Das hat die schwere Vertrauenskrise in Bayern und auch gegenüber der Bayerischen Staatsregierung ausgelöst.
Zwar wurden deshalb beiden Ministern Befugnisse und wichtige Zuständigkeiten entzogen, aber nach dem Motto „Augen zu und durch“ wurden ansonsten nur Durchhalteparolen ausgegeben. Das war ein schwerer Fehler. Der Bayerische Ministerpräsident hat sich in der Krise seines Kabinetts alles andere als sattelfest erwiesen. Als Krisenmanager ist er gescheitert, vom Image des tatkräftigen Machers ist wenig übriggeblieben.
Seine bundespolitischen Ambitionen muss Stoiber erst einmal zurückstellen. Die Konkurrenten in der CDU, die auf die Kanzlerkandidatur in der Union lauern, werden dies genüsslich zur Kenntnis nehmen.
Herr Ministerpräsident, nachdenklich stimmen sollte Sie die unverhohlene Schadenfreude über Ihr Debakel in den eigenen Reihen, bei der CDU in Berlin, aber auch bei manchen Kollegen in der CSU-Landtagsfraktion.
Die mit viel Eigenlob verkündete Schaffung eines neuen Ministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz und die vorgesehene Besetzung mit Prof. Herrmann war im Grunde genommen von Anfang an ein weiterer schwerer Fehler. Das, was als Befreiungsschlag dienen sollte, war in Wahrheit eine Notoperation und erwies sich spätestens nach dem Rücktritt von Frau Stamm als Schlag ins Wasser. Jetzt kommt auch noch die Absage des hochgepriesenen und von Ihnen als Ideallösung propagierten Herrn Prof. Herrmann wegen einer unerledigten Steuersache und eines drohenden
Steuerstrafverfahrens hinzu. Der neue Star tritt ab, ehe er noch zum Dienst angetreten ist. Dumm gelaufen.
Zwar ist damit der bayerischen Bevölkerung ein glühender Anhänger der Gentechnologie bei der Herstellung von Lebensmitteln erspart geblieben; für die Regierung Stoiber ist Herrmanns Absage jedoch ein Fiasko. Denn schon wieder musste in aller Eile und höchster Not eine Lösung zweiter und dritter Wahl gefunden werden.
Gerade angesichts der dramatischen Fehlentwicklungen, die in den letzten Wochen und Monaten in Bayern offenbar wurden, sind die heute vom Ministerpräsidenten dem Parlament zur Zustimmung vorgelegten Vorschläge zur Kabinettsumbildung und zu den neuen Zuständigkeiten der Ressorts unbefriedigend und enttäuschend. Sie finden aus verschiedenen Gründen nicht unsere Zustimmung.
Erstens. Der größte Makel ist, dass Landwirtschaftsminister Miller immer noch im Amt gehalten wird. Inhaltlich und fachlich spricht alles gegen ihn.
Zu hören war lediglich, dass er, wie er sich ausdrückte, „im Stillen“ gegen Antibiotika bei der Schweinemast und Tiermehlverfütterung eingetreten sei. Das muss schon sehr im Stillen geschehen sein, denn auf offener Bühne haben er und Frau Stamm sich bis zuletzt gegen Gesundheits- und Verbraucherschutzmaßnahmen in Berlin in Szene gesetzt.
Und ein zweites Mal hat sich der Landwirtschaftsminister zu Wort gemeldet, nämlich als es um die Verantwortlichkeit für den Schweinemastskandal ging. Die diesbezügliche Pressemeldung aus seinem Hause bestand aus einem Satz und lautete lapidar wie folgt: „Zuständig ist das Gesundheitsministerium.“
Bravo! Da kam im Hause Stamm sicherlich Freude auf. Wer solche Kollegen hat, braucht wahrlich keine politischen Gegner mehr.
In Wahrheit wollte Miller nur davon ablenken, dass er natürlich für die tierische Erzeugung in Bayern, für Qualitätsprogramme, für die Finanzierung der offenen Stalltür, für den Tiergesundheitsdienst und für das Landeskuratorium tierische Erzeugung zuständig ist.
Alleine der stürzenden Barbara Stamm die gesamte Verantwortung voll in die Schuhe zu schieben, war wenig mutig. Auf den Heldenfriedhof wird er so nicht kommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CSU – Ach (CSU): Populismus pur! – Dr. Eykmann (CSU): Die Wortwahl ist voll daneben!)
Zweitens. Die Frage, wer gehen muss, bleiben kann oder neu mitspielen darf, ist mit objektiven und fachlichen Kriterien nicht mehr zu erklären. So muss Frau Deml gehen, nachdem sie sich während der heißen Wochen kaum zu Wort gemeldet hat. Das war zu wenig für eine gute Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium. Die eigentlichen Fehler aber hat der Chef gemacht. Das ist jedoch – mittlerweile für jedermann ersichtlich – die Stoibers Regierung innewohnende Logik. Wenn der Chef die Fehler macht, muss der nächste Gehen.
Bei der LWS-Affäre war Sauter das Bauernopfer, bei der BSE-Krise ist es Frau Deml oder ein subalterner Redakteur eines offiziellen Beratungsmagazins des Landwirtschaftsministeriums.
Drittens. Die Kabinettsumbildung, die heute vorgelegt wird, entspringt größter Not. Stoiber nimmt deshalb sogar Herrn Sinner als Minister in Kauf, um den er in der Vergangenheit stets einen großen Bogen gemacht hat.
Gut, das wird dementiert. Ich will an dieser Stelle Herrn Sinner nicht loben, denn erstens besteht dazu kein unmittelbarer Anlass und zweitens will ich ihm nicht schaden.
Viertens. Für Frau Stewens hat die frühere Ministerin viel Arbeit liegen gelassen. Das wird der neuen Sozialministerin allein schon ein Blick in den Bayerischen Sozialbericht zeigen. „Kinderreichtum ist Armutsrisiko“, so heißt es dort zum Beispiel – und das nach 16 Jahren CSU-Regierung in Berlin und 40 Jahren CSU-Herrschaft in Bayern.
Bayern ist Schlusslicht bei der Beschäftigung Schwerbehinderter im öffentlichen Dienst. Die Situation in der ambulanten und in der stationären Pflege ist unbefriedigend. Bayern ist unter allen deutschen Bundesländern das Schlusslicht bei den Betreuungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche. Gerade auf diesem Gebiet will Frau Stewens einen Schwerpunkt setzen. Das begrüßen wir, denn endlich soll auch in Bayern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich gemacht werden. Ich wünsche ihr dabei viel Glück, und ich gratuliere ihr auch dazu, dass ihr die Flucht aus dem Umweltministerium gelungen ist.
Fünftens. Zur Identifikation der neuen Staatssekretärin, Frau Görlitz – eine sympathische Frau –, werden wohl viele das Landtagshandbuch zu Rate gezogen haben, was nicht gegen sie sprechen muss.
Sechstens. Das größte Problem ist aber das jetzt programmierte Chaos bei der Staatsregierung. Das neue zusätzliche Ministerium schafft statt klarer Zuständigkeiten zusätzlichen Abstimmungsbedarf. Ein wahres Bermudadreieck an Kompetenzwirrwarr ist entstanden. Das neue Ministerium sollte nur dazu dienen, Stoiber bei der BSE-Krise aus der Patsche zu helfen. Inhaltliche Gründe sprechen kaum für dessen Einrichtung. Der Zuschnitt des neuen Ministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz ist undurchsichtig und verworren. Der neue Minister hat keinen Einfluss auf die Kernbereiche des Landwirtschaftsministeriums, wie zum Beispiel auf die tierische Erzeugung und auf die Beratung durch die Landwirtschaftsämter. Die Berufsbildung in der Agrarwirtschaft bleibt ebenso beim Landwirtschaftsministerium wie die Zuständigkeit für die Tiergesundheit. Für das Futtermittelrecht ist das neue Ministerium zuständig, nicht aber für Fragen der landwirtschaftlichen Erzeugung.
Zum Zuständigkeitsbereich des neuen Ministeriums soll zwar die Kontrolle der landwirtschaftlichen Erzeugung im Hinblick auf Gesundheit und Ernährung gehören, jedoch nur in dieser und nicht in anderer Hinsicht.
Noch fragwürdiger sind die Abgrenzungen zum Sozialministerium. Hier dürfte künftig das totale Chaos herrschen. Das Berufsrecht, Ausbildungs- und Prüfungswesen für Gesundheitsberufe mit Hochschulausbildung kommt zum Gesundheitsministerium, das gleiche für Gesundheitsberufe ohne Hochschulausbildung bleibt aber im Sozialministerium. Das bedeutet, dass die Ärzte zum einen und die Pflegekräfte desselben Krankenhauses zum anderen Ministerium gehören. Die Krankenhausversorgung kommt zu Sinner, die Krankenhausplanung aber bleibt bei Stewens. Wie soll das gehen? Bei der Krankenhausversorgung kommt aber wiederum nur der Teil zum Gesundheitsministerium, der medizinische Fragen betrifft; alles andere soll beim Gesundheitsministerium bleiben. Man wird viel Zeit für Abstimmungsge
Die Psychiatrie kommt zum Gesundheitsministerium, die Forensik nicht. Dies ergibt ein Durcheinander, weil es natürlich in vielen psychiatrischen Einrichtungen integrierte forensische Abteilungen gibt. Die Konzessionierung von Privatkrankenanstalten soll zum Gesundheitsministerium kommen, die Krankenhausförderung insgesamt aber ebenso wenig wie Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Gewerbeaufsicht kommt in das Verbraucherschutzministerium, aber nur so weit – ich zitiere – „nicht die Zuständigkeit der Staatsministerien des Innern, für Wirtschaft und Verkehr, für Arbeit und Sozialordnung oder für Landesentwicklung und Umweltfragen gegeben ist.“ Künftig wird also die Gewerbeaufsicht auf sage und schreibe vier Ministerien verteilt und damit entsprechend wirkungslos gemacht.