Wir fordern auch, es zu ermöglichen, dass tierärztliches Personal des Tiergesundheitsdienstes in den Dienst der staatlichen Veterinärämter wechseln kann, damit das Fachwissen dieser Mitarbeiter genutzt werden kann. Das wäre unserer Meinung nach folgerichtig. Herr Minister Sinner hat diese Maßnahme aber sehr kurzfristig – nur wenige Stunden – als sinnvoll erachtet, und schon ist ihm die CSU-Fraktion nicht nur schnell, sondern auch ganz schön gehörig in die Parade gefahren. Das Ergebnis war, der Tiergesundheitsdienst bleibt unangetastet, lediglich die Zuständigkeit geht vom Landwirtschaftsministerium, sprich von Herrn Miller, zu Herrn Sinner über.
(Ach (CSU): Man sollte sich auf die Rede konzentrieren, bevor man nachschaut, ob der Minister da ist!)
Es geht um die Glaubwürdigkeit eines bayerischen Verbraucherschutzministers, der der Abhängigkeit des Verbraucherschutzes von wirtschaftlichen Einzelinteressen endlich ein Ende setzen sollte. Herr Sinner, es geht um eine glaubwürdige Verbraucherschutzpolitik. So, wie ich es eben geschildert habe, gewinnen Sie das Vertrauen der Verbraucher nicht zurück.
Sie sind erneut – und das nicht als Landwirtschaftsminister, sondern als Verbraucherschutzminister – auf die Agrarlobby zugegangen. Sie haben entsprechend den Forderungen der Agrarlobby eingelenkt. Herr Verbraucherschutzminister, wir fordern Sie erneut auf, nicht die Agrarlobby zum Schaden des Verbrauchers zu stützen.
Dem Ganzen die Krone aufgesetzt hat dann noch Herr Ministerpräsident Stoiber. Über den Kopf des zuständigen Verbraucherschutzministers hinweg hat er dem Bauernverband die Unterstützung für die Aktion „Offene Stalltür“ zugesichert. Es tut mir leid, ich weiß immer noch nicht, in welche Richtung ich mich jeweils drehen muss, weil die Zuständigkeiten noch immer nicht klar sind.
(Ach (CSU): Das glaube ich Ihnen gerne, dass Sie nicht durchblicken! – Wahnschaffe (SPD): Eben das Chaos der Staatsregierung!)
Mit der Offenen Stalltür wurde über Jahre hinweg dem Verbraucher eine lückenlose – ich betone lückenlose – Kontrolle vermittelt. Von lückenloser Kontrolle konnte aber nie die Rede sein. Herr Landwirtschaftsminister Miller, in Ihrem Hause wurde jedes Jahr im Rahmen der Arbeitsgruppe „Tierische Erzeugung“ über Verstöße gegen die gesetzlichen Mindestanforderungen – mehr als Mindestanforderungen waren es nicht – diskutiert. Werte Herren Sinner und Miller, ich kann nur feststellen, dass die SPD bei derartigen Verbrauchertäuschungsprogrammen – nichts anderes stellen diese Programme dar – klipp und klar nicht mitmachen wird.
Gänzlich versagt haben Sie, Herr Minister, im Zusammenhang mit dem Schweinemastskandal beim Schutz des Verbrauchers vor mit Medikamenten belastetem Fleisch. Sie haben das Fleischhygienegesetz ignoriert. In den Betrieben der Kunden von Autobahntierärzten wurden keinerlei Blut-, Harn- oder Kotproben entnommen. Ganz offensichtlich aber haben Sie Bauern, BBVMitglieder bzw. CSU-Mitglieder zulasten der Verbraucher geschützt. Nichts anderes haben Sie getan. Damit haben Sie bereits in der ersten Woche Ihrer Amtszeit als Verbraucherschutzminister Ihre Ankündigung, ein lobbyfester Minister zu sein, gebrochen. Forderungen, die von der SPD diesbezüglich wiederholt erhoben worden sind, haben Sie ignoriert. So wurde zum Beispiel ein von der SPD vorgeschlagener Katalog von sieben Sofortmaßnahmen zum Schutz des Verbrauchers abgelehnt. Ich verweise nur auf die Plenardebatte vom 3. Februar dieses Jahres.
Herr Sinner, von großem Interesse wäre es für uns – aber sicherlich nicht nur für uns – gewesen, wenn wir erste Erfahrungen und Ergebnisse aus dem von Ihnen groß angekündigten Ingolstädter Modell gehört hätten. Welche Marktentlastungseffekte sind von diesem Modell ausgegangen? Auch Agrarkommissar Fischler wartet dringend auf die Erfolgsmeldungen aus Ingolstadt bzw. aus Ihrem Hause, um dieses Modell europaweit anwenden zu können. Nichts hören wir. Nach so vielen verbalen Ankündigungen und nach einer Vielzahl eklatanter Versäumnisse kommt nun der teure Reparaturversuch, das 600-Millionen-Programm. Auch wenn es von der Propagandamaschinerie so verkauft wird, es stimmt nicht, dass es sich bei diesem Programm um zusätzliche 600 Millionen DM handelt, die so einfach auf den Tisch des Hauses gelegt werden. Nein, das Geld wird quer
Was ist für die SPD wichtig? Unser Hauptziel ist der größtmögliche Schutz der Verbraucher, und das sollte auch Hauptziel aller im Bayerischen Landtag vertretenen Fraktionen sein. Es geht darum, eine nachhaltige, am Verbraucher orientierte Agrarpolitik aufzubauen und alte, nur an Massenproduktion und an Gewinn ausgerichtete Produktionsweisen hinter sich zu lassen. Die auf zwei Haushaltsjahre verteilten 600 Millionen DM fließen aber wiederum nicht in den vorsorgenden Verbraucherschutz und in eine am Verbraucherschutz orientierte nachhaltige Landwirtschaft. Nein, ein Löwenanteil geht in die Schadensbegrenzung. Für die BSE-Hilfe stehen insgesamt 245 Millionen Mark zur Verfügung. Von der Förderung einer unabhängigen Verbraucherberatung in Bayern ist nirgendwo die Rede.
Gerade auf dem Gebiet der Verbraucherberatung bestünde in Bayern aber Nachholbedarf. Während in Nordrhein-Westfalen die dortige Verbraucherzentrale 1999 über 36 Millionen DM für ihre Arbeit zur Verfügung hatte – davon 22,5 Millionen DM aus dem Landeshaushalt –, gewährte die CSU-Staatsregierung der bayerischen Verbraucherzentrale 1999 gerade einmal – man höre und staune – 3,2 Millionen DM für einen Gesamtetat von 4,5 Millionen DM.
(Zurufe von der SPD: Beschämend! – Gartzke (SPD): Dafür bekommt der Tiergesundheitsdienst mehr Geld!)
Der einzige direkte Verbraucherschutztitel heißt „Verbraucherinformation“. Er beträgt gerade einmal im Jahr 2001 7,7 Millionen DM und im Jahr 2002 5,3 Millionen DM. Bei einem Etat von insgesamt 600 Millionen DM stehen gerade einmal 7,7 Millionen DM bzw. 5,3 Millionen DM für die Verbraucherberatung zur Verfügung. Im zweiten Jahr sinkt der Ansatz für die Verbraucherinformation sogar noch einmal.
Dabei kommt unserer Meinung nach gerade der Information und Beratung eine besondere Bedeutung zu. Nur aufgeklärte Verbraucher können sich bewusst für hochwertige Lebensmittel und langlebige Produkte und damit für nachhaltigen Konsum entscheiden. Vorbeugen ist tatsächlich besser als heilen, Herr Minister. Das sollte unsere absolute Maxime sein. Sie aber wenden diese Maxime wiederum nicht an, auch nicht in diesem Nachtragshaushalt.
Viel Geld, nämlich 47,5 Millionen DM, werden alleine für das neue und vollkommen überflüssige Ministerium ausgegeben. Ich wiederhole die Zahl 47,5 Millionen gerne, weil Sie wiederum sagen werden, das sei nichts Neues, das würde alles nur aus dem Umweltministerium umgeschichtet. Haushaltsmittel werden damit verschwendet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD-Landtagsfraktion ist der Auffassung, dass sich die Staatsregierung durchaus ein Beispiel an der Bundesregierung hätte nehmen und ein Ministerium für Verbraucherschutz und für Landwirtschaft hätte einrichten sollen, statt die unzweifelhaft zusammenhängenden Bereiche voneinander zu trennen.
(Beifall bei der SPD – Kobler (CSU): Die Bundesregierung hat doch den Verbraucherschutz gekürzt! Frau Kollegin, Sie müssen sich einmal die Zahlen anschauen!)
Es wäre sinnvoll gewesen, wenn man die Zuständigkeit für unsere Lebensmittel vom Anbau und von der Tierhaltung über die Ernte und die Schlachtung bis zur Ladentheke gebündelt hätte, wie dies beim Bund geschehen ist. Aber in Bayern gehen die Uhren wieder einmal anders. Bayern kann sich anscheinend einen absolut entmachteten Landwirtschaftsminister leisten, der nur noch Vorgeschriebenes ablesen darf, der nur zur Beruhigung der Bauern dient und der alles so weiterführen will wie bisher.
Bayern kann sich auch einen Verbraucherschutzminister leisten, der für die Sicherheit der Konsumenten und die Gesundheit der Verbraucher sorgen soll.
Sie sagen, Sie glauben, dass das der richtige Weg ist. Ich sage: Glauben heißt nicht wissen. Schon jetzt zeichnet sich ein Kompetenzgerangel zwischen Miller, Sinner und Stewens ab. Es geht darum, wer welche Landesanstalt bekommt und ob zwei Häuser Futtermittelkontrolle betreiben. Wie viel Ernährungsberatung und Hauswirtschaft behält Herr Miller? Was bekommt Herr Sinner? Wer ist für was zuständig? Bei diesem Kompetenzgerangel sind Verfehlungen vorprogrammiert.
Am Schluss ist keiner für irgendetwas verantwortlich. Herr Sinner, Sie haben heute in Ihrer Rede die Konflikte bereits angekündigt. Bei den verschiedenen Interessenlagen ist das klar. Sie sagten, diese Konflikte würden offen ausgetragen. Die Transparenz werde das Vertrauen der Verbraucher stärken. Ich frage mich, wann hat die Bayerische Staatsregierung jemals einen Konflikt offen ausgetragen. Sie glauben anscheinend, das Vertrauen der Verbraucher mit Konflikten und Kompetenzgerangel zu stärken.
So etwas passiert nur dann, wenn man es jedem recht machen will. Die Bundesregierung hat im Gegensatz zu Ihnen eine klare Linie gezogen. Politiker, Verbraucher
und Landwirte sollen zu einer gemeinsamen Agrarpolitik finden, bei der der Schutz des Verbrauchers absolute Priorität vor allem anderen hat.
Anstatt sich daran zu orientieren, was auf Bundesebene getan wurde, wird in Bayern nur gezögert und gezaudert. Man will es sich mit keinem verderben, und schon gar nicht mit der mächtigen Agrarlobby. Umso erstaunlicher finde ich es, dass Ministerpräsident Dr. Stoiber und Sie, Herr Minister Sinner, unseren Bundeskanzler einen Kanzler der Beliebigkeit nennen. Wenn Gerhard Schröder beliebig ist – er ist beliebt; das ist Ihr größtes Problem –,
dann ist Edmund Stoiber das politische Chamäleon aus Bayern. Er passt sich an, wo es nur geht, und sieht zu, dass nichts passiert. Das ist Krisenmanagement à la Staatskanzlei, Franz-Josef-Strauß-Ring 1.
Sie haben vorhin das Krisenmanagement im Bund kritisiert. Ich glaube, für die Bayerische Staatsregierung ist das Wort „Krisenmanagement“ ein Fremdwort. Zu dieser Auffassung kann man zumindest im Rückblick kommen. So kann man keine Politik machen. Das, was Ministerpräsident Dr. Stoiber einen neuen Weg nennt, bezeichne ich als Politik der Beliebigkeit. Das ist Beliebigkeit: sich drehen und wenden, wie es gerade passt. Es gibt keine klaren Zielvorgaben und keine Prioritätensetzung. Alles Schlechte kommt aus Berlin und Brüssel, und München ist für die Wohltaten zuständig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD-Landtagsfraktion in Bayern hat über viele Jahre hinweg im Plenum Anträge eingebracht, die stets an der Sicherheit der Verbraucher orientiert waren. Doch leider wurden diese Anträge in schöner Regelmäßigkeit von der CSUMehrheit abgelehnt. Doch die jetzige Lebensmittelkrise birgt eine große Chance für einen echten Neuanfang in der Agrarpolitik. Nur der politische Wille fehlt bei Staatsregierung und CSU-Fraktion. Wir, die SPD-Landtagsfraktion, setzen auf eine Agrarpolitik der Nachhaltigkeit, damit sich derartige Lebensmittelskandale in Zukunft nicht wiederholen. Dazu bedarf es konkreter – nicht nur verwässerter oder angekündigter – Richtlinien im Rahmen der Welthandelsorganisation sowie auf EU-Ebene, Bundesebene und auch Landesebene.
Ich könnte eine Reihe von Punkten anführen. sage aber nur: Wir haben immer wieder in unseren parlamentarischen Initiativen klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, was wir unter einer nachhaltigen und gesunden Landwirtschaft und einem vorsorgenden Verbraucherschutz verstehen. Ich brauche nur auf die Debatte zu verweisen, die hier zu der Regierungserklärung von Staatsminister Miller geführt wurde. Herr Starzmann hat eindringlich darauf hingewiesen, dass Verbraucherschutz und Landwirtschaft in einem Ministerium zusammengefasst werden müssen. Wir wollen eine Länderver
braucherbehörde eingerichtet wissen, die eng mit der Bundesbehörde zusammenarbeitet. Wir brauchen Verbraucherschutzzentren, die sich auch auf Landkreisebene um die Bürgerinnen und Bürger kümmern. Wir brauchen auch Ansätze in der Bildung und eine ehrliche und objektive Verbraucherinformation statt Propaganda. Das ist unsere Forderung.
Wenn schon 600 Millionen DM für ein Programm ausgegeben werden sollen, dann für eine Verbraucherschutzinitiative, die den Namen auch verdient. Es kann nicht sein, dass es dafür in anderen Bereichen gänzlich an Mitteln fehlt. Wir fordern die Bayerische Staatsregierung auf, in den Entwurf des Nachtragshaushalts 2001/2002 auch die Bildungspolitik aufzunehmen.
Wir wollen eine tragfähige Grundlage für parlamentarische Beratungen. Wir wollen im Nachtragshaushalt Eckpunkte der Bildungspolitik berücksichtigt haben. Es geht um den Ausgleich des Unterrichtsausfalls, den Aufbau eines flächendeckenden Angebots an Ganztagsschulen und die Einstellung zusätzlicher Lehrerinnen und Lehrer sowie pädagogischer Fachkräfte zum Schuljahr 2001/2002. Die SPD verlangt Qualität beim vorsorgenden Verbraucherschutz, bei der nachhaltigen Landwirtschaft und bei der Erziehung, Bildung und Betreuung unserer Kinder. Aufmerksamkeit nicht nur für Rinder, sondern für Rinder und Kinder, das ist unsere Forderung.