Protokoll der Sitzung vom 09.11.2000

Dazu zählen die Weiterentwicklung des Sozialstaates, die Bedeutung des Gemeinschaftslebens und die

Bedeutung des Ehrenamtes. 2001 wird als Jahr des Ehrenamtes ausgerufen. Ich darf darauf verweisen, dass auf Initiative der CSU-Landtagsfraktion schon vor, wenn ich es richtig im Kopf habe, etwa sieben Jahren entsprechende Anträge verabschiedet und Initiativen eingeleitet wurden, weswegen wir in Bayern schon vor Jahren das Jahr des Ehrenamtes hatten, dass der Ministerpräsident für Personen, die in diesem Bereich engagiert sind, eine besondere Auszeichnung geschaffen hat und dass wir Gott sei Dank schon ein Stück Klimaveränderung erreicht haben. Dies wird weiter ein wichtiges Feld unserer Arbeit sein.

(Beifall bei der CSU)

Ich nenne viertens die Aufgabe Familie. Ich will dieses Thema mit Blick auf die Uhr nicht weiter auffächern, sondern für die Landtagsfraktion nur deutlich festhalten. Die inhaltlichen Aspekte hat der Ministerpräsident dargestellt.

Ich nenne fünftens all die Konsequenzen, die sich auch in Bayern aus den Folgen des demographischen Wandels ergeben werden. Wir werden uns auf der Klausurtagung unserer Landtagsfraktion in Kreuth auch mit diesem Thema auseinander setzen, und es wird uns wohl noch in einer so vielfältigen Weise herausfordern, wie wir sie gegenwärtig vielleicht alle miteinander noch nicht richtig erfasst haben.

Ich nenne sechstens: Die Zuwanderung gestalten. Ich verweise auf einen Beschluss des Bayerischen Landtages aufgrund eines Antrages der CSU-Landtagsfraktion, auf die Beschlussdrucksache 14/2697 vom 2. Februar dieses Jahres mit der Überschrift „Integration fördern und fordern – Zuzug begrenzen“. Wir haben in diesem Landtagsbeschluss intensiv ausformuliert, was gegenwärtig wieder Gegenstand von Streit ist. In der Ziffer 1 heißt es: Integration bedeutet weder Assimilation noch multikulturelle Gesellschaft. Dies wird dann erläutert. In der Ziffer 2 heißt es: Leitkultur, gesellschaftliches Leitbild für Integration.

Meine Damen und Herren, ich finde es bestürzend, mit welcher Oberflächlichkeit bis hin zu Gehässigkeit, in manchen Fällen müsste ich auch sagen: mit welcher Dummheit in der deutschen Öffentlichkeit die Debatte um Leitkultur geführt worden ist.

(Beifall bei der CSU)

Ich empfinde es aber auch als ein Armutszeugnis für den Journalismus, wenn in diversen Debatten nur noch gefragt wird: Sind Sie jetzt für den Begriff Leitkultur oder sind Sie gegen diesen Begriff, aber nicht danach gefragt wird, worum es denn in der Sache geht. Dasselbe gilt für die Verkürzung der Debatte, ob man nun für Einwanderung ist, ob man jemanden auf den Begriff Einwanderung oder Einwanderungsland festnageln kann oder nicht, nur um dann sagen zu können: Der ist dafür oder dagegen, während die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema, das hinter solchen Begriffen steht, nicht gesucht wird.

Ich sage ganz deutlich: Für uns sind die Fragen der Integration der Maßstab für die Zuwanderung und unverzichtbar für die künftige Lösung und für die künftige Regelung der Zuwanderung. Die Integration ist die notwendige Voraussetzung, die wir verlangen müssen, um ein Daueraufenthaltsrecht zu bekommen. Jetzt reden alle plötzlich ganz selbstverständlich davon – insoweit ist dies ein Fortschritt –, dass der Erwerb der Sprache dazugehört. Ich darf aber daran erinnern, wie aus Ihren Reihen polemisiert worden ist, als die Staatsregierung und die CSU beschlossen haben, dass Voraussetzung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft der Nachweis entsprechender Deutschkenntnisse ist.

(Maget (SPD): Gar nichts haben wir gesagt!)

Natürlich war es so. Mittlerweile ist dies Gott sei Dank Selbstverständlichkeit geworden. Ich stelle mit Interesse und mit einer gewissen Befriedigung fest, meine Damen und Herren, dass unsere Positionen bei den Bedingungen für Zuwanderung und dauerhaften Aufenthalt zunehmend Zustimmung finden. Die Debatte um Leitkultur, so oberflächlich sie zum Teil ist, ist von außerordentlicher Bedeutung für die innere Auseinandersetzung über die Gestaltung der Zuwanderung. Sie ist auch eine notwendige Debatte im Hinblick auf die Fragen der Identität und der Kultur unseres Landes. Herr Maget, da ist es nicht damit getan, dass man das hier in einer Rede für Bayern beschwört, sondern man muss dies auch zum Maßstab machen, wenn es um die Ausgestaltung der Regeln über die Zuwanderung geht.

(Beifall bei der CSU)

Ich stelle mit Erstaunen fest, wenn ich mich an die Fraktion der GRÜNEN wenden darf, und empfinde es letztlich durchaus als positiv, dass die GRÜNEN nun Gott sei Dank Begriffe wie Nation und sogar Vaterland entdecken. Allerdings habe ich es fast nicht für möglich gehalten, was in der „Welt am Sonntag“ vom 5. November zu lesen stand – ich zitiere –:

Ein Bekenntnis zu Deutschland legt Cem Özdemir, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion und Sohn türkischer Einwanderer, ab: „Dass ich die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen habe, ist eine willentliche Entscheidung, ein Bekenntnis zu den Werten der Gesellschaft, in der ich mich befinde.“

Sehr gut so. Dann geht es aber weiter, und hier beginnt mein Erstaunen:

Die Kampagne der Werbeagentur Scholz & Friends, in der Deutsche ausländischer Herkunft in T-Shirts mit der Aufschrift „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ abgebildet sind, findet Özdemir so gut, dass er miteinsteigt.

Meine Damen und Herren, wenn dies einer aus der CSU-Landtagsfraktion täte, würden Sie sagen: Das ist Rassismus, das ist Nationalismus.

(Zustimmung von der CSU)

Ich bin insoweit dankbar für den Lernprozess, der bei Ihnen läuft – vielen Dank. Hören Sie dann aber mit billiger Polemik in diesen Debatten auf.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, wir werden uns mit diesem Themenkreis sicher noch ausführlicher auseinander setzen. Eines möchte ich aber deutlich sagen: Ich kann mir keine Neuregelung der Zuwanderung in Deutschland unter Ausklammerung des Asylrechts vorstellen. Es ist nicht vertretbar, einseitig und isoliert nur den Bedarf des Arbeitsmarktes zu regeln.

Ein Weiteres: Ich kann mir keine Neuregelung vorstellen, bei der wir keine befriedigende Lösung für die rund 85% der Menschen haben, die mit Anspruch auf Asyl in unser Land kommen, aber am Ende eines sehr, sehr langen Verfahrensweges keinen Daueraufenthalt bekommen. Wenn lediglich rund 4% derer, die Asyl beantragen, als politisch Verfolge oder religiös Verfolgte anerkannt werden und noch rund 10% hinzukommen, die aus unterschiedlichen Gründen eine Daueraufenthaltsgenehmigung erhalten, dann heißt das, dass rund 85% derer, die mit dem Anspruch auf Asyl kommen, letztlich unberechtigt zuwandern und im Übrigen dabei persönlich immer auch in einer Sackgasse sind. Es stimmt nicht, dass unser Asylrecht damit so human würde. Im Gegenteil: Aus diesen langen Verfahrenswegen, aus der Rechtswegegarantie heraus entstehen am Schluss menschliche Härten. Man ist vier, fünf, sechs, sieben Jahre hier, Kinder werden geboren, sind dem Heimatland entfremdet, und dann ist man doch am Ende der Sackgasse. Dann entstehen Härten.

Deswegen brauchen wir eine Regelung, mit der der Anspruch auf Asyl für politisch Verfolgte aufrecht erhalten wird, mit der der Verfahrensweg aber so gestrafft wird, dass möglichst nach einem halben Jahr, nicht wesentlich länger, die Verfahren entschieden sind. Damit wird Deutschland wesentlich an Sogkraft für diese Art von Zuwanderung verlieren. Dies muss in ein Gesamtpaket hinein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Ein Letztes – siebtens –, auch wenn es nur zum Teil die gesetzgeberische Kompetenz der Landespolitik berühren wird. Wir werden uns in den nächsten Monaten und Jahren noch stärker damit auseinander setzen müssen, nach welchen ethischen Maßstäben technisch-wissenschaftlicher Fortschritt gestaltet wird. Hier wird uns insbesondere die Entwicklung der Biotechnologie, der Genomforschung, alles, was an Verheißungen verkündet wird, welche Möglichkeiten vorhanden sind, aber auch welche neuen Gefährdungen entstehen, in einer Weise herausfordern, wie wir das bislang, glaube ich, noch nicht erlebt haben. Prof. Markl hat kürzlich bei einem Vortrag formuliert: Aus der Wissensgesellschaft muss eine Gewissensgesellschaft werden. Ohne eine solche Auseinandersetzung nach ethischen Maßstäben haben wir keine humane Zukunft.

Meine Damen und Herren, die Entwicklung Bayerns zeigt auch, dass die weit verbreitete Position falsch ist,

wonach Landespolitik im Zeitalter der Globalisierung gar keine Chance mehr habe.

Die sehr unterschiedliche Entwicklung der Länder in Deutschland zeigt vielmehr deutlich, dass auch bei veränderten Rahmenbedingungen, die nicht mehr so sehr national als vielmehr international geprägt sind, gleichwohl Landespolitik erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten hat. Sonst hätte sich Bayern nicht so überdurchschnittlich gut entwickelt. Dadurch ist Bayern das Land in Deutschland mit der größten Wirtschaftsdynamik, mit den geringsten sozialen Problemen – ich nenne als Beispiel die Zahl der Sozialhilfeempfänger –, mit der ausgewogensten Entwicklung der verschiedenen Landesteile, mit dem besten Bildungswesen und einer Lebensqualität, die für viele in Deutschland wie ein Magnet wirkt. Nirgendwo in Deutschland haben Menschen, vor allem junge Menschen, so viele Zukunftschancen wie in Bayern. Meine Damen und Herren, das ist im Wesentlichen das Ergebnis der Landespolitik der CSU. Diese Politik werden wir in diesem Sinne weiterführen.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Anmerkung. Ich meine, der Haushalt des Ministerpräsidenten verdient die Aufmerksamkeit aller Parlamentarier. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen bitten, ihrer parlamentarischen Verantwortung gerecht zu werden. Ich würde mich sehr freuen, wenn sie wieder in den Parlamentssaal zurückkehren würden.

(Beifall bei der CSU)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Paulig das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich herzlich für Ihre Mahnung bedanken, Frau Präsidentin, denn auch ich habe die Flucht zum Mittagessen kommen sehen. Es freut mich sehr, meine Damen und Herren, dass Sie hier bleiben, und es freut mich auch, dass auch Herr Ministerpräsident Stoiber noch einige Minuten Zeit haben wird. Er muss heute noch nach Berlin zur Demonstration, was ich natürlich völlig richtig finde.

Ich möchte nicht nur diejenigen begrüßen, die sich noch ein paar Minuten gedulden, ich möchte heute auch meine achtundachtzigjährige blinde Mutter begrüßen, die in Begleitung von zwei Pflegerinnen hier ist. Herzlich willkommen. Es freut mich, dass sie es geschafft hat.

(Allgemeiner Beifall – Freiherr von Rotenhan (CSU): Die wählt CSU! – Heiterkeit)

Ich kann Ihnen sagen, dass sie ihr Wahlverhalten geändert hat und von einer CSU-Wählerin zu einer GRÜNEN-Wählerin geworden ist. Das ist sicher verständlich. Aber auch für sie gilt das Wahlgeheimnis.

Herr Ministerpräsident Stoiber, ein paar Minuten sind Sie sicher noch anwesend. Ich freue mich, dass Sie Bayern

wieder einmal die Ehre gegeben haben. Sie sind derzeit viel unterwegs, in New York zu einem Höflichkeitsbesuch bei.Kofi Annan, demnächst im Krisengebiet im Nahen Osten, und wir erinnern uns an den Besuch bei Schüssel und den FPÖ-Koalitionären, die Sie wegen der Datenaffäre bald nicht mehr werden besuchen können. Gelegentlich kreuzen sich die Wege von Ministerpräsident Stoiber und seinem Staatskanzleidiener Huber. Dieser war kürzlich in Silicon Valley, jetzt war er in Richtung Osten nach Indien unterwegs. Es freut uns festzustellen, dass Sie nicht den Fehler von Columbus wiederholt haben, so wie es in der „Welt am Sonntag“ zu lesen war, nach Westen zu fahren und dort die Inder zu suchen. Sie sind lernfähig – Gratulation.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE)

Bezüglich der Tätigkeit des Ministerpräsidenten Stoiber hat man den Eindruck, dass aus der sogenannten Lichtgestalt ein Irrlicht geworden ist, ein flackerndes Irrlicht, einmal hier, einmal dort, das zwischen Berlin und dem Bundesverfassungsgericht hin und her irrlichtert. Die letzte Klage hat dazu geführt, dass als Hausaufgabe für die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ein strenges Zeitdiktat gegeben wurde. Das wird die Sache angesichts der bayerischen Kraftmeierei im Kreis der Bundesländer schwierig machen. Schauen wir uns die anderen Klageirrlichter an. Es wurde eine Klage zum Atomausstieg auf europäischer Ebene angekündigt, und es wurde eine Klage wegen der UMTS-Lizenzen angedroht. Daraus ist nichts geworden, es ist leise geworden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es schöner ist, wie ein Irrlicht als Kanzlerkandidat durch die Welt zu schweifen, als in Bayern die Aufgabe des Ministerpräsidenten zu erledigen. In Bayern ist es Stoiber zunehmend ungemütlich geworden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das vergangene Jahr war ein Jahr der Entzauberung Stoibers. Entzaubert wurde er durch die LWS-Vorgänge. Der Untersuchungsausschuss bestätigte klar die politische Verantwortung Stoibers für die Millionenverluste. Er entzauberte den Mythos der unfehlbaren wirtschaftlichen Kompetenz und offenbarte die persönliche Unfähigkeit, Fehler zuzugeben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Entzauberung im Privatisierungs-Deal des Verkaufs der Viag-Anteile sei in diesem Zusammenhang ebenfalls angesprochen. Trotz der Sperrminorität Bayerns an der Viag ist es nicht gelungen, eine Garantie für die Kraftwerkstandorte auszuhandeln. Wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben aus diesem Grunde dagegen gestimmt. Wir haben genau diese Garantie bei der Privatisierungsdebatte eingefordert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dem Abbau der Arbeitsplätze in Bayern jetzt nachzuweinen, bedeutet Krokodilstränen zu vergießen, gerade

angesichts der Tatsache, dass die Schließung der bayerischen Kraftwerke von Stromimporten aus maroden tschechischen Kohlekraftwerken begleitet ist. Kritische Bürgerinnen und Bürger sagen jetzt nicht mehr e.on, sondern e.off, weg von e.on.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)