Protokoll der Sitzung vom 14.03.2001

(Frau Radermacher (SPD): Wir sind nicht aufgeregt!)

Ich verstehe Ihre Verunsicherung und Orientierungslosigkeit, weil Sie vollkommen von diesem konkreten, klaren, deutlichen, zukunftsorientierten und seinesgleichen in Deutschland suchenden 600-Millionen-DM-Programm überrascht wurden.

(Lachen bei der SPD – Beifall bei der CSU – Frau Biedefeld (SPD): Fasching ist vorbei!)

„Deutschland kann wesentlich mehr tun. Die Spielräume für die Förderung der ökologischen Landwirtschaft werden längst nicht genutzt.“ Das sagte EU-Kommissar Fischler am 2. Februar in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Der Bund und die EU müssen in der Tat Ihre Agrarpolitik neu ausrichten. Bayern sollte sein Leitbild einer zukunftsorientierten und nachhaltigen bäuerlichen Landwirtschaft fortentwickeln. Bereits 1970 hat Bayern mit dem Gesetz zur Förderung der bayerischen Landwirtschaft die Produktion hochwertiger Nahrungsmittel, die Pflege und die Erhaltung der Kulturlandwirtschaft und die Sicherung der Umwelt und des ländlichen Raums als agrarpolitische Schwerpunkte festgelegt. Jeder vernünftige Bauer macht die Nachhaltigkeit zur Richtschnur seiner Bewirtschaftungsweise, um die Lebensgrundlagen für Mensch, Tier und Pflanzen langfristig zu sichern. Der Bundeskanzler – er ist heute schon oft zitiert worden – hat in der Tat bei den Agrarverhandlungen zur „Agenda 2000“ –

(Frau Radermacher (SPD): Recht!)

ausschließlich den Landwirten vorgehalten, sie sollten sich am Weltmarkt orientieren und zu Weltmarktpreisen produzieren.

(Starzmann (SPD): Wettbewerbsfähig sein!)

Heute dreht er sich um 180 Grad und sagt, dass er die kleinstrukturierte ökologische Landwirtschaft wolle. Ich warne davor, das Patentrezept zur Lösung der Probleme der heutigen Zeit in der ökologischen Landwirtschaft zu sehen. Das stimmt nämlich hinten und vorne nicht. Selbst der Däne Bo Andresen vom Zentrum für ökologische Forschung hat gesagt: „In Dänemark ist der Markt für Bioprodukte gesättigt.“ Es fehle der Nachweis, dass Biomilch oder Biofleisch wirklich gesünder seien.

(Willi Müller (CSU): Dafür gibt es überhaupt keinen Nachweis!)

Nichtsdestoweniger wollen wir in Bayern eine Ökooffensive auf den Weg bringen, Daten, damit das Vertrauen der Verbraucher wieder zurückgewonnen werden kann.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es wird auch Zeit!)

Wir warten aber heute noch auf entsprechende Maßnahmen von der Bundesregierung, um die Landwirtschaft zu unterstützen. Außer Versprechungen, Herr Kollege Dr. Dürr, hat Frau Künast bisher noch nichts auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der CSU)

Eine zentralistische EU-Agrarpolitik und EU-Agrarförderung kann auf Dauer wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen und Wettbewerbsbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht funktionieren. Deswegen fordere ich schon seit Jahren eine regionalisierte Agrarpolitik. Wir müssen auch Instrumente bekommen, um die Regionalvermarktung, die Absatzförderung, die Qualitätssicherung und vieles mehr vorantreiben zu können.

Bayern wird seinen Beitrag zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft leisten. Das Zukunftsprogramm für die Landwirtschaft, initiiert von unserem Landwirtschaftsminister Josef Miller, verdient höchste Anerkennung, weil die Möglichkeiten realistisch eingeschätzt worden sind. Wer den Anteil der Ökobetriebe von derzeit 2% innerhalb von 10 Jahren auf 20% erhöhen will, aber nicht die Rahmenbedingungen schafft, dass gleichzeitig nicht nur die Produktion von Ökonahrungsmitteln, sondern auch im selben Umfang der Verbrauch gesteigert wird, dem spreche ich die politische Glaubwürdigkeit ab.

(Beifall bei der CSU – Hofmann (CSU): So ist es!)

Bayern wird den Anbau standortangepasster gesunder Pflanzenarten, bedarfsgerechte Düngung, integrierten Pflanzenschutz, weitreichenden Bodenschutz, umfassenden Gewässerschutz, Aufbau eines hinreichenden Biotopverbundes, Sicherung der Biodiversität, Anpassung von Düngemittel- und Bioabfallverordnung sowie den Ausstieg aus der Klärschlammverwertung in der Landwirtschaft vorantreiben. Dabei ist aber auch der Bund gefordert, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition.

Wir wollen die schrittweise Ausdehnung des ökologischen Landbaus durch Förderung der Entwicklung von Marketingkonzepten und geeigneten Marktpartnern, Förderung von Eiweißpflanzen, nachhaltige Förderung des Marketings für Ölprodukte, Gewährung eines Kostenausgleichs in der Umstellungsphase, Öffnung des bayerischen Kulturlandschaftsprogramms für flächenstarke Betriebe und vieles mehr unterstützen. Wir werden aber auch den Ausbau der energetischen und industriellen Verwertung von Biomasse, die energetische Nutzung von Restholz und Reststoffen als Biomassefeststoffe, die technische Weiterentwicklung von Biogasanlagen, die Nutzung von Pflanzenölen als Kraft- und

Schmierstoffe, insbesondere in umweltsensiblen Bereichen sowie als Rohstoffe für die chemische Industrie, die Ausweitung der stofflichen Nutzung von Holz sowie die Nutzung sonstiger landwirtschaftlicher Rohstoffe als Energieträger oder industrieller Rohstoff vorantreiben. Das zu schaffende Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe in Straubing wird europaweit ein Vorbild sein.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einmalig!)

Wir setzen uns auch dafür ein, dass letzten Endes der ruinöse Import aus Drittländern geregelt wird und die Mehrkosten für auflagenbedingte Nahrungsmittelprodukte entsprechend ausgeglichen werden. Wir brauchen die weltweite und verbindliche Verankerung verschiedener Standards in der Europäischen Union. Ich verstehe nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass in bayerischen Gaststätten brasilianisches Rindfleisch, aber nicht mehr getestetes bayerisches Rindfleisch angeboten wird.

(Beifall bei der CSU)

Das ist ein Unding. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, welche Hysterie hier um sich gegriffen hat. Deswegen brauchen wir weltweit einen Nahrungsmittel-TÜV. Es kann in der Tat nicht sein, dass ungeprüftes Fleisch aus Brasilien, Argentinien, Osteuropa oder sonst woher zu uns kommt und die Verbraucher dabei annehmen, dieses Fleisch wäre besser, gesünder und freier von Rückständen. Das ist ein großer Skandal und ein großer Trugschluss.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch auf den Dringlichkeitsantrag zum Thema „Qualitätsproduktion in der Landwirtschaft“ eingehen. Wir werden diesem Antrag aus folgenden Gründen nicht zustimmen. Zum einen ist dieser Antrag teilweise überholt, und zum anderen ist er nicht annehmbar.

(Ach (CSU): Der Dürr hat es immer noch nicht kapiert!)

Der Minister hat vorher bei seinen Ausführungen deutlich zum Ausdruck gebracht – im übrigen auch die Mitglieder des Agrarausschusses bei den entsprechenden Besprechungen –, dass für über die üblichen Standards und die Tierschutzrichtlinien hinausgehende Investitionen für eine so genannte artgerechte Haltung zusätzliche Zuschüsse gewährt werden. Ich betone, dass diese Investitionen über die bestehenden Standards hinausgehen müssen. Wir dürfen nämlich nicht den Eindruck erwecken, dass die herkömmlich produzierenden Landwirte die Bösen sind, welche man verteufelt, während die anderen die Guten wären, die es mehr oder weniger alleine verdient hätten, gefördert zu werden. Wer über die üblichen Standards hinaus mehr investiert, soll nach unserer Auffassung eine höhere Förderung bekommen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagen wir doch auch! – Starzmann (SPD): Das widerspricht sich aber!)

Das widerspricht sich nicht, Herr Starzmann.

Zum zweiten Punkt Ihres Antrags, Herr Dürr. Dort wird unter anderem gefordert, auf ein Auslaufen der Silomaisprämie zu drängen. Es wäre doch geradezu eine politische Dummheit, ein Eigentor, wenn wir Leistungen an die bayerischen Bauern infrage stellen und gar die Kürzung dieser Leistungen einfordern würden, ohne dass zunächst bei der EU sichergestellt wird, dass diese Gelder umgeschichtet werden, so dass sie den Landwirten über andere Programme weiterhin ausgezahlt werden können. Wenn die Bayern in Anträgen zum Ausdruck bringen, dass sie aus ideologischen Gründen das Geld der EU nicht mehr wollen, würden sich die EU-Bürokraten über eine solche Selbstbeschränkung natürlich freuen.

Im dritten Abschnitt Ihres Antrags fordern Sie eine zusätzliche Förderung der Öko-Betriebe bzw. einen größeren Förderabstand zwischen den herkömmlich wirtschaftenden und den Öko-Betrieben. Ich will mich jetzt nicht wiederholen, ich habe bereits in den Ausschüssen versucht es zu erklären. Unsere Landwirte, die das Kulturlandschaftsprogramm nützen, unterwerfen sich freiwillig bestimmten Wettbewerbseinschränkungen und sie erbringen in erheblichem Umfange Umweltleistungen. Das wird zurecht anerkannt. Sie dürfen nicht flächendeckend Pflanzenschutzmittel ausbringen. Sie dürfen keinen Handelsdünger einsetzen. Sie müssen Einschränkungen beim Schnittzeitpunkt und bei der GV-Zahl hinnehmen. Deswegen ist es gerechtfertigt, dass die Landwirte hierfür mit 400 DM pro Hektar entschädigt werden. Wir haben vor, die Ausgleichsleistungen für Öko-Betrieb auf 500 DM anzuheben. Das ist meiner Meinung nach hinnehmbar und gerechtfertigt. Andererseits wollen wir auch für die Übergangsphase, in der sich ein herkömmlich wirtschaftender Betrieb auf Öko-Bewirtschaftung umstellt, 600 DM gewähren, damit die Umstellungskosten kompensiert werden können.

Ich glaube, dass unsere Vorstellungen in die richtige Richtung gehen. Im Gegensatz zu Ihren Vorstellungen werden sie allerdings mit Augenmaß formuliert und vorangetrieben. Wir sollten das auch in Zukunft so handhaben. Wir sollten trotz aller Meinungsunterschiede versuchen, das Problem BSE gemeinsam in den Griff zu bekommen. Vielleicht schaffen wir es, dass BSE in kurzer Zeit ein Qualitätsbegriff wird, nämlich „bayerische Spitzenerzeugnisse“.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme erhält nun Herr Staatsminister Miller das Wort.

Staatsminister Miller (Landwirtschaftsministerium) : Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die derzeitige Situation der Landwirtschaft räumt der Agrarpolitik einen höheren Stellenwert ein. Die Menschen interessieren sich wieder dafür, unter welchen Bedingungen die Nahrungsmittel produziert wurden und woher sie kommen. Eine Regierungserklärung ist auch der richtige Rahmen, um die Meinungen auszutauschen. Herr Kollege Starzmann, ich habe die Politiker zum Agrardialog

deswegen nicht eingeladen, weil ich mit den Vertretern der unterschiedlichsten Verbände einen Dialog führen wollte. Hätte ich dagegen die Politiker eingeladen, hätte jeder nur sein Statement abgegeben, und der Dialog wäre nicht zustande gekommen.

Herr Starzmann, Ihre Angriffe sind völlig unverständlich. Wenn ich Ihre sachlichen Äußerungen analysiere, stelle ich eine fast völlige Übereinstimmung mit uns fest. Kollege Brunner hat vorhin bereits gesagt, dass Sie hier etwas überrascht waren. Im Grunde haben Sie nämlich das gefordert, was ich in meiner Regierungserklärung angekündigt habe. Ich habe Verständnis dafür, dass Sie die Bundesregierung verteidigen, auch wenn es Ihnen schwer fällt, solche abrupte Kurswechsel mitzuvollziehen. Dennoch können Sie uns helfen, zum Beispiel bei der Förderung des ökologisch wichtigen Ackerfutteranbaus. Zehn Länder waren dabei bereits auf unserer Seite, aber Funke hat diese Maßnahme mit einem einzigen Federstrich abgelehnt. Helfen Sie uns mit, damit wir das jetzt wenigstens bei Frau Künast erreichen.

Über einige Ihrer Forderungen müssen wir allerdings schon noch reden. Sie wollen Hofmischungen gänzlich verbieten. Sie wissen aber sehr genau, dass das Getreide alleine als Ausgleichsfutter nicht reicht. Sie können es gar nicht verhindern, dass das Futter im Futtermischwagen gemischt wird. Sie sollten sich einmal die leidige Diskussion darüber, ob es im Schröder-Land oder im Stoiber-Land die höhere Milchleistung gibt, zu Gemüte führen. Heute wollen wir das nicht tun.

Ich habe Verständnis für Ihre Forderung nach einer Sockelförderung für landwirtschaftliche Betriebe, nachdem Sie die Forderung Ihres Parteivorsitzenden nach einem Ausgleich in Höhe von 75000 DM nicht unterstützt haben. Dieser Ausgleich wäre auch etwas realitätsfremd.

Zum Tiermehl möchte ich nur Folgendes sagen: Wenn Sie behaupten, Sie hätten alle Missstände gekannt, aber ab 1998, als Sie handeln konnten, nicht gehandelt haben, müssen Sie sich ganz genau überlegen, warum Sie vor 1998 zwar Forderungen aufgestellt haben, dann aber aus wahrscheinlich falsch verstandener Loyalität gegenüber Ihrer Bundesregierung verstummt sind, als Sie Änderungen hätten vornehmen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Frau Lück (SPD): So ein Schmarrn!)

Kollege Loscher-Frühwald hat in einer sehr realistischen Betrachtung die erreichbaren Ziele dargestellt. Ich möchte das nicht mehr wiederholen, sondern nur anmerken, dass sich der Arbeitskreis zusammen mit den Bundestags- und den Europa-Abgeordneten zwei Tage lang Zeit genommen hat, um intensiv diese Regierungserklärung vorzubereiten und die einzelnen Maßnahmen und Ziele aufeinander abzustimmen.

Sie haben die Unterschiede zwischen der Agrarpolitik in Bayern und in Berlin angesprochen. Die Regierungserklärung von Frau Künast enthält nichts Konkretes. Ihre Ankündigungen gehen nur in die Richtung, die wir seit Jahren verfolgen. Wenn Frau Künast das machen will,

was wir in Bayern mit unserem Kulturlandschaftsprogramm seit Jahren nachweislich leisten, dann begrüßen wir das. Es trifft aber nicht zu, dass der Ministerpräsident die Vorschläge von Frau Künast insgesamt begrüßt hat. Er hat nur den entsprechenden Passus begrüßt.

Vieles, was jetzt von ihr kommt, ist realitätsfremd und in der Wirklichkeit nicht umsetzbar.

(Beifall bei der CSU)

Ich kann Ihnen schon einmal aufzeigen, wie es dort ausschaut, wo Rot-Grün seit langem regiert. Frau Höhn wird als eine Ministerin angesehen, die viel für die Umwelt tut.

(Starzmann (SPD): Für die Landwirte! Die kann etwas!)

Nehmen wir einmal die Zahlen. Wir haben in Bayern ein Programm mit 400 Millionen DM, in dem die besonders wichtigen Leistungen der Bauern für die Umwelt besonders honoriert werden. Damit erreichen wir 60% der Landesfläche. In Nordrhein-Westfalen haben wir keine 2 Millionen Hektar, sondern knapp 50000 Hektar. Es sind nicht 60% der Fläche, sondern 3%, und es sind keine 400 Millionen DM, sondern nur 15 Millionen DM. So sind die Realitäten.

Oder nehmen wir die Ökobetriebe. Ich habe Ihnen die Zahl bei uns genannt: 4000. In Nordrhein-Westfalen sind es 630. Die Förderung bei uns beträgt 40 Millionen DM, in Nordrhein-Westfalen 6,3 Millionen DM. Ganze 22000 Hektar und nicht 3% der Fläche, was Bundesdurchschnitt ist, sondern 1,5%! Nordrhein-Westfalen liegt im Bundesgebiet an letzter Stelle. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffen da große Lücken.