Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

(Dr. Bernhard (CSU): Sagen Sie das doch den Kommunen, dass die hierfür die Verantwortung übernehmen!)

Das sagen wir Ihnen, als den Verantwortlichen für die Bildungspolitik.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das hat doch nichts mit den Kommunen zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Die Kommunen haben die ganzen Jahre über Leistungen übernommen. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand, und das wissen Sie ganz genau. Der Staat darf sich nicht um diese Verantwortung herumdrücken. Die Staatsregierung kann den jungen Menschen nicht die Schullaufbahn verbauen, weil sie sparen will.

(Siegfried Schneider (CSU): Das ist Ihre Steuerreform in Berlin!)

Wir setzen darauf, dass Jugendliche ein Recht auf Bildung haben. Dieses Recht gilt es zu erfüllen.

Zum Antrag der GRÜNEN möchte ich kurz ausführen, dass dieser Antrag vor allem darauf abzielt, die Budgetkürzung für das kommende Schuljahr nicht durchzuführen. Das ist ein großes Problem. Die Schulen, die Fachoberschulen und die Berufsoberschulen arbeiten mit 10% unter der Lehrerstundenversorgung. Das ist nicht länger hinnehmbar. Das geht an die Qualität der Ausbildung. Wir werden diesen Antrag deshalb unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Münzel.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Bei der jetzt aufgeflammten Diskussion über Fachoberschulen und Berufsoberschulen zeigt sich ein eklatantes Versagen der Staatsregierung. Sehenden Auges ließ die Staatsregierung diese Schulen in die Katastrophe laufen, und sie schmälert dadurch die Chancen engagierter und motivierter junger Menschen, die die Mittlere Reife und einen Berufsabschluss haben, ihre Qualifikation zu verbessern und ein Fachhochschulstudium bzw. ein Hochschulstudium aufzunehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie tut das in einer Zeit, in der wir mehr Studierende brauchen als wir bisher haben. Das Ganze geschieht in einer Zeit, in der wir das ganze Potenzial der Berufstätigen ausschöpfen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Dies sind im Übrigen nicht nur Forderungen, die wir GRÜNEN aufstellen. Es sind vielmehr Forderungen, die auch das bundesweite Forum Bildung, dem auch Wis

senschaftsminister Zehetmair angehört, bereits im vergangenen November aufgestellt hat. Das Forum Bildung empfiehlt zur Steigerung der Zahl der Hochschulabsolventen unter anderem eine Verstärkung der Durchlässigkeit zwischen Berufsausbildung und Hochschulen.

Dieser Weg über die Berufsausbildung, Fachoberschulen und Berufsoberschulen ist doch genau das, was Sie, auf der rechten Seite dieses Hauses letztlich favorisieren. Wir hätten auch einen anderen Zugang zum Hochschulstudium vorgeschlagen, indem man beispielsweise auch Meister und Meisterinnen sowie Techniker und Technikerinnen direkt an den Universitäten aufnimmt. Sie aber verweisen immer auf den so genannten bayerischen Weg und auf die entsprechenden Schulen, die Berufsoberschulen und die Fachoberschulen. In Ihrem Handeln aber schränken Sie diese Schulen so ein, dass die motivierten und leistungsbereiten Jugendlichen diesen Weg letzten Endes nicht gehen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt zum Trauerspiel um die Fachoberschulen und um die Berufsoberschulen. Es gibt zwei Problemlagen. Da ist zum einen ein Problem, das für alle Fachoberschulen und Berufsoberschulen gilt, auch für die staatlichen. Das sind die Budgetkürzungen. Darüber hinaus gibt es ein Problem, das die kommunalen Schulen betrifft. Zunächst zum allgemeinen Problem, das für alle Fachoberschulen und Berufsoberschulen gilt, egal, wer der Träger ist. In dieser Frage kann ich Ihnen beweisen, wie die Staatsregierung diese Schulen sehenden Auges in die Katastrophe laufen ließ.

Bereits am 12.07.2000 fragte meine Kollegin Emma Kellner, ob es richtig ist, dass an Berufsoberschulen und Fachoberschulen für das kommende Schuljahr 280 Lehrerstellen fehlen und welche Maßnahmen die Staatsregierung zu ergreifen gedenkt. Staatssekretär Freller antwortete damals – –

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Damals wie heute hört er nicht!)

Damals wie heute hört er nicht, damals aber hat er geredet. Ich lese ihm jetzt aber noch einmal vor, was er damals am 12.07.2000 gesagt hat. Ich zitiere:

Aufgrund der jeweils weit über der Prognose liegenden erheblichen Schülerzuwächse an Fachoberschulen und Berufsoberschulen seit 1995 um 43,4% wird im kommenden Schuljahr in der Tat die Unterrichtssituation äußerst angespannt sein. Es ist richtig – ich will das hier auch gar nicht bestreiten –, dass schon beim Pflichtunterricht ein Defizit an Lehrerstellen besteht. Neben der Umsetzung einer Unterrichtskapazität in Höhe von 45 Lehrkräften aus dem Berufsschulbereich, die aus dem Wegfall der Berufsaufbauschule begründet ist, mussten deshalb überplanmäßige Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden, die eine beträchtliche Aufstockung des Personalbestandes ermöglichen. Die Schulen werden versuchen, durch organisatorische Maßnahmen den Umfang der Unterrichtsausfälle einzuschränken. Trotzdem ist noch nicht ganz absehbar, ob alle Pflichtunterrichtsstunden abgedeckt werden können. Erfahrungsge

mäß wird sich die Situation allerdings zum Schulhalbjahr in den Eingangsklassen entspannen.

Nun schauen wir einmal, wie die „entspannte Klassensituation“ im darauf folgenden Schuljahr aussah: Das Ministerium verfügte eine Kürzung des Unterrichtsbudgets um ca. 10%, was allein an einer Schule zu einem Ausfall von 100 Pflichtwochenstunden führte. Ich kann hier die staatliche Fachoberschule und Berufsoberschule Passau nennen. Alle Mitglieder des Ausschusses haben ein entsprechendes Schreiben bekommen. Was es bedeutet, wenn Pflichtwochenstunden ausfallen, schildert der Schulleiter sehr deutlich. Ich zitiere ihn. Er schreibt:

Da Unterricht in so genannten Abschlussfächern verständlicherweise nicht betroffen sein kann, musste in erster Linie Unterricht in den Fächern der Allgemeinbildung, zum Beispiel in Sozialkunde, Geschichte, Religion, aber auch Physik und Informatik, gekürzt werden. Auch der Ausfall von Stunden im musischen Bereich und in Sport konnte nur schwer hingenommen werden.

Er fährt fort:

Budgetkürzungen in diesem Ausmaß wurden vorrangig den Fach- und Berufsoberschulen auferlegt, während andere Schularten kaum oder nur in sehr geringem Umfang betroffen waren.

Das war also die Situation im Schuljahr 2000/2001.

Dann führte das Kultusministerium eine Notenhürde ein, und die Schülerzahlen an staatlichen Fachoberschulen fielen daraufhin in der Tat um 7,4%, allerdings nur an staatlichen Fachoberschulen, an kommunalen und privaten Fachoberschulen blieb die Zahl annährend gleich. An den Berufsoberschulen stiegen die Schüler- und Schülerinnenzahlen allerdings weiter.

Das alles berichtete uns Herr Dr. Halbritter vom Kultusministerium am 6. Dezember 2001.

Im Schuljahr 2001/2002 musste dann eine Kürzung des Unterrichtsbudgets um 5,1% veranlasst werden, was 2177 Stunden entspricht. Im Laufe des Schuljahres 2001/2002 steigerte sich dann die Budgetlücke sogar auf 6,8%.

Interessant ist, was Herr Dr. Halbritter damals in diesem Bericht zur Situation sagte. Er führte aus:

Im Vergleich zum letzten Schuljahr ist eine wesentliche Verbesserung im Hinblick auf die Unterrichtsversorgung erzielt worden. Gleichwohl ist es unter Berücksichtigung von zum Teil noch hohen Klassenfrequenzen und wünschenswerten zusätzlichen Angeboten, besonders Informatik, notwendig, dass die Budgetlücke in Zukunft weiter verkleinert wird.

Er spricht also bei einer Budgetlücke von 5,1%, dass sie weiter verkleinert werden solle.

Für das kommende Schuljahr 2002/2003 steht die nächste Katastrophe vor der Tür: Das Kultusministerium

sieht eine Budgetlücke von 10,8% voraus und begründet das mit einem völlig überraschenden und extrem hohen Anstieg der Schülerzahlen in den Eingangsklassen, der aufgrund des bisherigen Übertrittsverhaltens nicht vorhersehbar war. Ich sage, auch an meine Kollegin Pranghofer gerichtet: Überraschend ist das bei den Fachoberschulen und bei den Berufsoberschulen überhaupt nicht. Das konnte man schon seit Jahren sehen. Das Ministerium hat uns einen Bericht mit einer Graphik gegeben, an der man sehr schön den Anstieg des Interesses an Berufsfachschulen und Fachoberschulen ablesen kann. Dieses Interesse war nur ein einziges Mal sozusagen gedeckelt, als nämlich die Notenhürde in der Fachoberschule eingeführt worden ist. Jetzt steigen die Zahlen wieder an. Es ist doch auch erfreulich, dass das Interesse an Fachoberschulen und Berufsoberschulen so stark ist, dass die jungen Leute sagen: Jawohl, ich will mich für ein Studium qualifizieren. Denn genau diese Leute brauchen wir verstärkt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist die eine Problemlage an Fachoberschulen und Berufsoberschulen. Hierzu fordern wir in unserem Dringlichkeitsantrag, eben keine Budgetkürzung für das kommende Schuljahr vorzusehen, was auf gut Deutsch heißt: Mehr Lehrer und Lehrerinnen in die Fachoberschulen und Berufsoberschulen. Das ist ganz klar.

Nun zum zweiten Problembereich. Zu dieser allgemeinen Misere kommt jetzt noch die schwierige Situation an den kommunalen Schulen hinzu. Bei den kommunalen Schulen spart der Staat ganz eindeutig auf Kosten der Kommunen; denn er trägt lediglich 60% der Lehrpersonalkosten, das heißt, die kommunalen Schulträger müssen 40% der Lehrpersonalkosten selber aufbringen. Das ist ein erheblicher Brocken, den die Kommunen schon seit Jahren schultern müssen. Und seit Jahren besteht die Forderung der Kommunen, entweder das Lehrpersonal zu 100% zu übernehmen oder die kommunalen Schulen zu verstaatlichen. Der Freistaat weigert sich schon seit mindestens zehn Jahren strikt, irgendwelche kommunalen Schulen in die staatliche Trägerschaft zu übernehmen.

Wir sollten uns durchaus noch einmal vergegenwärtigen, dass man nicht einfach sagen kann: Das ist das Problem der Kommunen; die sollen damit zurecht kommen. Denn gäbe es die kommunalen Schulen nicht, dann hätte der Freistaat die Aufgabe, diese Schulen zu betreiben.

Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetages, Oberbürgermeister Josef Deimer, der ja Ihrer Partei angehört, spricht deutliche Worte, wenn er im Zusammenhang mit kommunalen Fachoberschulen und Berufsoberschulen in einer Pressemitteilung von der verfehlten Schulpolitik des Freistaates spricht. Seine Forderung ist klar. Er sagt, für ihn wäre es ein Gebot der Fairness, würde der Freistaat entweder den Städten die Lehrerkosten voll erstatten oder den Anträgen auf Verstaatlichung der kommunalen Schulen entsprechen. Die Position des kommunalen Spitzenverbandes ist also ganz eindeutig.

Man muss sich das nur mit gesundem Menschenverstand überlegen. Angenommen, die Stadt München hätte keine kommunalen Fachoberschulen und Berufsoberschulen, aber es gäbe eine Reihe von interessierten Jugendlichen, die diesen Bildungsweg einschlagen wollten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Spaenle (CSU))

Genau, Herr Kollege Spaenle. – Angenommen also, München hätte keine kommunale Schule und 700 oder 1000 oder 1500 Jugendliche hätten Interesse daran. Dann, Kollege Spaenle, könnte der Freistaat auch nicht sagen: Es ist Aufgabe der Stadt München, eine Schule zu errichten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Spaenle (CSU))

Nein, der Freistaat müsste sich überlegen, an welchem Standort und in welcher Größe er diese Schulen errichtet.

Alleine daran sieht man, dass Ihr Ansatz zu sagen, dies sei Aufgabe der Stadt München, und sich aus jeglicher Verantwortung zu stehlen, völlig falsch ist.

(Fortgesetzte Zurufe des Abgeordneten Dr. Spaenle (CSU))

Herr Kollege Spaenle, Sie reden dann noch, oder? – Ja? – Dann ist es gut. Dann kann ich vielleicht später noch einmal darauf antworten.

Insofern also unsere zweite Forderung, dass die Lehrpersonalkosten zu 100% übernommen werden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Spaenle (CSU))