Schließlich, um die Verwirrung vielleicht noch größer zu machen, der Versuch einer Definition der Leitkultur. Ich komme bei Veranstaltungen gut zurecht, wenn ich sage, Leitkultur ist für diejenigen, die bei uns auf Dauer oder auf lange Zeit leben wollen, die Hausordnung Deutschlands, an die Sie sich zu halten haben, wenn sie hier leben wollen. Wie Herr Kollege Dr. Merkl ausgeführt hat und in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Prof. Tibi steht, ist eine Hausordnung das, was im Grundgesetz an Grundwerten und an Grundrechten verankert ist. Wenn wir uns auf eine solche Definition verständigen können, verstehen es, Herr Kollege Dr. Hahnzog, auch die Stammtische und ist es auch akzeptabel.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich gebe bekannt, dass den Fraktionen eine zusätzliche Redezeit von 16 Minuten zusteht. Nächste Wortmeldung: Herr Dr. Dürr, bitte schön.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Was wir hier erleben, sind Rückzugsgefechte. Kolleginnen und Kollegen von der
CSU, die Wirtschaft hat euch Druck gemacht, und jetzt kommt ihr in enorme Argumentationsschwierigkeiten, wie man euch leider anmerkt. Die kommen mit eurer veralteten Gesellschaftspolitik und irrationalen Winkelzügen nicht mehr zurück.
Deswegen verflüchtigt ihr euch in Wortklauberei. Früher hat es in diesem Hohen Hause geheißen, wir seien kein Einwanderungsland.
Die Frau Staatsministerin und die CSU haben erklärt, aus diesem Grund seien keine besonderen Maßnahmen für die hier schon Eingewanderten notwendig. Jetzt sind besondere Maßnahmen plötzlich möglich und nötig. Dies ist schon ein Winkelzug. Sie ergreifen zwar auf dem Papier Maßnahmen, aber schlimmer ist, dass Ihnen der Erfolg und der wirkliche Wille fehlen, die Menschen hier zu integrieren.
Irgendwann im Sommer einen Bericht abzugeben, ist nicht alles. Wir wollen dazu eine Aussprache, und dies ist der Kern unseres Antrags.
Was Ihre Wortklaubereien betrifft, haben Sie alles Mögliche aufgelistet; es ist erstaunlich, wie Sie es schaffen, so wunderbar und genau zwischen Einwanderer und Zuwanderer zu differenzieren; dies ist der größte Witz.
Ich kapiere sehr gut, worauf Sie hinauswollen, nämlich die Leute weiterhin für dumm verkaufen. Was Sie unter Leitkultur, Einwanderer und Zuwanderer verstehen, haben wir bei der Hausordnung gehört. Sie wollen keine Gleichberechtigung der eingewanderten Deutschen, und das ist das große Problem.
Eine Gleichberechtigung werden Sie aber wollen müssen, daran führt kein Weg vorbei. Es geht Ihnen um Unterordnung, daher der Begriff „Leitkultur“. Was Sie mit dem Grundgesetz so spärlich begründen, ist wunderbar. Aber es geht um die Leitkultur und die dahinter stehenden Assoziationen. Sie haben eben selbst den Begriff „psychologisch“ genannt: Sie wollen die Leute weiterhin für blöd verkaufen, anstatt ihnen reinen Wein einzuschenken. Insofern wird es höchste Zeit, zu handeln und die Menschen in diesem Land aufzuklären, dass wir ein Einwanderungsland sind und Einwanderer brauchen. Das weiß außer Ihnen jeder.
Fragen Sie doch die Wirtschaft und Staatsminister Huber, was er in Indien gemacht hat. Er hat nicht gesagt,
Dies wird so weitergehen. Dass wir dies in unserem Land brauchen, müssen Sie endlich den Leuten sagen.
Sie machen mit Ihrer Lüge immer weiter. Das Infame ist, Sie führen die Asylrechtsdebatte, weil Sie etwa den Stammtischen gegenüber so tun wollen, als könne man die Flut eindämmen. Gleichzeitig aber wollen Sie ausländische Bürger holen. Der Beste ist Staatssekretär Regensburger, der sagt, die Cleversten der Cleveren kämen. Staatsminister Huber fährt nach Indien, um die besten Köpfe der Welt zu holen. Andererseits wird gesagt: Die Cleversten der Cleveren schleichen sich bei uns ein, aber wir wollen sie nicht.
Das, was Sie vorher gesagt haben, was wir gestern aus der Tasche gezogen hätten, das ist das, was wir in der letzten Legislaturperiode schon gefordert haben. Das ist am Widerstand der CSU im Bundestag gescheitert. Beinahe wäre das durchgekommen.
Das war der Gipfel, als Sie mit Kanada angefangen haben. Ich war mit dem Ausschuss in Kanada, und der innenpolitische Ausschuss war auch in Kanada.
Das ist ein Einwanderungsland, genau so, wie wir uns das vorstellen. Dort ist der Zuzug begrenzt. In Quebec geht es noch viel weiter. Das ist das, was Sie sich vorstellen, und darüber können wir auch noch reden. Dort werden Einwanderer auch aufgenommen, wenn sie wenigstens französisch ausschauen oder zwei Worte der Sprache sprechen können. Wir können auch darüber reden, ob die Einwanderer in Bayern bayerisch sprechen sollen.
In Kanada wird genau geschaut, wer gebraucht werden kann. Nichts anderes wollen wir. Gleichzeitig wird Asyl gewährt. Das Entscheidende ist: Ab dem Moment, ab dem jemand in Kanada ist, ist er gleichberechtigt. Dann kann er sich dort benehmen, wie er will, und braucht keine Lederhose anzuziehen.
(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bei- fall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Abgeord- neten der SPD – Zurufe von der CSU)
Wir wollen Verfassungspatriotismus. Das ist das, was angeblich auch hinter Ihrer so genannten Leitkultur
Das ist keine Blödelei. Die CSU macht die Blödelei. Ihr müsst euch schämen. Ihr lügt die Leute heute noch an.
Integrationsbereitschaft kann man natürlich befehlen. Was passiert denn überall? Was passiert denn in Amerika? Dort wird Integrationsbereitschaft verlangt. AntiDiskriminierungsgesetze gibt es dort.
Was war denn mit den Vertriebenen? Sie sagen, das ist nicht vergleichbar. Wollte die irgend jemand haben? Auf den bayerischen Friedhöfen durften Vertriebene früher nicht beerdigt werden. So war das damals. Man hat diese Praxis letzten Endes per Gesetz beendet.
Man kann auf alle Fälle versuchen, die Ängste vor Überfremdung weiter zu schüren. Hören Sie endlich auf, diese Ängste zu schüren! Das ist der erste Schritt.
Der zweite Schritt, Herr Huber, ist: Stellen Sie nicht nur in Indien, sondern auch einmal vor der CSU die Chancen und Notwendigkeiten der Einwanderung heraus.