Der Bund Naturschutz stellt in der Süddeutschen Zeitung vom 2. Februar 2001 fest, eine konsequente Förderung von Mehrwegverpackungen durch das Pfandsystem lässt sich nicht nachweisen. Möglicherweise wird das Pfand zum Bumerang für unser Mehrwegsystem. Das Beispiel Schweden ist schon ein paar Mal angesprochen worden.
Ein anderer Kollege hat vor kurzem gemeint – und die Gefahr müssen wir wirklich ernst nehmen –, dass der Verbraucher das Dosenpfand möglicherweise als ökologischen Ablass betrachtet und meint, er habe mit der Zahlung des Dosenpfandes seine umweltpolitischen Verpflichtungen erfüllt.
Frau Biedefeld, wir brauchen uns heute von Ihnen nicht sagen zu lassen, wer bayerische Interessen vertritt.
Ich habe gestern genau zu Ihnen geschaut, als der Herr Ministerpräsident die Erfolge beim Länderfinanzausgleich herausgestellt hat.
Hier sind bayerische Interessen vertreten worden. Sie haben sich vorher dagegen gewehrt. Als wir vor einiger Zeit über die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms diskutiert haben, aber dem Straßenbau, den wir gegenüber dem Bund durchsetzen wollen, haben Sie sich hier verweigert. Bayerische Interessen werden von Ihnen nicht vertreten.
Sie sprechen im übrigen von einem Dosenberg. Dieser Dosenberg entsteht nicht in Bayern, sondern nördlich des Mains.
Wenn Sie davon ausgehen, dass wir einen Mehrweganteil bei Bier von 81% haben und der Anteil der Bierdosen nur 15,3% beträgt, dann müssen Sie den Vergleich mit Schleswig-Holstein ziehen, wo über 41% des Bieres in Dosen abgefüllt wird. Gehen Sie doch mit Ihren Aktionen dorthin, wo die Dosenberge entstehen.
Wir brauchen eine fachlich ausgereifte, praxisgerechte Lösung. Wir brauchen eine ökologisch ausgerichtete Lösung, und wir brauchen nicht den Zeitdruck. Der Zeitdruck führt uns zu falschen Lösungen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Mirbeth, ich glaube, wir müssen heute nicht noch einmal die Schlachten von gestern schlagen. Das hat wohl keinen Sinn. Wir waren gestern so anständig, und das hat die Zustimmung des ganzen Hauses gefunden, dass die Redezeit interfraktionell begrenzt war. Gestern war sowieso alles schon klar. Am Montag hat alles schon in den Zeitungen gestanden. Die Meldungen waren eindeutig. Es war große Verwunderung und Freude zu vermelden, dass sich die Länder geeinigt haben. Das hat der Bund durch Aufstockung seiner Zuschüsse bewirkt. Das ist eine ganz klare Geschichte. Da braucht man nichts mehr zu beklatschen. Unser Bundeskanzler Gerhard Schröder ist am Montag in den Zeitungen schon gelobt worden. Mehr kann man auch hier nicht mehr erwarten.
Ich komme jetzt zurück zu dem Dosenpfand. Das ist ein praktisches Problem. Das hängt damit zusammen, über was wir gestern diskutiert haben. Nur über den Länderfinanzausgleich zu reden, greift zu kurz. Es geht um die Interessen der Länder, es geht um die Kompetenz der Länder. Der Föderalismus muss sich selbst wieder ernst nehmen. Die erste Voraussetzung dafür ist, dass sich der Landtag wieder selbst ernst nimmt. Dieses Parlament muss sich selbst wieder ernst nehmen.
In den Ausschüssen muss diskutiert werden, und diese Ausschussdebatten und diese Plenardebatten müssen Konsequenzen haben. Das Dosenpfand ist dafür das beste Beispiel.
Ich bin seit 1994 Mitglied dieses Landtags. Kein Jahr ist seitdem vergangen, in dem es im Umweltausschuss nicht um Dosen oder um die Verpackungsverordnung ging. Es bestand immer Konsens in diesem Landtag, über alle Fraktionen hinweg, dass man die Bundesverpackungsverordnung ernst nimmt. Der zweite Punkt ist, dass man anerkannte, dass diese Fristen richtig sind. Manche haben sie für zu kurz empfunden, diese Position wurde auch vertreten. Wenn der Fall eintritt, dass die Mehrwegquote unterschritten wird, muss gehandelt werden. Das ist das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.
Ich muss mich wundern: Es wird wieder ein Schnellschuss produziert. Dieser Schnellschuss führt wieder nur zu zwei Jahren Verzögerung, zwei Jahre neue Chancen für die Dosen, zwei Jahre zusätzliche Chancen, um diesen von uns allen nicht gewünschten Systemen zum Durchbruch zu verhelfen und erst richtig zu installieren. Ich muss schon fast darüber lachen: Haben wir ein Ordnungsrecht oder nicht? Dem jugendlichen Straftäter wird der Führerscheinentzug angedroht. Der Führerschein wird für drei Monate entzogen, den muss er dann wieder nachmachen. Vom Jugendrichter werden diese Sanktionen angedroht, und der Jugendliche weiß Bescheid. Wir aber leisten uns hier eine zehnjährige Debatte. Seit 1997 ist klar, dass die Mehrwegquote unterschritten wird. Jetzt fangen wir wieder an zu diskutieren und verschieben die Entscheidung um zwei weitere Jahre. Wir richten uns jetzt nach dem Privatrecht, wir machen notarielle Verträge. Bei diesem Thema geht es nicht darum, dass irgend ein Altbauer seinen Hof übergibt, nachdem der junge Bauer schon seit 15 Jahren die Arbeit macht. Das Problem ist nicht mit notariellen Verträgen zu lösen.
Das Ordnungsrecht ist klar und muss jetzt auch greifen. Wenn wir so weitermachen, dann wird die Umweltgesetzgebung abgewertet, sie wird zum Papiertiger. Der gesamte Status der Umwelt geht damit verloren.
Darüber müssen wir uns im klaren sein. Hier steht mehr auf dem Spiel. Ich überbewerte das Dosenpfand nicht. Ich überbewerte auch nicht die Lenkungsfunktion des Dosenpfandes. Aber es ist doch richtig: Wer sammelt denn jetzt diese Dosen auf? Das sind die Gastwirte der
Ausflugsgaststätten, die rundherum Dosen aufsammeln, die nicht bei ihnen gekauft worden sind. Der Wirt muss bei jeder Dose, die er einsammelt, feststellen, das Getränk hätte er auch selbst verkaufen können. Das gleiche gilt für die Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe. Wir müssten einmal Herrn Staatsminister Dr. Beckstein mit einer Schriftlichen Anfrage um Auskunft bitten, was die Entsorgung der weggeworfenen Dosen den Freistaat Bayern kostet. Die Straßenbauämter müssen die Dosen einsammeln. Das gleiche gilt für die Kommunen. Das würde entfallen. Bei Erhebung eines Dosenpfandes würde das alles entfallen. Man muss nur einmal um das Landtagsgebäude herumgehen. Auf dem Gehweg findet man drei oder vier plattgedrückte Dosen. In dem Park in der Nachbarschaft findet man noch einiges mehr. Das würde sich ändern, und das wäre positiv. Mit der Erhöhung des Recyclinganteils wird auch Energie eingespart. Auch das ist sinnvoll. Nehmen wir uns selbst ernst, nehmen wir den Landtagsbeschluss ernst und machen wir keine fundamentale Opposition.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine kurze Anmerkung an die Vertreterinnen und Vertreter des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Sie haben versucht, den Eindruck zu erwecken, als ob der bayerische Umweltminister ein einsamer Rufer in der Wüste wäre, während Sie an der Spitze der Bewegung marschierten.
Das ist ein Missverständnis. Es ist genau umgekehrt, Herr Kollege Dr. Dürr. Schauen Sie sich die nationale und die internationale Diskussion einmal an. Sie sind nämlich selbst allein auf weiter Flur.
Sie sind es, was die Länderumweltminister angeht; Sie sind es, was die EU-Kommission angeht. Keiner von Ihnen hat das bisher zur Kenntnis genommen. Fragen Sie einmal die EU-Umweltkommissarin, Frau Wallström, was sie von der Dosenpfanddiskussion in der Bundesrepublik Deutschland hält – nämlich gar nichts. Schauen Sie sich einmal die Einwendungen an, die England, Frankreich, Italien, Österreich, Luxemburg und andere Länder erhoben haben. Meine Damen und Herren von der Opposition, betrachten Sie einmal die Verbandsdiskussion. Vom Sachverständigenrat für Umweltfragen bis hin zum Bundeskartellamt sind alle dagegen. Nehmen Sie Stellungnahmen des Landesverbandes Bayerischer Einzelhandel zur Novelle der Verpackungsverordnung und zum Zwangspfand. Das Zwangspfand hat nicht die ökologische Lenkungswirkung. Das Zwangspfand ist ökonomisch unzumutbar und mittelstandsfeindlich. Das Zwangspfand ist willkürlich.
Sie sollten jetzt nicht den Eindruck erwecken, als ob die ganze Nation, alle beteiligten Verbände nach dem Zwangspfand rufen würden. Es ist genau umgekehrt.
Lassen Sie mich noch einmal ein paar Argumente bringen. Lieber Kollege Dürr, ein bisschen mehr sachpolitische Information hätte ich Ihnen zugetraut. Wenn Sie den Problemkreis konsequent angehen, dann kann man beim Thema Littering und Umweltverschmutzung durchaus darüber streiten, ob ein Zwangspfand auf eine Dose nicht eine gewisse Lenkungswirkung hat. Es ermuntert dazu, dass ich eine Dose nicht auf einer Bergwiese liegen lasse, sondern dass ich sie einsammle und wieder zurückbringe. Was mich gerade bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verwundert: Eine ökologische Lenkungswirkung, die Sie ja maßgeblich befürworten müssten, hat dieses Pfand nicht. Dieses Pfand hat nicht die geringste ökologische Lenkungswirkung. Ich halte es fast schon für einen Skandal, dass ausgerechnet von Ihrer Partei, von Ihrer Fraktion die Worte Mehrweg, Mehrweganteil, Mehrwegquote nur noch rudimentär gebraucht werden. Von Ihnen hätte ich erwartet, dass Sie nicht allein über das Thema Pfand diskutieren,
sondern dass Sie sagen: Wir wollen Mehrweganteile sichern. Es ist doch nicht so, dass der bayerische Umweltminister einen Papiertiger erfunden hätte.
Ich sage Ihnen eines: Das, was er vorgeschlagen hat, ist klar. Herr Gartzke hat das vorher so schön erwähnt: Überall, zum Beispiel im Jugendstrafrecht, hätten wir Sanktionsmechanismen. Schauen Sie sich die Verordnung an. In ihr sind klare Sanktionsmechanismen enthalten.
Ein letzter Punkt, meine Damen und Herren von der Opposition. Wenn Sie so schön sagen: Wir wollen die mittelständische Brauwirtschaft im Freistaat Bayern schützen und erhalten, dann haben Sie uns sicher an Ihrer Seite. Sie verwechseln aber Äpfel mit Birnen. Bei diesem Schutz geht es nicht um den Kampf von Flasche gegen Dose, sondern von Bier gegen Bier. Es geht um den Wettbewerb zwischen kleinen, mittelständischen bayerischen Brauereien und Großkonzernen in Norddeutschland. Wenn Sie auf diesem Gebiet etwas tun wollen, wenn Sie glaubwürdig sein wollen, dann machen Sie eine vernünftige Mittelstandspolitik. Wenn Sie Mittelstandsbrauer fragen, werden Ihnen diese sagen: Mir ist mehr geholfen, wenn diese Bundesregierung mich als kleinen Mittelständler im Steuerrecht mit dem Großkonzern, mit der Aktiengesellschaft gleich stellt. Mir ist mit meinem kleinen mittelständischen Betrieb mehr geholfen, wenn die 630-DM-Regelung, wenn Abschreibungsfristen, Kündigungsschutz und viele andere Dinge wieder mittelstandsfreundlich geregelt werden.
Solange Sie das nicht tun, ist Ihr Appell zum Erhalt der mittelständischen Brauwirtschaft im Freistaat Bayern nichts anderes als das Vergießen von Krokodilstränen – nicht mehr und nicht weniger.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch einmal auf die Verpackungsverordnung aus dem Jahre 1991 zurückkommen und deutlich machen, dass die Bayerische Staatsregierung vom Erlass der Verpackungsverordnung bis heute eine konsequente Linie eingenommen hat, was unsere Haltung pro Mehrweg angeht. Wir waren immer, sind es auch heute und werden es auch bleiben, ein Verfechter der Mehrwegverpackung, weil wir in der Mehrwegverpackung die umweltfreundlichste Verpackungsart schlechthin sehen.
Das hat dazu geführt, dass der damalige Umweltminister, Peter Gauweiler, sich ganz entschieden für Mehrweg und contra Einweg und damit auch contra Dose ausgesprochen hat. Ich erinnere Sie daran, dass Kollege Peter Gauweiler in der Bundesratssitzung am 19. April 1991 deshalb auch die Verpackungsverordnung abgelehnt hat, unter anderem mit der Begründung, dass damit nicht sichergestellt wird, dass die erreichten Mehrwegquoten auch tatsächlich erhalten bleiben. Diese konsequente Linie findet ihre Fortsetzung in der Haltung von Thomas Goppel, der die Bedenken, die wir heute formulieren, bereits vor mehreren Jahren artikuliert hat. Er hat zum Beispiel 1997 geschrieben, nach seiner Auffassung seien Rücknahme- und Pfandpflicht ein ungeeignetes Instrument zur Mehrwegstützung. Wörtlich hat er ausgeführt: Wenig halte ich von dem von verschiedenen Seiten geforderten Pflichtpfand auf Einweggetränkeverpackungen, weil dieses sogar zu Lasten von Mehrweg gehen kann, wenn sich der Handel erst einmal umgestellt hat.