Der dritte Grund ist die Undurchsichtigkeit der ganzen Affäre. Wie sich nach und nach herausstellte, sind grundlegende Angaben, die der Deutsche Orden gegenüber der Staatsregierung gemacht hat, völlig falsch. Für uns als Parlament ist das Verhalten der Staatsregierung in dieser Affäre mindestens ebenso ärgerlich. Sie rückt mit der Wahrheit immer dann scheibchenweise heraus, wenn es nicht mehr anders geht, wenn sie wieder etwas eingestehen muss. Dieses Verhalten der Staatsregierung weckt bei uns und in der Öffentlichkeit immer wieder Misstrauen. Außerdem verunsichert es die vom Deutschen Orden geschädigten Mitarbeiter, Patienten und Geschäftspartner.
Wir fordern deshalb erstens, dass sich der Ministerpräsident endlich zu seiner besonderen persönlichen Verantwortung bekennt und für die Folgen auch in diesem Hause geradesteht.
Wir fordern zweitens, dass die Staatsregierung gegenüber dem Landtag die finanziellen Risiken offenlegt und sie wirksam verringert. Wir fordern die Staatsregierung auf, im Haushaltsausschuss in einer nichtöffentlichen Sondersitzung über das Sanierungsgutachten und die nächsten Schritte zu berichten. Herr Kollege Winter, dass dieser Bericht im Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten erstattet werden muss, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Das setzen wir voraus. Wir sehen aber kein Problem darin, uns in einer nichtöffentlichen Sitzung zu sagen, was Sache ist.
Wir freuen uns, wenn Sie unserem Antrag zustimmen. Wir werden aber dennoch für unseren Antrag eine namentliche Abstimmung verlangen.
Wir fordern drittens, dass keine öffentlichen Gelder verwendet werden, um den Deutschen Orden, in welcher Form auch immer, zu sanieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, deshalb werden wir uns Ihrem Antrag nicht anschließen. Wir wollen nicht alle Bemühungen der Staatsregierung unterstützen. Wir werden keinen Blankoscheck abgeben. Dafür fehlt uns in Sachen Deutscher Orden jegliches Vertrauen.
Wir haben uns von Anfang an das Ziel gesetzt, die Arbeitsplätze zu erhalten. Wir wollen das aber nicht dem Deutschen Orden überlassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, der Antrag, den Sie heute präsentieren, ist eine Wiederholung dessen, was wir schon im Haushaltsausschuss gefordert und beschlossen haben. Wir sehen da keinen Unterschied. In diesem Antrag steht exakt das, was wir gefordert haben, mit Ausnahme des Wortes „alle“. Wir GRÜNEN wollen nicht alle Bemühungen unterstützen.
Wir fordern viertens, dass die Verleihung der Körperschaftsrechte an den Deutschen Orden für nichtig erklärt wird. Diese Verleihung beruhte auf falschen – um nicht zu sagen gefälschten – Tatsachen und ist deshalb nichtig.
Wir gehen davon aus, dass nur eine Zerschlagung des undurchsichtigen und aufgeblähten Gebildes Deutscher Orden wieder geordnete Verhältnisse herstellen kann.
Nun zur persönlichen Verantwortung des Ministerpräsidenten: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, es hilft nichts, wenn Sie ständig jegliche Verantwortung leugnen. Die Fakten liegen auf der Hand. Der Ministerpräsident hat in einem Brief die Anerkennung befürwortet. Außerdem gibt es etliche Äußerungen und Fotos, mit denen sich der Ministerpräsident vor oder hinter den Deutschen Orden gestellt hat. Er hat für die Qualität dieser Institution buchstäblich seinen Kopf hingehalten und mit seinem Namen für sie gebürgt.
(Herrmann (CSU): Ja und? Ich kenne auch Fotos, auf denen der Ministerpräsident neben den GRÜNEN steht!)
Der Ministerpräsident kann ja für uns bürgen. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob wir das wollen, aber er kann es einmal machen. Wer wie der Ministerpräsident sein Gewicht in die Waagschale wirft, übernimmt Verantwortung. Dieses Gewicht ist schließlich innerhalb der Staatsregierung nicht unbeträchtlich. Wer als Familiare Mitglied des Deutschen Ordens ist, übernimmt ebenfalls Verantwortung, und zwar in guten wie in schlechten Tagen.
Wer sich, wie der Ministerpräsident, vom schnellen Erfolg des Deutschen Ordens blenden lässt und sich sehr beeindruckt von der starken Expansion zeigt, muss Farbe bekennen, wenn es genauso schnell abwärts geht, wie es aufwärts gegangen ist. Wir fordern deshalb, dass sich der Ministerpräsident nicht länger wegduckt, sondern seine Mitverantwortung eingesteht.
Ich möchte Herrn Kollegen Glück – der im Moment leider nicht da ist – Recht geben. Die Befürwortung der Ansiedlung und der Anerkennung des Deutschen Ordens als Körperschaft durch den Ministerpräsidenten sind nicht die Ursache für das gravierende Fehlverhalten und die Großmannsucht von Führungskräften im Orden. Das persönliche Eintreten des Ministerpräsidenten war aber eine Voraussetzung dafür, dass das Fehlverhalten und der Größenwahn solche verheerenden Folgen haben konnten. Außerdem war gerade der Größenwahn bzw. – mit den Worten des Ministerpräsidenten – „die starke Expansion der Aktivitäten“ ein Grund dafür, dass sich der Ministerpräsident für den Deutschen Orden eingesetzt hat. Hier liegt seine persönliche Verantwortung.
Unbestritten ist, dass die Verleihung der Körperschaftsrechte für den Orden bedeutete, dass er seine Expansion erst richtig und völlig unkontrolliert in Gang setzen konnte. Der Statthalter der Banken beim Deutschen Orden, Dirk Pfeil, bestätigte am 7. Juli in der „Süddeutschen Zeitung“, dass die Bayerische Staatsregierung erst die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass der Größenwahn richtig florieren konnte. Herr Pfeil sagte:
Beim Umzug nach Bayern hat man das enge und gute Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Bayern als hilfreich angesehen. Für den Orden war das von großem Vorteil, nach Bayern zu gehen.... Die Schulden sind erst gemacht worden, als man in Bayern war. Hier hat sich eine Eigendynamik entwickelt: größer, schöner, toller.
Aus diesen Worten klingt das Motto der Staatsregierung. Am 26. Juli 1999 erklärte der Geschäftsführer der Deutschen Ordenswerke, Werner Conrad, im „Münchner Merkur“, dass es der Wechsel der Rechtsform ermöglicht habe, alte Finanzierungsverträge zu kündigen und neue zu extrem günstigen Konditionen zu vereinbaren. Die Verleihung der Körperschaftsrechte hat dazu geführt, dass sich der Kreditrahmen des Deutschen Ordens ungerechtfertigterweise drastisch erhöhte. Selbstverständlich müssen die Banken auch selbst prüfen, ob ihr Vertrauen gerechtfertigt ist. Allerdings hat auch die Staatsregierung ungeprüft Vertrauen bewiesen, als sie eine auf den Freistaat Bayern eingetragene Grundschuld in Buchloe löschen ließ. Warum sollen die Banken päpstlicher als der Staat sein? Schließlich bürgen der Ministerpräsident und der Staat. Eine Körperschaft kann ja nicht bankrott gehen.
Der Deutsche Orden konnte also schalten und walten, wie es ihm passte. Die Staatsregierung hat ihn walten lassen. Sie hat sich durch die Verleihung der Körperschaftsrechte die Hände gebunden. Im Dezember letzten Jahres, als der Deutsche Orden zahlungsunfähig
war, hätte es eine Gelegenheit gegeben, endlich auf das Geschäftsgebaren des Ordens und die Zukunft seiner Einrichtungen Einfluss zu nehmen. Wir haben damals in diesem Hohen Hause und in einem Schreiben an den Ministerpräsidenten gefordert, keine Vorleistungen zu erbringen, solange keine Einflussmöglichkeiten bestehen. Ich möchte aus unserem Brief zitieren. Wir waren nicht, wie die Staatsregierung
der Meinung, dass die Liquiditätshilfe unter Beteiligung der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung der richtige erste Schritt zur Erreichung dieses Zieles sein kann. Wir gehen davon aus, dass eine finanzielle Hilfe gerade wegen der fehlenden unmittelbaren Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten von einem transparenten und plausiblen Sanierungskonzept abhängig gemacht werden muss sowie davon, dass – mit den Worten der Deutschen Bischofskonferenz – eine von außen kommende treuhänderisch tätige Person mit allen Vollmachten der Geschäftsführung ausgestattet wird.
Nichts davon ist passiert. Statt sich Einflussmöglichkeiten zu sichern, hat sich die Staatsregierung ein zweites Mal die Hände gebunden. Deshalb sind Sie mitverantwortlich, dass die Einrichtungen des Deutschen Ordens bis heute in Unsicherheit und ohne Perspektive ausharren müssen.
Bis heute ist es unklar, wie es weitergehen wird. Bis heute ist diese ganze Affäre äußerst undurchsichtig. Dass das Geschäftsgebaren und die Zukunft des Ordens im Dunkeln liegen, ist auch auf die Informationspolitik der Staatsregierung zurückzuführen. Sie rückt die Wahrheit nur heraus, wenn die Fakten schon auf dem Tisch liegen. Außerdem hat die Staatsregierung die Angaben des Deutschen Ordens von Anfang an unbesehen und ungeprüft übernommen. Dies war bereits bei der Anerkennung der Fall. Dem Parlament wurde nie mitgeteilt, dass die Angaben ungeprüft sind. Die Staatsregierung hat uns diese Angaben vielmehr als Fakten verkauft. Inzwischen stellt sich jede Woche eine neue Angabe als falsch heraus. Die Staatsregierung behauptet dabei, sie hätte diese Angaben nicht prüfen können. Leichtfertig und leichtgläubig hat sich die Staatsregierung in all den Jahren auf die Angaben des Ordens verlassen und sie ungeprüft und unkommentiert an das Parlament weitergegeben.
Bis in den Dezember hinein hat die Staatsregierung uns gegenüber finanzielle Probleme geleugnet, und zwar nur deshalb, weil sie der Orden geleugnet hat. Das war die einzige Grundlage, die sie hatte. Minister Huber hat im Dezember erklärt, wer Falsches zitiere, übernehme auch Verantwortung. Genau das hat die Staatsregierung gemacht. Sie hat die falschen Angaben des Ordens zitiert; sie hat sie sich zu Eigen gemacht, sie hat sie zur Grundlage der Anerkennung gemacht. Heute aber leugnen Sie jede Verantwortung. Hören Sie damit endlich auf. Nur so können Sie dem Misstrauen in der Öffentlichkeit begegnen und die Verunsicherung bei den geschä
Deshalb fordern wir, dass die Staatsregierung in nichtöffentlicher Sitzung des Haushaltsausschusses erklärt, was im Gutachten der KPMG steht, ob die in letzter Zeit bekannt gewordenen Risiken bestehen und wie sie in Sachen Sanierung weiter vorgehen will. Ich sage in aller Deutlichkeit, dass wir strikt dagegen sind, mit öffentlichen Geldern den Schaden zu beheben, den der Deutsche Orden unter den geschlossenen Augen der Staatsregierung angerichtet hat.
Wir gehen davon aus, dass nur eine Zerschlagung des undurchsichtigen und aufgeblähten Gebildes wieder geordnete Verhältnisse herstellen kann. Das ist auch im Sinne der Einrichtungen. Die soliden wirtschaftlichen Einrichtungen – davon gibt es ja etliche – können sich alleine, ohne staatliche Unterstützung tragen; die anderen werden auch durch öffentliche Mittel nicht lebensfähig.
Vor allem aber wehren wir uns dagegen, dass sich die Banken auf öffentliche Kosten schadlos halten wollen. Jetzt zeichnet sich genau das ab, was wir befürchtet haben: dass Einrichtungen überteuert verkauft werden sollen, dass solide Einrichtungen mit einer Hypothek belastet werden sollen, damit die Banken zu ihrem Geld kommen. Der Statthalter der Banken spricht von 30 Millionen DM für ein Krankenhaus, spricht von einem Schreck für Kommunalpolitiker und sagt: Schnäppchen wird hier keiner machen. Das ist eine erklärte Absicht, und diese werden wir nicht dulden.
Die Staatsregierung hat letzte Woche im Haushaltsausschuss erklärt, dass der Deutsche Orden den Banken gehört. Auch das ist eine Folge der Körperschaftsrechte. Deshalb fordern wir, die Körperschaftsrechte für nichtig zu erklären.
Dann kann endlich das Insolvenzrecht angewendet werden, Licht kommt in die Sache, und es werden nicht länger nur die Interessen der Banken berücksichtigt. Es gibt mehr als genug Hinweise darauf – wir haben sie auch immer aufgeführt; ich will sie jetzt nicht wiederholen –, dass die Voraussetzungen weder personell noch finanziell noch für die Gemeinnützigkeit, die auch als Kriterium galt, vorlagen. Alle diese Voraussetzungen sind nicht gegeben gewesen. Deswegen verlangen wir die Nichtigkeitserklärung.
Minister Zehetmair hat im Dezember die Verleihung mit einer Baugenehmigung verglichen; eine Baugenehmigung könne nur dann verweigert werden, wenn ein Vorhaben aufgrund rechtlicher Bestimmungen nicht genehmigungsfähig sei. So sei dies auch mit der Verleihung der Körperschaftsrechte, hat er gesagt. Ich frage mich: Was geschieht, wenn sich herausstellt, dass eine Baugenehmigung auf falschen Angaben beruht? Die Verleihung der Körperschaftsrechte jedenfalls beruhte auf falschen Angaben des Ordens. Die Kriterien waren nicht
gewährleistet. Deshalb fordern wir, die Verleihung für nichtig zu erklären. Der Deutsche Orden muss endlich so behandelt werden wie jedes andere zahlungsunfähige Unternehmen.
Gleichbehandlung ist die beste Hilfe für die Einrichtungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Geschäftspartner des Ordens.
Herr Präsident, Hohes Haus! Kollege Kaiser – das gilt auch für Kollegen Strasser –, ich will nicht verkennen, dass Sie ein hohes persönliches Engagement für die beiden Krankenhäuser in Dillingen und Buchloe an den Tag legen. Das kann ich durchaus nachvollziehen. Das wird auch von den Kollegen Winter, Schreck und mir gemeinsam so gesehen.
Ich möchte aber an eines erinnern, Herr Kollege Kaiser, weil sie vorher erwähnt haben, was am 30. November des Jahres 2000 stattfand. Ich will Ihnen klar in Erinnerung rufen, dass es die Bayerische Staatsregierung, damals Staatsministerin Barbara Stamm war, die, nachdem die Mitteilung gekommen ist, dass die Dezembergehälter nicht bezahlt werden, sehr schnell, sehr unbürokratisch gehandelt hat. Der sofortige Weiterbetrieb der Krankenhäuser in Buchloe und in Dillingen ist durch das schnelle Engagement sichergestellt worden. Von Ihnen war damals außer Plattitüden und Allgemeinplätzen wenig zu hören, Herr Kaiser.
Ein Weiteres, was mich schon ein bisschen wundert, Herr Kollege: Sie appellieren hier mit herzergreifender Stimme an die Verantwortung der Bayerischen Staatsregierung; es gehe um die Patienten, es gehe um die Zukunft der Krankenhäuser, es gehe um Krankenschwestern und Ärzte, Pfleger und ähnliches. Wenn Sie den Weiterbetrieb der beiden Krankenhäuser in Dillingen und Buchloe sicherstellen wollen, müssen Sie bei der Bewertung der Angelegenheit in der Bevölkerung und in den Medien äußerste Zurückhaltung zu üben.
Sie erweisen den beiden Häusern einen Bärendienst, wenn jeden Tag Schlagzeilen in der Zeitung stehen, dass die Versorgung der Patienten nicht sichergestellt sei.
Es ist das Verdienst der Staatsregierung und des Sozialministeriums, dass die Belegungsquoten in beiden Häusern nur minimal gesunken sind, dass die Patienten weiterhin Vertrauen in diese beiden Häuser haben. Ich bitte Sie: Leisten Sie Ihren Beitrag dazu, diese beiden Häuser aus einer polemischen Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit herauszuhalten.