprechenden haushaltspolitischen Anträge stellen.
Wir weisen darauf hin, dass gerade die Jugendorganisationen immer wieder über fehlende Finanzmittel klagen. Für diese Organisationen muss ein großzügiger Finanzansatz gewährleistet werden. Nach den Worten des Präsidenten des Bayerischen Jugendrings ist präventive Jugendarbeit gegen Gewalt und Rechtsextremismus nur begrenzt möglich, weil dafür nicht die nötigen Mittel zur Verfügung stehen. Die Einführung von Schulsozialarbeitern wird ständig gefordert, aber die Mittel fehlen.
Wir fordern auch mobile Beratungsteams, die vor Ort mit geschulten Experten die Problematik aufgreifen und verarbeiten.
Für Kindergärten und Schulen sollen Ausbildungsprogramme, Handreichungen und Unterrichtsmaterialien angeboten werden, um an den Schulen nicht nur die Toleranz, sondern auch die internationale kulturelle Kompetenz voranzubringen.
Die Hochschulen leisten von sich aus einen großen Beitrag zur Internationalisierung. Dieser Beitrag muss jedoch hinsichtlich der Haushaltsmittel verstetigt werden. Er muss planbar sein. Alle Schranken und Blockaden im Ausländer– und Dienstrecht oder hinsichtlich der Arbeitserlaubnis für ausländische Studierende sind aufzuheben und abzubauen.
Viertens. Im Bereich der Kultur wäre es angemessen, zum Beispiel im Haus der Bayerischen Geschichte eine Ausstellung mit Begleitprogramm zum Thema „Bayern und der Nationalsozialismus – Entstehung, Folgen und Konsequenzen“ durchzuführen.
Ebenso erscheint es uns notwendig, in einer breiten kulturellen Arbeit darauf hinzuweisen, dass in Bayern schon immer europäische Wanderungsbewegungen und zum Teil die außereuropäische Einwanderung die Entwicklung Bayerns in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht gefördert haben. Naturwissenschaftliche und kulturelle Quantensprünge – ich denke nur an die wunderbar reiche Baukultur Bayerns – sind durch Einwanderer für Bayerns Reichtum erreicht worden. Dieses endlich einmal zu vermitteln und nach außen zu tragen wäre das Mindeste.