Protokoll der Sitzung vom 31.01.2001

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, wie ist Bayern betroffen? In Deutschland sollen 39 große Standorte stillgelegt werden, davon 13 in Bayern. Wenn Sie andere Zahlen haben, dann sind das Berechnungen, bei denen kleine Standorte mitgerechnet werden. Vergleichbar sind die großen Standorte. Dazu stelle ich fest: Von 39 großen Standorten, die in Deutschland geschlossen werden, liegen 13 in Bayern. Das ist genau ein Drittel. In Bayern sind 16000 Dienstposten betroffen. Das ist ungefähr ein Fünftel der Bundeswehr in Bayern. Die Verringerung liegt in Bayern bei 19%, insgesamt bei 14%.

Diese Zahlen belegen ganz eindeutig, dass die Standorte in Bayern überdurchschnittlich betroffen sind und dass offenbar die Planung des Bundesverteidigungsministeriums einseitig davon ausgeht, die Truppen in Bayern zu reduzieren. Und das gerade in einem Land, meine Damen und Herren, dessen Bevölkerung in den letzten 45 Jahren, seit es die Bundeswehr gibt, zur Bundeswehr gestanden hat wie kein anderer Teil in Deutschland.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Mehrlich (SPD))

Herr Kollege Mehrlich, in Bundesländern, in den die SPD regiert, konnte man in den achtziger und neunziger Jahren öffentliche Gelöbnisse zum Teil gar nicht mehr durchführen, weil es eine aufgehetzte Stimmungsmache gab.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Frau Werner- Muggendorfer (SPD): Das ist sehr sachdienlich!)

Und zu den GRÜNEN kann ich nur sagen: Ein heutiger Bundesminister Trittin hat zu verantworten, dass er die Gleichstellung „Soldaten der Bundeswehr sind Mörder“ mit vertreten hat. Meine Damen und Herren, das ist die gestörte Einstellung der GRÜNEN zur Bundeswehr.

(Beifall bei der CSU)

Sie müssen auch sehen, dass letztlich nicht die CSURegierung in Bayern bestraft wird. Es werden Gemeinden bestraft, weil ein gewaltiger Abzug stattfindet.

(Zurufe von der SPD)

Wollen Sie uns wirklich weismachen, dass beispielsweise die kleine Gemeinde Ebern, wenn dort 1100 Leute wegziehen, eine Chance meinetwegen zur Konversion hätte, um dort große Industriebetriebe anzusiedeln?

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Nennen Sie doch eine Alternative!)

Das ist doch ein Märchen. Dann gehen Sie doch bitte nach Rottenburg, Frau Kollegin. Ich erinnere an das, was Frau Kellner gesagt hat. Der Bürgermeister von Rottenburg, Freie Wähler, Weinzierl, hat mir vor kurzem 22000 Unterschriften von Bürgern aus Rottenburg und Umgebung übergeben und hat gesagt: Wir bitten Sie eindringlich darum, sich dafür einzusetzen, dass die Bundeswehr in Rottenburg erhalten bleibt.

(Frau Radermacher (SPD): Nennen Sie doch Alternativen!)

Ich werde ihm zurückschreiben und sagen, er solle doch bitte einmal umdenken, denn die SPD und die GRÜNEN im Bayerischen Landtag seien der Meinung, der Truppenabbau sei ein Geschenk für die Gemeinde. Er wird sich bei Ihnen bedanken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU – Frau Radermacher (SPD): Was ist denn Ihre Alternative?)

Es ist nur so, dass Ihre eigenen Kommunalpolitiker offenbar nicht den Weitblick haben wie Sie, Herr Kollege Gantzer, dieses Geschenk zu begreifen. Sonst würde sich der Bürgermeister von Dillingen dafür bedanken, dass er 818 Soldaten verliert. Der Herr Holzinger würde nicht zu einer Demo gehen, sondern er müsste nach Ihrer Einstellung eigentlich in die Landtagsfraktion der SPD kommen und sagen: Ich bedanke mich bei Ihnen, dass in Memmingerberg 2000 Soldaten abgebaut werden.

Sie sollten doch aufhören, dies in dieser Weise zu bagatellisieren. So kann man mit Verantwortlichen vor Ort nicht umgehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Der Abbau der Bundeswehr um diese bekannten 60000 Mann ist mit der veränderten Sicherheitslage begründet worden. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass es während unserer Regierungszeit bei Verteidigungsminister Rühe auch den Abbau von Standorten gegeben hat. Was wahr ist, ist wahr und es war so.

(Zurufe von der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, diesbezüglich sehe ich schon einen Unterschied. Mit der Zusammenführung von Bundeswehr und NVA gab es in Deutschland insgesamt 700000 Soldaten. Es galt in der Tat, nach dem Kalten Krieg, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, die Bundeswehr auf die Stärke zu reduzieren, die sie in Friedenszeiten, unter den heutigen Bedingungen des Friedens in Europa, braucht. Da kann man immer über 10000 oder 20000 unterschiedlicher Meinung sein. Die frühere Bundesregierung hat diese Truppenstärke in Friedenszeiten unter Einschluss der internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland angestrebt. Denn dass wir nach der Herstellung der deutschen Einheit in einem sehr viel höheren Ausmaß auch international in der Mitverantwortung für Friedensein

sätze und für die Friedenssicherung in Europa stehen, wird wohl nicht bestritten.

(Frau Radermacher (SPD): Das bestreitet ja niemand!)

Wenn man unter diesen Bedingungen auf eine Stärke von 340000 Mann gekommen ist, dann war das unter militärischen und sicherheitsstrategischen Aspekten die entscheidende langfristige Größenordnung.

(Zuruf des Abgeordneten Hufe (SPD))

Und, Herr Kollege Hufe, Sie wissen es doch besser: Der Reduzierung um 60000 Mann liegt doch keine militärstrategische, sicherheitspolitische Überlegung zugrunde. Nein, das war nicht der Fall. Zugrunde liegt die Tatsache, dass Herr Eichel gesagt hat, die Bundeswehr müsse sparen, und deshalb müssten 60000 abgebaut werden.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Sie müssen nur in Ihrer Argumentation konsequent sein. Ich sage, Hintergrund dieses Abbaus ist einzig und allein der Druck des Bundesfinanzministers, und der Verteidigungsminister war, ganz gleich aus welchen Gründen, zu schwach, sich gegen den Finanzminister durchzusetzen. Deshalb wird zulasten auch der internationalen Reputation Deutschlands die Bundeswehr in diesem Bereich reduziert. Sie, Kollege Gantzer, kennen die Fakten besser, als Sie das hier zugegeben haben.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Sie wissen genau, dass die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Nato ständig dafür kritisiert wird, dass der Anteil der Verteidigung am Gesamthaushalt Deutschlands zu klein ist. Sowohl aus den Vereinigten Staaten als auch aus Italien, Frankreich, Großbritannien und den kleineren Nato-Staaten können Sie zahllose Stimmen hören, die sagen, Deutschland tue zu wenig – und in dieser Situation kürzt der Bundesfinanzminister auch noch den finanziellen Anteil im Bundeshaushalt.

Das ist der Kern. Und das, was Sie hier vermitteln wollten, dass dies international abgestimmt wäre oder gar in die politische Großwetterlage passe, stimmt nicht. Deutschland wird ganz im Gegenteil international kritisiert, weil es einen zu geringen Beitrag für die europäische Sicherheit leistet, meine Damen und Herren.

Trotz dieser Einschätzung bauen Sie weitere 60000 ab. Hinzu kommen weitere rund 40000 im zivilen Bereich. Die einen bis zum Jahr 2004, die anderen bis zum Jahr 2010.

Ich behaupte, dieser Abbau von 60000 Soldaten hat allein finanzwirtschaftliche Gründe und geht zu Lasten der Sicherheit Europas. Deshalb machen wir – und da spreche ich auch im Namen der Landesgruppe der CSU im Deutschen Bundestag – das nicht mit.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD)

Jetzt merke ich, meine Damen und Herren, dass jedenfalls Teile der SPD eine Doppelstrategie fahren.

(Frau Radermacher (SPD): Das haben wir von euch gelernt!)

Sie sagen, die Reduzierung um 60000 sei unvermeidbar – ich unterstelle einmal Ihre Hypothese –, aber vor Ort dürfe sich das natürlich nicht so auswirken.

Ich habe einen Leserbrief des Stadtrates und Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins Kötzting vor mir. Er schreibt:

Das Verteidigungsministerium wird unbestritten Standorte schließen. Vor diesem Hintergrund sind wir allerdings der Meinung, dass es gerade für den Erhalt des Standortes Kötzting gewichtige Gründe gibt.

Ja, meine Damen und Herren, in Berlin sind Sie für die Reduzierung um 60000 Mann. Hier herinnen, Kollege Gantzer, Frau Kellner, sagen Sie: Jawohl, die Bundeswehr muss in diesem Bereich reduziert werden. Ich nehme an, dass Sie vielleicht sogar für eine noch weitergehende Reduzierung sind. Denn es gibt eine Beschlussvorlage der SPD Bayern aus dem Jahr 1990, der besagt, die Bundeswehr solle auf 190000 Mann reduziert werden – nur, damit man langfristig die Linie der SPD in Bayern sieht. Ich sage Ihnen aber deutlich: Eine Doppelstrategie, einerseits zu sagen: „Was die da oben in Berlin machen, ist uns gleich“, und andererseits zu sagen: „Hier vor Ort kämpfen wir für unsere Bürger“, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Sie werden an jedem Ort die Verantwortung für die Schließung eines Standorts übernehmen müssen.

(Beifall bei der CSU)

Das Verfahren ist von Kollegen Sackmann schon angesprochen worden; ich will es kurz machen. Von Ihrer Seite höre ich doch öfter: Glaubwürdigkeit und Transparenz in der Politik, ehrlicher Umgang mit dem Bürger. Zunächst hat Herr Scharping nach Übernahme des Amtes gesagt, Standortschließungen stünden überhaupt nicht zur Debatte.

(Zurufe von der SPD)

Danach hat er gesagt, es gehe allenfalls noch um Kleinstandorte. Von denen reden wir nicht. Dann gab es die Sommerreise. Der Sommer 2000 ist erst ein halbes Jahr her. Da ist er durch die Lande gezogen und hat allen gesagt – –

(Zurufe von der SPD)

„An Ihrer Stelle wäre ich ganz ruhig. Es passiert schon nichts.“ – Ein paar Monate später hieß es, man schließe nur das, was schon von der alten Bundesregierung beschlossen wurde. Es ist das Beispiel Ebern genannt worden. Die Bundestagsabgeordnete Kastner hat den politisch Verantwortlichen, dem Bürgermeister gesagt, sie brauchten sich keine Sorgen zu machen. Dies hätten

der Herr Scharping und der Herr Kolbow, der aus Würzburg kommt, bestätigt. Und am Montag erfährt der Bürgermeister, dass der Standort mit 1100 Leuten wegfällt. So kann man ehrlicherweise mit den Leuten nicht umgehen.

(Beifall bei der CSU)

Ich lese heute, dass der Parlamentarische Staatssekretär Kolbow auf die Kritik an den einzelnen Standorten hin sagt, die Leute müssten das einsehen. Aber er fügt hinzu: „Überall dort, wo nicht aufgelöst wird, werden wir sehr gelobt.“