Protokoll der Sitzung vom 30.01.2002

(Beifall)

Ich gebe nun die Ergebnisse der vorher durchgeführten Richterwahl bekannt. Das war der Tagesordnungspunkt 8. Wahlvorschlag Lothar Dillmann: An der Wahl haben 164 Abgeordnete teilgenommen. Es war kein Stimmzettel ungültig. Auf Herrn Lothar Dillmann entfielen 144 Stimmen, mit Nein haben 7 Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Ihrer Stimme haben sich13 Abgeordnete enthalten.

Wahlvorschlag Peter Gummer: Hier gab es den Gegenkandidaten Guido Kotschy. An der Wahl haben 164 Abgeordnete teilgenommen. Kein Stimmzettel war ungültig. Auf Herrn Peter Gummer entfielen 95 Stimmen. Für Herrn Guido Kotschy stimmten 64 Abgeordnete. Beide Kandidaten hat niemand abgelehnt. Ihrer Stimme haben sich 5 Abgeordnete enthalten.

Wahlvorschlag Rosemarie Kreitmair: An dieser Wahl haben 164 Abgeordnete teilgenommen. Kein Stimmzettel war ungültig. Auf Frau Rosemarie Kreitmair entfielen 98 Stimmen. Nein-Stimmen gab es 12. Ihrer Stimme haben sich 54 Abgeordnete enthalten.

Ich stelle fest, dass der Bayerische Landtag Frau Rosemarie Kreitmair sowie die Herren Lothar Dillmann und Peter Gummer zu berufsrichterlichen Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs gewählt hat.

Wir fahren mit der Behandlung der Dringlichkeitsanträge fort.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Müller Herbert und Fraktion (SPD)

Schneider Technologies (Drucksache 14/8549)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Dinglreiter, Pschierer und anderer und Fraktion (CSU)

Erhaltung von Arbeitsplätzen bei Schneider Technologies AG am Standort Türkheim (Drucksache 14/8568)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als Erster hat Herr Kollege Herbert Müller das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! An diesem Wochenende und am Montag stand in den Zeitungen eine für den Landkreis Unterallgäu – ich denke auch darüber hinaus – sehr schockierende Nachricht. Die Schneider Technologies AG, ein Unternehmen der Unterhaltungselektronik, in Türkheim angesiedelt, mit circa 650 Arbeitsplätzen und 50 Arbeitsplätzen in Gera muss Insolvenzantrag stellen. Diese Nachricht hat bei uns für große Unruhe gesorgt. Ich möchte am Anfang deutlich machen, dass wir selbstverständlich – sofern wir es in der Hand haben – alles dafür tun werden, dass diese Arbeitsplätze in Türkheim so weit wie möglich erhalten werden. Wir werden alles unternehmen, was in unserer Kraft steht, um das zu erreichen.

Im Zusammenhang mit diesem Insolvenzantrag stellt sich eine ganze Reihe von Fragen. Ich muss Ihnen sagen: Je länger die Bekanntgabe der Nachricht zurückliegt, desto kritischer werden die Fragen, die von einer ganzen Reihe von Personen, auch aus dem Betrieb und dem Betriebsrat, gestellt werden. Wir bitten deshalb darum, dass so schnell wie möglich – das wollen wir mit unserem Dringlichkeitsantrag erreichen – ein Bericht gegeben wird, der vor allem auf das finanzielle und personalpolitische Engagement des Freistaates Bayern, der Landesförderbank Bayern und der Bayerischen Forschungsstiftung eingehen soll. Die Konsequenzen der aktuellen Lage sollen offen gelegt werden.

Ich will zehn weitere Fragen ergänzen, die wir gern in diesem Bericht beantwortet hätten: Warum ist zum Beispiel der Vorschlag der Unternehmensberatungsgesellschaft Berger, der eine Umstrukturierung vorgesehen hat, nicht aufgegriffen worden? Man ist davon ausgegangen, dass dieser Betrieb bis 2003 in die Gewinnzone kommt. Dieses überrascht, weil Herr Berger zu den herausgehobenen Wirtschaftskapitänen gehört, die bei der Bayerischen Staatsregierung in der Regel Gehör finden.

Die zweite Frage, die uns in diesem Zusammenhang interessiert, lautet: Die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung, LfA, ist der Hauptaktionär. Diese Landesanstalt ist im Besitz des bayerischen Staates. Sie hält knapp 20% der Anteile. Gerade vor diesem Hintergrund ist es doppelt überraschend, wie die Entwicklung war. Ohne Vorwarnung soll dieser Betrieb stillgelegt werden.

Drittens. Der jetzige Vorstandsvorsitzende Adam war vorher bei der LfA beschäftigt. Wenn man seinen Lebenslauf studiert, dann stellt man fest, dass er nicht nur bei der LfA war. Er kommt aus der Staatsverwaltung. Er soll im Finanzministerium und in der Staatskanzlei beschäftigt gewesen sein.

Dies ist insofern wichtig, weil damit deutlich wird, dass es eine enge Verbindung zwischen der Staatsregierung und dem jetzigen Vorstandsvorsitzenden gibt. Ich habe das in der Kürze der Zeit selbst nicht überprüfen können. Deshalb formuliere ich das als Frage. In der „Financial Times“ Deutschland soll vor kurzem ausgeführt gewesen sein, Staatsminister Dr. Wiesheu habe gesagt, er habe keine enge Verbindung zu diesem Betrieb. Wenn die Aussagen bezüglich der Person Adam stimmen, dann gehe ich davon aus, dass es sehr wohl enge und gute

Kontakte gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der von einer Bank in den Aufsichtsrat geschickt wurde und erst vor einem Vierteljahr zum Vorstandsvorsitzenden gewählt wurde, keine Kontakte zur Bank und zur Bayerischen Staatsregierung gehabt hat.

Daraus ergibt sich die vierte Frage: Warum lässt gerade die LfA Schneider Technologies hängen? Sie lässt nicht nur Schneider hängen, sondern auch die dort beschäftigten Arbeiter.

Fünftens. Was passiert mit der Abteilung Lasertechnik? Es gibt nicht nur Schneider Technologies. Der sehr viel interessantere Aspekt ist der Forschungsbereich. Das sind die zwei Sparten im Bereich Lasertechnik. Was passiert mit denen? Die Arbeitsplätze in der Forschung sind in Thüringen angesiedelt. Im Stammwerk in Türkheim wartet man auf diesen Anwendungsbereich, der dann in Türkheim angesiedelt werden könnte.

Die Lasertechnologie wurde auf vielen Präsentationen vorgestellt. Unter Mitwirkung der Staatsregierung ist ein dreistelliger Millionenbetrag investiert worden, allein von der Forschungsstiftung aus Bayern ein Betrag von 9 Millionen Euro.

Die sechste Frage: Stimmt es, dass noch im Januar dieses Jahres gegenüber den Aktionären von keinen Liquiditätsengpässen gesprochen wurde? Diese Frage wird uns möglicherweise noch länger beschäftigen. Ich bitte, diese Frage zu beantworten. Wenn es der Fall wäre, dass noch in diesem Monat gegenüber den Aktionären behauptet wurde, es gebe keine Liquidationsengpässe

(Dr. Bernhard (CSU): Liquiditätsengpässe!)

Liquiditätsengpässe! – , dann wird es in der Tat eine ganze Reihe von Fragen in diese Richtung geben.

Siebte Frage: Welche Aktionen hat Herr Dr. Wiesheu zur Rettung von Schneider unternommen? Das interessiert uns; dafür werden Sie Verständnis haben. Gab es Kooperationen bzw. Kooperationsvermittlungen zwischen Grundig und Schneider? Auch das würde uns interessieren, insbesondere nachdem Sie auch bei Grundig sehr engagiert waren. Welche Verbindungen gab es, und welche Chancen hätten sich daraus entwickeln können?

Achte Frage: Ich komme auf einen Artikel in der heutigen „Augsburger Allgemeinen“ zu sprechen. Dort heißt es:

Auf ungewöhnlich deutliche Weise hatten das Ministerium und die LfA die unterbliebenen Sanierungsanstrengungen bei Schneider kritisiert.

Ich habe Ihnen eben die Beteiligung des Staates in Form der Beteiligung der LfA mit immerhin fast 20% deutlich gemacht und frage Sie: Warum wurde hier nur kritisiert? Warum wurde, wenn das der Schlüssel zum Erfolg sein sollte, nichts umgesetzt? Die Einflussmöglichkeiten wären selbstverständlich gegeben gewesen.

Neunte Frage. Hier zitiere ich ebenfalls noch einmal aus dem Artikel der „Augsburger Allgemeinen“ von heute:

Für den Erhalt zumindest der Lasersparte in Gera will sich das Land Thüringen ins Zeug legen.

Meine Frage: Warum will sich das Land Thüringen ins Zeug legen, und warum will sich nicht das Land Bayern für diese Arbeitsplätze ins Zeug legen? Diese Frage muss man in diesem Zusammenhang stellen.

(Beifall bei der SPD)

Zehnte Frage: Warum wurde unter Herrn Niemeyer, dem Vorgänger von Herrn Adam, noch im Herbst vergangenen Jahres Personal aufgestockt? Hier drängt sich die weitere Frage auf: War diese Strategie nicht auch mit der LfA abgesprochen, sprich, war davon nicht auch die Staatsregierung informiert?

Meine Damen und Herren, Sie sehen, dass sich in einer relativ kurzen Zeit eine Reihe von Fragen auftürmt. Wir bitten, dass diese Fragen so schnell wie möglich angemessen beantwortet werden. Denn auch bei der CSUFraktion ist ein ehrliches Interesse vorhanden, diese Arbeitsplätze zu erhalten, wie ich dem nachgereichten Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion entnehmen kann.

Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal auf die „Augsburger Allgemeine“ und die „SZ“ eingehen. Die „Augsburger Allgemeine“ titelt: „Wer hilft Schneider: Schröder oder Stoiber?“ und die „Süddeutsche Zeitung“ titelt: „Schneider, Stoiber, Bombardier“.

Wissen Sie, was mich etwas überrascht hat? – Überrascht hat mich der Untertitel der „Augsburger Allgemeinen“: „CSU-Politiker rufen den Kanzler zu Hilfe“. Ich will darüber gar nicht weiter nachdenken, denn ich kann verstehen, dass man sich besser an den Schmied wendet, wenn die Not groß ist.

(Zurufe von der CSU: No ho ho!)

Ich gebe gern diese Zwischenrufe an den Landrat Haisch weiter, der einen Brief an Herrn Schröder geschrieben hat und ihn gebeten hat zu helfen. Außerdem hat der Bundestagsabgeordnete Rossmanith geschrieben, über den heute auch in der Zeitung berichtet wird. Dort heißt es, dass Schröder endlich helfen solle.

(Hofmann (CSU): Warum denn nicht?)

Das ist in Ordnung.

(Hofmann (CSU): Gut!)

Das ist ja auch nicht die Frage. Ich empfehle, ihn im September zu wählen und ihn nicht nur in der Not anzurufen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Wenn so viele Leute von der CSU nach Herrn Schröder rufen, darf ich daran erinnern, dass es doch eine Bayerische Staatsregierung und einen Herrn Stoiber gibt, die hier als erstes gefragt sind, etwas zu tun, um die Arbeitsplätze zu sichern.

(Beifall bei der SPD)

Ganz so abwegig ist es doch nicht, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CSU, dass die CSU, wenn es einem Betrieb in Bayern schlecht geht, sofort versucht, mit staatsintervenistischen Mitteln einzugreifen. Da sind mir noch Grundig und auch Kirch gut im Gedächtnis, denen mit Staatsmitteln geholfen wurde. Und mir ist natürlich auch im Gedächtnis, mit welcher Häme die gleichen Abgeordneten, die jetzt Briefe an Herrn Schröder schreiben, die Aktivitäten Schröders bei Holzmann und auch bei Bombardier kritisiert haben.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Eines nur geht, meine Damen und Herren. Entweder sind Sie dafür, oder Sie sind dagegen. Aber man kann nicht einerseits nach Schröder schreien und andererseits sagen, der Staat soll die Finger davon lassen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Goppel?

Ja; da kann ich inzwischen einen Schluck Wasser trinken.