Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Pater Dehm wörtlich:

Der Freistaat erklärt sich quasi zu unserem Gewährsmann.

(Staatsminister Huber (Staatskanzlei): Falsch! – Unruhe bei der CSU – Zuruf von der SPD: Dem muss man nachgehen! – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Staatsminister Huber, es mag ja falsch sein; doch dann wäre es damals Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit gewesen, diese irreführende Aussage gegenüber der deutschen Öffentlichkeit richtig zu stellen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Jetzt, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, rufen Sie: „Falsch!“. Damals, nach Veröffentlichungen in den großen, meinungsbildenden Zeitungen Deutschlands, hätten Sie hier sagen müssen: Es ist falsch, was der Orden verlauten hat lassen. – Schließlich ist es nichts anderes als Krediterschleichung, wenn eine Organisation erklärt, der Freistaat Bayern fungiere als Gewährsmann.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ein Unternehmen oder ein Orden sagen kann, der Freistaat Bayern sei quasi sein Gewährsmann, erschleicht sich das Unternehmen bzw. der Orden Kredite; denn durch eine solche Aussage wird man unbegrenzt kreditfähig.

(Widerspruch bei der CSU)

Sie tragen insgesamt ein hohes Maß an Verantwortung.

(Frau Stamm (CSU): Ein typischer Kaiser! – Weitere Zurufe von der CSU)

Jetzt komme ich zum Ministerpräsidenten. Der Ministerpräsident hat sich ja nicht nur dafür eingesetzt, dass der Deutsche Orden als Körperschaft des öffentlichen Rechts eingesetzt wird, sondern war auch Familiare. Ich habe auch nicht gewusst, was das ist, und deshalb das Internet befragt. Auf einer Seite über den Deutschen Orden heißt es dazu:

Das Familiarinstitut ist eine kirchenrechtliche öffentliche Vereinigung, die der Aufsicht des Heiligen Stuhls und der Generalleitung des Deutschen Ordens untersteht. Die Familiaren

auch Herr Dr. Stoiber –

binden sich durch ein Versprechen an den Orden und werden bei der kirchlichen Investitur in das Familiarinstitut, das dem Orden angegliedert ist, aufgenommen. Die Aufnahme in das Familiarinstitut erfolgt nach einer Probezeit. Neu Aufzunehmende müssen von zwei Familiaren vorgeschlagen werden, die auch für den Kandidaten die Bürgschaft übernehmen.

(Knauer (CSU): Ist das etwas Schlechtes?)

Nach der formellen Aufnahme in das Familiarinstitut erfolgt einige Zeit später die feierliche Investitur, bei welcher der Neufamiliare in die Hand des Hochmeisters ein Gelöbnis ablegt.

Meine Fragen dazu: Herr Ministerpräsident, was war das für ein Gelöbnis? Sind Sie auch für die finanzielle Situation des Ordens verantwortlich?

(Beifall bei der SPD)

Was verlangt der Orden von den Familiaren? Deren Tätigkeitsfeld ist groß.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Hierzu ist dem Internet unter anderem Folgendes zu entnehmen:

Die Familiearen organisieren umfangreiche Spendenaktionen, um die Finanzierung von Ordensaktivitäten sicherzustellen.

(Zurufe von der SPD)

Der Bayerische Ministerpräsident sollte einmal dazu Stellung nehmen, inwieweit er beim Deutschen Orden involviert ist und inwieweit er auch persönlich Verantwortung trägt für die finanzielle Situation der Organisation.

(Beifall bei der SPD)

Weiter heißt es in dem zitierten Internetbeitrag:

Das Familiarininstitut, dem Laien und Priester angehören, engagiert sich unterstützend in allen Ordensaufgaben

in allen Ordensaufgaben! –

und versucht darüber hinaus, in der Öffentlichkeit, in Kultur und Gesellschaft die Werke des Ordens zu fördern und für das Reich Christi tätig zu sein.

Inwieweit hat der Ministerpräsident seinem Gelöbnis Folge geleistet und den Orden unterstützt? Das wollen wir hier im Bayerischen Landtag wissen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen auch wissen, welche finanziellen Vorteile der Orden aufgrund seiner Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangt hat.

(Zuruf des Abgeordneten Ach (CSU) – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Der Ordensprior erklärte, heute im Internet nachzulesen:

So gewährt der Staat zum Beispiel umfangreiche Steuer-, Gebühren- und weitere indirekte Finanzierungsvorteile, wodurch er ein elementares Interesse an Institutionen zum Ausdruck bringt...

Hier widersprechen sich Staatsregierung und Orden. Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, Sie sagen, Sie seien rechtlich verpflichtet gewesen, dem Orden besagtes Statut zu verleihen. Der Orden spricht in dem Zusammenhang von einem Wunder. Sie erklären, er genieße dadurch kaum finanzielle Vorteile. Der Orden geht von umfangreichen Vorteilen aus, direkt durch Steuernachlässe, indirekt durch bessere Finanzierungsmöglichkeiten, die man als Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangen kann. Ministerpräsident und Staatsregierung tragen hier Verantwortung. Der Ministerpräsident trägt persönlich als Familiare, sowie als Regierungschef Verantwortung. Die Staatsregierung trägt die Verantwortung dafür, was bei dem Orden geschehen ist, nachdem dieser als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt worden war. Wir fordern die Staatsregierung auf, jetzt Ordnung zu schaffen, eine neue Struktur herbeizuführen, anstatt dem Orden mit Staatsgeldern auf die Beine zu helfen, und dieses Fass ohne Boden weiterhin finanziell zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schieder zu? – Das ist der Fall. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Kollege Dr. Kaiser, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, dass ein Bayerischer Ministerpräsident die Verpflichtung hat, bei seinen Entscheidungen das Gemeinwohl im Auge zu haben, Objektivität und Sachgerechtigkeit, und dass der Ministerpräsident bei den Vorgängen, die Sie gerade dargestellt haben, einen eigensinnigen, privat orientierten Kurs der Klientelbefriedigung verfolgt hat?

(Zurufe von der CSU – Unruhe)

Herr Kollege Schieder, ich kann Ihre Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten.

(Willi Müller (CSU): Das ist keine Überraschung! – Zuruf des Abgeordneten Ach (CSU) – Weitere Zurufe von der CSU)

Der Ministerpräsident hat in dem Brief, mit dem er die Anerkennung des Ordens als Körperschaft des öffentlichen Rechts unterstützt hat, erklärt, ihn beeindrucke insbesondere die Tatsache, dass der Orden so schnell gewachsen sei. Dieser Umstand hätte ihn nach dem Desaster bei der LWS hellhörig machen müssen. Nicht der Umsatz ist entscheidend, sondern der Gewinn und die finanzielle Situation des Ordens sind es. Ich frage mich: Hat das Kultusministerium die finanzielle Situation des Ordens auch geprüft? Diese Frage steht noch im Raum. Hier besteht Aufklärungsbedarf. Außerdem muss die Staatsregierung jetzt handeln. Ich würde mich sehr freuen, wenn uns die Briefe, die auch Frau Ministerin Stamm zitiert hat, in Kopie ausgehändigt würden. Bislang werden sie nur auszugsweise zur Kenntnis gegeben. Frau Ministerin, Sie haben vorhin nur die Passage zitiert, die Ihnen passt. Den Schluss, wonach NordrheinWestfalen keine Verantwortung für die hausgemachten

Probleme in Bayern trägt, haben Sie nicht zitiert. Wir werden weiterhin darauf bestehen, dass aufgeklärt wird.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Staatsminister Huber. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte dem Hohen Haus erstens mitteilen, dass der Ministerpräsident jetzt nicht anwesend sein kann, weil er an einer Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin teilnimmt und heute Nachmittag ein Gespräch mit dem Bundeskanzler führen wird; dies ist dem Präsidenten des Hohen Hauses bekannt. Das sage ich, damit hier nicht falsche Schlüsse gezogen werden.

(Welnhofer (CSU): Mein Beileid!)

Zweitens. Sowohl in den Antworten auf die Schriftlichen Anfragen als auch in der gestrigen Erklärung des Kultusministeriums, in der Intervention von Frau Stamm und in meiner Erklärung heute sind die Abläufe klar dargestellt worden. Daraus ergibt sich, dass die Staatsregierung und der Ministerpräsident in wirtschaftlichen und finanziellen Angelegenheiten des Deutschen Ordens keine Entscheidungsbefugnis haben und zu keinem Zeitpunkt auf irgendwelche wirtschaftlichen oder finanziellen Entscheidungen Einfluss genommen haben. Es gibt keinen einzigen Fall, in dem die Staatsregierung auf wirtschaftliche oder finanzielle Entscheidungen des Deutschen Ordens Einfluss genommen hat. Auch der Ministerpräsident hat keinen Einfluss genommen. Das haben wir heute mehrfach erklärt. Dennoch halten Sie, Herr Kollege Dr. Kaiser, an Ihrer Version fest. Ich sage dazu: Das sind reine Unterstellungen. Das geschieht in der böswilligen Absicht, den Ruf des Ministerpräsidenten und der Staatsregierung zu schädigen.