Ich will meinem Kollegen Dr. Martin Runge nicht die Redezeit wegnehmen; deshalb komme ich zum Schluss. Ich habe momentan das Gefühl, dass Sie sich in einer Blockadehaltung befinden. Sie wollen das gesundheitspolitische Haifischbecken meiden und scheuen sich, den Interessenvertretern in den Mund zu schauen, ganz zu schweigen davon, dass Sie sich nicht trauen, diesen einen Zahn zu ziehen.
Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil er unkonkret ist und keine Perspektiven aufzeigt. Sie geben keine Richtung
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Schopper und Frau Kollegin Hirschmann, gestatten Sie mir einige grundsätzliche Anmerkungen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie es für sinnvoll halten, im Jahre 2003 mit den australischen DRGs zu beginnen. Kein Staat dieser Welt hat zu 100% Fallpauschalen, nur Deutschland will sie zu 100% im stationären Bereich einführen. Im Jahr 2004 soll es bayerische DRGs, diagnosebezogene Fallpauschalen, geben, 2006/2007 deutsche, und das zu 100%. Wir haben chronisch Kranke, die Schädel-Hirn-Verletzten, die KinderDRGs, alles ist noch nicht erledigt. Wir aber fangen munter an und sagen ganz locker, dass wir das zu 100% machen wollen. Das kann doch nicht wahr sein.
Richtig ist, dass wir eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen haben. Dieses Problem kann man aber auch anders lösen.
Wir wissen, dass im stationären Bereich bis zu 70% der Kosten Personalkosten sind. Jetzt soll mir einmal jemand erklären, wie man mit dem wahnwitzigen Verwaltungsaufwand, den die Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen verursacht, die Kosten senken soll.
Schauen Sie nach Australien und in die Vereinigten Staaten. Diese Länder haben zusätzliches Personal für die Einführung und die Fortführung der DRGs eingestellt, wobei dies dort nur bis zu 30% im klinischen Bereich erfolgt. Wir wissen, dass in Australien durch die Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen das Krankenhaussystem teurer geworden ist. Wir lernen aber nicht daraus, sondern machen munter weiter. Es handelt sich eben nicht um ein lernendes System, wie es ursprünglich beabsichtigt war.
Wir haben jetzt in etwa Fallpauschalen von 20 bis 30%. Nun komme ich zu dem Konzept. Man hätte durchaus sagen können, dass man mit noch einmal 10 oder 20% anfängt. Dann hätte man die Erfahrungen abwarten können. Falsch ist es jedoch, die Fallpauschalen zu 100% einzuführen.
Wie sieht das tatsächlich aus? Es bewegt uns alle, wenn wir in den stationären Bereich kommen. Wir werden überall durchkodiert. Die Krankenhausärzte sprechen schon von den abkodierten Patienten. Wir werden im klinischen Bereich ein Volk von Multimorbiden, denn das rechnet sich besser. Das ist ein großes Problem.
Ich muss das hinterher durch den Medizinischen Dienst der Kassen intensiv kontrollieren. Es wird also eine gewaltige Bürokratie aufgebaut. Damit will man die Kosten in den Griff bekommen. Ich habe noch nie festgestellt, dass man mit Bürokratie – das bedeutet Intransparenz – die Kosten in den Griff bekommt. Das sagt mir mein gesunder Menschenverstand.
Sie von der Opposition müsste beschäftigen, dass die Länder durchaus Sicherstellungszuschläge bekommen, aber die Kriterien für den Sicherstellungszuschlag bundeseinheitlich festgelegt werden. Das bedeutet, dass damit massiv die Kompetenz der Länder berührt ist. Im Gesundheitsausschuss des Bundestages ist nachgebessert worden. Wir dürfen jetzt entscheiden, ob Sicherstellungszuschläge gezahlt werden. Das hat Kollege Dr. Zimmermann schon gesagt. Aber auf das Wie haben wir keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr.
Deswegen wird hier ganz massiv in die Kompetenz der Länder eingegriffen. Sie als Parlamentarier im Bayerischen Landtag sollten wirklich darauf bedacht sein, dass Sie über die Sicherstellung der Krankenhäuser im Flächenland Bayern selbst entscheiden können. Deswegen müssen Sie ein großes Interesse daran haben, dass dieses Gesetz am Freitag im Bundesrat nicht angenommen wird.
Kolleginnen und Kollegen, ich muss mich noch einmal zu Wort melden, weil mir Frau Hirschmann unterstellt hat, ich hätte mich an anderer Stelle vor der heutigen Debatte zum Thema „Einführung der diagnose-orientierten Fallpauschalen“ anders geäußert. Sie kann sich letztlich nur auf unsere ausführliche Diskussion im Landesgesundheitsrat bezogen haben. Liebe Frau Kollegin Hirschmann, ich darf dazu auf die Presseerklärung, die nach dieser Sitzung des Landesgesundheitsrates herausgegeben wurde, hinweisen, in der ich wie folgt zitiert wurde:
Wir sehen die wohnortnahe flächendeckende Krankenhausversorgung gefährdet nach Einführung der DRG, weil in einer wesentlichen Frage den Ländern die Regelungskompetenz entzogen wird, kritisierte der Vorsitzende des Landesgesundheitsrates Dr. Thomas Zimmermann den Gesetzentwurf nach den Beratungen im Gremium.
Die Sicherstellungszuschläge stellten einen Ausgleichsfaktor dar, wobei ohne Mitwirkung der Länder letztendlich eine vernünftige Krankenhausstruktur in Bayern nicht aufrecht erhalten werden kann.
Also, liebe Frau Kollegin Hirschmann, ich bitte Sie, diesen Anwurf gegen mich, ich hätte hier mit anderen Worten geredet als anderswo, zurückzunehmen.
Nachdem ich mich schon zu Wort gemeldet habe, möchte ich noch einiges sagen. Frau Kollegin Schopper, ich habe gedacht, Sie hätten sich etwas mehr und intensiver mit den DRG auseinandergesetzt. Ich weiß, dass Ihnen bekannt ist, dass die Krankenhäuser schon jetzt mit Fallpauschalen finanziert werden, zwar nicht zu 100%, aber zu einem großen Teil. Im Fachbereich Chirurgie werden diese Fallpauschalen schon angewandt. Wir sind der Meinung, dass diese Konstruktion weiter ausgebaut werden soll, aber es muss eine Regelung eingebaut werden, die eine krankenhausindividuelle Finanzierung zulässt. Das ist nichts anderes als ein krankenhausspezifischer Pflegesatz oder ein Abteilungspflegesatz, der von Abteilung zu Abteilung entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen unterschiedlich ist. Wir stellen uns darunter vor, dass ein Krankenhaus der Grundversorgung andere Entgelte festsetzen muss als ein Großkrankenhaus.
Wir sehen die Gefahr, dass ein Krankenhaus der Grundversorgungsstufe auf dem flachen Land bei ausschließlicher Behandlung der gestellten Diagnosen nicht das Geld einspielen kann, das zur Vorhaltung eines Krankenhauses mit 80 Betten und zwei Abteilungen – eine für Chirurgie und eine für innere Medizin – notwendig ist. Solche Krankenhäuser haben wir Gott sei Dank noch häufig auf dem Lande. Es gibt Beispiele dafür, dass diese Krankenhäuser nicht aufrecht erhalten werden können. Sie müssen also unwirtschaftlich arbeiten, und wenn ein Krankenhaus unwirtschaftlich arbeitet, fällt es aus dem Plan heraus. Deshalb sind wir der Meinung, dass die Staatsregierung am Freitag im Bundesrat noch einmal darauf hinweisen muss, dass so genannte Sonderregelungen für die Länder geschaffen werden müssen. Es geht hier nicht nur um die reine indikationsbezogene Vollpauschale, sondern es muss durch Sonderentgelte sichergestellt werden, dass länderspezifische Bedürfnisse erfüllt werden können. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Kollegin Hirschmann, unterstützen Sie uns doch bitte in unserem Ansinnen, denn sonst werden Sie irgendwann einmal dafür verantwortlich gemacht, dass die hervorragende, wohnortnahe und bedarfsgerechte Krankenhausstruktur im Freistaat Bayern nicht mehr existiert. Herr Kollege Pfaffmann lacht bereits, er sieht das Problem genauso wie ich. Sie müssen unserem Antrag zustimmen. Ich bitte Sie noch einmal inständig darum, damit am Freitag im Bundesrat doch noch eine Änderung des zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurfes mit Unterstützung der A-Länder erfolgt.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir Leid, dass ich noch das Wort ergreife, aber wir können nicht so schnell zur Tagesordnung übergehen, denn die Ausführungen der Kolleginnen Schopper und Hirschmann erfordern noch einige Erwiderungen. Ich habe auch keine Zwischenfrage stellen dürfen, Herr Kollege Maget.
Es geht um die von Ihnen angesprochene Blockadehaltung. Frau Kollegin Schopper, wenn bei den DRGs mehr Vernunft und mehr Sachlichkeit im Spiel wäre, wären wir die Letzten, die diese Vorschläge nicht mittragen würden. Wir sind aber zuerst für eine hochqualifizierte Krankenhausversorgung für unsere bayerischen Bürger verantwortlich. Frau Kollegin Schopper, Sie haben sich am laufenden Band widersprochen. Sie haben fast alles nur mit Einschränkungen behauptet. Sie haben von Unsicherheiten gesprochen, man wisse nicht, wie es ausgehe und wie es weitergehe. Es kann uns doch nicht zugemutet werden, dass wir die Katze im Sack kaufen.
Frau Kollegin Hirschmann, Sie haben lupenrein und ehrlich gesagt, was passiert. Wenn Sie davon sprechen, dass 60% der Ärzte diese Regelung für gut halten, schließen wir daraus, dass 40% der Ärzte und Krankenhäuser negativ davonkommen. Was wäre denn, wenn wir eine Reform machen und ein anderes System einführen würden, bei dem 40% der Ärzte und Krankenhäuser schlechter als bisher davonkommen? Das zentrale Problem besteht doch darin, dass ein großer Teil der Ärzte schlechter davonkommt. Kollege Dr. Zimmermann hat schon von der sich ergebenden Konzentration gesprochen.
Natürlich werden sich bestimmte Häuser die guten Brocken herausziehen, die für sie finanziell interessant sind. Der chronisch Kranken, deren Behandlung schlechter kalkuliert werden kann, nimmt sich niemand mehr an. Sie werden dann irgendwo in der „Wüste“ betreut. Mit der angesprochenen „Rosinenpolitik“ bekommen wir nur einen Patiententourismus. Ein solches System, welches nach Ihren Vorgaben eingeführt werden soll, ist doch kontraproduktiv. Wir können dem nicht zustimmen, weil damit die Versorgung in den ländlichen Räumen gefährdet wäre. Die Krankenhausplanung, welche im Rahmen des föderativen Systems eindeutig Länderaufgabe ist, würde durch die neu zu schaffenden Gremien auf Bundesebene unterlaufen.
Sie von der Opposition haben nicht bedacht, welche Auswirkungen eine frühzeitigere Entlastung von Patienten hätte. Frau Schopper sprach davon, dass andere Länder kürzere Krankenhausverweilzeiten hätten. Das trifft zu. Blicken Sie doch in die USA: Die Vereinigten Staaten haben eine wesentlich kürzere Verweildauer. Haben die Amerikaner aber einen besseren Gesundheitszustand? Haben sie niedrigere Krankenkosten? Nein, sie haben um 40% höhere Kosten. Schauen Sie sich doch die Zahlen an. Bei uns betragen die Krankenkosten 9,6% des Bruttosozialprodukts, bei den Amerikanern sind es 14%.
Sie haben in Ihre Überlegungen auch nicht mit einbezogen, welche Wirkungen dieser Konzentrationsprozess hätte. Bei einer Verkürzung der Verweildauer würde der Patient häufig nur mit Pharmakas vollgepumpt. Die Ärzte sprechen von „blutigen Patientenentlassungen“. Die Patienten würden nur deshalb vorzeitig entlassen, damit es sich besser rechnet. Dieser Qualitätsverschlechterung können wir nicht zustimmen. Auch auf die RehaLandschaft und auf die ambulante Versorgung würden sich solche Entwicklungen sehr negativ auswirken. Die AHB würde dann sicher in vielen Fällen gleich im Akutkrankenhaus durchgeführt. Damit bluten gewachsene Krankenversorgungsstrukturen aus. Aus wohlüberlegten Gründen sagen wir Nein zu diesem Vorschlag. Wir bitten Sie wirklich, tun Sie alles, damit am Freitag in Berlin gegen diesen Antrag gestimmt wird. Wir beantragen seitens unserer Fraktion für unseren Antrag namentliche Abstimmung.
(Beifall bei der CSU – Frau Schopper (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit diesem Antrag werden Sie nicht glücklich, weil das, was Sie wollen, nicht herauslesbar ist! Da müssten Sie schon einen Kaffeesatzleser engagieren!)
Dann müssen wir mit der Abstimmung noch eine Viertelstunde warten. Wir stellen die Abstimmung zu diesem Punkt zurück. Ich gebe in der Zwischenzeit die Ergebnisse der vorher durchgeführten namentlichen Abstimmungen bekannt:
Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion betreffend Soforthilfe für die bayerischen Kommunen, Staatseinnahmen aus der erhöhten Gewerbesteuerumlage für die bayerischen Städte und Gemeinden – Drucksache 14/8543: Ja-Stimmen 55, Nein-Stimmen 95, Stimmenthaltungen 13. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Ach, Dr. Kempfler und andere und Fraktion (CSU) betreffend Einforderung der Verantwortung des Bundes für die Finanzausstattung der Kommunen – Drucksache 14/8567: Ja-Stimmen 96, Nein-Stimmen 54, Stimmenthaltungen 12. Der Dringlichkeitsantrag ist damit angenommen.
Ich gebe jetzt das Wahlergebnis der vorher durchgeführten Wahl des Landesbeauftragten für den Datenschutz bekannt. Das war der Tagesordnungspunkt 7. An der Wahl haben 166 Abgeordnete teilgenommen. Davon waren null Stimmzettel ungültig. Auf Herrn Vetter entfielen 158 Stimmen, mit Nein hat ein Abgeordneter gestimmt. Ihrer Stimme haben sich 7 Abgeordnete enthalten. Damit hat der Landtag Herrn Reinhard Vetter mit Wirkung vom 1. April 2002 erneut zum Landesbeauftragten für den Datenschutz gewählt. Ich gratuliere Herrn Vetter, der bei uns zu Gast ist, zu seiner Wiederwahl und wünsche ihm für das Amt viel Glück und Erfolg.