Gefährdet ist schließlich die Nachversorgung von Gemeinden im Stadt-Umland-Bereich. Dort darf bei der Beurteilung auch auf die Kaufkraft der angrenzenden Großstädte Bezug genommen werden. Im Fall von Taufkirchen hat genau dies zu einer positiven Beurteilung durch die Regierung von Oberbayern geführt.
Deswegen muss ich Ihnen diesen Fall noch einmal konkreter darstellen. Es geht dabei um ein Einrichtungshaus von Ikea auf bislang unbebautem Gebiet. Die Fläche beträgt ungefähr 9 Hektar, der S-Bahn-Haltepunkt ist etwa 3 km entfernt. Geplant ist eine Gesamtverkaufsfläche von 21000 qm. Davon betreffen 14000 qm das Kernsortiment, in diesem Fall also Möbel, 4000 qm zentrenrelevante Randsortimente, 3000 qm nicht-zentrenrelevante Randsortimente wie beispielsweise Teppiche, Küchengeräte usw., und 2000 qm Servicefläche. Es wird eine wahnsinnig hohe Flächenproduktivität vorausgesagt, die um den Faktor 2 oder 3 über der sonstiger Möbelläden liegt. Das ist also alles andere als personalintensiv. Der Einzugsbereich reicht in der Ost-WestRichtung von Kempten bis Berchtesgaden, im Süden bis zur Landesgrenze und wird im Norden durch die Linie Augsburg – Freising – Mühldorf begrenzt. Es handelt sich also um einen sehr großen Einzugsbereich. Ich zitiere die Beurteilung des Regionalen Planungsverbands:
Die regionalplanerische Beurteilung zeigt, dass das Projekt mit seinen 7000 qm Randsortiment nicht den Erfordernissen der Raumordnung entspricht. Eine Realisierung würde die Funktionsfähigkeit der zentralen Orte im Einzugsbereich und die verbrauchernahe Versorgung wesentlich beeinträchtigen.
Dann werden die einzelnen Gründe genannt, die ich Ihnen jetzt ersparen möchte, werte Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Auf ein Argument gehe ich aber ein, weil dieses bei der Änderung eine Rolle gespielt hat. Hier heißt es:
Anders als im Möbelbereich stellt sich die Situation im Randsortiment dar. Hier muss die Abschöpfungsquote der Kaufkraft nicht für den ganzen Einzugsbereich des Vorhabens, sondern für den landesplanerischen Nahbereich geprüft werden. Dieser umfasst die Gemeindegebiete von Taufkirchen und Brunntal, also ca. 21000 Einwohner. Einige Sortimente, die vom Projektträger als nicht zentralrelevant bezeichnet werden, sind jedoch nach der sogenannten Ulmer Liste und vergleichbaren Abgrenzungen durchaus zentralrelevant. Insgesamt ergibt das 5600 qm zentralrelevante Sortimente. Einer Kaufkraft im zentralrelevanten Sortiment von 6,6 Millionen DM stehen entsprechende Umsätze in Höhe von gut 33 Millionen DM gegenüber.
Das bedeutet eine Abschöpfungsquote von 506%, Herr Hofmann. Raumordnerisch zulässig wären nach der alten Regelung 30%. Was sagt jetzt der werte Herr Umweltminister, der jetzt nicht anwesend ist? – Er sagt in einer Presseerklärung zu der neuen Regelung: „Umlandgemeinden können im geringen Umfang auf die Kaufkraft der Kernstädte zurückgreifen.“ Somit wird die Differenz zwischen 30% und 506% als geringer Umfang bezeichnet. Wer so etwas sagt, der hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Damit habe ich einmal konkret ausgeleuchtet, welche Folgen die Änderung des Landesentwicklungsprogramms bezüglich der Großbetriebsformen des Einzelhandels hat. Das kann man nachlesen. Die Regierung von Oberbayern bezieht sich ganz konkret auf die Möglichkeit, dass man bei der Abschöpfung der Kaufkraft die Kernstadt dazunehmen kann.
Mit ihrem Vorgehen sorgt die Staatsregierung für eine noch größere Wettbewerbsverzerrung. Wir wissen, dass in den Stadt- und Ortszentren hohe Mieten zu zahlen sind. Darüber hinaus gibt es hohe Auflagen. All das findet man auf der grünen Wiese nicht. Wir wissen, dass viele Kolleginnen und Kollegen von der CSU dies eigentlich nicht mitgetragen haben und es in der Fraktion der CSU gute Diskussionen gegeben hat. Die Folgen der Politik der Staatsregierung sind ein weiteres Ausbluten von Zentren, ein zunehmender Verlust an wohnortnaher Versorgung, mehr Autoverkehr, mehr Flächenfraß und nicht zuletzt weniger Arbeitsplätze.
Wir sagen: Es ist höchste Zeit, diesen Irrsinn zu stoppen! Deshalb werden wir selbstverständlich den Antrag der SPD unterstützen und fordern Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, auf, diesem Antrag ebenfalls zuzustimmen. – Danke.
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Jetzt darf er! – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt muss er! – Heiterkeit bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) )
Ja, wenn er sich meldet. Hier kann doch jeder reden. Ich weiß nicht, wie das bei euch geregelt ist. Bei uns ist das überhaupt kein Problem.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist im Grunde genommen ein ungewöhnlicher Vorgang, diesen Themenkomplex in der jetzigen Phase parlamentarischer Beratung mit einem Dringlichkeitsantrag behandeln und erledigen zu wollen, und zwar aus folgenden Gründen: Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie man dazu steht, das ist jedermanns, jeder Frau Sache und auch in unserer eigenen Fraktion gibt es unterschiedliche Positionen und Meinungen, was die Abschöpfungsquoten anlangt.
Ja, es ist ja nicht so wie bei euch, wo alle das machen, was vorn angegeben wird. Nennen Sie mir ein einziges Beispiel, bei dem Sie etwas anderes gesagt haben als der Schröder oder der Hoderlein, Herr Gantzer.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist deshalb ein zunächst ungewöhnlicher Vorgang, weil – wie mehrmals diskutiert und auch angekündigt – die Bayerische Staatsregierung einen Verordnungsentwurf ordnungsgemäß im Bayerischen Landtag eingebracht hat. Dieser Verordnungsentwurf ist parlamentarischer Gepflogenheit entsprechend in den Ausschüssen zu beraten. Er wurde zunächst im federführenden Ausschuss, im Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen, beraten und wird nun in den folgenden Ausschüssen seine Weiterberatung finden. Deshalb, Frau Kollegin Biedefeld, ist unbeschadet der Meinungsbildung in den Ausschüssen die von Ihnen heute gemachte Aussage, wer dem Antrag der SPD nicht zustimme, „versündige sich“ gegen die Interessen der kommunalen Spitzenverbände, des Einzelhandels usw., der Form nach nicht in Ordnung; denn mindestens rein theoretisch ist in der Schlussabstimmung nach der parlamentarischen Beratung alles möglich, mindestens genauso viel wie heute. Daher wäre die genannte Schlussfolgerung nicht angebracht.
Dass sich die SPD, was Einzelheiten anlangt, nicht allzu viel Mühe macht, ist in diesem Hause hinlänglich bekannt. Wenn es der SPD passt, wird eben das abgeschrieben, was die kommunalen Spitzenverbände und der Landesverband des Bayerischen Einzelhandels schreiben.
Nein! Regt euch doch nicht auf. Das ist natürlich nicht verboten, aber es ist mir auch nicht verboten, dies darzustellen. Die SPD wird doch morgen dass Bundesnaturschutzgesetz nicht deshalb ändern, weil der Bayerische Städtetag gegen die Verbandsklage ist, sodass die Verbandsklage herausgenommen werden muss. Dann muss es doch auch unser gutes Recht als CSU-Fraktion und als Bayerische Staatsregierung sein, in Anhörungen die Interessenlagen der Verbände zur Kenntnis zu nehmen. Aber es ist auch unsere Pflicht und Schuldigkeit,
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn hier der Eindruck erweckt wird, in der Anhörung hätte sich unisono ein Bild ergeben, wonach im Freistaat Bayern in diesem Bereich nichts zu verändern wäre, weil sich alles so hervorragend bewährt habe, dann, meine Damen und Herren, trifft das nicht zu.
Das heißt, bereits mit dem jetzt vorhandenen Instrumentarium ist das eingetreten, was heute teilweise auch von der Kollegin Biedefeld, von Herrn Kollegen Runge und von vielen anderen, auch von uns, zur Kenntnis genommen und teilweise auch beklagt worden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Gegensatz dazu hat der Präsident des Bayerischen Städtetags, Deimer, erklärt, die damalige Randwanderung, also die Entwicklung der Einzelhandelsmärkte usw., habe von den Innenstädten spielend verkraftet werden können. Sie habe die Innenstädte nicht ernsthaft gefährdet und sei vor allem durch einen kräftigen Nachfrageschub kompensiert worden.
Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz, Herr Weiger, stellt das genaue Gegenteil fest. Er begrüßt, dass es eine Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms gibt und stellt fest: „Schon die bisherige Entwicklung hat zum Untergang mittelständischer Existenzen und zur Verschlechterung der Nahversorgung geführt.“
Die Industrie- und Handelskammer, vertreten durch Herrn Kürzinger, hat erklärt: „Wir haben uns in der Diskussion von Anfang an für eine Gleichbehandlung von FOC und Einzelhandelsmärkten ausgesprochen.“
Herr Deimer hat im Gegensatz zu dem, was die SPD will, Folgendes erklärt: „Wir, die bayerischen Städte, haben seit 1998 die innerstädtische integrale Entwicklungsachse gefordert.“ Der Städtetag hat also von der Landesplanung die städtebaulich integrierte Lage für Einzelhandelsgroßprojekte mit innenstadtrelevanten Sortimenten gefordert. Außerdem forderte er eine qualitativ einwandfreie Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Gegensatz zu dem, was bisher im LEP steht, haben wir das in das LEP aufgenommen, und es hätte keiner Aufforderung der SPD oder der GRÜNEN bedurft, den ÖPNV-Anschluss in das LEP hineinzuschreiben. Das war bereits vorhanden.
Es geht noch weiter, meine Damen und Herren. Herr Dieter Jung, Vertreter des Bayerischen Landkreistages, hat erklärt, in der Landesplanung werde überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, dass große Städte bei kleineren Gemeinden die Kaufkraft nahezu zu 100% abschöpfen dürften; weil durch die Berechnung der zulässigen Verkaufsflächen vielfach nicht mehr marktgängige Größen entstünden.
Diejenigen, die sich mit der Materie beschäftigt haben, erinnere ich an Folgendes: Geschossflächen, richterliche Rechtsprechung, 700 Quadratmeter Verkaufsfläche unterstellt. Unsere Diskussion in diesem Zusammenhang hat wenigstens erbracht, dass mit den 1200 Quadratmetern Geschossfläche nicht automatisch und bindend 700 Quadratmeter Verkaufsfläche festgeschrieben werden, sondern dass man in diesem Bereich sehr flexibel sein kann.
Herr Busse, immerhin Vertreter und auch Sprecher von 2000 Gemeinden im Freistaat Bayern, hat festgestellt: „Wir stellen uns vor, dass im Landesentwicklungsprogramm mehr Spielraum für die Kommunen vorgesehen wird und“ – auch in Übereinstimmung mit Ihrer und unserer gemeinsamen Forderung – „gleichzeitig kommunale Allianzen ermöglicht werden.“ Gemeinden sollten sich in der Frage, wer welche Verkaufsflächen bekommt, absprechen und diese Absprachen auch vertraglich festlegen.
Ja, ich komme darauf zurück, Sie können sich darauf verlassen, gerade wegen Hallstadt usw., was Ihnen doch auch ein Herzensanliegen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sehr gespannt, – wir werden bei der Weiterberatung der Gesamtfortschreibung des LEP sehr intensiv darauf zu sprechen kommen –, welche Möglichkeiten die Gemeinden nutzen werden, um diese kommunalen Allianzen auszufüllen. Dann wird für uns die Frage zu stellen sein: Wie groß ist denn eine kommunale Allianz? Soll sie 20000, 30000, nach Möglichkeit 100000 Einwohner umfassen wegen eines Landkreises?
Meine Damen und Herren, ich weise auch darauf hin: Der Themenkomplex interkommunale Allianzen ist nicht eine neue Erkenntnis aus dem Mai 2002, sondern das hat die Bayerische Staatsregierung in Abstimmung mit der CSU-Fraktion auf den Weg gebracht. Es gibt eine ganze Reihe solcher interkommunaler Zusammenarbeiten: die Wirtschaftsregion Bamberg/Forchheim, die kommunale Allianz Bamberg/Landkreis Bamberg/Stadt Hallstadt, den Teilraum Deggendorf/Plattling, Raum Passau/ Scherding, Euregio Salzburg/Berchtesgadener Land/ Traunstein, Stadt/Umland Umlandbereich Rosenheim, Raum Ulm/Neu-Ulm usw. Ich will damit sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Diese Allianzen sind in der Vergangenheit von uns nicht nur als notwendig
Jetzt möchte ich auf das eingehen, was Frau Biedefeld gesagt hat, nämlich: Wenn das geschieht, was im Verordnungsentwurf steht, dann wird das Ergebnis eine Verödung der Innenstädte sein, Trostlosigkeit, Ausgestorbenheit, Vereinsamung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die derzeitige Entwicklung weist aus, dass diese Probleme unbeschadet der Tatsache, dass diese neue Regelung noch keine Gültigkeit hat, in einer großen Zahl von Innenstädten bereits vorhanden ist,