Protokoll der Sitzung vom 11.07.2001

Keinem Arbeitslosen nützt es etwas, wenn der bayerische Wirtschaftsminister schwarz in schwarz malt und aus parteipolitischen Gründen eine schlechte Konjunktur herbeireden will. Das haben Sie nämlich getan.

(Beifall bei der SPD)

In Deutschland wird das Wachstum durch die Strukturprobleme der ostdeutschen Wirtschaft und in weiten Teilen im Bausektor gedämpft. Herr Wiesheu, Sie haben die Baukonjunktur angesprochen. Was unternimmt denn der Freistaat Bayern, um hierzulande die Baukonjunktur anzukurbeln? Auch Sie sparen bei den Bauausgaben. Tun Sie im eigenen Lande etwas, bevor Sie mit dem Finger nach Berlin zeigen und die Bundesregierung dazu auffordern, etwas zu tun.

(Beifall bei der SPD – Werner (SPD): Das ist beim Straßenbau das Gleiche!)

Es ist richtig, dass eine Konjunkturdelle besteht; Wachstum und Abbau der Arbeitslosigkeit haben sich verlangsamt. Ursache ist maßgeblich die harte Konjunkturlandung in den USA, die für Bayern der wichtigste Handelspartner sind. Die Rezession in Japan ist nach wie vor evident, wo eine hohe Sparrate bei gleichzeitig hohem Staatsdefizit vorliegt. Die Staatsverschuldung in Japan hat sich in den letzten Jahren verdoppelt. Herr Wiesheu, wollen Sie mit Ihren Forderungen in Bayern und in Deutschland die Staatsverschuldung erneut in die Höhe treiben? Das ist unverantwortlich. Die Auflistung Ihrer Forderungen ergibt über 400 Milliarden DM an zusätzlichen Ausgaben. Das ist fast das Volumen eines Bundeshaushaltes. Eine solche Finanzpolitik wäre unverantwortlich.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Bernhard? –

Herr Dr. Kaiser, Sie haben auf die weltwirtschaftlichen Einflüsse hingewiesen. Wie erklären Sie es sich, dass die Bundesrepublik trotz der weltwirtschaftlichen Einflüsse, die alle Länder der EU betreffen, bei Wachstum und Arbeitsplätzen inzwischen Schlusslicht in Europa ist?

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Dr. Kaiser, bitte.

Ich nenne die Strukturprobleme in Ostdeutschland, die wir von Ihnen geerbt haben.

(Lebhafter Widerspruch bei der CSU)

Gründe sind die Strukturprobleme im Osten und die Bauwirtschaft.

(Lebhafte Zurufe von der CSU)

Das ist die Wahrheit. Sie haben eine falsche Politik bei der Wiederherstellung der deutschen Einheit betrieben, beginnend beim Umtauschkurs bis hin zur Eigentumsregelung.

(Zuruf des Abgeordneten Willi Müller (CSU))

Sie haben in den Jahren von 1990 bis 1998 versagt.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben den Menschen weisgemacht, die deutsche Einheit könnte aus der Portokasse gezahlt werden, und haben die Staatsverschuldung in die Höhe getrieben.

(Beifall bei der SPD)

Auch der Euro ist ein Unsicherheitsfaktor. Bisher hieß es immer wieder, die Kursschwäche des Euro gegenüber dem Dollar sei auf die unterschiedliche Wachstumsdynamik in den USA und in Europa und auf die Zinsunterschiede zurückzuführen. Jetzt ist die Situation umgekehrt: Das Wachstum in Europa ist höher als in den USA, und auch die Zinsunterschiede haben sich abgeflacht. Prof. Sinn, Präsident des ifo-Instituts, hat eine ganz plausible Erklärung für die Gründe abgegeben, die für die Kursschwäche des Euro maßgeblich sind. Rund ein Drittel der Bargeldbestände sind in Osteuropa. Schwarzgeld wird nicht in Euro umgetauscht, sondern in Dollar.

(Dr. Bernhard (CSU): Weil kein Vertrauen in den Euro besteht, weil Sie eine falsche Politik machen!)

Es gibt also ganz nüchterne Gründe. Sobald der Euro eingeführt sein wird, werden die Menschen sehen, dass das eine reale Währung ist. Dann wird sich der EuroKurs verbessern.

(Dr. Bernhard (CSU): Darüber sprechen wir im nächsten Jahr!)

Der Euro ist ein großes Experiment in der Wirtschaftsgeschichte. Wir müssen alles tun, um den Euro zum Erfolg zu machen. Sie haben seiner Einführung ja auch zugestimmt.

(Dr. Bernhard (CSU): Sie sollen eine vernünftige Strukturpolitik machen!)

Auch Finanzminister Waigel hat seine Einführung gefördert. Sie sollen jetzt nicht die Wirtschaft schlechtreden. Angesagt ist eine Politik der ruhigen Hand, wie sie die Bundesregierung betreibt, und keine tagespolitische Hektik.

(Dr. Bernhard (CSU): Ein Minuswachstum haben wir!)

Sie reden von der Agonie der Bundesregierung. Da haben Sie wohl das Kanzleramt mit der CDU-Parteizentrale verwechselt.

(Beifall bei der SPD)

Die Agonie der Opposition in Berlin ist evident.

Sie tun gerade so, als wäre die jetzige Bundesregierung für den Schuldenberg verantwortlich, den Sie uns hinterlassen haben. Der Schuldenberg des Bundes stieg in Ihrer Regierungszeit von 1982 bis 1998 von 350 Milliarden DM auf 1,5 Billionen DM.

(Zuruf von der SPD: Eine unverantwortliche Politik ist das!)

Die jährliche Zinslast – daran muss man immer wieder erinnern – beträgt 82 Milliarden DM, nahezu ein Viertel der Steuereinnahmen des Bundes. Man darf auch daran erinnern, dass die Spitze des Schuldenberges trotz der Konsolidierung erst im Jahre 2006 erreicht sein wird. Deshalb ist der Hinweis auf Amerika und auf Bush völlig verfehlt. Bush kann die Steuern senken, weil der Haus

halt in Amerika ausgeglichen ist. Sie haben uns einen zerrütteten Haushalt hinterlassen, den wir in den nächsten Jahren korrigieren müssen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben auch auf das Bündnis für Arbeit hingewiesen. Der Bundeskanzler wird sich in der Tat – und zwar erfolgreich – bemühen, in das Bündnis für Arbeit auch die Arbeitsmarktpolitik aktiv mit einzubringen.

Die Reformpolitik der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung ist erfolgreich. Das gilt auch für die Rentenpolitik und die Steuerpolitik. Hören Sie mit der Legende von der Benachteiligung des Mittelstandes auf! Diese Legende ist längst widerlegt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CSU: Nichts ist widerlegt!)

Nun ein Wort zu den Wirkungen der Steuerreform. Die Steuerreform wird sich nach Einschätzung des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung im zweiten Halbjahr erstmals sichtbar auswirken. Der positive Effekt der Steuerreform wäre deutlich, wenn der Preisschub nachlasse, sagt der Leiter der Abteilung für Konjunkturforschung des Münchner Ifo-Instituts, Willi Leibritz. Dann haben die Leute durch die Steuersenkungen mehr Geld übrig. Die Steuersenkungen sind erfolgreich. Sie werden auch hinsichtlich der Belebung der Konjunktur im zweiten Halbjahr des Jahres 2001 erfolgreich sein. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(Beifall bei der SPD – Dr. Bernhard (CSU): Sie können die Konjunktur nicht gesundbeten! Das wird Ihnen nicht gelingen!)

Nun zu den Forderungen der CSU betreffend die Ökosteuer. Der Ministerpräsident sagt: Weg mit der Ökosteuer! Das hätte einen Einnahmenausfall von 30 Milliarden DM zur Folge. Der Wirtschaftsminister spricht heute nur von dem Wegfall der nächsten Stufe der Ökosteuer. Was wollen Sie denn jetzt eigentlich? Wollen sie die Ökosteuer ganz abschaffen oder nur die nächste Stufe aussetzen? Das bleibt völlig offen. Allein die Aussetzung der nächsten Stufe würde einen Steuerausfall von 7 Milliarden DM im nächsten Jahr bedeuten. Gleichzeitig verlangen Sie, dass die Lohnnebenkosten unter 40% sinken. Das Vorziehen der Einkommensteuersenkungen von 2005 auf 2002 würde einen Einnahmenausfall von 75 Milliarden DM verursachen. Sie fordern ein Familiengeld von 1200 DM pro Kind. Das würde 60 Milliarden DM kosten.

Sie verlangen mehr Geld für die Bundeswehr, für die Bahn, für die Straßeninfrastruktur und auch für den Wohnungsbau. Wohin soll eine solche Haushaltspolitik führen? Die Notenbank würde gewissermaßen im Dreieck springen und würde bei einer solchen Finanzpolitik keinerlei Zinssenkungen, sondern eher Zinserhöhungen beschließen. Meine Damen und Herren, was Sie hier betreiben, ist also eigentlich verantwortungslos.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Wiesheu, machen Sie – darauf wird Kollege Schläger noch etwas näher eingehen – zuerst einmal Ihre Hausaufgaben hier in Bayern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben hier den „Münchner Merkur“ zitiert. Am 3. Juli lautete die Schlagzeile im „Münchner Merkur“: München boomt und Nürnberg kommt nicht aus der Krise. – Tun Sie etwas für die nördlichen Teile Bayerns!

(Beifall bei der SPD)

Versuchen Sie, die Strukturen zu verbessern. Ich hätte von Ihrer Rede, Herr Wiesheu eigentlich erwartet, dass Sie etwas über Ihre Position bei der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte gesagt hätten. Kein Wort davon. Sie haben kein Wort zur Gentechnologiedebatte und dazu, wie es mit dem Gentechnologiezentrum München eigentlich weitergehen soll, gesagt. Sie haben nichts über die ausbleibenden Investitionen bei der Mobilfunkinfrastruktur gerade in Bayern gesagt. Null Inhalt! Ich meine also, eine vernünftige Finanzpolitik in Berlin, geldpolitische Maßnahmen der Europäischen Zentralbank und eine vernünftige Lohnpolitik im nächsten Jahr werden uns weiterbringen. Meine Damen und Herren, es ist Optimismus angesagt, auch in der Wirtschaftspolitik. Die Wirtschaftspolitik ist bei der SPD-geführten Bundesregierung in guten Händen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CSU: Das glau- ben Sie selber nicht!)

Das glauben auch die Menschen. Nach allen Umfragen liegt die Wirtschaftskompetenz nicht bei der Union;