Protokoll der Sitzung vom 18.04.2002

geworden. Es ist nicht nur ständig seiner Beratungspflicht nach Artikel 108 der Gemeindeordnung nachgekommen, sondern es hat der Stadt Dachau bei den ersten Anzeichen von Unregelmäßigkeiten bei der Aufklärung des Sachverhaltes auch geholfen.

Insbesondere ist das Landratsamt auch sofort tätig geworden, als der Wahlausschuss sich nicht bereit erklärte, das Wahlergebnis festzustellen: Nachdem sich der Wahlausschuss am 21. März 2002 auf den 27. März 2002 vertagt hatte, wurde er in dieser Sitzung vom Landratsamt deutlich auf seine Pflicht zur Feststellung eines Ergebnisses der Oberbürgermeister-Stichwahl und der Stadtratswahl hingewiesen und angewiesen, entweder ein Ergebnis heute oder nach Vertagung bei Vorliegen von Untersuchungsergebnissen festzustellen. Trotzdem hat der Wahlausschuss beschlossen, ein Ergebnis der beiden Wahlen endgültig nicht feststellen zu wollen. Das Landratsamt Dachau als zuständige Aufsichtsbehörde hat dieses Verhalten mit Bescheid vom 2. April 2002, wie bereits ausgeführt, beanstandet und die Stadt aufgefordert, die Ergebnisse bis zum 25. April 2002 festzustellen, sowie für den Fall, dass die Stadt dieser Aufforderung nicht nachkommt, die Ersatzvornahme angedroht.

Das Landratsamt wird, wenn die Stadt die gesetzte Frist ergebnislos verstreichen lässt, unverzüglich, jedenfalls noch vor dem 1. Mai 2002, das Wahlergebnis für die Oberbürgermeister-Stichwahl und die Stadtratswahl im Wege der Ersatzvornahme feststellen. Das Landratsamt Dachau unternimmt nach seinen Angaben weiter alle Schritte, um einerseits zu einer Aufklärung des Sachverhalts beizutragen und andererseits eine funktionsfähige Verwaltung am 1. Mai 2002 zu sichern. Hinsichtlich der Aufklärung des Sachverhalts arbeitet das Landratsamt eng mit Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft zusammen. Weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel die Berichtigung des Wahlergebnisses oder die Ungültigerklärung der Wahl, kommen erst nach Feststellung des Sachverhalts im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens in Betracht.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zusatzfrage: Herr Prof. Dr. Gantzer.

Herr Staatssekretär, nachdem 3 500 Wahlscheine verschwunden sind, 404 Stimmzettel im Altpapier gefunden und 370 Stimmzettel beschlagnahmt wurden – nicht in Senegal, sondern in Dachau! –, frage ich Sie, ob man nicht davon ausgehen muss, dass bei diesen Wahlen Manipulationen und Wahlfälschung betrieben worden sind.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Kollege Gantzer, ich möchte dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren nicht vorgreifen. Ich habe Ihnen das Verfahren genau erklärt. Erst wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind, wird sich die Rechtsaufsichtsbehörde ein endgültiges Urteil machen können.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zusatzfrage: Frau Tausendfreund.

Hält es das Staatsministerium des Innern für einen befriedigenden Zustand, dass ein Wahlausschuss bei der derzeitigen Rechtslage gezwungen ist, ein Wahlergebnis festzustellen, obwohl er zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es gar keine Möglichkeit gibt, ein Wahlergebnis definitiv festzustellen, dass aber erst nach Feststellung des Wahlergebnisses ein Prüfungsverfahren eingeleitet werden kann?

Sehen Sie eine Lücke im derzeitigen Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz, weil es keine Regelung für offensichtliche Wahlfälschungen gibt, so dass in diesen Fällen schneller gehandelt werden kann? Es ist doch rechtsstaatlich eine unerträgliche Situation, dass jetzt ein Stadtrat und ein Bürgermeister in ihr Amt kommen, obwohl noch nicht feststeht, ob sie tatsächlich gewählt worden sind, ob die Wahl rechtmäßig zustande gekommen ist oder nicht.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Nach meiner Kenntnis hat das im Gesetz festgelegte Verfahren allgemein zu keinen Unzuträglichkeiten geführt. Wenn das am Beispiel der Stadt Dachau aber so gesehen wird, müssen sich Staatsregierung und Parlament gemeinsam überlegen, ob es zu Veränderungen am Wahlrecht kommen soll.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Professor Gantzer.

Herr Staatssekretär, um noch einmal konkreter zu fragen: Ist tatsächlich – das ist mir sogar als Jurist unbekannt – ein Wahlausschuss verpflichtet, ein Wahlergebnis festzustellen, obwohl offenkundig Anzeichen dafür bestehen, dass dieses Wahlergebnis nicht richtig sein kann?

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Nach der Rechtslage ist er verpflichtet, ein Wahlergebnis festzustellen. Erst dann kann eine Berichtigung, eine Ungültigerklärung oder ein gerichtliches Überprüfungsverfahren eingeleitet werden. Das ist die jetzige Rechtslage.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist die Fragestunde beendet.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 6

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Kobler, Unterländer und anderer und Fraktion (CSU)

Erhalt der Mütter/Väter-Kind-Kuren (Drucksache 14/9226)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Wahnschaffe, Hirschmann und anderer und Fraktion (SPD)

Fortbestand von Mutter-Kind-Kuren und Mütterkuren sichern (Drucksache 14/9227)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Schopper, Kellner und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erhalt der Mutter-Kind-Kuren und der Mütterkuren (Drucksache 14/9246)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Wortmeldungen? – Herr Kobler bitte.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Gesundheitskasse Bayern, die AOK, hat wie ein Blitz aus heiterem Himmel letzte Woche nicht nur eine Korrektur bei den Mutter/Väter-Kind-Kuren beschlossen, nein, dieser Beschluss kommt eigentlich einem Kahlschlag gleich. Bei den Schwächsten unserer Gesellschaft, über die wir uns schon heute Vormittag eineinhalb Stunden lang unterhalten haben, bei Müttern, vor allem bei kranken Müttern, und bei Kindern werden überzogene Kürzungen der Kassenleistungen angeordnet. Ich bin überrascht davon, dass diejenigen, die sonst das Fähnchen der sozialen Gerechtigkeit vor sich hertragen, an der Spitze dieser Bewegung gestanden haben.

Was ist passiert? Unter der Verantwortung des AOK-Verwaltungsrats und seines Vorsitzenden, des DGB-Landesvorsitzenden und SPD-Bundestagsabgeordneten Fritz Schösser ist diese Entscheidung getroffen worden, welche eine schlechte Botschaft an Mütter, vor allem aber auch an alleinerziehende Mütter, ist. Es war wirklich eine Überraschung, dass die AOK Bayerns in noch nie dagewesener Eile eine Satzungsänderung beschlossen und die Eigenbeteiligung bei dieser Kurform von bisher rund 200 e auf bis zu 1 500 e, also um 750%, erhöht hat. Ich erwähne nur ein Beispiel. Bisher hat eine Mutter eine Eigenleistung von 200 e bezahlt, und die Kasse hat rund 2 500 e geleistet. Jetzt zieht sich die Kasse zurück und leistet nur mehr einen kleinen Teil.

Eine solche Mehrbelastung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist alles andere als familien- und kinderfreundlich. Sie bedeutet in vielen Fällen die Vorenthaltung dringend notwendiger medizinischer Vorsorgemaßnahmen.

Ich sage Ihnen auch, dass wir von der CSU-Fraktion ohnehin der Auffassung sind, dass die In-Kraft-Setzung dieses Beschlusses nicht einwandfrei, möglicherweise sogar rechtswidrig erfolgt ist. Ich kann den betroffenen Müttern und den Leistungserbringern, das heißt den Rehakliniken, nur anraten, möglichst von vornherein in Widerspruch zu gehen, bis das Problem endgültig geklärt ist.

Die Begründung der AOK, sich durch diesen Schritt für die Beibehaltung der Mütterkuren entschieden zu haben, ist mehr als makaber. Der schwächeren Klientel unserer Gesellschaft eine solche Mehrbelastung aufzubrummen

und dann zu sagen, man habe sich für die Beibehaltung der Mütterkuren entschieden, ist unseriös.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Sie von der Opposition wissen, dass ein großer Teil der Betroffenen finanziell eben nicht mehr in der Lage sein wird, diesen Eigenanteil aufzubringen, mit der Folge, dass medizinisch notwendige Maßnahmen unterbleiben und sich mit zeitlicher Verzögerung in andere, wesentlich kostenträchtigere Therapien verlagern.

Ich bezeichne das, was eigentlich noch nie in diesem Ausmaß geschehen ist, als eine Kürzungsorgie, die auch ein Testballon für verschiedene andere Maßnahmen sein soll, vielleicht ein Vorbote für die Einführung von DRGs, von Krankenhausfallpauschalen und all diesen Dinge. Aber vielleicht braucht man auch hier eine bayerische Kasse, um dann bundesweit darauf hinweisen zu können. Ich hege diese Vermutung und wahrscheinlich bin ich dabei von der Realität nicht weit entfernt.

Die Qualität bei den Leistungserbringern draußen bleibt hierbei natürlich auch auf der Strecke. Wie sollen die Qualitätsmerkmale noch erfüllt werden, wenn so zusammengestrichen wird! Ich meine auch, Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, dürfen aufpassen. Es stehen hier auch exponierte Vertreter der rot-grünen Bundesregierung mit der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt im Wort. Sie hat erst im Februar 2002 schriftlich dargestellt – ich zitiere –, seitens der Bundesregierung gebe es keinerlei Kürzungsüberlegungen und niemand denke daran, die Rechtsgrundlage für Mutter-Kind-Vorsorgemaßnahmen zu ändern. „Gegenteilige Behauptungen sind entweder dreistes Wahlkampfgetöse oder eine glatte Lüge.“ So der Wortlaut!

Natürlich wissen wir, dass hier die Selbstverwaltung am Werk ist, aber wir haben darauf hingewiesen, dass sehr nahe liegend ist, dass hier alles getan wird, diese Kürzung zu verhindern. Die Bundesgesundheitsministerin täte gut daran, an die sehr von SPD-Mandatsträgern verantworteten AOKs zu appellieren, von der unerträglichen Erhöhung der Eigenbelastung Abstand zu nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Die Politik ist hier gefordert, den Müttern, die durch ihre Mehrfachbelastung, Kindererziehung, Berufstätigkeit usw., ausgelaugt und krank sind, entsprechende Schützenhilfe zu leisten.

Ein weiterer Aspekt ist, Mutter-Kind-Kuren, die ohnehin benachteiligt sind, vielleicht auch noch anderweitig zu durchleuchten. Wir haben auch heute darüber gesprochen, wie wertvoll Familienarbeit ist und welchen Stellenwert sie haben soll. Auf der anderen Seite wird ohnehin ein Unterschied gemacht zwischen der Mutter-KindKur und der normalen Vorsorgekur eines Arbeitnehmers. Wo bleibt hier die Gleichbehandlung, die Gleichheit der Familienerziehungsarbeit und der Arbeitnehmertätigkeit, die immer wieder groß herausgestellt wird?

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Hier wird mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen.

(Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD))

Ich möchte nicht näher darauf eingehen. Herr Kollege, Sie können sich hernach selbst äußern und brauchen keine Nervosität an den Tag zu legen.

Wir fordern deshalb die Bayerische Staatsregierung auf, diesen Beschluss entsprechend zu überprüfen und auf jeden Fall ganz nachhaltig darauf einzuwirken, dass dieser Beschluss der AOK Bayern, den sie im Rahmen ihrer Selbstverwaltung gefasst hat, revidiert oder korrigiert wird. Wir betrachten uns als Anwalt der betroffenen Klientel.

Wir sehen auch andere Dinge, die nicht unbedingt heute diskutiert werden müssen. Es gibt einen Flächenbrand bei den Rehakliniken, weil Einbrüche bei den Kurmaßnahmen in einer Größenordnung von 30 bis 50% zu erwarten sind. Das heißt, das wirkt sich auch auf das Personal aus. Das wird zu massenhaften Kündigungen führen.

Wir bitten Sie, dazu beizutragen, dass die Müttergesundheit in dieser Richtung nicht auf der Strecke bleibt. Auch angesichts der Selbstverwaltungshoheit muss dies einfach gesagt werden. Dieser Appell ist der Inhalt unseres Dringlichkeitsantrages, dem zuzustimmen wir Sie bitten. Wenn der erwähnte Beschluss der AOK nicht zurückgenommen wird, bedeutet dies, dass sich nur noch sehr wenige Mütter einen entsprechenden Vorsorge-Kurantrag leisten können. Durch eine Korrektur könnte die Gesundheitskasse AOK ihrem Image sehr helfen. Sie könnte Imagepflege betreiben und einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit auf breiter Ebene vor allem bei unseren Müttern und Kindern leisten.

Herr Kollege Wahnschaffe, Sie haben ja schon Nervosität an den Tag gelegt. Ich darf Sie jetzt direkt ansprechen, weil die drei Anträge miteinander behandelt werden. Das betrifft natürlich auch die GRÜNEN, die heute Mittag einen entsprechenden Antrag nachgeschoben haben.

Der Antrag ist vom Inhalt her zunächst auf den ersten Blick bestechend, ich muss sagen: fast verführerisch. Aber wenn man näher hineinblickt, gründlicher nachdenkt, muss man sagen: Er ist nicht schlüssig, er ist völlig widersprüchlich.

(Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD))

Kollege Wahnschaffe, es ist – ich sage es Ihnen jetzt einmal – eine Rosstäuscherei, was Sie mit diesem Antrag wollen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))