Protokoll der Sitzung vom 13.11.2001

Herr Kollege Schieder, Sie verstehen von Wirtschaft offensichtlich gar nichts. Nach Ihren steuerpolitischen Ausführungen – Sie haben diesen Beruf erlernt –, muss ich sagen: Von der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Investitionsfähigkeit der Betriebe haben Sie anscheinend noch nie etwas gehört. Die Steuerreform ist auf Bundesebene total vergeigt worden.

Zur Gewerbesteuerumlage kann ich nur eines sagen: Wenn man erkennt, dass sich die Geschäftsgrundslage verändert hat oder weggefallen ist – Frau Kollegin Kellner, insofern sind wir einer Meinung –, muss man die Kraft dazu haben, einen Beschluss zu korrigieren. Respekt, wenn dies die GRÜNEN erkennen. Ich habe aber keinerlei Verständnis dafür, dass sich die SPD dem verweigert. Diese elende Verteidigungsstrategie ist ohne sachliche Grundlage. Diejenigen, die sich einer ernsthaften und sachkundigen Diskussion auf Bundesebene über die Gewerbesteuerreform oder über einen Ersatz für die Gewerbesteuer verweigern, verstehe, wer will. Wir verstehen dies nicht.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sie müssen nicht alles verstehen!)

Darum sind Sie da, wo Sie sind und wohin Sie gehören, Frau Kollegin. Wer sich einer solchen Diskussion verweigert, versündigt sich an der wirtschaftlich und finanziell positiven Entwicklung unserer Kommunen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Note 6, setzen!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Ich lasse jetzt über die mitberatenen Dringlichkeitsanträge abstimmen. Die Abstimmungen zu beiden Anträgen sollen in namentlicher Form erfolgen.

(Unruhe)

Liebe Kollegen, ich möchte Sie bitten, auf den Plätzen zu bleiben, bis wir mit der Abstimmung beginnen können. Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Ach, Dr. Kempfler und Fraktion (CSU) , „Gegen die Schwächung der Finanzkraft der bayerischen Kommunen durch die Steuerpolitik der Bundesregierung – Für eine Senkung der Gewerbesteuerumlage“ auf Drucksache 14/7898, namentlich abstimmen. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend

gekennzeichneten Urnen bereit gestellt. Die Ja-Urne ist auf der Seite der CSU-Fraktion, die Nein-Urne ist auf der Oppositionsseite im Bereich der Eingangstüren aufgestellt. Die Urne für Stimmenthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch. Es kann nun mit der Stimmabgabe begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 16.57 – 17.02 Uhr)

Meine Damen und Herren, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und von mir später bekannt gegeben.

Wir führen zwischenzeitlich die namentliche Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Kellner, Gote und andere und Fraktion betreffend Verbesserung der Finanzsituation der Kommunen auf der Drucksache 14/7899 durch. Für die Stimmabgabe werden die Urnen bereitgestellt. Eine Ja-Urne ist auf der Oppositionsseite, also genau umgekehrt, eine weitere ist auf der Seite der CSU-Fraktion im Bereich der Eingangstüren aufgestellt. Die Nein-Urne und die Urne für Stimmenthaltungen befinden sich auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe, für die fünf Minuten zur Verfügung stehen, kann nun begonnen werden.

(Namentliche Abstimmung von 17.03 bis 17.08 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und von mir später bekannt gegeben.

Wir fahren zwischenzeitlich in der Tagesordnung fort.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2 a

Gesetzentwurf der Abgeordneten Berg, Wahnschaffe und anderer (SPD)

zur Änderung der Gemeindeordnung

hier: Bestellung von Seniorenbeiräten (Drucksache 14/7712)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Die Redezeit beträgt zehn Minuten. Ich eröffne die Aussprache. Frau Berg hat das Wort. Frau Berg, Begründung und Aussprache in einem?

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Ja!)

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Das, was ich jetzt vorzubringen, was ich jetzt zu begründen habe, passt eigentlich gut als Anschluss an die zweistündige Debatte, die wir gerade geführt haben. In dieser zweistündigen Debatte ging es um die Finanzen der Kommunen, und wir haben eigentlich nur über die Lasten und Belastungen gesprochen. Was ich Ihnen jetzt mit diesem Gesetzentwurf, den ich hier ver

treten möchte, anzubieten habe, ist keine Belastung für die Kommunen, sondern eine echte Bereicherung für sie.

Ich möchte ein paar Worte zur augenblicklichen Situation im Lande sagen. Bei etwa 2000 Gemeinden und Städten, die wir in Bayern haben, gibt es seit etlichen Jahren ungefähr 150 Seniorenbeiräte. Seit knapp 30 Jahren haben sich also in Bayern rund 150 Seniorenbeiräte konstituiert. Angefangen hat die Stadt München mit einem Seniorenbeirat – vorbildlich als Landeshauptstadt. Als zweite Stadt ist ihr die Stadt Erlangen gefolgt. Sie konnte im letzten Jahr das 25jährige Jubiläum ihres Seniorenbeirates feiern.

Diese Seniorenbeiräte haben sich in den Kommunen, in denen sie existieren, bewährt. Sie leisten eine hervorragende Arbeit und finden große Anerkennung. Aber sie haben bisher keinerlei Kompetenzen, mit denen sie auftreten können.

Aufgaben und Kompetenzen der Seniorenbeiräte, die im Augenblick ganz variabel in Bayern existieren, werden in verschiedenen von den Gemeinden selbst erlassenen Satzungen geregelt. Dementsprechend ist natürlich auch die Mittelausstattung für die Seniorenbeiräte, da, wo sie bestehen, sehr unterschiedlich und bewegt sich immer nur im Rahmen der Finanzen, die die Gemeinden für diese ehrenamtliche Arbeit locker machen können oder locker machen wollen. Aus diesem Grunde gibt es für die engagierten Seniorenbeiräte überhaupt keine Möglichkeiten, zukunftsorientiert zu planen. Sie haben also für ihre Aufgaben keinerlei Sicherheit.

Dies möchten wir durch den Gesetzentwurf gerne ändern, den ich jetzt auch begründen möchte; denn das, was ich bisher dargestellt habe, war ja nur die augenblickliche Situation, wie wir sie vorfinden.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es uns nicht länger erlauben können, bei Veranstaltungen, bei Reden jedweden Anlasses, immer wieder nur unsere große Sorge über die demographische Entwicklung im Lande zum Ausdruck zu bringen. Wir müssen vielmehr mit dem, was wir tun, auf die demographische Entwicklung reagieren und zwar gerade dann, wenn wir auf der untersten Ebene tätig werden. Es ist richtig, wenn wir im Jahre des Ehrenamtes nicht nur irgendwelche Orden oder Urkunden verleihen und Belobigungen aussprechen. Die Seniorenbeiräte, die sich in unseren Kommunen engagieren, machen dies alles ehrenamtlich. Dafür haben sie auch eine Grundlage für ihre Arbeit verdient. Unserer Meinung nach ist es ebenfalls notwendig, dass wir versuchen, eine annähernd gleiche Ausstattung der Seniorenbeiräte zu erreichen, annähernd gleiche Bedingungen herzustellen und eine finanziell kalkulierbare Basis zu schaffen.

Nun zur Beschreibung des Gesetzes. Grundlage ist eine Ergänzung der Gemeindeordnung des Freistaats Bayern, und zwar durch die Einfügung eines Artikels 60 b. In Satz 1 soll geklärt werden, in welchen Gemeinden ein Seniorenbeirat verpflichtend installiert wird und in welchen Gemeinden dies freiwillig geschieht. Wir haben uns darauf verständigt, dass ab 5000 Einwohnern die Einfüh

rung verpflichtend sein soll. Unterhalb dieser Einwohnerzahl soll es Seniorenbeiräte weiterhin auf freiwilliger Basis geben. In Satz 2 ist geregelt, dass die Mitglieder des Seniorenbeirates ab dem 65. Lebensjahr in einer allgemeinen, freien, gleichen und geheimen Wahl gewählt werden. Alles Weitere soll die Satzung der Gemeinde regeln.

Ebenso haben wir darauf geachtet, dass die kommunale Selbstverwaltung nicht beschränkt oder beschädigt wird. Daher sollen die Gemeinden in ihrer Satzung regeln, wie und in welchen Angelegenheiten der Seniorenbeirat tätig werden soll, und wir haben es auch der kommunalen Selbstverwaltung überlassen, wie die jeweilige Gemeinde den Seniorenbeirat finanziell ausstattet.

Ich möchte noch einmal auf die Vorteile dieses Gesetzes hinweisen. Damit würde zum ersten Mal ein gesetzlicher Rahmen geschaffen, in dem die Seniorenbeiräte für die Kommunen tätig werden können. Darauf legt beispielsweise die Landesseniorenvertretung, die vor etlichen Jahren aus den in Bayern bereits existierenden 150 Seniorenbeiräten hervorgegangen ist, großen Wert. Es kommt ihr darauf an, dass auf der Landesseniorenvertreterversammlung ein jährlicher Austausch stattfindet und dass die in den Kommunen tätigen Seniorenbeiräte von ihrer Gemeinde so unterstützt werden, dass sie an dieser Landesseniorenvertreterversammlung auch teilnehmen können. Dies ist also bayernweit ein großes Anliegen der Seniorenbeiräte, die jetzt bereits tätig sind.

Es ist einleuchtend, dass man nicht nur immer wieder sagen kann, es liege so viel Erfahrung brach und es gingen schon so viele im Alter von 60 Jahren in den Ruhestand. Man muss auch darauf hinwirken, dass diese sich noch stärker für ihre Kommune engagieren, und darum einen Rahmen schaffen, in dem sie sich mit ihrem Engagement einbringen können.

Ich bitte also um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf, den wir in den Ausschüssen noch beraten werden.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Mirbeth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege hinter mir hat, während Sie, Frau Berg, den Gesetzentwurf begründet haben, gemeint: Deutsche Regelungswut wird befriedigt. Ich sage es mit anderen Worten: Sie erliegen mit dieser Initiative Ihrer Regelungsfreudigkeit.

(Frau Biedefeld (SPD): Sagen Sie das einmal aktiven Senioren in unserem Lande!)

Im Grundanliegen stimme ich Ihnen zu. Wir sind völlig einer Meinung, dass es eine immer größere Zahl von Seniorinnen und Senioren gibt, dass diese demographische Entwicklung eine angemessene Einflussnahme dieses Bevölkerungsteils notwendig macht und dass wir natürlich auch daran mitwirken sollen, dass diese Ein

flussnahme erfolgt. – Bis dahin können wir Ihnen zustimmen.

Nicht zustimmen können wir Ihnen, wenn Sie eine Verpflichtung vorsehen wollen. Sie haben es selber angesprochen. Dort, wo es gewünscht wird, gibt es bereits Seniorenbeiräte. In Bayern sind bereits 150 Seniorenbeiräte eingerichtet worden. Es gibt eine Bekanntmachung des Ministeriums dazu, die eine Hilfestellung, eine Anleitung zur Einrichtung von Seniorenbeiräten beinhaltet. Diese werden dort, wo es die einzelnen Gemeinden für richtig und notwendig befinden, auch eingerichtet.

Wir sind der Meinung, dass man der Vielfalt der Möglichkeiten, die draußen in der kommunalen Landschaft besteht, Rechnung tragen sollte. Denken Sie zum Beispiel an die kommunalen Agenda-Prozesse. In diesem Rahmen besteht durchaus auch für Senioren die Möglichkeit, Initiativen zu starten und sich einzubringen. Oder denken Sie an die Möglichkeiten bei der Bürgerbeteiligung, beim Bürgerentscheid oder beim Bürgerantrag, die erweitert worden sind. Dies sind alles Bereiche, in denen auch im Rahmen der Seniorenarbeit die Möglichkeit besteht, Einfluss auszuüben.

Sie haben die Selbstverwaltung angesprochen, Frau Berg. Ich habe schon die Sorge, dass Sie mit einer Verpflichtung für Gemeinden über 5000 Einwohnern in den Kern der Selbstverwaltung eingreifen. Zurzeit steht es ja jeder Gemeinde frei, einen Seniorenbeirat einzurichten. Aber wenn Sie eine Verpflichtung schaffen, müssen Sie gleichzeitig Kompetenzen einräumen. Sie haben es angesprochen. Damit greifen Sie aber in den Kern der kommunalen Selbstverwaltung ein. Es ist wirklich die Frage, ob das Selbstorganisationsrecht der Kommunen hierdurch möglicherweise sehr stark berührt wird.

Deshalb sind auch die kommunalen Spitzenverbände gegen Ihre Initiative. Sie haben sich gegen Ihren Vorstoß hin zu einer Verpflichtung ausgesprochen. In diesen Wochen finden die Aufstellungsversammlungen für die Kommunalwahlen statt. Dort sollte man vor allem tätig werden – das gilt für jede Gruppierung; für Sie genauso wie für uns – und dazu beitragen, dass ältere Mitbewohner gute Listenplätze erhalten, damit sie mitwirken können. Ich glaube – das werden wir auch in der Ausschussberatung zum Ausdruck bringen –, dass Sie von einem falschen Ansatz ausgehen. Sie wollen eine direkte Wahl und eine Verpflichtung für die Kommunen und gehen von Bevölkerungsgruppen aus. Wenn Sie diesen Ansatz weiterdenken, dann müssten Sie beispielsweise auch den jungen Menschen einen Beirat geben, der gewählt wird, dann müssten Sie einen verpflichtenden Ausländerbeirat einrichten und so weiter.

(Frau Biedefeld (SPD): Wir treten auch zum Beispiel für Jugendparlamente ein!)

Das tun wir auch, aber wir wollen das den Gemeinden nicht verpflichtend vorschreiben, sondern wollen dies als freiwillige Möglichkeit dort, wo es in den Kommunen für richtig angesehen wird. In Bayern haben wir zum Beispiel den Sicherheitsbeirat, der vielfältig in Anspruch genommen wird. Er ist auf die Sache bezogen. Dort, wo etwas auf die Sache bezogen ist, halten wir so etwas für

richtig, aber nicht als Verpflichtung, sondern als eine Möglichkeit im Rahmen des kommunalen Geschehens. Wir sollten nicht mehr verpflichtend regeln, als nötig ist, sondern wir sollten die vorhandenen Instrumente in ihrer Vielfalt nutzen. Wir sollten für die Kommunen keine Verpflichtung aufbauen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Schopper, bitte.