Protokoll der Sitzung vom 08.05.2001

Der federführende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen empfiehlt auf Drucksache 14/6543 die Ablehnung. Wer entgegen dem Votum des federführenden Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen dem Gesetzentwurf in der beantragten geänderten Fassung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion der SPD. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich lasse jetzt über Tagesordnungspunkt 3 abstimmen. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 14/4227, die Änderungsanträge auf den Drucksachen 14/4600 und 14/5936 sowie die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen auf Drucksache 14/6544 zugrunde.

Zunächst lasse ich über den vom Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen zur Ablehnung vorgeschlagenen Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Scholz, Maget und anderer, Drucksache 14/4600, abstimmen. Wer entgegen der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der SPD. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.

(Zurufe von der CSU: Und der Hartenstein!)

Und Herr Kollege Hartenstein. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit, dass der Präsident nicht durch vorzeitiges Handheben irritiert wird. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.

Zum Gesetzentwurf der Staatsregierung empfiehlt der federführende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen Zustimmung mit der Maßgabe verschiedener Änderungen. Dem stimmt der Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen zu; ergänzend schlägt letzterer vor, in § 4 als Datum des Inkrafttretens den 1. Juli 2001 einzufügen. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 14/6544.

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CSU und

SPD. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Niemand. Stimmenthaltungen? – Das sind die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, treten wir gemäß § 60 der Geschäftsordnung unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Diese soll nach Wunsch der CSU-Fraktion namentlich erfolgen, wie in § 135 Abs. 1 der Geschäftsordnung vorgesehen.

Der Abstimmung liegt der Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen zugrunde. Die Ja-Urne befindet sich auf der Oppositionsseite, die Nein-Urne auf der Seite der Regierungsfraktion, die Urne für Stimmenthaltungen auf dem Stenografentisch. Mit der Abstimmung kann jetzt begonnen werden.

(Namentliche Abstimmung von 18.52 bis 18.57 Uhr)

Meine Damen und Herren, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben. Wir fahren zwischenzeitlich in der Tagesordnung fort.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Tagesordnungspunkt 4 a

Gesetzentwurf der Abgeordneten Maget, Prof. Dr. Gantzer, Dr. Jung und anderer und Fraktion (SPD)

über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für den Freistaat Bayern (Bayerisches Informationsfrei- heitsgesetz – BayIFG) (Drucksache 14/6034)

Erste Lesung –

Tagesordnungspunkt 4 b

Gesetzentwurf der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Elisabeth Köhler und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zur Gewährleistung des freien Zugangs zu amtlichen Informationen im Freistaat Bayern (Bayerisches Informationsfreiheitsgesetz – BayIFG) (Drucksache 14/6180)

Erste Lesung –

Beide Gesetzentwürfe werden von den Antragstellern begründet. Den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion begründet Herr Prof. Dr. Gantzer. Bitte schön, Herr Kollege.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Begründung und Aussprache zusammen!)

Zehn Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion und die Fraktion der GRÜNEN haben ähnliche Gesetzentwürfe eingereicht, die sich mit dem Zugang des Bürgers zu amtlichen Informationen befassen. Bis heute hat nämlich in Bayern kein Bürger ein allgemeines Recht, amtliche Unterlagen und Akten, sei es schriftlich, sei es auf Datenverarbeitungs

basis, einzusehen. Dieses Öffentlichkeitsprinzip, wie ich es nenne, fordern wir mit diesen beiden Gesetzentwürfen ein.

Ich weiß aber aus Gesprächen mit Kollegen der CSUFraktion, dass diese sehr erschrocken sind über diese Anträge, weil sie auf einmal merken, dass es auch umgekehrt sein könnte: dass nicht nur der Staat den Bürger überwacht, sondern umgekehrt vielleicht auch der Bürger das Recht bekommen sollte, in bestimmten Fällen den Staat zu überwachen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will Ihnen gleich die Angst und den Schrecken nehmen. Es ist nicht so, dass der Antrag jetzt irgendwo aus einer Theoriediskussion ideologisch vereinzelt heruntergezogen wird, sondern das, was wir mit dem Antrag fordern, ist in vielen Ländern dieser Erde schon Wirklichkeit. Das Land, das ein solches Gesetz am längsten hat, ist Schweden, also ein europäisches Land, von dem man nicht sagen kann, dass es mit Deutschland und Bayern nicht vergleichbar sei. In Schweden gibt es ein Informationsgesetz schon seit 200 Jahren, und wenn wir uns europaweit umschauen, sehen wir, dass gleiche Gesetze in Dänemark, Finnland, Frankreich, Norwegen, Irland, Ungarn und Italien gelten, also in Ländern, denen wir uns gut an die Seite stellen können. Außereuropäisch, so habe ich feststellen können, haben wir ein solches Gesetz in Australien, Neuseeland, Kanada, den USA und Südafrika.

Das heißt, wir wären in einer guten demokratischen Gesellschaft, wenn das Parlament ein solches Gesetz beschließen würde. Wir werden darüber im Ausschuss noch im Einzelnen beraten, was sicher auch notwendig ist. Ich will daher nur noch grundsätzlich ausführen, weswegen es so wichtig ist, dass wir ein solches Gesetz bekommen.

Das Erste – das liegt uns am meisten am Herzen – ist die Verbesserung der Beziehungen zwischen den Bürgern und Bürgerinnen und dem Staat. In einem demokratischen Wesen muss es darum gehen, die Beziehungen zwischen Bürger und Staat so zu verbessern, dass es ein gegenseitiges Vertrauen gibt und die eine Seite die andere stützt. Das können wir eben durch ein solches Gesetz erreichen. Das hätte zur Folge, dass die Demokratie gestärkt würde.

Das Zweite wäre die Kontrolle der Verwaltung. Wir haben in diesem Hause schon sehr oft über Korruption gesprochen. Wenn es dem Bürger möglich wäre, ein allgemeines Einsichtsrecht in allgemeine Daten und Akten der Verwaltung zu haben, wäre das sicher auch einer der größten Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung. Sie wissen zum Beispiel bei der Baukontrolle: Der beste Baukontrolleur ist nicht der Kontrolleur des Landratsamts, sondern der beste Baukontrolleur ist der Nachbar. Genauso müssen wir das Einsichtsrecht der Bürger in die Akten der Verwaltung sehen. Wenn der Bürger das Recht hätte, bestimmte Vorgänge zu überprüfen, würde das dazu führen, dass wir in den Verwaltungen wesentlich weniger Korruption hätten.

Wir wissen auch – das zum Schluss –, dass bestimmte Akten natürlich geheim bleiben müssen. Es kann kein uneingeschränktes Einsichtsrecht des Bürgers geben. Wir haben das in unserem Gesetzentwurf berücksichtigt. Darüber werden wir diskutieren. Wenn wir die europäischen und außereuropäischen Länder betrachten, werden wir feststellen, dass die Geheimhaltungsgründe dort recht unterschiedlich sind. Hier haben wir Diskussionsbedarf. Wir hoffen auf eine rege Diskussion mit der Fraktion der CSU. Wir hoffen auch, dass wir zu einer Einigung kommen. Wir sind aber der Meinung, dass es keinen Grund geben kann, den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verwaltung auszuschließen und ihn in Bayern nicht einzuführen. Wir bitten Sie, sich dies schon für die Beratungen vorzumerken.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Stahl. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Das Recht auf Zugang zu Informationen, Informationsrechte, Informationszugangsrechte ist nicht mehr aufzuhalten. Ich glaube auch, dass es heute die Aufgabe von SPD und uns GRÜNEN sein wird, Ihnen die Angst zu nehmen, dass das ein Teufelszeug sein könnte, mit dem man unter Umständen die Verwaltung über Gebühr belastet.

In den USA beispielsweise gibt es die Informationszugangsrechte bereits seit 1967, und Sie wollen mir sicher nicht weismachen, dass das in irgendeiner Weise dem freiheitlichen Gedanken der USA, der Regierung der USA oder irgendeinem Präsidenten geschadet hat.

(Zuruf von der CSU)

Wollen Sie sagen, die USA seien nicht rechtsstaatlich? Sind Sie auch zu dem Essen beim Generalkonsul der amerikanischen Botschaft eingeladen? Ich werde es ihm gern weitersagen, und er wird sich freuen.

Nach Berlin, Schleswig-Holstein und Brandenburg arbeitet nun auch der Bund an einem solchen Gesetz, und wir bringen heute den Entwurf eines IFG für die bayerische Verwaltung ein, aber eben nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für Gebietskörperschaften und vergleichbare Stellen, also für Landtage, Gerichte, Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden etc.

Wir gehen davon aus, dass sich der Landtag dem Gesetzentwurf anschließen wird, weil es eben schon eine ganze Reihe von Vorerfahrungen gibt. Denn tatsächlich ist es eine Frage der modernen Demokratie, wie mit den Bürgerinnen und Bürgern und ihren Ansprüchen und mit ihrem Bedürfnis an Beteiligung umgegangen wird.

Der Informationszugang gehört als Möglichkeit zur rechtsstaatlichen Grundausstattung für mündige Bürgerinnen und Bürger, die sich doch auch in das Gemeinwesen einbringen wollen. An dieser Stelle ist auch, denke ich, durchaus ein Seitenverweis auf das Ehrenamt zuläs

sig; denn gerade der, der sich ehrenamtlich engagiert, möchte natürlich wissen, wie bestimmte Informationsstränge laufen und wie Entscheidungen ablaufen. Gerade für das bürgerschaftliche Engagement wäre es sehr hilfreich, wenn ein Gesetz die Rahmenbedingungen schaffen würde.

Ein Informationsfreiheitsgesetz oder Informationszugangsgesetz – wir können uns noch gern überlegen, wie wir es letztendlich nennen wollen – führt zwar noch nicht zu einer Waffengleichheit mit einer aus Steuermitteln bezahlten Verwaltung; aber es bringt immerhin eine Annäherung. Ein IFG fördert die Transparenz behördlicher Entscheidungen, und zwar eben nicht nur bei den direkt Betroffenen, die bisher zum Beispiel im Baurecht durchaus die Möglichkeit einer Einsichtnahme hatten, sondern auch in anderen Bereichen. Es ermöglicht Kontrolle, beispielsweise in der Baulandplanung, und es hilft Bürgerinnen und Bürgern, Entscheidungen nachvollziehen zu können und damit vielleicht auch eher zu akzeptieren. Erinnern wir uns daran, wie viele Streitigkeiten auf der Verwaltungsebene vielleicht zu vermeiden wären und wie viele Auseinandersetzungen man sich sparen könnte, wenn man den Menschen einfach ein Stück weit erklären könnte, wie es zu Entscheidungen kommt.

Ich denke hier auch gerade an die Petitionen, bei denen erst beschlossen werden muss, dass die Stellungnahme der Staatsregierung beigelegt wird, damit der Ausschussbeschluss nachvollziehbar wird. Ich muss sagen, das sollte ein generelles Verfahren sein; denn die Verwaltung ist als Dienstleisterin für die Bürgerinnen und Bürger und eben nicht nur hoheitlich tätig.

Natürlich ist hier auch ein Spannungsverhältnis zu beachten. Umfassende Informationsrechte der mündigen Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite scheinen im ersten Moment mit dem Datenschutz als Garanten für die informationelle Selbstbestimmung zu kollidieren. Beide Grundsätze gehören jedoch zu einer modernen und offenen demokratischen Bürgergesellschaft, deren Verwaltung, wie ich sagte, in erster Linie Dienstleisterin zu sein hat. Das wiederum darf natürlich nicht heißen, dass die Verwaltung zur Fußmatte, zum Fußabstreifer für alles und jeden wird und dementsprechend dann auch missverstanden wird. Natürlich hat auch die Verwaltung entsprechende Rechte, und die in der Verwaltung niedergelegten Daten müssen einen entsprechenden Schutz bekommen. Darauf haben wir bei unserem Gesetzentwurf ein besonderes Augenmerk gelegt.

Wir haben unseren Gesetzentwurf beispielsweise dem Bayerischen Datenschutzbeauftragten zum Gegenlesen gegeben und haben auch Einzelnes – ich schäme mich überhaupt nicht, das zuzugeben – aufgegriffen und in unseren Gesetzentwurf eingebaut. Wir fühlen uns deshalb auch auf der sicheren Seite, was den Datenschutz anbelangt.

Wir sind nämlich der Meinung, dass die direkte Übernahme des schleswig-holsteinischen Gesetzes, wie das die SPD in ihrem Entwurf getan hat, in Einzelfällen dem Datenschutz nicht zu 100% gerecht wird, wie uns das notwendig erschien.

Wir bitten Sie jedenfalls – im Ausschuss wird das noch zu diskutieren sein –, Ihre Scheu vor Neuem zu überwinden, einfach einmal zu bedenken, dass auch Sie Bürgerinnen und Bürger sind, auch wenn wir natürlich andere Zugangsmöglichkeiten haben, in diesem Sinn einmal für die Bürgerinnen und Bürger zu entscheiden und unserem Informationsfreiheitsgesetz zuzustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit sind die Gesetzentwürfe begründet. Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Wortmeldung: Herr Kollege König. Bitte schön.