Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Spaenle (CSU))

An den kommunalen Schulen existiert ein weiteres Problem, nämlich das Problem der Gastschulbeiträge. Wir sind der Ansicht, dass die Kommunen gefragt sind, die ihre Schüler und Schülerinnen in die kommunalen Schulen anderer Gemeinden schicken. Unserer Einschätzung nach besteht insoweit eine Lücke im Schulfinanzierungsgesetz. So können zum Beispiel kommunale Berufsschulen einen Kostenersatz verlangen, kommunale Realschulen, kommunale Gymnasien, können einen zusätzlichen Gastschulbeitrag, eine Pauschale, verlangen. Merkwürdigerweise sind aber nach Artikel 19 des Finanzierungsgesetzes die kommunalen Fachoberschulen und Berufsoberschulen ausgeschlossen. Wir vertreten die Ansicht, dass die Fachoberschulen und Berufsoberschulen wie kommunale Berufsschulen, kommunale Realschulen oder Gymnasien behandelt werden müssen. Eine entsprechende Gesetzesänderung sollte aber in Abstimmung mit dem kommunalen Spitzenverbänden vorgenommen werden.

Abschließend mein Appell an Sie: Beenden Sie das unwürdige Schwarze-Peter-Spiel zwischen dem Freistaat und den Kommunen, was die kommunalen Schulen anbelangt.

Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, lösen Sie das Problem, und stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Schneider.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was jetzt dargelegt worden ist, war eine Mischung aus Krokodilstränen und geworfenen Nebelkerzen.

(Widerspruch der Frau Abg. Radermacher (SPD))

Ich werde in einigen Punkten deutlich darauf hinweisen, und dann können wir uns darüber austauschen, Frau Kollegin.

Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass wir immer größten Wert darauf gelegt haben, die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung zu gewährleisten. Bayern hat dies dadurch erreicht, indem wir konsequent

(Frau Radermacher (SPD): Das sagt er, ohne rot zu werden!)

den Ausbau des beruflichen Schulwesens vorangetrieben haben. Nur zwei Zahlen, damit Sie wissen, was ich damit meine: Seit 1996 sind in Bayern zusätzlich 28 neue Berufsfachschulen entstanden. Im nächsten Schuljahr wird es in Bayern vier neue Fachoberschulen und drei neue Berufsoberschulen geben. Dies nur als Gedächtnisstütze, damit Sie diese Zahlen präsent haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Bayern zeigt sich, dass wir insgesamt eine regional ausgeglichene Situation haben. Wir haben ein großes Problem, nämlich die Stadt München. Die Stadt München hat über 700 junge Menschen – ich sage es ganz deutlich – kaltschnäuzig auf die Straße gestellt.

(Zustimmung von der CSU)

Ich sage deshalb „kaltschnäuzig auf die Straße gestellt“, weil man diesen jungen Menschen vor der Kommunalwahl die Aufnahme zugesagt hat, sie hat anmelden lassen, ihnen also im Prinzip eine Zusage gegeben hat, sie nach der Kommunalwahl aber nicht aufgenommen hat.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für mich ist das ein Verhalten, das so nicht hinnehmbar ist.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Volkmann?

Nein. Mir wurde mitgeteilt, dass wir für die Fraktion nur 13 Minuten Zeit haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ablehnung wurde von der Stadt München aber nicht so begründet, wie es nach dem Erziehungs- und Unterrichtsgesetz

möglich ist, nämlich aufgrund von Leistungen, sondern aufgrund von Wohnortnähe. Das ist ein völlig falsches Verhalten, das nicht der Gesetzeslage entspricht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss sich diese Tatsache einmal vorstellen. Wenn die Stadt München gesagt hätte, aufgrund einer besonderen finanziellen Situation können wir nicht mehr aufnehmen, könnte man vielleicht sogar noch Verständnis haben, wenn eine Kommune deckelt. Die Stadt München verringert aber die Zahl der Eingangsklassen. In den Berufsund den Fachoberschulen gibt es acht Eingangsklassen weniger als im letzten Schuljahr. Bei den Berufsfachschulen ist es genauso.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in der Vergangenheit gab es eine Reihe von privaten und von kommunalen Schulen, die gesagt haben: Wir können einen weiteren Zuwachs nicht verkraften. Diese Kommunen und die Träger der Privatschulen haben den Freistaat aber rechtzeitig informiert, damit der Freistaat reagieren konnte. Die Stadt München hat den Freistaat nicht informiert. Das Kultusministerium musste an die Stadt herantreten, um überhaupt Informationen zu erhalten. Dies war im Mai dieses Jahres. Daran sieht man, dass es ganz bewusst über die Kommunalwahlen hinausgeschoben worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die steigenden Schülerzahlen an der FOS und der BOS freuen auch uns. Es ist ein Zeichen der Qualität und der Richtigkeit der bayerischen Schulpolitik, dass in den letzten Jahren an den Fachoberschulen und Berufsoberschulen sukzessiv höhere Anmeldezahlen zu verzeichnen sind. Wir haben in den vergangenen Jahren dafür auch Lehrerplanstellen zur Verfügung gestellt, in den vergangenen beiden Schuljahren jeweils 100 zusätzliche Planstellen. Trotzdem sind die Herausforderungen weiter gewachsen; in den Eingangsklassen gibt es 10 bis 20% mehr Anmeldungen.

Den Dringlichkeitsantrag der SPD werden wir ablehnen, weil damit nur versucht wird, Versäumnisse und Fehler der Stadt München zu verdecken und einen anderen Sündenbock zu finden. Da werden wir nicht mitmachen.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden auch den Antrag der GRÜNEN ablehnen. Hinsichtlich des zweiten Spiegelstriches verweise ich auf die Antwort des Herrn Staatssekretärs von heute Vormittag auf eine mündliche Anfrage, die jemand für Herrn Volkmann gestellt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das heißt aber nicht, dass wir keine Verbesserungen für die Arbeit in den Fachoberschulen und Berufsoberschulen anstreben. Wir fordern die Zukunftschancen der jungen Menschen ein. Ich darf hier auch im Namen der CSU zwei konkrete Punkte nennen. Eine Forderung ist, dass wir alles tun müssen und auch garantieren müssen, dass es im Unterrichtsangebot an den Fachoberschulen und Berufsoberschulen keine Verschlechterungen gegenüber dem laufenden Schuljahr gibt. Notfalls müssen im Ministerium Umschichtungen erfolgen. Zweitens wäre es

sinnvoll, ein Konzept über den weiteren Ausbau der Fachoberschulen und Berufsoberschulen vorzulegen, um zu vermeiden, dass sich jemand, wie zum Beispiel die Stadt München, auf Kosten der jungen Menschen aus der Verantwortung stiehlt

(Wahnschaffe (SPD): Das ist doch unerhört! Wo leben Sie denn überhaupt!)

und nicht rechtzeitig das Staatsministerium informiert, Herr Kollege, so dass dieses reagieren kann.

(Beifall bei der CSU – Frau Radermacher (SPD): Was ist denn zum Beispiel in Würzburg?)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Narnhammer.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schneider, was Sie jetzt verbreitet haben, war purster Wahlkampf, sonst nichts. Wenn Sie mit Schuldzuweisungen an München kommen, muss ich Sie schon fragen: Wer regiert denn zum Beispiel in Würzburg, wer regiert in Kitzingen, wer regiert in Regensburg?

(Beifall bei der SPD)

Dort existieren nämlich genau dieselben Probleme wie in München. Eben hat mir Kollege Wahnschaffe ein Schreiben aus Regensburg gezeigt, in dem steht, dass an den beruflichen Schulen Pflichtstunden gekürzt werden müssen. Sagen Sie dazu einmal ein Wort.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Art der Einlassungen hilft unseren Schülerinnen und Schülern nämlich überhaupt nicht weiter.

Sie haben zu Recht die Zahlen genannt. Allein in der Region München sind über 700 junge Menschen von einer Abweisung betroffen. Auf der anderen Seite – das hat sich inzwischen auch bei Ihnen herumgesprochen – legt die Wirtschaft immer mehr Wert darauf, dass unsere jungen Menschen eine gute Ausbildung haben. Deshalb, denke ich, ist es besonders schlimm und nicht zu akzeptieren, dass Schülerinnen und Schüler in Bayern im nächsten Schuljahr keinen Platz an einer FOS, BOS, Technikerschule oder Wirtschaftsschule erhalten sollen. Sie führen, wie vorhin gleich zu Beginn der Rede von Frau Pranghofer in einem Zwischenruf, die Steuerreform an. Damit schieben Sie wieder nur die Verantwortung ab.

(Zuruf von der CSU: Dorthin, wo sie hingehört!)

Das schürt nur Politikverdrossenheit bei den 700 Schülerinnen und Schülern im Raum München, von denen ich jetzt spreche.

(Beifall bei der SPD)

Im Kreistag Ebersberg haben wir zum Beispiel einen Antrag gestellt, um die Stadt München zu entlasten. Wir wollten den einzelnen Schülerinnen und Schülern hel

fen. Wir haben gesagt, dass wir vorübergehend das Defizit bei den Gastschulbeiträgen übernehmen, das bisher die Stadt München trägt. Dieser Antrag ist im Ebersberger Kreistag von der Mehrheit abgelehnt worden.

(Zuruf von der SPD)

Natürlich die CSU. Die CSU hat dort die Mehrheit; ganz klar.

(Freiherr von Rotenhahn (CSU): Ganz klar!)

Die Mehrheit lehnt es ab, unseren Schülerinnen und Schülern unkonventionelle Lösungen anzubieten.

(Zustimmung von der SPD – Frau Radermacher (SPD): Schämen sollten Sie sich!)

Ich möchte auch noch anfügen, dass man auch an die einzelnen Schicksale denken muss. Ich habe mit betroffenen Schülerinnen und Schülern und mit Jugendlichen, die bereits in Ausbildung bzw. in Arbeit stehen und im Herbst in die Berufsoberschule gehen wollen, Gespräche geführt. Sie haben im Glauben darauf, dass sie an eine weiterführende Schule gehen können, ihr Arbeitsverhältnis gekündigt. Kolleginnen und Kollegen, jetzt kommt das nächste Problem. Das Arbeitsamt sagt nämlich: Wenn sie von selbst gekündigt haben, sind sie nicht berechtigt, Arbeitslosengeld zu beziehen. Wir können diese Jugendlichen, diese jungen Menschen doch nicht auf der Straße stehen lassen. Lieber Herr Schneider, liebe CSU, da erwarte ich Vorschläge und Lösungsmöglichkeiten. Dazu habe ich nämlich bisher nichts gehört.

Das Schwarze-Peter-Spiel und das Hin- und Herschieben von Verantwortung hilft unseren Schülerinnen und Schülern nicht weiter. Konkret geht es jetzt um das nächste Schuljahr. Mir sind momentan nur die Zahlen aus der Landeshauptstadt bekannt. Betroffen sind noch weitere Städte. Wir müssen diesen über 700 jungen Menschen eine Zukunftschance bieten und deshalb kurzfristige Lösungen suchen und finden. Von Ihnen habe ich dazu bisher nichts gehört. Deshalb ist unser Dringlichkeitsantrag so wichtig. Die Zeit drängt. Die jungen Menschen müssen bald wissen, wie es im September weitergehen soll. Ich erwarte von Ihnen dazu noch Aussagen. Vielleicht ist Herr Staatssekretär Freller, nachdem Frau Staatsministerin Hohlmeier momentan nicht da ist, in der Lage, uns Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Ich hoffe darauf.