Protokoll der Sitzung vom 09.10.2001

Wir müssen uns darüber klar werden, wie wir mit gewaltbereiten Extremisten umgehen.

Herr Pala ist zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er Freitagsgebete über Monate hinweg mit dem Satz abgeschlossen hat: Tod allen Ungläubigen, Tod allen Christen, Tod Herrn Sofu. Nachdem Herr Sofu durch einen Auftragsmord in Berlin hingerichtet wurde, ist Herr Pala zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Beteiligung an der Tat hat man ihm nicht nachweisen können. Er lebt in Freiheit, wir konnten sei

nen Aufenthalt bisher nicht beenden. Er hat mehrere Kinder. Hier liegt ein Ermessenstatbestand vor. Sollen wir ihn tatsächlich rund um die Uhr bewachen, ohne dass ich garantieren kann, dass er nicht schwere Gewalttaten plant? Herr Maget, ich bitte um Nachsicht, dass ich das Folgende an Ihre Adresse sage: Wer meint, dass ein bayerischer Verfassungsschützer, auch wenn er Fremdsprachenkenntnisse hat, in dieses Milieu hineinkommt, hat wenig Ahnung von den Schwierigkeiten.

(Beifall bei der CSU)

Der oberbayerische oder der fränkische Polizist kann sich noch so verstellen, man merkt ihm auf zehn Meter an, dass er nicht in das Milieu einer solchen Organisation passt. Es ist deshalb selbstverständlich, dass andere Strukturen bemüht werden.

(Maget (SPD): Wollen Sie keine Leute, die arabisch sprechen?)

Keine Sicherheitsbehörde in Deutschland wird mit eigenen Mitarbeitern dort eindringen. Ich bitte Sie, länger mit Herrn Schily zu reden, damit er Ihnen Nachhilfeunterricht geben kann.

(Beifall bei der CSU)

Gewaltbereite Extremisten gibt es beim Kalifatstaat in Augsburg mit einigen zig Leuten, bei Hisbollah und Hamas. Aber auch bei weiteren Organisationen gibt es einzelne gewaltbereite Personen, zum Beispiel bei der GIA. Die GIA beunruhigt mich in besonderer Weise, weil sie im Kampf gegen die Sowjetunion mit Afghanistan in einer engen Waffenbrüderschaft stand und weil die meisten der als Asylbewerber in Deutschland lebenden Angehörigen der GIA in Afghanistan ausgebildet worden sind. Man muss sich darum sorgen, wie man diese Leute im Blickfeld behält und wie man Augen und Ohren so weit offen hält, dass Gefährdungen nicht zu Schäden für Personen in unserem Land werden. Das ist meine Sorge.

(Beifall bei der CSU)

Zu Ihrer Aussage, dass wir keinerlei Erfolge hätten, kann ich nur sagen, Sie sollten dem Bundeskanzler, der immerhin der Regierung angehört, die von Ihnen mit getragen wird, mehr glauben, wenn er den Sicherheitsbehörden für ihre erfolgreiche Arbeit dankt. Er hat ausdrücklich die Festnahme des Herrn Salim genannt. Herr Schröder hat dabei vergessen, dass es ausschließlich das Bayerische Landeskriminalamt und das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz waren, die diese Maßnahmen durchgeführt haben, sonst hätte er sicher gesagt, er dankt den bayerischen Sicherheitsbehörden für diese Erkenntnisse. Ich lasse mir von jemandem, der noch vor drei Jahren die Abschaffung des Verfassungsschutzes in Bayern gefordert hat, nicht Versagen vorwerfen.

(Beifall bei der CSU)

Vielmehr sage ich den Leuten, die beim Staatsschutz, bei der Polizei und beim Verfassungsschutz eine schwierige Arbeit zu leisten haben, ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CSU)

Herr Maget, nachdem Sie sich auf die heutige Meldung bezogen haben, dass eine Spur der Terrorermittlungen nach Bayern führt, sage ich Ihnen: Es ist in der Tat richtig, dass auf unsere Initiative hin am vergangenen Wochenende eine Hausdurchsuchung in Neu-Ulm durchgeführt worden ist, weil wir entsprechende Informationen an den Generalbundesanwalt weitergegeben hatten. Das war ein Erfolg bayerischer Sicherheitsbehörden. Wir haben den Vorfall allerdings nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt, weil der Betreffende untergetaucht ist und weil nicht sicher ist, was in der Meldung steht, dass er am 20. September nach Khartum zurückgekehrt sei. Das heißt, es werden im Moment noch Fahndungsarbeiten durchgeführt. Erst anschließend geht das, was an den Generalbundesanwalt weitergegeben worden ist, an die Presse. Ich lasse es nicht zu, dass etwas, was von uns initiiert und an den Generalbundesanwalt weitergeleitet wurde, als Versagen bayerischer Behörden dargestellt wird.

(Beifall bei der CSU)

Die dritte Gruppe sind die nicht gewaltbereiten Extremisten islamistischer Art. Die größte Organisation ist die IGMG, die die Trennung zwischen staatlichem und religiösem Recht nicht akzeptiert, bei der es allerdings keine Hinweise auf Gewalt gibt. Aber es beunruhigt mich, wenn Leute sagen, es darf keinen Staat geben, wo die Trennung von Scharia und weltlichem Recht durchgeführt wird.

Weil ich versuche, die Zeit einzuhalten, werde ich in wenigen Sätzen Stellung zu den Äußerungen von Frau Stahl nehmen. Frau Stahl, ich weise namens der Staatsregierung die Verleumdungen zurück, die Sie hier in vielfacher Weise ausgesprochen haben. Ich lehne es ab, wie Sie hier den von der CSU eingeladenen Ministerpräsidenten Berlusconi behandelt haben, den Ihr Außenminister mit dem Bundeskanzler in der letzten Woche als Staatsgast in Berlin empfangen hat.

(Beifall bei der CSU)

Jeder weiß, dass Sie wegen dieser Doppelzüngigkeit die letzten Reste Ihrer Glaubwürdigkeit verloren haben, was sich bei den letzten 16 Landtagswahlen gezeigt hat und sich bei den nächsten fünf Landtagswahlen noch zeigen wird.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt zu Ihnen, Herr Maget. Der Fraktionsvorsitzende Glück hat vorhin zu Recht festgestellt und nachgewiesen, dass Sie noch vor kurzem die Maßnahmen, die Sie heute dankenswerterweise billigen, abgelehnt haben. Herr Kollege Glück hat dabei die nette Formulierung verwendet, dass Sie mit Schily sprechen sollten, damit Sie lernen, was Sie bezüglich der inneren Sicherheit denken und sagen sollen. Ich biete Ihnen eine wesentliche

Erleichterung an: Reden Sie mit mir, dann wissen Sie, was Schily morgen denkt und übermorgen fordert.

(Beifall und Heiterkeit bei der CSU)

Damit wir noch abstimmen können, nenne ich Ihnen nur Stichworte: Einsatz der Bundeswehr im Inneren zur Abwehr von biologischen und chemischen Gefahren. Nur ein Verrückter kann sagen, wir haben zwar zu wenig polizeiliche Kompetenz, um solche Gefahren abzuwehren – Stichwort: dritter Milzbrandfall in den USA –, aber die Bundeswehr darf mit ihren Spürtrupps nicht einschreiten, wenn nicht nachgewiesen ist, dass die Gefahr aus dem Ausland kommt. Auch dann, wenn ein Terrorist aus dem Inland eine solche Gefahr schafft, brauchen wir die Bundeswehr.

(Maget (SPD): Das wird doch in einer Arbeitsgruppe geprüft!)

Herr Maget, es gibt nicht nur Prüfungen, sondern längst Prüfungsergebnisse.

(Maget (SPD): Das steht heute auf der Tagesordnung der Arbeitsgruppe!)

Die Ergebnisse sind den Leuten, die nicht nur an Koalitionsmehrheiten denken, längst bekannt. Herr Schily hat ursprünglich den Einsatz der Bundeswehr zum Schutz ziviler Objekte zugesagt, musste aber seine Zusage zurückziehen, zum Beispiel für Flughäfen, das GeorgMarshall-Center in Garmisch und andere Einrichtungen.

Wir brauchen die Bundeswehr für den ABC-Einsatz. Es kann auch kein vernünftiger Mensch ablehnen, dass man die KSK, die zur Unterstützung des SEK dient, in speziellen Terror-Situationen einsetzt. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass Herr Schily mit Sicherheit in Kürze denken und fordern wird, dass die Möglichkeiten der Ausweisung für Extremisten ohne Verurteilung verbessert werden müssen. Herr Schily wird auch meine Meinung teilen, dass wir uns Gedanken machen müssen über die aus islamischen Ländern kommenden abgelehnten Asylbewerber, die zum Teil abgelehnt wurden, weil sie nicht nachweisen konnten, dass sie gegen die Islamisten in ihrer Heimat sind, und die möglicherweise Sympathisanten der Islamisten sind. Wir müssen uns überlegen, wie man mit solchen Personen, die eine Gefahr darstellen können, umgeht. Es geht um Länder, wo Angriffe auch unter Beteiligung von deutschen Soldaten erfolgen sollen. Stichwort: Afghanistan. Es sind aber auch andere Länder denkbar. Wir müssen uns überlegen, wie wir die Bewegungsfreiheit dieser Leute einschränken. Man kann zum Beispiel die Bewegungsmöglichkeiten nicht nur auf einen Landkreis, sondern auf eine Gemeinde oder auf Gemeindeteile beschränken. Ich weiß, dass Herr Schily meine Anregung diesbezüglich sehr ernsthaft prüft. Er hat mich extra gebeten, Vorschläge zu entwickeln, die er sicher übernehmen wird.

Ich hätte noch viel zu sagen und bin gern bereit, auf die Einzelheiten einzugehen. Wird noch abgestimmt oder nicht?

Bis 18.15 Uhr ist eingeladen, und wir wollen uns halbwegs daran halten. Geredet werden kann sicher noch ein paar Minuten.

Mit Sicherheit wird heute nicht mehr abgestimmt, sondern irgendwann morgen im Zusammenhang mit Tagesordnungspunkt 10.

Ich will auch auf die Zeitplanungen des Hauses Rücksicht nehmen und deswegen hier in aller Deutlichkeit nur Folgendes sagen: Ich bin gerne bereit, über alle sachlichen Vorschläge zu diskutieren, aber nicht auf der Ebene der Äußerungen von Frau Stahl.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zahlreiche Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie zum Schluss dazu gesagt haben, dass Sie nicht zur Demonstration hingehen, war viel zu wenig. Sie müssten auch sagen, dass es beschämend ist, dass die GRÜNE Jugend auf jeden Fall mit zu einer Demonstration aufgerufen hat mit kreativen Aktionen, auch in Kleingruppen, um zu zeigen, wie man den Staat vorführen kann.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Maget, Sie haben vorhin klar gesagt, es sei Ihnen sehr unangenehm, dass ein Jugendverband Ihrer Partei dabei war. Wir wissen zwar, wie schwierig so etwas in den Griff zu bekommen ist, aber es ist bedauerlich, dass sich die GRÜNEN davon nicht knallhart distanzieren.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Gote (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Wir machen uns nichts darüber vor, was in Nürnberg von den GRÜNEN getan wird, damit gemeinsam mit Verfassungsfeinden die Sicherheit in Frage gestellt wird.

(Zahlreiche Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Von einer solchen Partei lassen wir uns nicht einen mangelnden Kampf gegen Extremisten vorwerfen.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Mit dem heutigen Sicherheitspaket haben wir in Bayern eine Messlatte aufgelegt, über die alle anderen Länder nur mit Schwierigkeiten drüberkommen werden. Ich weiß, dass alle Innenministerkollegen mit großem Neid davon sprechen, was für einen Kraftakt wir da machen. Keiner hat gesagt, wie etwa Kollege Maget, das hätte man längst alles gemacht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bayern war das einzige Land, das in den letzten Jahren Polizeistellen nicht reduziert hat. Von den SPD-Ländern hat keines die Regelanfrage bei der Einbürgerung. Wir haben in Bayern die notwendigen Weichenstellungen vorgenommen. Ich bitte Sie, auf diesem Weg konsequent weiter mit der Staatsregierung zu gehen.

(Lang anhaltender Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo!)

Wir haben schon geklärt, dass wir heute nicht mehr abstimmen können; das werden wir morgen wahrscheinlich im Zusammenhang mit Tagesordnungspunkt 10 machen. Ich schließe die heutige Sitzung und wünsche Ihnen einen angenehmen Abend und den CSU-Kollegen eine fröhliche Geburtstagsfeier.

(Schluss: 18.23 Uhr)