Protokoll der Sitzung vom 27.06.2001

Wer bayerisches Bier schützen will, muss auch seine Vielfalt sicherstellen. Bayern zeichnet sich eben gegenüber anderen Bundesländern dadurch aus, dass es mittelständische Strukturen hat. Da Sie schon den Niedergang während der vergangenen 150 Jahre beklagen, müssten Sie wenigstens jetzt etwas dafür tun, dass die verbleibenden Mittelstandsbrauereien ihre Marktposition behalten können. Das tun Sie aber nicht mit Ihrer Position.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben die Mehrzahl der Verbraucher gegen sich. Ich war gestern bei einer Veranstaltung, an der auch eine nicht unbekannte bayerische Dame teilnahm. Als wir über das Dosenpfand gesprochen haben, hat sie zu mir gesagt: Sagen Sie doch Ihren Kolleginnen und Kollegen, dass das Pfand auf die Dose sogar auf eine Mark erhöht werden muss. Das war Carolin Reiber. Sie sehen also, dass solche Meinungen nicht nur von Leuten vertreten werden, die mit der Sache unmittelbar zu tun haben, sondern das ist emotional. Die Mehrheit der Bevölkerung ist dafür, dass die Dose mit Pfand belegt wird.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Brauereien sind dafür, dass die Dosen mit Pfand belegt werden; der größte Teil der Gastwirte ist auch dafür, und zwar nicht nur aus Umweltüberlegungen heraus. Der Wirt einer Ausflugsgaststätte wird nämlich am Abend beim Aufräumen feststellen müssen, dass 400 Dosen herumliegen, die von den Gästen mitgebracht worden sind, weil sie günstiger sind. Diesen Zusammenhang müssen Sie erkennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten die eingeschlagene Linie beibehalten. Die Staatsregierung sollte vollziehen, was der Landtag beschlossen hat, was Kolleginnen und Kollegen von Ihnen mutigerweise mitgetragen haben, weil sie sich an die Aussagen der Staatsregierung erinnert haben. Dafür sollte man diese Kollegen loben, die standhaft bleiben sollten. Die Staatsregierung sollte den Willen des Landtags vollziehen. Meine Aufgabe war es, für die mittelständischen Brauereien zu reden. Es wurde einmal geschrieben: Das bayerische Bier ist unter den Getränken das nützlichste, unter den Arzeneien die schmackhafteste und unter den Nahrungsmitteln das angenehmste. So soll es bleiben. Bier gehört nicht in Dosen; deswegen müssen Dosen mit einem angemessenen Pfand belegt werden.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dinglreiter, bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Memmel, Ihre Meinung teilen wir zwar alle, aber Sie haben nicht gesagt, wie Sie das Problem lösen wollen.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich will auf die Ausführungen von Herrn Dr. Runge zurückkommen. Herr Dr. Runge, ich verstehe nicht, warum Sie in diesem Fall so dramatisieren; denn der Mehrweganteil hat seit Anfang der neunziger Jahre um 15% zugenommen. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))

Dass der Anteil der Einwegverpackungen auch zugenommen hat, hängt damit zusammen, dass sich die Verbrauchsgewohnheiten und das Freizeitverhalten geändert haben; der Bedarf an Getränken unterwegs ist größer geworden. Herr Kollege Memmel, die bisherige Politik der Bayerischen Staatsregierung war gut, weil der Mehrweganteil in Bayern 81,5% beträgt. Wir wollen, dass das so bleibt.

Es ist zu bedauern, dass die Bundesregierung im Schnellverfahren ein Dosenpfand durchsetzen wollte, ohne vorher eine sachgerechte Entscheidung durch notwendige Klärungen abzusichern. Die bayerische Politik will Mehrweggebinde in hohem Umfang sichern, insbesondere für Bier, aber nicht nur dafür. Sie will das aus umweltpolitischen Gründen, und sie will als Nebeneffekt – damit wir uns nicht gegen die EU versündigen –, dass

die mittelständische Brauereiwirtschaft in Bayern gestärkt wird und die bayerische Brauereistruktur und Bierkultur erhalten werden. Es geht nicht um die Alternative zwischen Mehrwegverpackungen oder Dose, sondern darum, wie wir die hohe Mehrwegquote am besten sichern. Das ist die entscheidende Frage, über die nachgedacht werden muss. Was in Berlin vorgeschlagen wird, bietet dafür keine Garantie.

Und wenn Sie es noch so oft behaupten, das ist keine Garantie, denn es gibt genug Beispiele, die das Gegenteil belegen. Einige Beispiele sind schon angesprochen worden. Wenn Sie das Beispiel von Schweden sorgfältig studieren würden, würden Sie feststellen, dass Mehrweg insgesamt zurückgegangen ist und erst wieder angestiegen ist, als Mehrweg-PET-Flaschen angeboten wurden.

(Frau Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weil das Pfand erhöht worden ist!)

Ach woher, das hat nur etwas mit der PET-Flasche zu tun, weil viele Menschen die Flaschen wegen des geringeren Gewichts kauften.

Was kann getan werden, Herr Memmel, wenn die Quote mit Pfand dennoch weiter sinkt? Was tun Sie dann für die mittelständischen Brauereien? Nichts ist vorgesehen. Es sind allerdings dann Fakten geschaffen, die ein Handeln erschweren. Darauf hat Trittin bisher keine Antwort gegeben.

Was geschieht, wenn sich Einzelhändler in größerem Umfang als erwartet auf das Dosenpfand einlassen? Es gibt nämlich mittlerweile Entsorger, die Automaten für 25 Pfennig pro Dose zur Verfügung stellen. Was geschieht, wenn der Einzelhändler den Automaten außerhalb des Ladens von einem Anderen betreiben lässt und somit Flächen gewinnt und Geld spart? Auf diese Art und Weise gerät die Markenbindung für bayerisches Bier in einen negativen Sog. Wie werden sich dann unsere mittelständischen Brauereien gegen die Giganten behaupten, die massiv auf den deutschen Markt drängen? Wenn Firmen wie Interbräu, Heineken oder AnheuserBusch, die alleine so viel oder gar mehr Bier als die deutschen Brauer insgesamt erzeugen, eine Dose Bier für 49 Pfennig anbieten, dann zahlt der Käufer insgesamt nur 99 Pfennig pro Dose Bier. Wenn er seine Dose jedoch zurückbringt, denkt er nicht mehr daran, dass das zusätzlich Geld kostet. Wir wissen, dass das Pfand anfangs möglicherweise einen gewissen Schock verursacht, dass die abschreckende Wirkung aber dann nachlässt, wenn das Pfandgeld zurückgegeben wird.

Wir schützen nicht gegen diese große Konkurrenten aus dem Norden Deutschlands, aus Europa und aus den USA, wenn wir das Dosenpfand einführen. Mittelständische Brauereien werden nicht durch Quoten gesichert, sondern durch die tatsächlich in Verkehr gebrachte Getränkemenge, die in Mehrwegverpackungen verkauft wird. Nicht die Quote in Prozent, sondern Mehrweg in Litern ist der entscheidende Punkt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Deshalb ist der Ansatz der Staatsregierung der richtige Weg für die Umwelt und für die Sicherung mittelständischer Brauereistrukturen.

(Beifall bei der CSU)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Wörner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Herr Dinglreiter, Garantien gibt es für nichts, wie das bestehende Gesetz zeigt. Man hat damals geglaubt, man habe das Richtige geschaffen.

(Dinglreiter (CSU): Jetzt gibt es Sanktionen!)

Wenn Sie jetzt nach einem garantiert sicheren Verfahren verlangen, dann sage ich Ihnen, dass wir es ausprobieren werden müssen. Dieses Ausprobieren und die Schonung von Natur und Umwelt verhindern Sie jetzt, obwohl es das Parlament in Bayern beschlossen hat. Ich verstehe überhaupt nicht, dass Sie, Herr Minister Dr. Schnappauf, mit dem Herrn Ministerpräsidenten in den letzten Wochen durchs Land radeln und so tun, also ob es Ihr Land sei, das Sie schützten, dass Sie dieses Land auf hohem Niveau hielten, es in Wirklichkeit aber, was die Dosen betrifft, verkommen lassen.

Wir brauchen auf den Bergen keine Wegweiser mehr, wir brauchen nur noch hinter den Dosen herzulaufen.

(Jetz (CSU): Und Flaschen!)

Der Alpenverein spart sich die Markierungen. Wir finden überall hin, wo wir hin wollen. Ich verstehe nicht, warum derjenige, der dieses weiß, sich gegen die jetzt eingeleiteten Maßnahmen ausspricht. Allein aus dem genannten Grund müssten wir schon alle dafür sein. Denjenigen, der weiß, dass der Berg an Dosen in Bayern auf der Fläche eines Fußballfelds 800 m hoch ist, und dann immer noch so tut, als ob es nicht notwendig wäre, die Dose aus dem Weg zu räumen, den verstehe ich nicht.

(Dinglreiter (CSU): Das haben die Kollegen schon gesagt!)

Die bayerischen Straßenbaumeistereien haben mir gesagt, dass sie jährlich die mit Dosen gefüllten Gräben auf den Nah- und Fernstraßen leer räumen müssen. Steigen Sie doch einmal in ein Verkehrsmittel ein. Das Erste, was Ihnen morgens entgegen rollt, ist die Dose. Muss das wirklich so sein? Das könnte man verhindern, indem man das Dosenpfand einführt und damit die Rückgabequote erhöht. Wichtig ist, dass die Dose wieder in den Kreislauf zurückgeführt wird.

Es ist insbesondere die Produktion der Dose, die die Umwelt belastet. Um diese Belastung zu verhindern, muss das Dosenpfand eingeführt werden. Herr Minister Dr. Schnappauf, es wundert mich, dass Sie sich wieder auf das Modell Schweden beziehen. Offensichtlich lässt Ihr Gedächtnis in dieser Frage immer mehr nach. Sie sind erst vor drei oder vier Tagen in einer Diskussion mit

Vertretern des bayerischen Mittelstandes darauf hingewiesen worden, dass die Einführung des Pfands in Schweden nicht mit der deutschen Situation vergleichbar ist. Das hat Ihnen der Sprecher des Mittelstands deutlich vorgerechnet. Er hat Ihnen deutlich gesagt, dass Sie sich auf einem Holzweg befinden. Trotzdem wiederholen Sie Ihr Argument heute, ohne eine Sekunde darüber nachzudenken, was Fachleute darüber sagen. Lernfähig sollte man schon sein, auch wenn man eine andere Meinung vertritt. Man sollte schon aus Geschichten lernen, die Leute erzählen, die ständig mit der Materie zu tun haben.

Goppel, Gauweiler, Töpfer – alle waren und sind für das Dosenpfand. Sie sind heute nicht hier, weil sie der Diskussion nicht folgen wollen. Ich verstehe das. Nur Sie, Herr Minister, haben irgendwann einmal eine wundersame Kehrtwendung gemacht, die keiner versteht, außer vielleicht Ihnen selber.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aldi auch!)

Aldi vielleicht, das weiß ich nicht so genau.

Ich meine, dass wir von der Dose weg müssen. Es hat sich gezeigt, dass die bestehenden Gesetze nicht ausreichen. Wir brauchen nicht auf die EU zu warten. In anderen Fällen sind wir auch der Meinung, dass wir besser wissen, was zu tun ist. Wir müssen jetzt entscheiden, dass der Dosenberg von Milliarden von Dosen verschwindet bzw. auf das notwendige Maß reduziert wird.

Es gibt in München eine große mittelständische Brauerei, den Augustiner. Der Sprecher von Augustiner hat mir gegenüber gesagt, dass es Wahnsinn sei, wenn das Dosenpfand nicht eingeführt werde. Es werde dem Mittelstand schwer geschadet. Sonst tragen die Staatsregierung und die CSU immer die Fahne des Mittelstandes vor sich her, aber jetzt, wo bayerische Interessen und Arbeitsplätze massiv berührt sind, versagen Sie der Industrie und dem Mittelstand Ihre Unterstützung und lassen sie im Regen stehen.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Mirbeth.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wörner, Sie wollen weg von der Dose, das wollen wir auch. Die Frage ist nur, auf welchem Weg wir dazu kommen.

(Frau Biedefeld (SPD): Nicht, indem man die Quote streicht!)

Herr Kollege Herrmann hat es auf den Punkt gebracht. Die Frage ist, worin der ökologische Gesamtansatz besteht. Sie haben die ganze Diskussion heute und auch in der zurückliegenden Zeit mit Argumenten des Wettbewerbs geführt. Der Ausgangspunkt ist aber die Verpackungsverordnung, woran ich insbesondere die GRÜNEN erinnern möchte. Es handelt sich somit um eine umweltpolitische Zielsetzung, der Wettbewerbsschutz ist

nicht die Ausgangssituation. Es stellt sich also die Frage, wie man unter ökologischen Gesichtspunkten die Stützung des Mehrwegs erreichen kann. Alles andere wäre, um die „FAZ“ zu zitieren, weder öko noch logisch.

Ausgangspunkt und Grundlage muss die Frage sein, was ökologisch vorteilhaft und was ökologisch nachteilig ist. Das Mehrwegsicherungssystem der Bayerischen Staatsregierung ist in doppelter Hinsicht ein ökologischer Ansatz. Es ist richtig, und es ist konsequent, dass man von einer Mindestabfüllmenge in umweltverträglichen Verpackungen ausgeht. Hier ist ein Anteil von 77% geplant. Das ist sehr beachtlich. Bei den Mehrwegverpackungen liegt der Anteil bei rund 70%.

(Frau Biedefeld (SPD): Das hätte schon früher erfolgen können! – Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie haben das etwas heruntergespielt. Mit diesen Planungen sind durchaus drastische Sanktionen verbunden. Das Literingproblem wird damit in Angriff genommen.

Damit komme ich zu den Trittinschen Schwachstellen. Man muss deutlich herausstellen: Was passiert, wenn die Lenkungswirkung, die Sie dem Dosenpfand unterstellen, nicht eintritt? Sie verzichten mit Ihrer Novellierung auf eine Mehrwegquote. Dies muss immer wieder deutlich herausgestellt werden. Sie verzichten auf eine garantierte Abfüllmenge in Mehrwegverpackungen. Wenn das Dosenpfand nicht funktionieret, dann haben Sie keine Mechanismen mehr. Das muss deutlich gemacht werden. Zielt Ihr ganzes Bemühen nur darauf ab, möglichst viel Dosenrecycling zu erreichen? Das müssten Sie einmal deutlich sagen. Es muss eine Wiederbefüllungsquote erreicht werden.

Der Bund Naturschutz stellt in der Süddeutschen Zeitung vom 2. Februar 2001 fest, eine konsequente Förderung von Mehrwegverpackungen durch das Pfandsystem lässt sich nicht nachweisen. Möglicherweise wird das Pfand zum Bumerang für unser Mehrwegsystem. Das Beispiel Schweden ist schon ein paar Mal angesprochen worden.