Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist auf der Seite der CSU-Fraktion, die Nein-Urne ist auf der Oppositionsseite jeweils im Bereich der Eingangstüren aufgestellt. Die Enthaltung-Urne befindet sich auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann nun begonnen werden. Hierfür steht ausreichend Zeit zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 16.10 Uhr bis 16.15 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und von mir später bekannt gegeben.

Wir führen zwischenzeitlich die namentliche Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Paulig, Dr. Runge und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), betreffend Gefährdungsminimierung bei der Entsorgung atomarer Abfälle, Drucksache 14/6286, durch.

Für die Stimmabgabe sind wieder die Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist auf der Oppositionsseite, die NeinUrne auf der Seite der CSU-Fraktion im Bereich der Eingangstüren aufgestellt. Die Enthaltung-Urne befindet sich wie vorhin auf dem Stenographentisch.

Es kann nun mit der Stimmabgabe begonnen werden. Es steht wieder ausreichend Zeit zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 16.17 bis 16.22 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Stimmergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekanntgegeben.

Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag 14/6273, betreffend Fortführung der Erkundung des Endlagerstandortes Gorleben, ist mittlerweile eingetroffen. Enthalten haben sich 43 Kolleginnen und Kollegen, mit Ja haben 89 gestimmt, es gab 13 Neinstimmen. Damit ist der Antrag der CSU angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Ich rufe nun auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Dr. Scholz und anderer und Fraktion (SPD)

Den fränkischen Grundig-Standorten eine Zukunft geben (Drucksache 14/6274)

Ich eröffne die Aussprache. Zunächst liegt mir eine Wortmeldung von Herrn Kollegen Appelt vor.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Wiesheu, die Beschäftigten von Grundig sind über Sie persönlich enttäuscht, ja sogar verärgert. Hintergrund ist Ihr Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 2. April. Besonders schlimm daran ist die Tatsache, dass Sie als bayerischer

Minister Arbeitsplätze in Bayern bzw. in Franken aufgeben und nach Wien, nach Portugal oder nach Wales verlagern wollen. Dieses Verhalten eines bayerischen Politikers ist für bayerische Arbeitsplätze und besonders für das Unternehmen Grundig abträglich.

Seit vielen Jahren ist unter sachverständigen Managern klar, dass Grundig als Handelshaus keine Überlebenschancen hat. Man mag zu den Philips-Managern, vor allem zu denen, welche bei Grundig waren, stehen wie man will: Auch diesen Herren war klar, dass Grundig allein wegen seines Namens nicht überleben kann. Sie glauben den Fachleuten aber offensichtlich nicht oder Sie wissen es nicht. Beides schadet den Beschäftigten von Grundig.

Die Beschäftigten von Grundig, der Betriebsrat und die Gewerkschaften erwarten von Ihnen mehr Engagement für Grundig und für die Arbeitsplätze in Bayern bzw. in Franken.

(Beifall bei der SPD)

Eine Fernsehgeräteproduktion in Nürnberg lässt sich bei höheren Stückzahlen pro Gerätetyp rechnen, weil damit die Produktion ausgelastet wäre. Zweitens muss endlich eine effizientere Organisation verwirklicht werden, und drittens sollten sich, wie es bereits 1996 abgesprochen war, Wien und Nürnberg-Langwasser gegenseitig ergänzen und sich als eine Einheit schlagkräftig darstellen. Stattdessen hat ein Topmanagement – darunter ein Topmanager aus der Automobilindustrie – 1997 erst einmal die gesamte Organisationsstruktur in Nürnberg kaputt gemacht und so geschwächt, dass daraus resultierend schnelle Entscheidungen gar nicht mehr getroffen werden konnten. Dieser Manager hatte dann Wien und Nürnberg zum Kampf gegeneinander aufgerufen, und wenn dieser Kampf nicht stattgefunden hat, dann wurde er geschürt. Nachher hat man die betriebswirtschaftlichen Zahlen gegen Nürnberg verwendet. Sie, Herr Minister, glauben immer noch, dass diese Zahlen von den Arbeitern und Angestellten herbeigeführt wurden. Das ist erstaunlich, denn Sie wissen seit spätestens Mitte 2000, dass das Management und insbesondere der von Ihnen vorgeschlagene ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Wollschläger mit seinem Wunschvorstand Bartl gröblichstes Missmanagement betrieben hat.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben Ihnen und Herrn Ministerpräsident Stoiber dieses Problem Mitte letzten Jahres erklärt und wir gingen eigentlich davon aus, dass wir Hilfe bekommen, welche wir leider Gottes nicht erfahren haben.

Die Beschäftigten in Bayreuth und in Nürnberg haben ihren Beitrag für das Unternehmen Grundig erbracht. Sie haben, wie mir der Finanzvorstand persönlich sagte, mindestens 50 Millionen DM eingebracht, indem sie über einen Haustarifvertrag 66 Stunden pro Jahr für das Unternehmen umsonst gearbeitet haben. Das sind 132 Stunden in zwei Jahren. Sie haben auf Urlaubsgeld und auf die sofortige Durchführung der Tariferhöhungen verzichtet; sie waren damit einverstanden, dass die Tarifer

höhungen erst sechs Monate später durchgeführt wurden.

Dieses Geld wurde leider Gottes verfrühstückt. Es kann und darf nicht dazu führen, dass die Arbeitnehmer, welche ihren Beitrag geleistet und ein Opfer erbracht haben, jetzt noch um ihre Existenz kämpfen müssen bzw. ihre Existenz als Dank für dieses Opfer verlieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir von der SPD sagen dazu ein klares Nein.

(Beifall bei der SPD)

Wir setzen auf qualifiziertes Wachstum, und zwar qualifiziert nicht nur hinsichtlich der Märkte, sondern qualifiziert auch hinsichtlich des Produktes. Dies sagt übrigens auch das Roland-Berger-Gutachten von 1997 aus. Leider haben die zuvor genannten Herren oder Topmanager die Vorschläge dieses Gutachtens nicht verwirklicht. Trotzdem hat Grundig Deutschland eine Chance. Man muss sie nur sehen und nützen.

Ich bringe hierzu einige Vorschläge, die sicher nicht ausreichend sind, um wieder ganz nach vorn zu kommen, aber es sind zumindest Anregungen. Bayreuth hat es in den letzten Jahren geschafft, einige Hi-Fi-Geräte soweit zu entwickeln, dass diese in Serienproduktion gehen können. Nach fast zwei Jahren Entwicklung will man nun die Produktion an Praga in Portugal abgeben. Das können die Beschäftigten in keiner Weise nachvollziehen. Das kann und darf nicht sein. Deshalb muss dieser Blödsinn unterbunden werden.

(Beifall bei der SPD)

Blödsinn ist auch die geplante Verlagerung der Fernsehproduktion nach Wien. Dabei wurden nicht einmal die Vorteile von Nürnberg und die Nachteile von Wien herausgearbeitet. Nürnberg hat die Voraussetzungen, um alle Gerätegruppen zu produzieren, während Wien dazu nicht in der Lage ist. Die Produktionsbänder reichen derzeit zumindest für die großen Geräte nicht aus. Ein neues Band kostet aber 3 Millionen DM. Bei den vier in Wien vorhandenen Bändern, die so veraltet sind, dass sie erneuert werden müssten, bedeutet das, dass allein als Vorleistung, um Geräte produzieren zu können, 12 Millionen DM investiert werden müssten, die man in Nürnberg Langwasser sinnvoller einsetzen könnte.

Die Kollegen in Wien sind am Ende der Kapazität. Sie können weder beim Kunststoff noch bei der Lackierung zusätzliche Kapazitäten aufbauen. Ich will die Vor- und Nachteile nicht noch weiter ausbreiten, denn es gibt dazu bereits Untersuchungen, die nicht von Roland Berger stammen, sondern von den Kolleginnen und Kollegen in Wien bzw. in Nürnberg-Langwasser erarbeitet wurden. Nur so viel sei dazu gesagt: Nach einer Bereinigung hauptsächlich der low-end-production, die beabsichtigt und wirtschaftlich notwendig ist – das sehen wir ein –, ist der Produktionsstandort Nürnberg voll ausgelastet. Das ist der springende Punkt. Nürnberg ist jetzt höchstens zu 30% ausgelastet, und die betriebswirtschaftlichen Zahlen sind auf diese Auslastung ausge

richtet. Der Vorwurf der Betriebsräte und der Beschäftigten ist, dass das Management diese Arbeit gerade nicht gemanagt, sondern sträflich vernachlässigt hat.

(Beifall bei der SPD)

Nürnberg-Langwasser hat ebenso wie Bayreuth einen Vorteil, den die anderen Standorte nie und nimmer vorweisen können. In Nürnberg befinden sich nicht nur die Produktion und die Vorproduktion wichtiger strategischer Teile für die Unterhaltungselektronik, sondern es befindet sich von der Vorproduktion bis hin zur Logistik und zum Vertrieb alles an einem Standort. Wenn das Zusammenspiel gut organisiert gewesen wäre oder in Zukunft gut organisiert wird, dann ist dieser Grundig-Standort unschlagbar.

Ich habe heute mit meinen Kollegen in Wien telefoniert. Weil wir nach wie vor am selben Strang ziehen, habe ich mich erkundigt, ob es Neuigkeiten gibt. In der letzten Zeit waren viele Zeitungsmeldungen auch aus Österreich etwas verwirrend. Die Kollegen aus Wien sagen, ihre Meinung ist unverändert: Anstatt zu trennen und zu spalten, sollte man die Produktionsstandorte Wien und Nürnberg vereinen und die vorhandenen Kapazitäten zum Wohle der Firma Grundig nutzen. Meine Damen und Herren, das soll ich Ihnen auf ausdrücklichen Wunsch der Kollegen in Wien ausrichten.

(Freiherr von Rotenhan (CSU): Das ist aber nett!)

Am Schluss meiner Ausführungen möchte ich kurz auf unseren Dringlichkeitsantrag eingehen. Der Antrag beinhaltet meine Aussagen, geht aber noch ein Stück weiter, um die Zukunft von Grundig zu sichern. Eine technologische Weiterentwicklung der Produkte ist dringend notwendig. Zur Unterstützung haben wir bereits einen Antrag gestellt, der im Wirtschaftsausschuss einstimmig angenommen wurde.

(Beifall bei der SPD)

Ich schlage jetzt die Brücke zu dem, was ich vorhin gesagt habe: Vor dem Hintergrund dieser Beschlusslage ist es völlig unverständlich, wie Sie, Herr Staatsminister Dr. Wiesheu, in aller Öffentlichkeit mir nichts dir nichts einer Verlagerung der Fernsehproduktion nach Wien zustimmen können.

Ich will nur kurz auf zwei Beispiele eingehen. Der Einsatz neuer Technologien bei der Produktion von Hi-Fi-Geräten ohne Kabelverbindung wäre in Bayreuth möglich. Die ersten Schritte dazu sind bei Grundig bereits getan. Man müsste die Kolleginnen und Kollegen in Bayreuth nur machen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Bei Fernsehern ohne Bildröhren und bei Flachbildschirmen sind wir einen großen Schritt vorangekommen. Wenn Philips damals, als die Firma noch die Führerschaft bei dem Unternehmen hatte, unsere innovativen Gedanken nicht nach Eindhoven abgezogen hätte, wären wir noch viel weiter. Das Ideengut ist vorhanden; man müsste es nur aufgreifen. Den Kolleginnen und Kol

legen müsste man die Chance geben, diese Geräte zu entwickeln, zu produzieren und zu vertreiben.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gehe davon aus, dass dem Antrag der SPD-Fraktion von uns allen zugestimmt wird. Ich meine, die Grundlage dafür ist, dass der erste Dringlichkeitsantrag einstimmig angenommen wurde. Ich bedanke mich dafür, dass Sie mir zugehört haben, und hoffe, dass Sie meinen Wunsch, für die Beschäftigten der Firma Grundig einzutreten, mit erfüllen werden.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Söder.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was Herr Appelt gerade geboten hat, schadet dem Standort Nürnberg und der Firma Grundig und nützt der Sache überhaupt nicht. Die Angriffe auf unseren Wirtschaftsminister weise ich in aller Schärfe zurück.

(Beifall bei der CSU)