Protocol of the Session on July 17, 2002

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Herr Staatssekretär, wurde das Ziel des von Herrn Ministerpräsidenten Stoiber initiierten und am 11. Juni 1996 persönlich unterschriebenen Beschäftigungspaktes Bayern erreicht, dass „die Zahl der Arbeitslosen durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Gründung neuer Existenzen bis zum Ende des Jahres 2000 halbiert wird“, und wie entwickelten sich die Arbeitslosenzahlen in Bayern seit 1996 bis heute, einschließlich des Jahres 2002 bis zum jetzigen Zeitpunkt?

Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Sehr verehrte Frau Präsidentin, Herr Kollege Franzke, die Organisationen der Wirtschaft, der DGB Bayern und die Bayerische Staatsregierung haben sich bei Unterzeichnung des Beschäftigungspaktes Bayern am 11. Juni 1996 als gemeinsame Ziele gesetzt, dass in Bayern erstens der Beschäftigungsabbau gestoppt wird, zweitens die Zahl der Arbeitslosen bis Ende des Jahres 2000 halbiert wird und drittens ein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot vorliegt. Die Partner des Beschäftigungspaktes gingen dabei davon aus, dass sich die nationalen Rahmendaten im Zeitraum bis zum Jahre

2000 positiv weiterentwickeln. Die Ziele, die ich eben formuliert habe, wurden in hohem Maße erreicht.

Erstens. Durch die Aktivitäten des Beschäftigungspaktes konnten bis ins Jahr 2000 nach gemeinsamen Berechnungen der Paktbeteiligten rund 93000 Arbeitsplätze geschaffen und rund 265000 Arbeitsplätze gesichert werden.

Zweitens. Die Arbeitslosigkeit konnte deutlich gesenkt werden. Die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse wiesen im Juni 2000 im Vergleich zum Juni 1999 einen Zuwachs von 2,5% auf. Bayern lag dabei wiederum an erster Stelle. Baden-Württemberg hatte einen Wert von 2,4%, im Bereich der westlichen Bundesländer waren es 2,0%. Auch im März 2002 weist Bayern im Vergleich zum März 2001 einen Zuwachs von 0,8% auf. Im Vergleich: Baden-Württemberg 0,75%, der Bund in den westlichen Ländern 0,55%. Mit 339000 gemeldeten Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2000 wurde der Stand des Jahres 1996 um 63000 unterschritten. Das sind 16% weniger. Im Jahr 2000 hatte Bayern mit 5,5% knapp nach Baden-Württemberg mit einem Wert von 5,4% die zweitbeste Arbeitslosenquote aller Bundesländer. Der Bund hatte 9,6% und die westlichen Länder hatten 7,8%.

Die Prämisse bei Abschluss des Beschäftigungspaktes, dass sich die Rahmenbedingungen bis 2000 positiv weiterentwickeln, ist so nicht eingetreten. Ein noch weiterer Rückgang der Arbeitslosigkeit scheiterte auch an den Maßnahmen von Rot-Grün, die 1998 im Bundesrat die große Steuerreform blockierten und nach der Regierungsübernahme die falschen beschäftigungspolitischen Weichen stellten. Ich erinnere an das Scheinselbstständigengesetz und an die Abschaffung der 630-DM-Regelung.

Drittens. Die Ausbildungsstellensituation hat sich seit 1997 kontinuierlich verbessert. Zum 30. September 1997 kamen auf 100 noch unversorgte Bewerber 134 offene Stellen. Zum 30. September 2000 kamen auf 100 noch unversorgte Bewerber 401 offene Stellen.

Sie haben auch nach den konkreten Zahlen gefragt, Herr Kollege Franzke. Ich darf Ihnen stichwortartig nur einige wenige nennen, ich händige sie Ihnen nachher en detail aus, sodass Sie das auch im Einzelnen verfolgen können.

Die Zahl der Arbeitslosen in Bayern hat sich im Jahresdurchschnitt seit 1996 wie folgt entwickelt – ich darf das vielleicht an einer Kurve kurz darstellen –: 1996 waren es rund 400000, 1997 442000. Dann ging es wieder nach unten: 415000, 384000, 339000, und 2001 waren es 332000. Ich gebe Ihnen die Zahlen nachher im Einzelnen. Auch im Jahr 2001 haben wir wieder insgesamt den zweitbesten Wert in der Bundesrepublik nach Baden-Württemberg erreicht. Der Bestand an Arbeitslosen jeweils am Ende des Monats in diesem Jahr sieht wie folgt aus: Im Januar waren es 432000, im Juni 353000. Aber ich darf Ihnen die Zahlen nachher mitgeben, sodass Sie das im Einzelnen verfolgen können.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Gibt es eine Zusatzfrage? – Herr Franzke, bitte.

Herr Staatssekretär, Sie haben beschrieben, dass sich die Arbeitslosenrate in einer Kurve bewegte. Konkret noch einmal die Frage, die ich hier gestellt habe: Ist es gelungen, wie von Herrn Ministerpräsidenten damals auch in der Presse sehr deutlich als Erfolg gefeiert, die Arbeitslosenzahlen wie beabsichtigt um die Hälfte zu senken?

(Willi Müller (CSU): Das ist doch gestern schon diskutiert worden!)

Lieber Herr Kollege Franzke, wir haben ja gestern Nachmittag zu diesen Fragen eine ausführliche Debatte hier im Hohen Hause gehabt. Ich halte wenig davon, dass wir nochmals mit Zahlen hin und her jonglieren.

Ich will Folgendes festhalten: Es war richtig, dass sich im Jahre 1996 alle drei am Pakt Beteiligten diesbezüglich festgelegt haben. Es war nicht der Ministerpräsident, der gesagt hat, wir reduzieren das auf die Hälfte, sondern alle am Beschäftigungspakt Beteiligten haben Ziele zu den angesprochenen Fragen formuliert, also auch zur Ausbildungssituation und zur Problematik der Arbeitslosensituation in unserem Lande. In diesem Pakt hat man sich auf eine Zielvereinbarung verständigt, wie das eben in einer vertraglichen Vereinbarung immer der Fall ist. Die Vertragsbeteiligten haben sich also diese Zielformulierung für die künftige Arbeit vorgegeben und haben auf der Grundlage dieser Vereinbarung und dieser Zielsetzung einiges erreicht. Die Zahlen sind eben genannt worden.

Ich glaube – wenn ich das noch sagen darf, Herr Kollege Franzke –, dass sich dieser Beschäftigungspakt in all den Jahren sehr bewährt hat und dass Teile dieses Paktes sehr wohl erfüllt werden konnten. Auch wenn dieser Pakt momentan nicht mehr besteht, hoffen wir, dass, wenn die Zeiten wieder etwas ruhiger werden, die Arbeit in diesem Pakt fortgesetzt werden kann.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Gibt es weitere Zusatzfragen, Herr Franzke? – Bitte.

Herr Staatssekretär, da Sie die Staatsregierung vertreten, frage ich: Sie sagen, Herr Ministerpräsident Stoiber hatte Partner, die gemeinsam den Willen kundtaten, die Zahl der Arbeitslosen zu halbieren. Der Bundeskanzler hat von sich aus versucht, in diese Richtung etwas zu tun, auch die Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren. Es gibt gute Gründe dafür, dass Bayern das Ziel nicht erreicht hat. Würden Sie also auch den anderen, auch dem Bundeskanzler, zubilligen, dass er den guten Willen hatte, dieses Ziel zu erreichen?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär.

Herr Kollege Franzke, der Hintergrund Ihrer Frage war mir natürlich bewusst. Ich darf noch einmal wie folgt formulieren: Es war nicht der Ministerpräsident sozusagen als einzeln dastehende Persönlichkeit, der diese Zielformulierung vorgegeben hat, sondern es war eine Zielvereinbarung. Sie kennen ja den Beschäftigungspakt.

(Franzke (SPD): Unter Führung des Ministerpräsidenten! Wir wissen doch, wie er sich damals positioniert hat!)

Wir sollten nicht auch noch darüber streiten, Herr Kollege Franzke! Es war natürlich eine Zielvereinbarung der am Beschäftigungspakt Beteiligten, sprich: der Wirtschaft – was ich auch für richtig halte –, des DGB und der Bayerischen Staatsregierung. Bedauerlicherweise ist auf der Bundesebene die Situation nicht so zustande gekommen, wie wir sie auf bayerischer Ebene gehabt haben. Das ist völlig richtig.

Ich will die Debatte von gestern zwar nicht fortsetzen, aber wenn ich das noch einmal aufgreifen darf: Jetzt kann nicht als Ziel auf Bundesebene ausgegeben werden – und es zeigt eigentlich auch, welche unerfüllbaren Konditionen hier vorgegeben werden –, dass man innerhalb von drei Jahren auf zwei Millionen herunterfahren will. Das zunächst gegebene Versprechen toppen zu wollen – von 3,5 auf 2 Millionen Arbeitslose-, halte ich für den falschen Ansatz. Ich halte es für den falschen Ansatz, sich ganz konkret solche Zahlen vorzugeben,

(Zuruf des Abgeordneten Franzke (SPD))

und zwar angesichts der Entwicklungen insgesamt in unserem Land.

Ich darf aber noch einmal festhalten, dass die Problematik vor allem darin besteht – aus unserer Sicht –, dass 1998 die falschen Rahmenbedingungen gesetzt worden sind, was im Übrigen jetzt erkannt wird. Nur noch ein Stichwort: Das Scheinselbstständigengesetz, das man 1998 verabschiedet hat, will man ja jetzt – auch auf Vorschlag der Hartz-Kommission; und es ist auch in der Bundesanstalt für Arbeit in der vorigen Woche diskutiert worden – wieder abschaffen. Daran zeigt sich doch, dass man falsche Wege gegangen ist und jetzt neue Wege gehen möchte, auch vonseiten der Bundesregierung.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Müller.

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, dass wir das Ziel erreicht hätten, wenn wir in Bayern nicht eine massive Bevölkerungszuwanderung aus den neuen Bundesländern hätten

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und wenn wir nicht 99000 Einpendler aus den neuen Bundesländern hätten? Und würden Sie den Kollegen

Franzke darauf hinweisen, dass wir in Bayern immer noch die niedrigste Arbeitslosenquote aller deutschen Bundesländer haben?

(Anhaltender Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär.

Herr Kollege Müller, werte Kolleginnen und Kollegen!

(Zuruf des Abgeordneten Franzke (SPD))

Diese Fragen sind gestern umfassend diskutiert worden. Ich gebe Ihnen Recht: Das Ziel wäre sicher leichter erreicht worden, wenn 1998 nicht – aus unserer Sicht falsche – Weichenstellungen vorgenommen worden wären, wie sie vorgenommen wurden. Ich nenne noch einmal die beiden Stichpunkte: 630-Mark-Gesetz und Scheinselbstständigkeit.

(Franzke (SPD): Es wird Ihrer Karriere nicht schaden, wenn Sie Versäumnisse der Staatsregierung zugeben!)

Lieber Kollege Franzke, machen Sie sich da keine Sorgen! – Das hat die Bundesregierung im Übrigen jetzt auch selbst erkannt; darin sind wir uns einig. Es ist richtig, Herr Kollege Müller, dass wir insgesamt einen starken Bevölkerungszuwachs hatten. Die Zahlen sind gestern angeklungen. Ich darf noch einmal darauf hinweisen: Es ist völlig richtig, wir hatten den stärksten Bevölkerungszuwachs – absolut und in relativen Zahlen – und darüber hinaus noch die Einpendler.

(Zuruf des Abgeordneten Franzke (SPD))

Die Einpendler wirken sich auch in der Statistik der Auszubildenden gerade in Oberfranken aus, Herr Kollege Franzke.

(Franzke (SPD): Oberfranken insgesamt hat keinen Bevölkerungszuwachs!)

Ich habe alle Arbeitsamtsbezirke besucht, insbesondere die, bei denen wir keine ausgeglichene Lehrstellenbilanz hatten. Ich habe mit den Lehrlingen gesprochen und gerade in Oberfranken gespürt, dass hier ein starker Zuspruch aus den neuen Bundesländern vorhanden ist, Herr Kollege Müller, sodass ich Ihnen völlig Recht geben kann und ergänzen darf: Wenn eben die Maßnahmen 1998 in eine andere Richtung gegangen wären, hätten wir die Probleme heute nicht in dieser Dimension.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Fragestellerin: Frau Elisabeth Köhler. Bitte.

Herr Staatssekretär, in welcher Höhe veranschlagt die Staatsregierung die Kosten des Freistaats für die Kurse,

die als Länderaufgabe nach dem Zuwanderungsgesetz – § 43 Absatz 3 – von den Bundesländern zu übernehmen sind, und welche finanziellen Mittel werden insbesondere für die Sprachförderung von schon länger hier lebenden Migranten bereitgestellt?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär.

Frau Kollegin Köhler, das Zuwanderungsgesetz wurde vom Bundespräsidenten am 20. Juni 2002 unterzeichnet. Es wurde im Bundesgesetzblatt fünf Tage später veröffentlicht und tritt in seinen wesentlichen Teilen am 01.01.2003 in Kraft. Die Staatsregierung geht allerdings davon aus, dass die erforderliche Zustimmung des Bundesrats nicht auf verfassungsrechtlich einwandfreiem Wege zustande gekommen und das Gesetz daher verfassungswidrig ist.

Zur Wahrung der Rechte des Bundesrats hat das Saarland federführend für die unionsgeführten Bundesländer beim Bundesverfassungsgericht einen Normenkontrollantrag eingereicht, um die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes überprüfen zu lassen. Der Bundespräsident hat im Übrigen in seiner Erklärung zur Ausfertigung des Zuwanderungsgesetzes festgestellt, dass „eine verfassungsrechtliche Verfahrensvorschrift in gewagter Weise ausgereizt und damit eine politische Kampfsituation auf die Spitze getrieben worden“ ist. Weiter führt der Bundespräsident aus, dass er es sogar für wünschenswert hielte, wenn das Bundesverfassungsgericht die Frage klärt.

So weit zum Vorspann. – Und jetzt zu Ihrer konkreten Frage, Frau Kollegin Köhler. Wenn das Zuwanderungsgesetz in Kraft tritt, wird die Staatsregierung ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 43 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes selbstverständlich nachkommen. Die Staatsregierung geht dabei davon aus, dass der Bayerische Landtag die notwendigen Mittel bereitstellt, um die Durchführung der Aufbausprachkurse gewährleisten zu können.

Die Höhe der Kosten hängt von der Zahl der ausländischen Neuzuwanderer und der Ausgestaltung der Sprachkurse ab. Die notwendigen Rechtsverordnungen der Bundesregierung, die mit Zustimmung des Bundesrats erlassen werden, stehen noch aus.

Die Staatsregierung hält die Schätzungen des Bundesinnenministeriums für zu niedrig, wonach jährlich 98000 ausländische Neuzuwanderer mit Anspruch auf Sprachförderung zugrunde gelegt werden und pro Teilnehmerstunde nur 2,05 e kalkuliert sind. Obwohl im Zuwanderungsgesetz die Dauer der Sprachkurse nicht mehr geregelt ist, wird weiterhin von 300 Unterrichtsstunden für den Grundsprachkurs und 30 Unterrichtsstunden für den Orientierungskurs auszugehen sein. Die Kosten hierfür übernimmt bekanntermaßen der Bund. Weitere 300 Unterrichtsstunden für den Aufbausprachkurs sind dann von den Ländern zu finanzieren.