Protokoll der Sitzung vom 14.03.2001

Einmal eine Frage zu stellen reicht, Herr Maget. Ihre Frage habe ich jetzt schon fünfmal gehört. Wir müssen uns doch wieder ein wenig auf denjenigen konzentrieren können, der spricht. Jeder hat das Recht, sich seinerseits zu Wort zu melden.

(Beifall bei der CSU)

Staatsminister Miller (Landwirtschaftsministerium) : Herr Maget, Ihre papageienhaften Fragen sind bekannt.

Wir werden mit unserem Programm alles tun, was mit den Mitteln der Landespolitik möglich ist, um Sicherheit und Vertrauen in die Nahrungsmittel wieder herzustellen, um eine gesunde Landwirtschaft zu erreichen

(Maget (SPD): Wo ist er denn, wo?)

und um die von der BSE-Krise betroffenen Branchen zu unterstützen. Die Bayerische Staatsregierung hat dazu gestern den Entwurf des Nachtragshaushalts beschlossen. Ich bitte den Landtag hierzu um Unterstützung.

Um unseren Landwirten in der existenziellen Notlage zu helfen, hat die Bayerische Staatsregierung schon im Dezember ein BSE-Soforthilfeprogramm aufgestellt. Mit den Hilfen im Rahmen der Verbraucherinitiative Bayern unterstützen wir landwirtschaftliche Betriebe und sonstige betroffene Branchen mit beispielhaftem Einsatz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Programm wird im ganzen Bundesgebiet als vorbildhaft dargestellt.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Von der CSU!)

Den in Not geratenen Landwirten, die von einem BSEFall betroffen sind, entschädigen wir den Nutzungsausfall. Indirekt betroffene Landwirte können mit einer Liquiditätshilfe rechnen, die wir derzeit mit der EU abstimmen. Für Metzger und Fleischwirtschaft wird die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung ein 70-Millionen-DM-Darlehensprogramm auflegen. Wir haben zwischenzeitlich 4000 Tonnen tiermehlhaltige Futtermittelbestände von den bayerischen Höfen zurückgeholt. Die Aktion wird derzeit auf Hersteller- und Händlerseite zu Ende gebracht. Eine weitere Entlastung erfolgt durch eine Beteiligung an den Kosten für BSE-Tests. Wir beginnen in dieser Woche mit der Erstattung der seit 6. Dezember angefallenen Testkosten an die Landwirte. Das war ein besonderes Anliegen der CSU-Fraktion, dem damit Rechnung getragen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Mehrlich (SPD): Schwacher Beifall!)

Die Ministerpräsidentenkonferenz erwartet bei den BSEFolgekosten eine Kostenaufteilung von 60% auf den Bund und 40% auf die Länder. Darin sind sich alle Ministerpräsidenten einig, und hier steht die Bundesregierung in der Pflicht, endlich zu handeln und den Worten Taten folgen zu lassen.

(Beifall bei der CSU)

Mit der Verbraucherinitiative Bayern beweisen wir Handlungsfähigkeit, Kompetenz und Initiative. Wir setzen damit ein kräftiges Signal für den Verbraucherschutz und für neue Perspektiven in der heimischen Landwirtschaft.

Für uns ist die Landwirtschaft ein Stück Leben. Auch wenn es in der Industriegesellschaft nicht mehr allen bewusst war – diese Krise hat uns wieder deutlich gemacht: Landwirtschaft ist eng verwoben mit dem Leben der Menschen und ihrer Gesundheit; sie ist Teil unserer Lebenswelt, über die Umwelt, die Kulturlandschaft, über die Landschaft als Erholungsraum, ganz besonders aber über die Versorgung mit gesunden Nahrungsmitteln. Bäuerinnen und Bauern arbeiten für das, was uns ernährt, was wir genießen. Nicht umsonst spricht man bei der Landwirtschaft auch von Urproduktion. Unsere Bäuerinnen und Bauern sind und bleiben ein wesentlicher Faktor unserer Gesellschaft und unserer bayerischen Heimat. Die ländlichen Räume wären ohne die gestaltende Hand der Land- und Forstwirtschaft, ohne ihre Wirtschaftskraft und ohne ihre Bedeutung für die Gesellschaft für Tradition und Brauchtum nicht das, was sie heute sind, nämlich attraktive Lebensräume mit einer Kultur, die in weiten Zügen bäuerlich geprägt ist. Die Landwirtschaft gibt unserem Land Herz und Identität.

(Beifall bei der CSU)

Wir alle haben uns in der Vergangenheit als Verbraucher nur zu gerne daran gewöhnt, dass die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln mit einem immer geringeren Teil des Einkommens möglich ist. Dies hat zu einer reinen materiellen Wohlstandssteigerung geführt. Die Bedeutung von Qualität und der wahre Wert von Nahrungsmitteln sind dabei aber immer mehr in den Hintergrund

getreten. Vielen Menschen wurde erst mit der BSE-Krise klar, dass permanenter Wettbewerbsdruck auf die bäuerlichen Betriebe diese unweigerlich dazu zwingt, alle Möglichkeiten der Kostensenkung und Rationalisierung auszuschöpfen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Das kann selbstverständlich keine Entschuldigung für kriminelle Machenschaften und Rechtsverstöße sein, die wir klar und eindeutig ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt gilt es, ein neues Verbraucherbewusstsein als Chance für die bäuerliche Landwirtschaft zu nutzen. Allerdings muss sich auf Dauer die Erkenntnis durchsetzen, dass Qualität auch ihren Preis hat. Die BSE-Krise kann ein heilsamer Schock sein, wenn wir jetzt die Art und Weise der Produktion von Nahrungsmitteln, den Umgang mit den Nutztieren, den Einsatz von chemischen Hilfsmitteln in der Pflanzen– und Tierernährung und den Wert unserer Lebensmittel gewissenhaft hinterfragen und daraus die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Daraus ergeben sich aber auch berechtigte Forderungen nach einer Neuausrichtung der Agrarpolitik. Dem stellen wir uns in Bayern. Wir werden diese Chance ergreifen und eine Agrarpolitik umsetzen, die den Ansprüchen der Zukunft gerecht wird.

(Beifall bei der CSU)

Wir setzen auf eine gesunde Landwirtschaft auf der gesamten Fläche; die Scheinalternativen der Bundesregierung helfen uns dabei nicht weiter. Die Landwirtschaft der Zukunft produziert nicht billige Lebensmittel oder gesunde Lebensmittel; sie produziert gesunde Lebensmittel und dies zu angemessenen Preisen. Die Landwirtschaft der Zukunft ist nicht die ökologische oder die konventionelle Landwirtschaft – sie produziert naturnah, umwelt- und artgerecht, und zwar auf der ganzen Fläche.

Die Landwirtschaft der Zukunft produziert nicht naturnah oder wirtschaftlich; sie produziert im Einklang mit der Natur und wirtschaftlich nach dem Motto „Ökologie ist Langzeitökonomie“. Die Landwirtschaft der Zukunft produziert nicht für die Region oder für den Export – sie findet ihre Vermarktungsmöglichkeiten in der Region, im ganzen Land, innerhalb und außerhalb Europas. Alles andere würde den Realitäten des europäischen Marktes und der Verpflichtung für eine wachsende Weltbevölkerung entgegenstehen. Wenn der Bundeskanzler italienischen Rotwein genießen darf, wollen wir den Menschen in Italien auch den Genuss des bayerischen Käses gönnen.

(Beifall bei der CSU – Mehrlich (SPD): Bravo!)

Exporte innerhalb und außerhalb der EU sichern gerade den Bauern in Bayern ihr Auskommen. Wer fordert, dass die Landwirtschaft nur für den eigenen Bedarf produzieren dürfe, wird weder der wachsenden Erdbevölkerung noch unseren Bauern gerecht, denen damit die Existenzberechtigung und die Existenzgrundlage entzogen würde. Deshalb müssen Rahmenbedingungen sowohl für die regionale Vermarktung als auch für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Landwirt

schaft in Europa geschaffen werden. Das wird auch Frau Künast einsehen müssen. Eine Produktion ausschließlich für die eigene Versorgung kann nicht der richtige Weg sein. Wir müssen zwangsweise viele andere Nahrungsmittel importieren. Die Leute wollen auch Abwechslung haben.

(Beifall bei der CSU)

Bayern geht bei der Weiterentwicklung der Agrarpolitik von realistischen Rahmenbedingungen aus, die zumindest kurz– und mittelfristig nicht änderbar sind.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zum Beispiel die CSU-Regierung!)

Ich nenne als Beispiele die EU-weiten Wettbewerbsbedingungen für unsere Landwirtschaft, den europäischen Binnenmarkt mit offenen Grenzen, die Globalisierung der Märkte und die zunehmende Mobilität, die zu einer Steigerung des Warenhandels führen. Ich nenne außerdem die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels, die Chancen, aber natürlich auch die Grenzen der Regionalvermarktung sowie den technischen Fortschritt, der voranschreiten wird. Er steht nicht im Widerspruch zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft. Dies belegt zum Beispiel der Rückgang des Pflanzenschutzmitteleinsatzes.

Schließlich möchte ich noch die Realität des modernen Haushalts mit der zunehmenden Verwendung vorgefertigter Produkte anführen.

In der Bundespolitik gibt es mit dem Wechsel von Herrn Funke zu Frau Künast einen radikalen Bruch. Wir können in Bayern auf einem guten Fundament aufbauen; wir müssen nicht bei Null anfangen. Wir werden das, was sich bewährt hat, weiterentwickeln und die sich bietenden neuen Chancen entschlossen nutzen. Die EU hat erst mit der Agenda 2000 die Grundsätze „Nachhaltigkeit“ und „Multifunktionalität“ entdeckt. Wir nützen in der momentanen Krise die Chance, die Weichen in unserer Agrarpolitik neu zu stellen. Dabei werden wir die Bauern mitnehmen. Ängste sind für die Bauern unbegründet. Uns geht es um eine konsequente Weiterentwicklung des bayerischen Weges in der Agrarpolitik für die kommenden Jahre und Jahrzehnte.

Wir treten für eine naturnahe Landwirtschaft ein, die gesunde Nahrungsmittel produziert und sich auf dem Markt behaupten kann. Ich werde folgende Maßnahmen ergreifen:

Erstens. Sicherheit und Transparenz der Lebensmittelproduktion. Das Schlagwort von der „gläsernen Produktion“ wird bei uns keine Worthülse bleiben, sondern mit konkreten Maßnahmen in die Tat umgesetzt werden. Wir werden der Land– und Ernährungswirtschaft die notwendigen Impulse geben, damit geschlossene und nachvollziehbare Erzeugungs– und Produktionslinien, zum Beispiel vom Trog zur Theke, vom Gras zum Käse oder vom Getreide zum Kotelett, aufgebaut werden können. Dies bedeutet, dass zwischen den einzelnen Produktionsstufen Qualitätsstandards vertraglich abgesichert werden.

Wir unterstützen die Entwicklung von neuen Qualitätsstandards und die Dokumentation der Produktions- und Verarbeitungsschritte. Wir müssen absolutes Qualitätsdenken und Marktstrategien zur objektiven Information der Verbraucher in den Vordergrund stellen. Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, schaffen wir die Voraussetzungen für Sicherheit und Transparenz, die letztlich den Kunden davon überzeugen sollen, dass er Nahrungsmittel aus der Heimat, dass er bayerische Nahrungsmittel bevorzugt, weil sie entsprechend erzeugt und entsprechend kontrolliert sind.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb wollen wir die Marktführerschaft mit durchgängig kontrollierter Qualität. Dabei geht es nicht um eine einseitige Ausrichtung zugunsten des ökologischen Landbaus. Ziel muss es vielmehr sein, allen Betriebsformen eine umweltgerechte Produktionsweise zu ermöglichen.

Zweitens. Dokumentation und Kontrolle vom Erzeuger bis zum Verbraucher: Der erste Schritt ist eine Dokumentation und Zertifizierung der landwirtschaftlichen Produktion, das heißt die Offen- und Festlegung der Produktionsmethoden. Damit werden wir Vertrauen schaffen, das dem Verbraucher Sicherheit gibt. Eine derartige Maßnahme ist neu. In der Verbraucherinitiative Bayern stehen hierfür 30 Millionen DM bereit. Über die notwendige Selbstkontrolle hinaus werden wir eine systematische Kontrolle durch unabhängige Prüfeinrichtungen und Behörden sicherstellen. Ich arbeite dabei eng mit meinem Kollegen Eberhard Sinner zusammen.

Wir werden entsprechende Bundesratsinitiativen ergreifen, um durch notwendige Änderungen des Absatzfondsgesetzes und des Marktstrukturgesetzes bundeseinheitliche Verankerungen zu erreichen.

Drittens. Umstellungsprogramm für die Landwirtschaft: Im Rahmen der Verbraucherinitiative Bayern setzen wir 150 Millionen DM ein, um ein Umstellungsprogramm auf den Weg zu bringen. Damit setzen wir noch stärker auf eine naturnahe, nachhaltige, umweltgerechte Produktion auf der gesamten Fläche und auf eine tiergerechte Haltung.

In der Ausgleichszulage, die in den landschaftlich reizvollsten Gebieten, die aber meist ertragsarm und schwer bewirtschaftbar sind, also in unseren Alpen- und Mittelgebirgslagen, gewährt wird, wurden auf Bundesebene im letzten Jahr die Prämien für Ackerflächen und damit auch für Ackerfutterpflanzen generell halbiert. Durch die rot-grün geführte Bundesregierung wurde in den Mittelgebirgslagen und in den Alpengebieten diese Reduktion vorgenommen. Um aber den natürlichen Nahrungskreislauf mit Futter von betriebseigenen Flächen zu stärken, werden wir den Anbau der aus Fruchtfolgegründen ökologisch wünschenswerten und zur Eiweißproduktion geeigneten Futterpflanzen fördern. Dazu werden wir eine Prämie von 200 DM pro Hektar gewähren.

Warum fördert das der Bund eigentlich nicht? Hier könnte die Bundeslandwirtschaftsministerin sofort handeln. Es nützt doch nichts, nur die Ziele zu verändern,

aber die gleichen Wege zu beschreiten. Hier muss eine Änderung erfolgen!

(Beifall bei der CSU)

Für das Jahr 2002 fordern wir daher den Bund auf, seinen Ankündigungen aus der Regierungserklärung Taten folgen zu lassen und die verbesserte Förderung der Ackerfutterflächen im Rahmen der Ausgleichszulage wieder in die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ aufzunehmen.

Um unseren bäuerlichen Betrieben einen Anreiz zur Umstellung zu geben, werden wir ein bayerisches Umstellungsprogramm für artgerechte Tierhaltung als eigenes Landesprogramm für bestehende Ställe auflegen. Im Rahmen dieses Programms werden wir Investitionen in Haltungssysteme, die über die gesetzlichen Mindeststandards hinausgehen, fördern. Dieses Programm kommt besonders auch den Ökobetrieben zugute, die ihre Stallungen an die Vorgaben der EUÖkotierverordnung anpassen müssen. Wir fördern aber auch die anderen Betriebe, die diesen Standard erreichen, mit einem Zuschuss in Höhe von 25% für ein Investitionsvolumen von maximal 200000 DM.

Wir werden das Agrarinvestitionsförderungsprogramm standortangepasst mit Orientierung an 2 GV/Hektar auf die Bedürfnisse einer art- und umweltgerechten Tierhaltung ausweiten. Zusätzlich zu der in allen Bundesländern gängigen Förderpraxis werden wir eine Förderung in Form von Zuschüssen bis zu 10% der Baukosten für besonders artgerechte Tierhaltungssysteme, die sich an den Anforderungen des ökologischen Landbaus orientieren, gewähren.

Die Landesanstalt für Tierzucht und die Landesanstalt für Landtechnik prüfen bereits Haltungsformen, mit denen die arttypischen Verhaltensweisen der verschiedenen Nutztierrassen bestmöglich berücksichtigt werden können. Das Ergebnis daraus soll in Pilotprojekten für besonders artgerechte Stallungen in ausgewählten Betrieben praxisnah erprobt werden. Wir wollen das wissenschaftlich begleiten. Wir wollen dazu Betriebe gewinnen, die einen Förderanreiz bis zu 20000 DM in Abhängigkeit vom Investitionsvolumen erhalten.

Zum Schutz von Trinkwasser, Gewässern und Boden werden wir Konzepte erarbeiten, um die Schadstoffeinträge entsprechend den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie so zu minimieren, dass auch beim Stickstoffeintrag eine Trendwende erfolgt. Für einen besseren Bodenschutz werden wir die gute fachliche Praxis durch quantifizierte Ziele und Schwellenwerte standortspezifisch konkretisieren.

Ich halte auch die Neuregelung der Klärschlammausbringung auf landwirtschaftliche Flächen für vordringlich. Denn Klärschlamm ist kein Kreislaufprodukt für die Landwirtschaft.

(Beifall bei der CSU)