Protokoll der Sitzung vom 11.07.2001

Das glauben auch die Menschen. Nach allen Umfragen liegt die Wirtschaftskompetenz nicht bei der Union;

(Zuruf von der CSU: Da lachen die Hühner!)

sie liegt bei der SPD. So wird es auch bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Herr Dinglreiter, bitte.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Kaiser und meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken.

(Beifall bei der CSU)

Ich schätze Sie als kluge Leute, die durchaus wissen, wie es um die Wirtschaftspolitik in Deutschland steht. Sie müssen sich im Dienste des Kanzlers verbiegen. Das ist nicht angenehm.

(Beifall bei der CSU)

Ich gebe Ihnen einen Rat. Wir haben mit einer unionsgeführten Regierung von hier aus gelegentlich durchaus auch Sträuße ausgefochten, wenn es um die Interessen

Bayerns ging. Kämpfen Sie mit uns für die Interessen Bayerns. Dann tun wir diesem Land einen Dienst.

(Beifall bei der CSU)

Herr Dr. Kaiser, wenn Sie sagen, wir sollten nicht schwarz malen, wir sollten die Situation nicht düster darstellen, dann kann ich Ihnen sagen: Ich könnte meine Rede damit bestreiten, dass ich eine Reihe von Zitaten von sach- und fachkundigen Journalisten vortrage. Was lesen Sie denn in den letzten Tagen an Überschriften in der Zeitung? Dort ist zu lesen: Wirtschaft stagniert, geringstes Wachstum seit acht Jahren, Steuerreform verpufft, Konjunktur schmiert ab, die Arbeitslosigkeit steigt. Das sind die Schlagzeilen in den seriösen Blättern. Das ist die Realität, die beschrieben wird.

Eigentlich sollte die Wirtschaft aber blühen, denn der Kanzler wollte zwar nicht alles anders, aber vieles besser machen. Was ist daraus geworden? Es gibt keinen Zweifel: Das Wirtschaftswachstum ist im Keller und ohne Bayern und Baden-Württemberg sähe es noch düsterer aus, als es ohnehin schon der Fall ist. Beim Wirtschaftswachstum stehen wir in Europa an letzter Stelle. Das ist die Realität. Deutschland hat im europäischen Wirtschaftszug nicht mehr die Rolle der Lokomotive wie in den achtziger und weithin auch in den neunziger Jahren, wir sitzen vielmehr im Bremserhäuschen und werden zur Last für die wirtschaftliche Entwicklung Europas. Das ist die Realität.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Gartzke (SPD))

Machen Sie eine gute Umweltpolitik, aber lassen Sie die Wirtschaftspolitik andere machen, Herr Gartzke!

Damit sind wir zugleich bei dem Grund für die anhaltende Schwäche des Euro, die zu hohen Einfuhrpreisen aus dem Dollarraum führt. Allein der Benzinpreis wird durch den schwachen Eurokurs mit 16 bis 17 Pfennig zusätzlich belastet. Das macht, wie ich denke, deutlich, wie die Situation sich darstellt. Diese und andere Umstände haben auch zu einer hohen Geldentwertungsrate geführt. Ich kann nur sagen: Die siebziger Jahre lassen grüßen, wenn Sie so weitermachen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine Damen und Herren, haben nicht die Sozialdemokraten Anfang der neunziger Jahre wegen hoher Inflationsraten in anderen europäischen Ländern von einer Missgeburt des Euro gesprochen? Jetzt hat Italien eine Geldentwertungsrate von 2,9%, Frankreich eine solche von 2,5% und England eine solche von 1,7%. Da läuft doch etwas schief in Deutschland. Es droht die Gefahr einer Stagflation mit erheblichen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, die Löhne, die Kosten und die Preise. Diese Politik ist von Übel für unser Land. Statt diese negativen Trends zu wenden und unser Land beim Wirtschaftswachstum, bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und bei der Geldwertstabilität wieder an die Spitze Europas zu bringen, hat die rot-grüne Regierung in Berlin einen Trend zur Sozialisierung eingeleitet. Ob es um die Steuerpolitik mit einer Benachteiligung des Arbeitsplätze

schaffenden mittelständischen Eigentümer-Unternehmers geht oder um die 25 Milliarden DM Entlastung für Arbeitnehmer, wobei dieser Personenkreis aber wiederum etwa 18,5 Milliarden DM zurückzahlen musste, welche ihm durch die Ökosteuer abgenommen wurden – beides hat weder Anreize für Investitionen noch für den Konsum geschaffen.

Der Bundeskanzler hätte gut daran getan, in der Steuerreform den Konsens mit der Opposition zu suchen, statt mit fragwürdigen Methoden ein falsches Konzept mit verheerenden Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt durchzudrücken. Der Wirtschaftsminister hat das 630-Mark-Gesetz und das Thema Scheinselbstständigkeit schon angesprochen, alles falsche Signale für Existenzgründer, die neue Arbeitsplätze schaffen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Wilhelm (CSU))

Oder denken Sie an die Verschärfung beim Kündigungsschutz, der zwar den Arbeitsplatzinhabern hilft, aber Arbeitssuchende, zumal ältere, benachteiligt. Denken Sie an das alles nivellierende Teilzeitgesetz oder an die so genannte Modernisierung des Betriebsverfassungsgesetzes. Überall setzt die Bundesregierung auf mehr Staat, mehr Regulierung und mehr Gängelung der Wirtschaft statt auf mehr Flexibilität, mehr Eigeninitiative und mehr Eigenverantwortung in den Betrieben.

Wird so unsere Wirtschaft zukunftsfähig? muss man fragen. Ist das die richtige wirtschafts- und gesellschaftspolitische Orientierung für das 21. Jahrhundert?

Meine Damen und Herren, wenn Sie immer sagen, das, was die Union vorschlägt, würde viel Geld kosten, so sage ich Ihnen ganz klar: Wir brauchen kein finanzielles Konjunkturprogramm, wenn man von notwendigen Investitionen in den Infrastrukturbereich absieht. Wir brauchen mehr Freiräume für eine im internationalen Wettbewerb stehende Wirtschaft. Wir brauchen Deregulierung statt neuer Gesetze, die kostentreibend, bürokratisch, investitionshemmend und damit strukturkonservierend und rückwärts gewandt sind. Ein frei entscheidender und risikobereiter Unternehmer wird durch die Politik dieser Bundesregierung immer mehr zum Ausführungsorgan öffentlicher Vorschriften. Das ist das, was die Menschen draußen beklagen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Wilhelm (CSU))

Die Selbstverantwortung der Unternehmer wird beschnitten und zur Hörigkeit gegenüber Funktionärskadern umfunktioniert. Ich erinnere an das Betriebsverfassungsgesetz. Zu viel Betreuung lähmt aber die innere Freiheit, die Initiative und den Gestaltungswillen der Unternehmer. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in weiten Teilen des Mittelstandes lähmende Frustration herrscht. Das kann man nicht schlecht reden, sondern das ist die Realität, das ist so. Man muss sich nur einmal mit den Leuten unterhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Und da, meine Damen und Herren, muss sich etwas ändern, wenn die Wachstumsschwäche nicht in eine

Rezession mit negativen Auswirkungen für Wirtschaft und Gesellschaft umschlagen soll. Und weil diese wirtschaftliche Schwäche nicht so sehr konjunkturelle, sondern mehr strukturelle Ursachen hat, also hausgemacht ist, deshalb muss die rot-grüne Regierung umgehend ihre verfehlte Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik ändern.

Ich will nur einige Dinge bekräftigen, die schon vom Wirtschaftsminister ausgeführt worden sind.

Was uns wichtig erscheint, ist erstens eine sofortige Rücknahme der von der Koalition geschaffenen Beschäftigungshemmnisse. Der deutsche Arbeitsmarkt muss dringend dereguliert werden. Dem deutschen Arbeitsmarkt sind in den letzten Jahren zu viele gesetzliche Bürden auferlegt worden, die sich einstellungsfeindlich auswirken. Die Regelungsdichte ist zu hoch. Unternehmerisches Engagement wird zu wenig honoriert.

Ein erster Schritt in diese Richtung ist es, die von der Koalition eingeführten Beschäftigungshemmnisse rückgängig zu machen: das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, das Gesetz zur Scheinselbstständigkeit, Einschränkungen der befristeten Arbeitsverhältnisse und das Gesetz zur Begründung eines Rechtsanspruchs auf Teilzeitarbeit. Es wurde uns gerade von Unternehmern bei der Anhörung zum Thema „Familienfreundliche Arbeitswelt“ gesagt: Dieses Gesetz ist Sprengstoff für individuelle Lösungen und Regelungen in den Betrieben.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Zweitens. Wir brauchen eine durchgreifende Reform auf dem Arbeitsmarkt zur Verbesserung der Beschäftigungschancen. Weitere Reformschritte sind notwendig, aber im Sinne von Deregulierung und nicht im Sinne von mehr Bevormundung.

Drittens. Wir brauchen das Vorziehen der für die Jahre 2003 und 2005 vorgesehenen Entlastungsschritte bei der Steuerreform. Wer die Steuern senkt, wird die Umsätze anheben, und wer die Umsätze anhebt, wird mehr Steuern haben. Dafür gibt es genug Beispiele in der Welt. Wer immer nur glaubt, er müsse die Steuern hoch halten, um das Jetzt zu sichern, der wird die Zukunft verspielen. Das ist etwas, woran Sie gerade kräftig arbeiten.

Wir brauchen auch die Schaffung eines einfacheren und gerechteren Steuergesetzes. Wenn Sie mit Steuerberatern reden, so hören Sie: Wenn es in der letzten Zeit ein Arbeitsbeschaffungsprogramm gegeben hat, dann ist das die Steuerreform gewesen, denn sie hat zu zusätzlichen Arbeitsplätzen bei den Steuerberatern geführt.

Vor allem muss die Unternehmensbesteuerung rechtsformneutral gestaltet werden. Arbeitnehmer und Unternehmer sind spürbar und nachhaltig zu entlasten. Auch das ist etwas, worauf wir setzen.

Viertens Verzicht auf die nächsten beiden Stufen der sogenannten Ökosteuerreform. Sie belassen damit Geld

bei den Menschen, damit endlich der Konsum in diesem Lande wieder angekurbelt wird.

(Beifall bei der CSU)

Der Wirtschaftsminister hat es deutlich ausgeführt: Immer noch ist unsere Konjunktur ganz erheblich vom Export geprägt. Mit der Steuerreform wollten Sie aber den Inlandskonsum anheben. Sie wollten den Konsum nach oben bringen und damit eine wirtschaftliche Belebung im eigenen Lande schaffen, was dringend notwendig wäre.

Wir brauchen fünftens die Schaffung einer modernen Betriebsverfassung, meine Damen und Herren. Sie haben mit diesem Betriebsverfassungsgesetz dem Fass den Boden ausgeschlagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Kein Mensch hat mehr Vertrauen in diese Regierung, weil sie Reglementierungen über alles setzt. Hier besteht dringend Handlungsbedarf. Wir haben Sie eindringlich gemahnt, wir haben Sie eindringlich gebeten, hier eine vernünftige Regelung zu finden.

Wir brauchen sechstens Investitionen im Infrastrukturbereich. Es sind gerade die Mittel angesprochen worden, die die EU für die Osterweiterung ausgeben will. Wenn wir sehen, meine Damen und Herren, dass Bayern im Prinzip leer ausgeht bei den 150 Millionen Euro die ohnehin viel zu gering sind – Frankreich hat bei der Süderweiterung allein 800 DM Millionen bekommen, um die Infrastruktur nach dem Süden auszubauen –, dann, denke ich, wird das, was da zur Verfügung steht, überhaupt nicht genügen. Und wenn es die Bundesregierung nicht schafft, bei der Europäischen Union durchzusetzen, dass wir ausreichend Mittel bekommen, wie das bei der Süderweiterung der Fall war, dann müssen wir von der Bundesregierung fordern, dass sie ein Verkehrsprojekt Europäische Einheit auflegt. Wir können nicht damit leben, dass wir die Verkehrswege nach dem Osten so lassen, wie sie heute sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine Damen und Herren, kurz und knapp gesagt, das sind unsere Vorstellungen von einem wirksamen Konjunkturprogramm. Es sind keine illusionären Dinge, sondern Dinge, die vielfach kein Geld kosten, sondern den guten Willen, den Sozialismus wieder ein Stück zurückzudrängen und damit der sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard wieder den Platz zu geben, den sie braucht. Der Bundeskanzler hat sich zwar schon in der Tradition von Ludwig Erhard gesehen, aber er hat mit seiner ordnungspolitischen Beliebigkeit versagt. Eine dicke Zigarre, meine Damen und Herren, macht eben noch keinen Ludwig Erhard.

Nun, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich bitte Sie herzlich: Helfen Sie mit, die Fehlentwicklungen der letzten Jahre in Berlin zu korrigieren, damit die deutsche Wirtschaft und damit auch die bayerische Wirtschaft in der Zukunft eine gute Entwicklung

nimmt. Das würde Wohlstand, das würde Arbeitsplätze, das würde soziale Sicherheit schaffen.