Elisabeth Köhler
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Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Da diese Befragungsaktion zu diplomatischen Verwicklungen mit
der Türkei geführt hat, lasse ich es mir natürlich nicht nehmen, hierzu noch einige Takte zu reden.
In Bayern werden seit Beginn dieses Jahres Ausländerinnen und Ausländer aus so genannten Problemstaaten bei jeder Verlängerung ihres Aufenthalts einer so genannten sicherheitsrechtlichen Befragung unterzogen. Nach unseren Recherchen sind von der Befragung Angehörige aller arabischen Staaten betroffen. Des Weiteren sind Palästinenser betroffen, Staatsangehörige des Iran, aus Afghanistan, Nordkorea, den Philippinen und Kolumbien.
Herr Präsident, es ist sehr laut.
Das Innenministerium geht laut „Münchner Merkur“ selbst von 5% der Ausländer und Ausländerinnen in Bayern aus – das sind ungefähr 55000 Personen –, die sich dieser Befragung unterziehen müssen. Diese Aktion ist bundesweit einmalig, obwohl § 8 Absatz 1 Nummer 5 des Ausländergesetzes, auf den sich diese Befragung stützt, auch für andere Bundesländer gilt. Was bezweckt also das Bayerische Innenministerium mit diesem sehr kostspieligen und sicherheitspolitisch außerordentlich fragwürdigen Sonderweg?
In den Ausländerbehörden der Kommunen mussten dafür eigens Stellen geschaffen werden. In Augsburg zum Beispiel waren es zwei Stellen.
Eine weitere Frage lautet: Was geschieht mit den Daten? Wo werden sie überall gespeichert, wie lange werden sie gespeichert, und wofür werden sie verwendet? Immerhin müssen die Leute, die den Fragebogen ausfüllen, unterschreiben, dass sie damit einverstanden sind, dass die Daten an den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst, das Zollkriminalamt, das Landesamt für Verfassungsschutz und an das Landeskriminalamt zur Feststellung von Versagungsgründen weitergeleitet werden.
Eine weitere Frage, die man sich stellen muss, lautet: Kann man gefährliche Terroristen, die einen Anschlag planen, mit einer breiten Fragebogenaktion auf die Spur kommen? Glaubt man denn beim Bayerischen Verfassungsschutz oder im Bayerischen Innenministerium tatsächlich, dass ein Mitglied der al Qaida treuherzig und wahrheitsgemäß antwortet: Ja, ich bin Mitglied der al Qaida; ja, ich habe in Afghanistan eine Sprengstoffausbildung gemacht; ja, ich habe mit Osama bin Laden Tee getrunken.
Meine Damen und Herren, da ich davon überzeugt bin, dass man dies auch im Bayerischen Innenministerium nicht ernsthaft annimmt, hat die Befragung nur den einen Zweck, nämlich einen großen Teil der ausländischen Bevölkerung in Bayern unter Generalverdacht zu stellen und ein systematisches Aushorchen zu installieren. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung kann man dann alle Angehörigen aus bestimmten Staaten pauschal aushorchen, eine ganz große Datei anlegen und damit diese Menschen unter ständiger Kontrolle halten. Es geht nicht um Sicherheit, es geht um pauschale Verdächtigungen und um systematische Überwachung. Die einen, zum Beispiel Journalisten oder Anwälte, will man präventiv abhören, und die anderen, diese Ausländer und Ausländerinnen, will man präventiv aushorchen. Darum geht es.
Des Weiteren geht es um eine ungeheure Verunsicherung der betroffenen Menschen; denn eine Aufenthaltsverlängerung ist für diesen Personenkreis eine existenzielle Frage. Da der Fragebogen bei jeder Verlängerung ausgefüllt werden muss, fragt man sich, was passiert, wenn jemand beim nächsten Mal die Fragen anders beantwortet, und zwar ganz einfach deswegen, weil er oder sie sich anders erinnert oder die Sachverhalte nicht mehr genau im Kopf hat. Der Fragebogen wird als Geheimsache eingestuft. Man darf sich keine Kopie machen. Man darf sich nichts aufnotieren, und er liegt in der Regel nur in deutscher Sprache vor. Man muss ihn auf der Ausländerbehörde in deutscher Sprache ausfüllen und darf niemanden hinzuziehen.
Wer sich den Fragebogen durchliest, stellt sich an vielen Stellen die Frage: Was hat diese Frage mit Terrorismusbekämpfung zu tun? Ist zum Beispiel jemand des Terrors verdächtig, wenn er sich irgendwann einmal im ehemaligen Jugoslawien aufgehalten hat? Da wird gefragt, wann sich jemand in Jugoslawien aufgehalten hat, aber nicht danach, welchen Zweck der Aufenthalt hatte. Die bloße Tatsache, dass sich jemand irgendwann einmal in einem der Staaten des ehemaligen Jugoslawien aufgehalten hat, kann aus meiner Sicht kein Verdachtsmoment begründen.
Eine andere Frage lautet: „Waren Sie Mitglied in einem Verein, bei dem der Schießsport gepflegt wurde?“ Meine Damen und Herren, wenn man die Mitglieder der bayerischen Schießsportvereine in die Nähe des Terrorismus rücken würde nur deswegen, weil sie dem Schießsport nachgehen, wäre hier im Land aber etwas los.
Eine andere Frage: „In welchen Vereinen waren Sie im Übrigen in Ihrem Heimatland tätig?“ Oder: „Hatten Sie jemals eine verantwortliche Position in einer Einrichtung des Staates inne, zum Beispiel in einer Universität?“ Seit wann ist die Mitgliedschaft in einem Verein, zum Beispiel in einem Schachklub sicherheitsrelevant? Ist man schon deshalb des Terrorismus verdächtig, wenn man Universitätsprofessor war? – Was sollen diese Fragen im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung?
Ich denke, diese Beispiele machen deutlich, dass es um eine pauschale Aushorcherei, um eine pauschale Erfassung von Daten und eine pauschale Verdächtigung geht.
Ganz nebenbei: Bei manchen Fragen hat man wirklich den Eindruck, dass hier echte bayerische Beamte am Werk waren, die sich vorstellen, dass die ganze Welt so organisiert ist wie Bayern. Da gibt es Schießsportvereine, da gibt es alle möglichen anderen Vereine, in denen man sich organisiert, und wenn man eine Waffe will, braucht man selbstverständlich einen Waffenschein und muss das Ganze anmelden. Ich würde Ihnen vorschlagen, einmal in die Welt hinauszugehen und sich anzusehen, ob sie tatsächlich so organisiert ist, wie wir das hier in Bayern gewöhnt sind.
Meine Damen und Herren, mit diesen Fragen kann man wirklich keine Terroristen aufspüren; diese Fragen haben einen ganz anderen Zweck.
Damit komme ich zu dem ominösen Anhang des Fragebogens. Da wurden 92 Parteien und Organisationen aufgelistet, die man beim Bayerischen Verfassungsschutz und im Bayerischen Innenministerium für terrorismusverdächtig hält. Gefragt wird dann: „Waren Sie jemals Mitglied oder hatten Sie Kontakt zu einer in der Anlage genannten Vereinigung? Hatten Sie jemals Kontakt zu einer Person, die einer solchen Vereinigung angehörte oder ihr nahe stand?“ – Wie will man das beurteilen? „Haben Sie eine oder mehrere dieser Vereinigungen oder ihr nahestehenden Personen jemals durch Spenden oder in sonstiger Weise unterstützt?“ Was heißt „in sonstiger Weise“? Die Fragen sind nur mit Ja oder Nein zu beantworten.
Dann heißt es weiter: „Sind Sie für eine oder mehrere dieser Vereinigungen oder ihr nahestehenden Personen, und sei es nur aus Gefälligkeit, Höflichkeit oder Gastfreundschaft, tätig geworden?“
Man muss sich diese Fragen einmal ansehen und sich vor Augen führen, was man mit diesen Fragen herausfinden will. Wenn jemand einem anderen einen Tee gebracht hat, von dem er vermutet, er gehöre irgendeinem Moscheeverein an, dann wird er in Bayern bereits des Terrorismus verdächtigt. Ich habe mir mit Hilfe des Internets die Vereinigungen angeschaut. Von den 92 Vereinigungen sind über 40 türkisch. Aber türkische Staatsangehörige werden aufgrund des Assoziationsabkommens zwischen der EU und der Türkei überhaupt nicht befragt. Man muss sich fragen, weshalb so viele türkische Parteien in dieser Terrorliste erscheinen. Dient der Fragebogen etwa nicht nur, wie vorgegeben, der Aufenthaltsverlängerung, sondern ist er zum Beispiel Grundlage bei einem Einbürgerungsantrag? Ganz abgesehen davon gewinnt man den Eindruck, dass der Hort
des internationalen Terrorismus in der Türkei sitzt. Ich frage mich, ob hinter der Aktion eine gezielte Absicht steckt.
Ich habe weiter festgestellt, dass zum Beispiel die Partei des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, die AKP, ebenfalls in dieser Liste aufgeführt wurde. Auch die Vorläuferparteien der AKP sind in dieser Terrorliste enthalten. Aber die AKP ist als Sieger der letzten Parlamentswahlen in der Türkei im November hervorgegangen und hat im Parlament beinahe eine Zweidrittelmehrheit. Hier in Bayern wird diese Partei des Terrorismus verdächtigt. Diese Einstufung hat in der türkischen Presse zu Recht Empörung ausgelöst. Es gab Anfragen im türkischen Parlament und der Deutsche Botschafter wurde zitiert. Er musste sich für diese Geschichte entschuldigen. Andererseits taucht in der Liste zum Beispiel die Partei von Saddam Hussein, die Baath-Partei, nicht auf. Sie fehlt auf dieser Liste. In der Liste aufgeführt sind aber die nordirakischen kurdischen Parteien, zum Beispiel die DPK und die PUK. Man muss sich die Frage stellen: Nach welchen Kriterien werden Parteien und Organisationen in Bayern des internationalen Terrorismus verdächtigt? Diejenigen, die an der Seite der Amerikaner gegen den Diktator Hussein gekämpft haben, gelten in Bayern als des Terrorismus verdächtig und der Diktator und seine Partei nicht. Das ist aus meiner Sicht absurd. Ich sage auch: Der Verfassungsschutz und Herr Beckstein sind ein Sicherheitsrisiko.
Richtig. Diejenigen, die Mitglieder der Baath-Partei sind, stehen nicht auf der Liste. Und die anderen sind in der Terrorliste enthalten. Das ist aus meiner Sicht absurd.
Diese Vorgehensweise macht deutlich: Es wird endlich Zeit, dass wir bundesweit zu einheitlichen Kriterien und Standards bei der Einstufung von terroristischen Gruppierungen und Organisationen kommen und dass nicht jedes Bundesland die Einstufung nach eigenem Gutdünken vornehmen kann. Dieser Vorgang macht aber auch deutlich, dass die Geheimniskrämerei – der Fragebogen und der Anhang sind geheim – nur eklatante Fehler decken soll. Die ganze Aktion ist eine dilettantische kostspielige Aushorchaktion, die der Pflege des Feindbildes der CSU dient, aber nicht der Sicherheit der Bevölkerung. Deshalb fordern wir die Einstellung der Befragung.
Herr Staatssekretär, ich frage die Staatsregierung: Wie viele Einbürgerungen gab es in den letzten zwei Jahren, wie viele Anträge wurden abgelehnt, und was waren die häufigsten Gründe?
Herr Staatssekretär, gibt es Schätzungen und Erfahrungswerte zum zweiten Teil meiner Frage, nämlich was die Ablehnungen betrifft?
Herr Staatssekretär, was ich schwer nachvollziehen kann und deshalb noch nachprüfen werde, ist, dass die Zahl der Antragstellungen auf Einbürgerung nicht erfasst wird.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kreuzer, Sie haben voller Inbrunst erklärt, dass Sie jedes weitere Zuwandern ablehnen. Ich frage Sie zurück: Gilt das auch für den FC-Bayern?
Der Ausländeranteil des FC-Bayern ist sehr, sehr hoch. Wenn Sie sich hier voll Inbrunst hinstellen, dann will ich
schon sagen: Sehen Sie sich doch einmal um. Es gibt noch weitere Beispiele in Bayern, wo vordergründig Begrenzung gefordert, dann aber beispielsweise die Green Card in besonderer Weise angenommen wird. Oder es werden Sonderregelungen mit Berlin ausgehandelt, wenn es in Bayern Arbeitskräftemangel gibt. So ist dann beispielsweise möglich, dass Pflegekräfte aus osteuropäischen Ländern in Bayern arbeiten können. So sieht Ihre doppelbödige Migrationspolitik aus.
Meine Damen und Herren, wenn in der kommenden Woche die Ausländer- und Integrationsbeauftragten des Bundes und der Länder auf Einladung des SPD-Bürgermeisters, Herrn Wengert, in Augsburg, zu Ihrer alljährlichen Jahrestagung zusammentreffen, dann wird das Land Bayern entweder überhaupt nicht vertreten sein, oder es wird sich durch einen Beamten aus dem Sozialministerium vertreten lassen. Für mich ist das ein Ausdruck davon, wie man in Bayern Integrationspolitik versteht. Integrationspolitik wird bürokratisch verwaltet, aber nicht innovativ gestaltet.
Schon gar nicht werden aber Migrantengruppen und -organisationen in die zu entwickelnden Konzeptionen einbezogen. Deshalb wird das Thema Migration und Integration von der CSU – das haben wir gerade vom Kollegen Kreuzer wieder gehört – immer unter den Vorzeichen diskutiert: Migranten belasten uns, Migranten bedrohen uns. Die andere Seite der Zuwanderung, die damit verbundene Innovation, die wirtschaftliche und kulturelle Bereicherung unseres Landes wird negiert. Wir, die Grüne Landtagsfraktion, haben in der vergangenen Woche ein interkulturelles Parlament durchgeführt, bei dem wir erfolgreiche Unternehmer und Unternehmerinnen mit Migrationshintergrund eingeladen hatten. Sie erzählten uns, welches wirtschaftliche Potenzial in den in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten steckt, welchen Beitrag diese Menschen zum Wohlstand unseres Landes beitragen, und welche Hürden sie hier zu überwinden hatten.
Die Zuwanderungskommission der Bundesregierung hat errechnet: Zwei Millionen Migrantinnen und Migranten sind in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Circa 263000 sind als Selbstständige in Industrie, Handel und Handwerk tätig. Sie schaffen dort im Durchschnitt drei bis vier Arbeitsplätze. Die Beschäftigungseffekte, so sagt der Zuwanderungsbericht, können auf mehr als insgesamt eine Million Erwerbstätige veranschlagt werden. Sie sind damit zu einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor in Deutschland geworden und schaffen nicht nur Beschäftigung, sondern sie bereichern auch das Güter- und Dienstleistungsangebot in unserem Land.
Gerade vor dem Hintergrund des aktuellen Lehrstellenmangels könnte man seitens der Bayerischen Staatsregierung, des Wirtschaftsministeriums und der Kammern
Initiativen ergreifen und gezielt auf ausländische Unternehmen zugehen, um die dort vorhandenen Ausbildungskapazitäten zu erschließen.
Nach Untersuchungen des Zentrums für Türkeistudien könnten theoretisch etwa 80% der türkischen Betriebe ausbilden und dabei ein breites Berufsspektrum abdecken. 40% der Betriebe erfüllten bereits jetzt die Voraussetzungen. Tatsächlich bilden aber nur 10% der Betriebe aus. Das macht deutlich, welches Potenzial hier vorhanden ist.
Laut dieser Untersuchung des Zentrums für Türkeistudien in Essen – dort ist das, glaube ich – zeigten 75% der türkischen Unternehmer durchaus die Bereitschaft zur Ausbildung. Es geht also im Prinzip nur darum, die bestehenden Hemmnisse – zum Beispiel mangelnde Erfahrung, Informationsdefizite, Furcht vor der Ausbildereignungsprüfung und vor bürokratischen Hürden – abzubauen.
Wie wir uns leicht vorstellen können, entwickelt die Bayerische Staatsregierung hier aber keinen großen Ehrgeiz. Sie hat im März letzten Jahres auf eine Schriftliche Anfrage meiner Kollegen Martin Runge und Emma Kellner betreffend die ausländischen Selbstständigen in Bayern geantwortet, für die Beantwortung der Frage liege kein ausreichendes Datenmaterial vor. In der Regel erfolge keine Differenzierung zwischen deutschen und ausländischen Unternehmen. Damit war die Beantwortung beendet.
Wenn schon kein Datenmaterial vorliegt, dann gibt es auch keine Erkenntnisse darüber, welche Potenziale hier schlummern und vergeudet werden. Es ist die übliche Ignoranz, die einem hier in Bayern bei der Frage von Migration und Integration aufseiten der Staatsregierung begegnet.
Wenn es allerdings um Aussiedler geht, dann wird zum Beispiel im Landesentwicklungsprogramm ausführlich die wirtschaftliche Bedeutung beschrieben, die die Zuwanderung dieser Migrantengruppe zur Folge hat. Können Sie mir erklären, warum die Zuwanderung von Menschen aus Kasachstan ein Segen ist und die Zuwanderung von Menschen aus der Türkei quasi des Teufels? Mir erschließt sich das jedenfalls nicht.
Schauen Sie in Ihr Landesentwicklungsprogramm hinein. Dort gibt es ganze Absätze darüber, welche Bereicherung die Zuwanderung von Aussiedlern für Bayern bedeutet. Wenn es aber um die Zuwanderung von anderen Gruppen geht, dann heißt es – wir haben Herrn Kollegen Kreuzer gehört –, das muss begrenzt werden. Also kann man mit Recht sagen, das eine ist für Sie ein Segen und das andere ist für Sie des Teufels. So habe ich es gemeint.
Lassen Sie mich ein paar Sätze zur Integration der Aussiedler sagen. Die Integration von Aussiedlern macht Ihnen und uns die gleichen Probleme wie die Integration von anderen Migrantengruppen. Das fängt bei den Sprachproblemen an. In den Familienverbänden spricht mittlerweile höchstens eine Person Deutsch. Alle anderen in dem Familienverband sprechen kein Wort Deutsch. Das geht weiter bei der Wohnungssuche bzw. den Wohnungsproblemen. Das geht weiter in der Schule und in der Ausbildung bis hin zu den Problemen beim Arbeitsmarktzugang. Bezüglich des Arbeitsmarktzugangs muss gesehen werden, dass die im Heimatland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüsse nicht anerkannt werden. Das führt dazu, dass Ärztinnen oder Ingenieure aus Kasachstan – also aus der Aussiedlergruppe – hier keine Möglichkeit haben, in ihrem erlernten Beruf tätig zu werden.
Deshalb fordere ich ein Integrationskonzept, das alle Migrantengruppen gleichermaßen erfasst. Dieses Konzept sollte auch dabei mithelfen, dass die Projektförderungen von Bund und Land insbesondere bei der Integration von Aussiedlern vernünftig aufeinander abgestimmt werden. Es soll nicht so sein, wie es jetzt oft ist, dass Projekte mit einer Anschubfinanzierung auf den Weg gebracht werden und dann, wenn sie laufen, nicht weiter finanziert werden, weil die Anschlussfinanzierung nicht von Anfang an festgeschrieben wurde.
Meine Damen und Herren, wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben mit unserem Bayerischen Integrationsgesetz dargelegt, wie wir uns die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die die Integration ermöglichen sollen, vorstellen. Stichworte: nachholende Integration, Förderung der interkulturellen Kompetenz sowie Gleichstellung und Einbeziehung von Migrantengruppen.
Nun lese ich im Folgebericht der Bayerischen Staatsregierung zur Ausländerintegration, welche Teile des Gesetzentwurfs die Bayerische Staatsregierung als völlig unakzeptabel einstuft. Völlig unakzeptabel sei zum Beispiel die Förderung der Muttersprache und der Zweikulturalität von Migrantinnen und Migranten. Dazu muss ich Ihnen sagen, Sie sind nicht auf der Höhe der Zeit. In der Wirtschaft und an unseren Universitäten wird die Beherrschung mehrerer Sprachen und das Beheimatetsein in anderen Kulturen als innovatives Element, als interkulturelle Kompetenz und damit als Vorteil angesehen. Sie aber lehnen die Förderung dieser Fähigkeiten vollkommen ab.
Der Nordrhein-Westfälische Landtag hat einstimmig die Förderung der Muttersprache und der Zweikulturalität gefordert. Schauen Sie doch einmal über den bayerischen Tellerrand hinaus und legen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen ab, wenn Sie über Integration diskutieren.
Eine Passage in Ihrem Bericht ärgert mich besonders. Es ist geradezu verleumderisch, zu behaupten, dass wir in unserem Integrationsgesetz die Einstellung von Migranten im öffentlichen Dienst gefordert hätten, ohne dass diese die dafür erforderliche Qualifikation mitbringen. Das ist eine bewusste Verdrehung dessen, was wir gefordert haben. Wenn Sie schon Berichte schreiben,
um über den politischen Gegner Lügen zu verbreiten, dann sage ich Ihnen, Sie brauchen diese Berichte gar nicht vorzulegen; denn das ist ein Missbrauch von Steuergeldern.
Das, was wir fordern, ist die interkulturelle Öffnung der öffentlichen Verwaltung, der sozialen Dienste und der Universitäten. Sie ist nur zu schaffen, wenn Menschen mit Migrationshintergrund auch eingestellt werden. Um nichts anderes ging es uns bei dieser Passage im Gesetzentwurf.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich muss Ihnen sagen, Ihre Kritik an unserem Gesetz in Ihrem Ausländerbericht entlarvt Sie als integrationspolitisches Fossil. Sie sind nicht auf der Höhe der Zeit. Es wird Ihnen in diesem Fall so gehen wie schon vor Jahren bei der Frauenpolitik. In der Frauenpolitik haben Sie jahrelang unsere Forderungen abgelehnt, und eines Tages mussten Sie klammheimlich alles übernehmen, was wir schon immer gefordert haben. So wird es Ihnen auch hier gehen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Staatssekretär Regensburger.
Das heißt nicht Wahlkampf auf dem Rücken der Ausländer, sondern das heißt, der Bevölkerung reinen Wein einschenken. Dazu soll auch diese Debatte dienen. Ich bin deshalb dankbar, dass wir heute die Möglichkeit dazu haben.
Ich darf ergänzend zu dem, was Kollege Kreuzer schon ausgeführt hat, auch die Position der Staatsregierung darlegen. Wenn Sie meinen, unter Hinweis auf den gesellschaftlichen Konsens zum Zuwanderungsgesetz, von dem auch Minister Schily immer spricht, über die Runden zu kommen, müssen Sie dem die Meinungsumfragen gegenüberstellen. In den Meinungsumfragen wird zu weit mehr als Zweidritteln unsere Position vertreten. Sie sollten vielleicht einmal eine Mitgliederbefragung zu diesem Thema in Ihrer eigenen Partei oder im DGB durchführen.
Sie wären sehr erstaunt, welche Ergebnisse dabei herauskommen. Ich weiß das von vielen Veranstaltungen, gerade auch in meiner Heimatstadt in dem Viertel, wo die Audi-Mitarbeiter wohnen, die fast alle Gewerkschaftsmitglieder sind. Dort wird diese Diskussion am heftigsten geführt, weil sie natürlich von dieser Thematik
in den Bereichen Wohnung, Schule und Kindergarten am unmittelbarsten betroffen sind.
Ich darf Ihnen ankündigen, dass ich heute auch die Position des Sozialministeriums, das für den Integrationsteil zuständig ist, übernehme. Ich bitte, die beiden Kabinettsmitglieder aus dem Sozialministerium zu entschuldigen; sie haben das auch formell beim Landtagspräsidenten getan. Die Ministerin ist beim Hörfunkrat in Berlin, und Kollege Schmid ist bei der Jugendministerkonferenz – ich meine, das sind zwei Gründe für eine ausreichende Entschuldigung.
Ich darf kurz auf den 18. Dezember 2002 zurückblicken. An diesem Tag hat, wie Sie wissen, das Bundesverfassungsgericht auf die Normenkontrollklage von Bayern und anderen unionsgeführten Ländern das rot-grüne Zuwanderungsgesetz für nichtig erklärt. Bereits der Bundespräsident hatte bei der Ausfertigung des Gesetzes am 20. Juni 2002 darauf hingewiesen, dass in der maßgeblichen Sitzung des Bundesrates – ich zitiere den Bundespräsidenten – eine verfassungsrechtliche Verfahrensvorschrift in gewagter Weise ausgereizt und damit eine politische Kampfsituation auf die Spitze getrieben worden ist. So die Äußerung des Bundespräsidenten. Die Karten müssen also neu gemischt werden, meine Damen und Herren. Ich darf Ihnen versichern, dass die Union die Chance nutzen wird, die künftige Zuwanderungspolitik verantwortungsbewusst zu gestalten und an den wirklichen deutschen Interessen auszurichten.
Wie wird es in den nächsten Monaten weitergehen? – Darüber wird in diesen Tagen viel spekuliert. Der Bundestag hat, wie bekannt, den Gesetzentwurf mit der Mehrheit von Rot-Grün unverändert beschlossen. Eines ist jedoch sicher, und sicherlich haben Sie darüber keine anderen Vorstellungen: Gegen den Willen der unionsregierten Länder kann die Bundesregierung ihr Zuwanderungsgesetz Gott sei Dank nicht durchsetzen. Es handelt sich um ein Gesetz, dem der Bundesrat zwingend zustimmen muss.
Ganz im Sinne des Dringlichkeitsantrages werden wir das Gesetz im Bundesrat strikt ablehnen. Letzten Endes wird es dann wohl zu einer Anrufung des Vermittlungsausschusses mit schwierigen und wahrscheinlich auch langwierigen Verhandlungen kommen. Vor diesem Hintergrund haben die Innenminister und Senatoren der Union sowie die führenden Innenpolitiker der CDU/CSUBundestagsfraktion bei ihrer Konferenz vor kurzem, nämlich am 12. Mai in Bremen vorgeschlagen, wenigstens die Fragen der Integration aus diesem Zuwanderungsgesetz auszuklammern und vorab in einem Integrationsgesetz zu regeln. Wir sind uns einig, dass der Integrationsteil wichtig ist. Abgesehen von den Finanzen gibt es darüber auch keinen sehr großen Dissens zwischen den Parteien.
Unter Federführung Niedersachsens wird bereits ein entsprechendes Gesetz erarbeitet, damit Maßnahmen zur dringend notwendigen Verbesserung der Integration von Ausländern schnellstmöglich in Angriff genommen werden können. Dieses Integrationsgesetz soll dann sowohl durch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den
Bundestag als auch durch die Unionsländer in den Bundesrat eingebracht werden.
Der Dringlichkeitsantrag der CSU-Landtagsfraktion, meine Damen und Herren Kollegen, fasst die Hauptkritikpunkte am Zuwanderungsgesetz sehr prägnant zusammen. Ich darf auf einige Schwerpunkte eingehen.
Die rot-grüne Koalition wird nicht müde zu behaupten, sie wolle die Zuwanderung begrenzen. Kollege Kreuzer hat schon aus der Begründung des Gesetzentwurfes zitiert, und ich möchte dies wiederholen, weil diese Begründung natürlich wichtig ist, um die Intention, die zu diesem Gesetz geführt hat, deutlich zu machen. Ich zitiere aus der amtlichen Begründung der Bundesregierung: Zu den öffentlichen Interessen gehören im Gegensatz zum geltenden Ausländergesetz nicht länger eine übergeordnete ausländerpolitische einseitige Grundentscheidung der Zuwanderungsbegrenzung oder der Anwerbestopp. Das ist eine ganz, ganz wichtige Aussage. Ich habe jetzt leider nicht im Wortlaut vorliegen, was die Sprecherin der GRÜNEN bei der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag gesagt hat. Sinngemäß war es aber so, dass sie triumphiert hat, dass in Deutschland jetzt endlich der Durchbruch zu einem multikulturellen Einwanderungsland geschafft ist.
Das ist die Position von Rot-Grün, meine Damen und Herren; das müssen Sie sich immer vorhalten lassen. Diese Grundintention können Sie nicht durch Auslegung einzelner Bestimmungen dieses Gesetzes verschleiern. Tatsache ist damit, meine Damen und Herren, dass der Gesetzentwurf die Zuwanderung in allen Bereichen massiv ausweiten und erleichtern würde. Dies gilt für die Zuwanderung unter Vorgabe humanitärer Gründe ebenso wie für die Arbeitsmigration. Auch auf diese Punkte ist Kollege Kreuzer schon im Detail eingegangen. Deutschland soll damit unter Preisgabe seiner Identität tatsächlich in ein multikulturelles Einwanderungsland umgewandelt werden. Das ist die Position von RotGrün.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns nochmals die Ausgangsposition vergegenwärtigen. Deutschland ist, wie bekannt, seit vielen Jahren einem sehr hohen Zuwanderungsdruck aus den weniger entwickelten Regionen dieser Welt ausgesetzt. Die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer hat sich zwischen 1979 und 1999 von 3,5 Millionen auf nunmehr 7,3 Millionen Menschen mehr als verdoppelt. Dreiviertel dieser Menschen stammen aus Nicht-EU-Staaten. Das Problem besteht darin, dass die Mehrzahl dieser Zugewanderten nicht in die Arbeit, sondern in die Sozialsysteme zuwandert. Auch dies lässt sich anhand der Statistiken unschwer belegen; denn trotz des hohen Anstiegs der Zahl der Ausländer bleibt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter den Ausländern nahezu konstant, nämlich bei 2 Millionen. Ursprünglich waren 1999 bei 3,5 Millionen Ausländern 2 Millionen sozialversicherungspflichtig, jetzt bei 7,3 Millionen Ausländern ist die Zahl fast die gleiche.
In der Zeit von 1992 bis 1999 stieg das Erwerbspersonenpotenzial unter den Ausländern zwar um 400000, die Zahl der tatsächlich Beschäftigten jedoch nur um 7000.
Besondere Sorge muss uns allen und auch Ihnen dabei bereiten, dass Ausländer weit überproportional an der Arbeitslosigkeit beteiligt sind. Nach einem Bericht in der „Süddeutschen“ vom 8. Mai 2003 sind in München ein Drittel aller Arbeitslosen zwischenzeitlich Ausländer.
Mit einem Ausländeranteil von rund 9% im gesamten Bundesgebiet und in Bayern nehmen wir, was den Ausländeranteil anbelangt, den Spitzenplatz unter den westlichen Industrienationen ein. Zum Vergleich: Der EUDurchschnitt liegt bei ganzen 5,5%, der Ausländeranteil in Frankreich und in Italien bei etwa 6%, in Großbritannien bei 4% und in Spanien bei 3,5%. Wer uns also der Ausländerfeindlichkeit bezichtigt, Frau Köhler, wie Sie das immer wieder versuchen, muss diese Zahlen zur Kenntnis nehmen und muss auch zur Kenntnis nehmen, dass wir in Notsituationen, zum Beispiel während des Bürgerkriegs in Jugoslawien, mehr als die Hälfte aller, die nach Europa gekommen sind, in Deutschland aufgenommen haben.
Das ist eine gewaltige Leistung, die die grundsätzliche Ausländerfreundlichkeit der Deutschen unter Beweis stellt.
Wir müssen auch in Zukunft nach allen Prognosen mit einem hohen Zuwanderungsdruck rechnen. Gerade die Folgen der EU-Ost-Erweiterung werden dabei viel zu wenig berücksichtigt. Experten gehen davon aus, dass allein auf Deutschland ein Potenzial von jährlich 300000 bis 400000 Personen zukommen wird.
Die Bayerische Staatsregierung und die Union setzen im Gegensatz zu Ihnen auf eine verantwortungsbewusste Zuwanderungspolitik, die die Identität unseres Staates mit seiner christlich-abendländischen Prägung bewahrt und auch die Interessen unserer einheimischen Staatsbürger gebührend berücksichtigt. Aktuelle Umfragen verdeutlichen, dass die Bevölkerung in ganz großer Mehrheit eine erweiterte Zuwanderung strikt ablehnt.
Unsere Leitlinien für die Zuwanderungspolitik heißen deshalb: Der Zustrom aus Nicht-EU-Staaten muss auf ein sozialverträgliches Maß begrenzt werden.
Die Zuwanderung in unsere Sozialsysteme, die ohnehin vor dem Zusammenbruch stehen, fällt vielfach unter Missbrauch des Asylrechts und muss nachhaltig reduziert werden. Die so gewonnenen Spielräume für die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte sind zu nutzen und die rechtmäßig und dauerhaft bei uns lebenden Ausländer müssen besser als bisher integriert werden. Für uns ist die Integrationsfähigkeit von Staat und Gesellschaft der entscheidende Maßstab für die Zuwanderung, damit Menschen unterschiedlicher Herkunft auch in Zukunft in Deutschland friedlich miteinander leben können.
Sie sollten vielleicht auf Ihren ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt hören, der schon in seiner Regierungszeit gesagt hat: Wenn der Ausländeranteil über 5%
liegt, wird es gefährlich, weil dann die Integrationsfähigkeit und Integrationsbereitschaft der deutschen Bevölkerung überfordert wird. Heute haben wir fast das Doppelte dieser Prozentzahl.
Bevor ich zum Schluss auf den Integrationsteil eingehe, möchte ich etwas zu den Ausführungen der Oppositionsredner sagen. Herr Kollege Vogel, Sie haben von „zynischer Härte bayerischer Ausländerpolitik“ gesprochen. Meine Damen und Herren, unsere Beamten in den Kreisverwaltungsbehörden tun nichts anderes, als das, was die Verfassungsänderung des Jahres 1992 vorschreibt. Diese wurde mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen und die Beamten haben die Aufgabe, die Ausführungsgesetze in die Praxis umzusetzen. Sie sollten diesen Leuten, die eine harte Arbeit leisten müssen, nicht permanent in den Rücken fallen.
Herr Kollege Vogel, Sie haben vom gemeinsamen Wort der Kirchen gesprochen. Sie bemühen sehr gerne die Kirchen, wenn es Ihnen in den Kram passt. Bei vielen anderen Themen beziehen Sie sich nicht auf die Kirchen. Ich darf Ihnen dafür ein Beispiel geben: Ich war vor einiger Zeit auf einer internationalen Tagung in Mailand, die zu dieser Problematik durchgeführt wurde. Bei dieser Tagung war auch ein hochrangiger Vertreter des Vatikan dabei. Dieser hat drei Tage lang geschwiegen. Bei der Schlussbesprechung habe ich erklärt, dass es mich sehr interessieren würde, was der Vertreter des Vatikan zu dieser Problematik sagen möchte. Er hat dann mit einem treuherzigen Augenaufschlag erklärt, nach der Meinung des Vatikan und der Kirche sollte jeder Mensch dort leben können, wo er will. Meine Damen und Herren, das ist eine edle Auffassung, kann aber keine praktische Handlungsanweisung für verantwortungsvolle Politik sein.
Sie haben uns vorgeworfen, dass die Union konstruktive Gespräche abgelehnt hätte. Das Gegenteil ist der Fall. In der Presse war zu lesen, dass sich Minister Dr. Beckstein als Verhandlungsführer der Union mit Herrn Innenminister Schily auf bayerischem Boden getroffen hat. Beide waren sich sogar weitgehend einig. Der dort erarbeitete Entwurf wäre meiner Ansicht nach im Bundestag konsensfähig gewesen. Er war jedoch nicht in der rotgrünen Koalition konsensfähig. Herr Schily ist dann in die Koalition gegangen und hat dort wesentliche Dinge auf dem rot-grünen Koalitionsaltar opfern müssen. Von Herrn Schily stammt die Äußerung: „Das Boot ist voll.“ Von Herrn Schily stammt die Äußerung, dass es keinen Handlungsbedarf bei der geschlechtsspezifischen Verfolgung gebe. Das sind nicht unsere Aussagen. Ich zitiere nur Ihren Bundesinnenminister Schily.
Sie wissen, dass wir auf Bundesebene nicht blockieren. Wer jedoch einen Gesetzentwurf, bei dem keine Chance auf Umsetzung besteht, völlig unverändert beschließt, blockiert und will keine Lösung. Mit dieser Methode werden Sie keinen Konsens erreichen. Frau Kollegin Köhler, Sie haben erklärt, Sie hätten Herrn Kollegen Kreuzer so verstanden, dass wir jede Zuwanderung ablehnten. Im
Gegenteil: Beim FC Bayern, in der Informations– und Kommunikationstechnik und überall, wo wir hoch qualifizierte Kräfte brauchen, sind wir für die Zuwanderung, aber nicht um den Preis, dass diese Zuwanderung oben draufgesetzt wird. Das ist der Unterschied zwischen den Vorstellungen der rot-grünen Koalition und der CSU. Wir müssen durch eine Reduzierung derjenigen, die uns belasten, einen Spielraum erreichen, damit wir diejenigen, die wir brauchen, bei uns aufnehmen können. Frau Angela Merkel hat einmal gesagt: „Wir wollen mehr Zuwanderung von Leuten, die wir brauchen und weniger von Leuten, die uns brauchen.“ Herr Staatsminister Dr. Beckstein hat das etwas anders formuliert, inhaltlich aber das Gleiche gemeint.
Jeder Staat der Welt gestaltet seine Ausländerpolitik auch nach nationalen Interessen. Sehen Sie sich einmal die traditionellen Einwanderungsländer an. In Australien können Sie zuwandern, wenn Sie nicht älter als 45 Jahre sind, einen qualifizierten Beruf haben, der dort Mangelberuf ist, wenn Sie unbescholten sind und gut Englisch sprechen können. Das sind die Voraussetzungen für eine Zuwanderung nach Australien. Wir müssen unsere Zuwanderung nach Kriterien gestalten, die in unserem nationalen Interesse liegen.
Frau Kollegin Köhler, Sie haben Aussiedler mit Ausländern gleichgesetzt. Das ist völlig abwegig. In Artikel 116 Grundgesetz sind die Kriterien für die Zuwanderung von deutschen Volkszugehörigen geregelt. Wenn in einer Familie eine Person die deutsche Volkszugehörigkeit hat und die deutsche Sprache spricht, sind die Integrationschancen – vor allem bei der Erlernung der Sprache – größer als bei einer Familie, in der keine Person Deutsch spricht. In türkischen Familien verbietet der Mann häufig der Frau, einen Deutschkurs zu besuchen. Das ist der Grund, warum die Integration bei Menschen aus anderen Kulturkreisen häufig nicht vorankommt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch einige Anmerkungen zum Thema „Integration“ machen: Wir müssen bei der Integration Schwerpunkte setzen. Die Integration wird im Zuwanderungsgesetz aber bisher nur höchst oberflächlich behandelt. So fehlen bereits grundsätzliche Aussagen zu den eigentlichen Zielen der staatlichen Integrationspolitik. Hier gilt für uns die Devise: Wer auf Dauer in Deutschland leben will, muss sich auch nach besten Kräften in unsere rechtliche, politische und gesellschaftliche Situation einfügen. Zuwanderer müssen nicht nur die deutsche Sprache beherrschen und unsere Rechtsordnung anerkennen, sondern auch die Grundwerte unserer Gesellschaft.
Sie kennen den Begriff der deutschen Leitkultur. Wenn Sie ihn so verstehen, müssten Sie ihn eigentlich auch akzeptieren können. Wir fordern dabei keineswegs eine Assimilierung von Ausländern mit der Preisgabe ihrer kulturellen oder religiösen Identität. Das ist nicht unser Ziel. Eines aber muss klar sein: Integration erfordert nicht nur Anstrengungen der Aufnahmegesellschaft, sondern kann nur funktionieren, wenn auch der Ausländer selbst bereit ist, Integrationsleistungen zu erbringen.
Dieser Aspekt kommt bei der SPD und bei den GRÜNEN leider immer viel zu kurz.
Ihr Zuwanderungsgesetz hat einen wesentlichen Mangel: Es genügt nicht, Integrationskurse nur für neue, also künftig zuwandernde Ausländer, anzubieten. Integrationskurse müssen vor allem den bereits bei uns lebenden Ausländern angeboten werden. Für diese Menschen ist in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nichts vorgesehen. Bei bestimmten Gruppen der seit langem bei uns lebenden Ausländer gibt es hohe Integrationsdefizite und erhebliche Tendenzen zur Entstehung von Parallelgesellschaften. Kreuzberg lässt grüßen. Gehen Sie einmal nach Kreuzberg. Sie werden da nicht mehr wissen, wo Sie sind.
Die Teilnahme an Integrationskursen, bei denen neben Deutsch auch Grundkenntnisse unserer Rechts– und Gesellschaftsordnung vermittelt werden, muss deshalb obligatorisch sein.
Die Kosten sind noch ein erheblicher Streitpunkt zwischen den Parteien im Bundestag. Der Bund darf sich hier keinesfalls aus seiner Verantwortung stehlen. Daneben haben nach unserer Auffassung auch die Ausländer selbst und die Arbeitgeber, die einen Ausländer beschäftigen wollen, einen angemessenen Beitrag zur Integration zu leisten. Bei Nichtteilnahme an Integrationskursen und mangelnder Integrationsbereitschaft kommen wir um wirksame Sanktionen oder Anreize nicht herum. Diese müssen bis zur Versagung von Aufenthaltsrechten oder bis zur Kürzung von Sozialleistungen reichen.
Um die Integration von Kindern zu verbessern muss das Nachzugsalter laut der bayerischen Forderung auf zehn Jahre abgesenkt werden. Das ist nicht familienfeindlich, sondern familienfreundlich, wenn man es genau durchdenkt.
Meine Damen und Herren, nur so kann erreicht werden, dass die Kinder wenigstens noch einen Teil ihrer Schulausbildung in Deutschland absolvieren und nicht in der Türkei, wie wir immer wieder feststellen müssen. Der Schulbesuch in Deutschland ist eine unerlässliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration, weil er die Chance bietet, dass der Ausländer in ausreichendem Umfang Deutsch lernt und damit Chancen auf dem Ausbildungs– und dem späteren Arbeitsmarkt hat.
Hier stellt das Zuwanderungsgesetz die Weichen falsch. Zwar wird das Zuzugsalter scheinbar auf 12 Jahre abgesenkt, weitreichende Ausnahmen ermöglichen jedoch einen Kindernachzug regelmäßig bis zum 18. Lebens
jahr. Das ist also gegenüber der jetzigen Rechtslage sogar noch eine Verschlechterung.
Bundesinnenminister Schily hat allerdings auf europäischer Ebene einer politischen Einigung aller europäischen Innenminister beim Familiennachzug zugestimmt, nach der das Nachzugsalter nicht unter 12 Jahre abgesenkt werden darf. Unsere bayerische Position ist damit also überholt.
Generell – das möchte ich an diesem Beispiel demonstrieren – besteht künftig die Gefahr, dass Entscheidungen, die in einem deutschen, einem nationalen Zuwanderungsgesetz getroffen werden müssen, trotz fehlender Einigung in Deutschland durch Regelungen auf europäischer Ebene vorweg genommen werden.
Die Opposition versucht immer wieder den Eindruck zu erwecken, wir würden in Bayern zu wenig für die Integration tun. Dies ist eindeutig falsch, meine Damen und Herren. Ich traue mich festzustellen, dass es kein Land in der Bundesrepublik Deutschland gibt, das mehr für die Integration tut, weder inhaltlich noch finanziell.
Ich weiß nicht, warum Sie als bayerische Landtagsabgeordnete dagegen sind, wenn ich feststelle, dass wir Spitze sind.
Sie sollten sich mit uns freuen.
Ja, Sie haben den Kopf geschüttelt, als ich dies festgestellt habe.
Wenn Sie den Integrationsbericht sorgfältig lesen und nicht nur Kaffeesatzleserei betreiben wie Frau Köhler, werden Sie dies auch bestätigen müssen.
Meine Damen und Herren von der SPD, das von Ihnen monierte Gesamtkonzept für die Integration liegt in Bayern längst vor. Lesen Sie den Integrationsbericht.
Wenn wir mehr Geld vom Bund bekommen, Herr Kollege Dr. Hahnzog, wie wir das fordern, werden wir gern auch noch mehr Leistungen für die Integration erbringen.
Ich komme nun tatsächlich zum Schluss, Frau Kollegin Stahl; damit will ich Sie gleich beruhigen.
Ich möchte zusammenfassen: Wir brauchen eine Zuwanderungs- und Integrationspolitik mit Verantwortungsbewusstsein und Weitblick. Wir müssen dabei vor allem die Belange unserer einheimischen Bevölkerung ernst nehmen. Nur so können wir ein friedliches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Kulturkreise in unserem Lande auf Dauer gewährleisten. Für eine solche zukunftsorientierte Ausländerpolitik setzt sich die Bayerische Staatsregierung weiterhin zusammen mit der CSU mit allem Nachdruck ein. Das Zuwanderungsgesetz, das jetzt vorliegt, wird diesem Anspruch nicht gerecht. Wir haben Gott sei Dank die Mehrheit im Bundesrat, um dieses Gesetz zu verhindern.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen.
Bei uns ist diese Wortmeldung nicht angekommen. Aber bitte sehr.
Nachdem das Bayer. Innenministerium in der Pressemeldung vom 05.05.03 angekündigt hat, die Liste von Organisationen und Parteien im Anhang des Ausländerfragebogens zur Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen zu überprüfen, frage ich, wie viele und welche Parteien und Organisationen aus welchen Gründen aus der Liste gestrichen worden sind?
Antwort der Staatsregierung: Im Rahmen einer Fortschreibung wurden 13 Ausländervereinigungen neu in die Liste aufgenommen und neun Vereinigungen aus der Liste gestrichen.Maßstab für die Aufnahme in die Liste ist, ob eine Mitgliedschaft in der Vereinigung oder deren Unterstützung indiziell für das Vorliegen des zwingenden Versagungsgrundes der sicherheitsgefährdenden Betätigung sein könnte. Der Fragebogen wird laufend fortgeschrieben. Stellt sich heraus, dass eine Vereinigung aufgrund neuer Entwicklungen für die ausländerrechtliche Entscheidungsfindung ohne Relevanz ist, wird sie gestrichen. Unter den Organisationen, die im Hinblick auf diese Grundsätze nicht mehr aufgenommen wurden, befinden sich die:
Adalet ve Kalkinma Partisi – AKP – (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei)
Partei der Nationalen Bewegung (MHP)
Saadat-Partisi – SP – (Glückseligkeitspartei)
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das, was uns Kollege Welnhofer zu diesen Anträgen geboten hat, war ein plakativer Tiefgang, der dieses Hauses und dieser Debatte nicht würdig ist.
Ich habe immer wieder den Antrag gelesen und mich gefragt, wozu Sie eigentlich reden. Die drei Forderungen, die in dem Antrag erhoben werden, sind in Ihrem Redebeitrag so gut wie nicht vorgekommen.
Herr Kollege Welnhofer, ich möchte Sie einmal daran erinnern, was die Regierung Kohl in ihren 16 Jahren beim Sexualstrafrecht gemacht hat. Was hat sie auf diesem Gebiet gemacht? – Gar nichts!
Ich engagiere mich in vielen Initiativen, die sich um die Opfer von sexuellem Missbrauch kümmern. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie Politikerinnen der Grünen und der SPD in den Kommunalparlamenten und auch hier im Landtag von Ihnen angegiftet worden sind, nur weil sie den sexuellen Missbrauch von Kindern innerhalb von Familien angesprochen haben. Jahrelang wurde gesagt, den Missbrauch, den sie behaupteten, gebe es in einer Familie nicht, weil die Familie ein heiliger Ort ist, wo solche Taten nicht stattfinden.
Wie unglaublich schwierig war es doch, bei Straftaten im familiären Bereich Fortschritte zu erzielen! Jahrelang haben wir Modellprojekte gefordert. Das Justizministerium hat auch einiges eingeleitet, und es hat sich auf diesem Gebiet auch einiges getan. Es hat sich aber nicht deshalb etwas getan, weil Sie die ganzen Jahre hinweg so empört waren, sondern weil die Opfer von sexuellem Missbrauch empört waren und etwas in die Gänge gebracht haben. Soviel nur als Vorbemerkung.
Es steht außer Zweifel, dass sexueller Missbrauch von Kindern und Straftaten gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht verabscheuungswürdig sind und entsprechend bestraft werden müssen. Dafür haben wir jah
relang gekämpft. Deshalb halte ich es auch für gut und richtig, dass die rot-grüne Regierung einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht hat. Aber auch wir im Landtag haben während der letzten Legislaturperioden über dieses Thema diskutiert und dazu beigetragen, dass einige Strafen verschärft wurden.
Mir fehlt auf diesem Gebiet allerdings die Aussage, was die einzelnen Maßnahmen tatsächlich bewirkt haben. In Bayern werden bei Sexualstraftätern generell Lockerungen versagt. Fachleute, die auf diesem Gebiet aktiv sind oder forschen, sagen, Maßnahmen, die alle gleichermaßen betreffen, seien nicht sinnvoll. Wenn wir dann fordern, diese Maßnahmen daraufhin zu überprüfen, ob sie tatsächlich dem Schutz der Bevölkerung dienen, heißt es auf Ihrer Seite immer, nein, das sei nicht nötig. Das ist Ihre Politik. Sie setzen beim Strafmaß und bei den Tatbeständen immer noch eines darauf. Sie überprüfen aber nie, ob das, was Sie machen, etwas bewirkt.
Die Regierung hat wirklich einen umfangreichen Katalog von Maßnahmen vorgelegt – Herr Welnhofer, Sie haben sie ja teilweise vorgetragen. Ich sehe im Moment nicht, dass es an irgendeiner Stelle ohne Überprüfung noch eine weitere Verschärfung geben soll. Sie haben anhand eines sehr komplizierten Sachverhalts, der eine umfangreiche Diskussion erfordern würde, drei Forderungen herausgezogen, und das sollen wir jetzt mit zehnminütigen Redebeiträgen abhandeln. Damit werden Sie dem Ernst der Problematik, um die es hier geht, nicht gerecht.
Ich möchte es an einem Beispiel vorführen, nämlich am Beispiel der Forderung, dass bei allen Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern die Telefonüberwachung eingeführt werden muss. Sexueller Missbrauch von Kindern geschieht in sehr vielen Fällen – ich kenne zwar nicht die genaue Zahl, aber es sind 80 oder 90% der Fälle – in der Familie. Ich frage Sie, was hier eine Telefonüberwachung nützt.
Es ist Schwachsinn, dafür eine Telefonüberwachung zu fordern. Es nützt viel mehr – dies sieht das Gesetz ja auch vor –, dass diejenigen, die einen sexuellen Missbrauch in der Nachbarschaft oder auch innerhalb der Familie beobachten, bestraft werden können, wenn sie diesen sexuellen Missbrauch nicht melden. Das ist der richtige Ansatz.
Ich sage aber auch, dass zum Beispiel bei der Verbreitung von Kinderpornografie Telefonüberwachung möglicherweise sinnvoll ist. Die Möglichkeiten der Telefonüberwachung sind aber in der letzten Legislaturperiode erheblich ausgeweitet worden. Im Bundestag steht jetzt an zu prüfen, was diese Ausweitung gebracht hat, ob sie tatsächlich der Verbrechensbekämpfung dient. Im Rahmen dieser Überprüfung muss dann diskutiert werden, ob zur Bekämpfung von Kinderpornografie Telefonüberwachung Sinn macht. Wir wollen die Auswertungen und diese Diskussionen abwarten. Wir wollen nicht, so wie Sie es mit Ihrem Antrag gemacht haben, schnell plakativ die Fahne hochheben und Telefonüberwachung bei sexuellem Missbrauch von Kindern fordern.
Des Weiteren – das ist auch schon erwähnt worden – klingt es natürlich sehr gut zu fordern, den sexuellen Missbrauch von Kindern als Verbrechen einzustufen. Wer könnte denn da dagegen sein? – Wenn man aber § 176 StGB näher betrachtet, sieht der Sachverhalt anders aus. Unser rechtspolitischer Sprecher Jerzy Montag hat dies bei der Ersten Lesung im Bundestag dargestellt und gesagt, dass § 176 StGB nicht nur den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Erwachsene umfasst, sondern auch den sexuellen Kontakt zum Beispiel zwischen 13- und 15-Jährigen. Auf diesen Sachverhalt hat ja auch Kollege Welnhofer hingewiesen und ihn auch als problematisch dargestellt. Ich meine, dass man deshalb nicht einfach so plakativ herangehen und sagen kann: Wir beschließen heute im Bayerischen Landtag, sexueller Missbrauch von Kindern muss zu einem Verbrechen erklärt werden. Sie sind Jurist; Sie kennen sich aus; Sie waren, glaube ich, auch Richter. Diese Herangehensweise ist dieser ernsten Thematik nicht angemessen.
Ähnlich verhält es sich bei Ihrer Forderung nach einer DNA-Analyse. Ich habe mich im Bundestag erkundigt. Nun soll ein zweistufiges Verfahren eingeführt werden. So, wie man mir das geschildert hat, meine ich, dass dies ausreicht. Deshalb können wir auch diese Forderung nicht mittragen.
Meine Damen und Herren, insgesamt wünsche ich mir, dass solch ernste Debatten angesichts einer so schwierigen Thematik auf der Grundlage eines differenzierten Antrages geführt werden. Wenn man ernsthaft daran interessiert ist, darüber zu diskutieren, sollte man mit einem solchen Antrag im Ausschuss der Sache auf den Grund gehen und die Probleme ernsthaft angehen. Dieses Thema eignet sich am allerwenigsten für Populismus. Deshalb lehnen wir den Antrag auch ab.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eine Bemerkung dazu, dass sich Herr Kollege Kreuzer so vehement gegen eine Härtefallkommission wendet. Das wundert mich nicht, denn er hat in seiner Heimatstadt Kempten vor nicht allzu langer Zeit in einem Härtefall, in dem es um eine türkische Staatsangehörige ging, nach jahrelangem Kampf gegenüber seiner Ausländerbehörde eine Niederlage einstecken müssen. Die Angelegenheit ging zugunsten dieser Frau aus.
Auch wir haben einen Antrag zur Einrichtung einer Härtefallkommission in Bayern gestellt, weil sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, dass unser Asylgesetz und unser Ausländergesetz Härtefälle produzieren. Viele dieser Härtefälle waren immer wieder Gegenstand der Auseinandersetzungen im Landtag oder Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen. Auch Innenminister Dr. Beckstein hat nie bestritten, dass unser Asylrecht und unsere Ausländergesetze Härtefälle produzieren. Ich erinnere mich an die Diskussionen über das Kirchenasyl und die Kirchenkontingente. Herr Dr. Beckstein hat öffentlich eingestanden, dass es in diesem Bereich immer wieder zu unglaublichen Härten kommt.
Ich möchte daran erinnern, dass diese Härtefälle nicht nur Flüchtlinge betreffen, sondern auch zum Beispiel misshandelte ausländische Ehefrauen, minderjährige Kinder oder psychisch kranke Ausländer und Ausländerinnen.
Vier Bundesländer haben bereits in den Neunzigerjahren Härtefallkommissionen eingerichtet. Diese setzen sich dort aus Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Institutionen zusammen. So sind beispielsweise in der nordrhein-westfälischen Härtefallkommission die Evangelische Kirche, die Katholische Kirche, der dortige Flüchtlingsrat, die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Arbeitskreis Asyl, die Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl und Vertreter und Vertreterinnen des Sozial- und Innenministerium. Diese Kommissionen haben sich in den anderen Ländern bewährt. Deshalb wurden sie in das Bundeszuwanderungsgesetz aufgenommen. Zu den rechtlichen Hintergründen hat Herr Kollege Dr. Hahnzog alles gesagt. Es ist seit dem 01. 07. 2002 möglich, dass diese Härtefallkommissionen durch eine Rechtsverordnung vorbereitet werden.
Der Vorteil, den die Härtefallkommission beispielsweise gegenüber dem Petitionsausschuss hat, liegt darin, dass in der Härtefallkommission Fachleute aus den Kirchen, den Wohlfahrtsverbänden, den Flüchtlingsorganisationen oder auch dem medizinischen Bereich neben Vertretern des Innen- und Sozialministeriums zusammenarbeiten und dort die einzelnen Fälle beraten und entscheiden. Im Petitionsausschuss wird oftmals, insbesondere wenn es Flüchtlinge oder Ausländer betrifft, nicht nach
humanitären Notwendigkeiten entschieden, Herr Kollege Ritter. Das wissen Sie genau.
Sie entscheiden rein ideologisch oder stur gemäß der harten Linie des Innenministeriums.
Ich verspreche mir von einer Härtefallkommission sachgerechte Entscheidungen, in deren Mittelpunkt nicht die Ideologie, sondern der Mensch steht. Auch wenn Sie die Anträge der Opposition ablehnen: Ich bin sicher, dass Sie in diesem Punkt keine Ruhe bekommen, denn insbesondere in der Evangelischen Kirche wird daran gearbeitet – Herr Kollege Dr. Hahnzog hat es erwähnt –, Herrn Staatsminister Dr. Beckstein dazu zu bringen, eine solche Härtefallkommission auch in Bayern einzuberufen.
Gestatten Sie mir noch einen Satz zum Thema Doppelbödigkeit und Verlogenheit der CSU bzw. der Staatsregierung. Bei der Diskussion um das Abschiebelager in Fürth heißt es immer, dass das neue Zuwanderungsgesetz diese Einrichtung vorsähe. Die Härtefallkommission ist aber ebenso Gegenstand des Zuwanderungsgesetzes. Von der Einrichtung dieser Härtefallkommission wollen Sie aber nichts wissen. Darin besteht Ihre Doppelbödigkeit und Verlogenheit.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kreuzer.
Herr Staatsminister, wie viele Tschetschenen leben zur Zeit mit welchen Aufenthaltstiteln in Bayern und wie viele Abschiebungen wurden im Laufe dieses Jahres durchgeführt?
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister.
Aber Herr Staatsminister, wie viele Asylbewerber bzw. geduldete Tschetschenen gibt es denn in Bayern? Das müssten Sie doch zumindest ansatzweise wissen. Sie müssten doch zumindest sagen können, wie viele Abschiebungen es nach Tschetschenien gegeben hat. Hat es im Verlauf dieses Jahres Abschiebungen nach Tschetschenien gegeben?
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, bitte.
Herr Staatsminister, bei den türkischen Staatsangehörigen ist schließlich auch bekannt, ob sie kurdische Volkzugehörige sind. Deshalb müsste es doch auch bei den Angehörigen der russischen Föderation klar sein, ob es sich um tschetschenische Volksangehörige handelt. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb Sie mir keine Antwort geben wollen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, bitte.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Tatsache, dass die KZ-Gedenkstättenarbeit in Bayern nun in einem eigenen Stiftungsgesetz verankert werden soll, ist zu begrüßen. Dass zur Realisierung dieses Vorhabens bereits mehrere Entwürfe – Herr Hahnzog hat gesagt, es waren sechs Entwürfe – erarbeitet wurden, macht deutlich, dass es auch heute noch nicht einfach ist, das Anliegen, Erinnerung an einen Holocaust wach zu halten und der Opfer zu gedenken, in eine Form zu bringen, die allen Beteiligten gerecht wird.
Es macht aber auch deutlich – und das sage ich durchaus auch anerkennend zur Mehrheit in diesem Haus –, dass man sich bemüht, auf Einwände und Verbesserungsvorschläge einzugehen. Dieses Thema, so sagt Herr Uri Chanoch, ein Vertreter der ehemaligen Häftlinge der Außenlager des KZ Dachau bei der Anhörung, habe eine hohe Sensibilität, und man brauche viel Zeit, um über dieses Thema genügend Wissen zu erwerben, um es zu verstehen.
Herr Dr. Jack Terry, ein ehemaliger Häftling aus Flossenbürg, führte aus, die früheren Konzentrationslager und heutigen Gedenkstätten sollten nicht als offene Wunden betrachtet werden, sondern als Orte der historischen Wahrheit, vor der man nicht davonlaufen kann. Wer vor dieser Wahrheit davonläuft, wird dafür einen hohen Preis zu zahlen haben. Weiter sagte er:
Diese Orte der dunkelsten Verbrechen sollten Zentren der Erziehung zum Wohle der Zivilisation und der Menschheit werden. Diese Orte sollten als Symbole dafür stehen, was passiert, wenn der Tyrannei nicht Einhalt geboten wird.
Daraus ziehe ich den Schluss: Die Erinnerung an den Holocaust soll nicht pflichtmäßig verwaltet werden, sondern soll ermöglichen, die Ursachen zu erforschen, die in diese Katastrophe führten, um daraus Lehren für unser heutiges Leben zu ziehen.
Die Debatten, die wir heute immer wieder führen, zum Beispiel über den weltweiten Einsatzes der Bundeswehr oder über die Wehrmachtsausstellung, zeigen, dass der Nationalsozialismus, seine Niederlage und die Aufarbeitung dieses Teils unserer Geschichte den demokratischen Diskurs und Prozess auch heute noch wesentlich mitbestimmen.
Gerade weil die Zeitzeugen, die uns eindrucksvoll das ihnen zugefügte Unrecht vermitteln können, immer mehr wegsterben, kommen den Erinnerungsorten und Erinnerungsritualen sowie der medialen Vermittlung besondere Bedeutung zu.
Bei der Anhörung kam auch sehr deutlich zutage, dass das Stiftungsgesetz dem internationalen Charakter der Lager gerecht werden muss. Herr Chanoch sagte zum Beispiel ganz deutlich: Dies ist keine nationale Stiftung.
Der Vertreter des DGB führte aus:
Die internationale Bedeutung der Stiftung, die Bedeutung der Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg ergibt sich schon durch die Funktion des KZ Dachau als erstes in seiner Art und zeigt sich auch am hohen Anteil ausländischer Besucher und Besucherinnen.
Einer der Hauptstreitpunkte in diesem Stiftungsgesetz ist die Zusammensetzung des Stiftungsrates. Da setzt auch nach wie vor meine Kritik an. Der Stiftungsrat ist eindeutig exekutivlastig. So entsendet zum Beispiel jedes mit der Stiftung befasstes Ministerium – das Kultusministerium, das Wissenschaftsministerium und das Finanzministerium – jeweils einen Vertreter. Die beiden großen Kirchen sind vertreten, die Bürgermeister von Dachau und Flossenbürg, Vertreter des Bundes und der Präsident des Bayerischen Landtages.
Ursprünglich – das hat Herr Dr. Hahnzog ausgeführt – sollte von den Häftlingsorganisationen überhaupt niemand vertreten sein. Ich sage: Wenn es darum geht, die ehemaligen Häftlinge und deren Organisationen zu bedenken, dann wird das – und so habe ich es in der Anhörung erlebt – mit dem Argument abgewehrt, dass der Stiftungsrat zu groß werden würde. Das kann ich schon deshalb nicht nachvollziehen, weil es wesentlich den ehemaligen Häftlingen und deren Organisationen zu
verdanken ist, dass die Gedenkstätten überhaupt entstanden sind.
Für eine lebendige Erinnerungsarbeit ist die Einbeziehung der ehemaligen Häftlinge und deren Organisationen unabdingbar. Wenn es darum geht, eine angemessene Form des Mahnens und Erinnerns zu entwickeln, ist die Mitwirkung dieses Personenkreises unentbehrlich. Der Hinweis, dass dies im Kuratorium zu geschehen habe, sticht meines Erachtens nicht, denn der Stiftungsrat entscheidet über wesentliche Dinge, wie die Besetzung der Stelle des Stiftungsdirektors, Haushalts- und Stellenpläne, Erwerb von Grundstücken usw. Das sind sehr wohl gewichtige Entscheidungen, die den Charakter der Gedenkstätten massiv beeinflussen.
Warum man hier – aus meiner Sicht doch recht kleinkariert – herumfeilscht, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die jetzt gefundene Lösung mit drei Mitgliedern ist nicht befriedigend. Den Vorschlag des Vertreters der Evangelischen Kirche in der Anhörung, vier Mitglieder aus den Häftlingsorganisationen aufzunehmen, halte ich für angemessener, vor allem auch deshalb, um Dachau, Flossenbürg und die Außenlager, die deutschen und die nichtdeutschen Opferorganisationen zu berücksichtigen.
Nicht befriedigend ist auch die Finanzierung. Es ist sehr bedauerlich, dass es anscheinend nicht möglich war, ein Stiftungsvermögen bereitzustellen, durch das die Stiftung von der aktuellen Haushaltslage des Staates unabhängig gemacht wird. Auch sollten die bei der Anhörung insbesondere von Herrn Benz, vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, geforderten Anforderungen an den Leiter der Stiftung bei der Besetzung berücksichtigt werden. Er sprach sich dafür aus, eine unabhängige Persönlichkeit mit gedenkstättenfachlicher und moralischer Autorität zu suchen und nicht einfach jemanden aus der Staatsverwaltung mit der Aufgabe zu betrauen.
Ich hoffe, dass sich in den Ausschussberatungen an der einen oder anderen Stelle doch noch etwas bewegt, um bei diesem Gesetz zu einem breiten Konsens zu kommen.
Herr Staatssekretär, in welcher Höhe veranschlagt die Staatsregierung die Kosten des Freistaats für die Kurse,
die als Länderaufgabe nach dem Zuwanderungsgesetz – § 43 Absatz 3 – von den Bundesländern zu übernehmen sind, und welche finanziellen Mittel werden insbesondere für die Sprachförderung von schon länger hier lebenden Migranten bereitgestellt?
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär.
Herr Staatssekretär, auf den letzten Satz Ihrer Ausführungen bezogen: Nachdem der Ministerpräsident in einem „SZ“-Interview – ich glaube, es war im März – darauf hingewiesen hat, dass es ihm vor allen Dingen auch um die Integration derjenigen geht, die schon lange hier in Deutschland leben, wäre meine Zusatzfrage: Welche Überlegungen gibt es bezüglich der sozusagen nachholenden Integration für diejenigen, die schon länger hier leben? Das, was Sie hier vorgetragen haben, betrifft in erster Linie diejenigen, die neu zu uns kommen.
Wir haben ja einen riesigen Nachholbedarf der Gruppe, die schon lange hier lebt. Was für Konzepte, was für Überlegungen gibt es, da etwas zu tun?
Herr Staatssekretär, gerade angesichts der Tatsache, dass wir, wie gesagt, bei den schon lange hier lebenden Migranten einen Nachholbedarf haben, frage ich Sie: Ist es denn ausreichend, dann nur zu sagen, dafür soll der Bund zuständig sein? Kann man das Problem nicht dadurch lösen, dass man das zur gemeinsamen Aufgabe erklärt? Denn gerade von diesen Migranten, die schon lange hier leben, profitieren ja auch die Länder, zum Beispiel der Freistaat Bayern.
Die Frage ist also: Wenn der Bund zum Beispiel eine Finanzierung in Aussicht stellt, inwieweit wäre dann der Freistaat Bayern bereit, sich daran zu beteiligen?
Herr Staatssekretär, nachdem seit 1. Juli in Nürnberg das Bundesamt für Migration eingerichtet ist und dort die Sprachkurse konzipiert werden, ist für mich die Frage: Gibt es denn eine Zusammenarbeit zwischen dem Freistaat Bayern und diesem neuen Bundesamt, zum Beispiel in der Frage der Konzeption dieser Kurse?
Herr Staatsminister, an welchen Orten plant die Bayerische Staatsregierung Ausreisezentren und wann ist mit der Inbetriebnahme zu rechnen? Trifft es zu, dass die gesetzliche Grundlage dafür das Zuwanderungsgesetz ist, das nach dem Willen der Bayerischen Staatsregierung nicht in Kraft treten soll?
Herr Staatsminister, planen Sie mehrere Ausreisezentren?
Sie planen mehrere. In welcher Größenordnung muss man sich das vorstellen, also zum Beispiel für wie viele Personen planen Sie diese Ausreisezentren?
Herr Staatsminister, treffen meine Informationen zu, dass Zirndorf ganz konkret ein Standort werden soll? Meine Informationen sind, dass dort bereits Beamte ein
gesetzt werden sollen, die für die Abschiebung zuständig sind. Ist das einer dieser Standorte?
Und zu den Beamten?
Herr Staatsminister, wenn Sie sagen, dass diese Ausreisezentren dieses Jahr noch in Betrieb gehen sollen, dann würde mich noch einmal die gesetzliche Grundlage interessieren, weil im Zusammenhang mit dem Aufnahmegesetz, das wir hier beschlossen haben, die Staatsregierung immer argumentiert hat, dass das Aufnahmegesetz nicht die gesetzliche Grundlage ist. Ist das Zuwanderungsgesetz die gesetzliche Grundlage?
Auf welcher gesetzlichen Grundlage planen Sie diese Zentren?
Herr Staatsminister, weshalb erhalten in Bayern Landwirte von Amts wegen Kostenerstattung für die gesetzlich vorgeschriebenen BSE-Tests in Höhe von 25 Euro pro Tier, obwohl die Kosten von den Metzgereien, Schlachthöfen und Laboren getragen werden, und wer erhält darüber hinaus in Bayern in welcher Höhe Beihilfen zu den BSE-Tests?
Herr Staatsminister, mir sagen verschiedene Metzgereibetriebe, dass die Kosten des BSE-Tests eben nicht die Landwirte, sondern die Metzgereien, die Schlachtereien und die Labore zu tragen haben. Für mich ist jetzt die Frage: Welche Kosten entstehen dem Landwirt bei den BSE-Tests, die es rechtfertigen, dass der Staat ihm dafür Zuschüsse gibt? Es geht schließlich um eine Kostenerstattung. Ich will konkret wissen: Welche Kosten hat der Landwirt im Zusammenhang mit dem BSE-Test? Das hat nichts mit den Preisen für Rindfleisch usw. zu tun.
Herr Staatsminister, haben Sie Erkenntnisse darüber, ob die Kostenerstattung, die die Labore bekommen, ausreicht, um die den Laboren entstehenden Kosten zu decken? Es gibt nämlich auch Informationen, dass die Labore auf den Kosten sitzen bleiben.
Herr Staatsminister, gibt es eine ähnliche Kostenerstattung für die Landwirte auch in anderen Bundesländern oder ist das nur in Bayern so?
Frau Staatsministerin, sind die bisher vom Arbeitsamt Augsburg im Rahmen eines Modellversuches in der Stadt Augsburg, dem Landkreis Augsburg und dem Landkreis Aichach-Friedberg finanzierten Stellen zur sozialpädagogischen Betreuung nach Auslaufen dieses Modellversuchs im August dieses Jahres gesichert, indem diese Stellen in das vom Ministerrat beschlossene bayernweite Förderprogramm zur Jugendsozialarbeit an Schulen aufgenommen werden?
Frau Staatsministerin, ich erinnere mich, dass ich bereits letztes Jahr an Ihr Haus einen Brief geschrieben habe, den mir Herr Staatssekretär Schmid beantwortet hat. In diesem Brief habe ich darauf hingewiesen, dass diese Projekte, die vom Arbeitsamt gefördert werden, im August dieses Jahres auslaufen. Meine Frage ist, warum die Dinge, die Sie jetzt beschreiben, nicht frühzeitiger in die Wege geleitet wurden, da die betroffenen Kommunen auch zu dem Zeitpunkt, zu dem ich den Brief geschrieben habe, aktiv geworden sind. Die Frage ist also: Warum sind Sie nicht frühzeitiger initiativ geworden? Reicht die Zeit überhaupt noch aus, um all das, was Sie beschrieben haben, zu machen, wenn diese Stellen im August auslaufen?
Frau Staatsministerin, kann man denn davon ausgehen, dass all die Dinge, die Sie jetzt beschrieben haben, rechtzeitig zum Schuljahresbeginn im Herbst erledigt sein werden, sodass die Schulsozialarbeit in dieser Region im bisherigen Umfang weitergeführt werden kann?
Frau Staatsministerin, Sie sagen „sinnvolle Projekte“. Haben Sie schon eine Zahl vor dem Auge, wie viel Prozent der bisherigen Stellen denn sinnvoll sind, zum Beispiel zwei Drittel sinnvoll und ein Drittel nicht sinnvoll? Die Kommunen wollen auch wissen, womit sie ungefähr rechnen können.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wie ich bereits in der Ersten Lesung und auch bei der Ausschussberatung deutlich gemacht habe, ist gegen den Teil des Gesetzes, in dem es um die Kostenübernahme von Leistungen der Kommune für Bürgerkriegsflüchtlinge und für geduldete Ausländer und Ausländerinnen geht, nichts einzuwenden.
Im Gegenteil, Herr Kollege, dieses Gesetz kommt um mindestens neun Jahre zu spät,
denn seit dem Asylkompromiss von 1993 sollte eine Regelung in diesem Sinne erfolgen.
Da sind Sie vor der Kommunalwahl noch schnell aus dem Dornröschenschlaf erwacht.
Das ist Punkt eins.
Punkt zwei: Die Bayerische Staatsregierung wäre nicht die Bayerische Staatsregierung, wenn sie eine solche Gesetzesänderung nicht für eine restriktivere Handhabung im Umgang mit Flüchtlingen nützen würde.
Genau um diese Punkte geht es, wenn wir den Gesetzentwurf ablehnen.
Grundsätzlich, sagen Sie, kommen nun alle Flüchtlinge unter die Fuchtel der staatlichen Behörden. Kommunale Betreuungskonzepte, die sich bewährt haben, die sozialverträglich sind und der besseren Integration dienen, werden gekippt werden, wie wir aus der Diskussion über das Münchner Modell bereits schließen können.
Vor kurzem habe ich die Antwort auf eine schriftliche Anfrage bekommen. Danach liegen jetzt konkrete Zahlen vor, wie groß der Personenkreis sein wird, den dieses Gesetz betrifft. Die Bayerische Staatsregierung schätzt, dass 24500 Personen in Bayern davon betroffen sein werden. Wenn ich Ihre Antwort richtig interpretiere, leben derzeit zirka 18500 Personen außerhalb staatlicher Unterkünfte, und diese sollen künftig ausschließlich in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden.
Das wird sicherlich mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden sein, und ich kann mir nicht vorstellen, Herr Kollege König, dass es hier nicht auch eines erheblichen Verwaltungsaufwandes bedarf.
Viel schwerer wiegt aber, dass die staatliche Übernahme mit Restriktionen verbunden sein wird, dass gewachsene Betreuungsstrukturen und Integrationsbemühungen durch örtliche Initiativen, durch Kommunen zunichte gemacht werden. In ihrer Antwort auf meine Anfrage schreibt die Staatsregierung, dass es eine kurzfristige Rückverlegung schon aus Kapazitätsgründen nicht geben wird. Daran kann man schon erkennen, welche Probleme sich gerade in Ballungsräumen durch das Gesetz ergeben werden.
Langfristig ist zu befürchten, dass Sie mit diesem Gesetz eine stärkere Kasernierung und Desintegration der Flüchtlinge zum Ziel haben, und dies, meine Damen und Herren, kostet zu allem Übel auch noch wesentlich mehr Geld; denn aus der Antwort auf meine Anfrage ergibt sich schon, dass diejenigen, die außerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte untergebracht sind, sich bereits selbst versorgen, sprich: nicht von staatlichen Leistungen abhängig sind, in der Überzahl sind.
In der Antwort heißt es dazu: „Von 2900 Asylbewerber und Asylbewerberinnen, die außerhalb von Gemein
schaftsunterkünften untergebracht sind, bestreiten 2191 ihren Lebensunterhalt selbst. Nur 709 beziehen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.“ Diese Zahl macht doch deutlich, dass die dezentrale Unterbringung Kosten spart und deshalb zu fördern ist, da sie den Menschen eine Selbstversorgung ermöglicht, sie zu integrieren hilft und von staatlichen Leistungen unabhängig macht.
Geht es nach Ihrem Gesetz, dann sollen künftig diejenigen Flüchtlinge, die ihrer so genannten Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten nicht nachkommen, überhaupt keine Chance mehr erhalten, außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften untergebracht zu werden. Dies ist ja auch im Gesetzgebungsverfahren jetzt noch einmal massiv verschärft worden.
Das bayerische Innenministerium schätzt diese Zahl aber auf 85 bis 90% der Ausreisepflichtigen, also zum Beispiel der Geduldeten, und bei bestimmten Herkunftsländern geht das Innenministerium generell von einer fehlenden Mitwirkungsbereitschaft bei der Passbeschaffung aus. Hier werden die Flüchtlinge in Sippenhaft genommen. Wer beispielsweise aus dem Irak kommt, gilt danach generell als jemand, der bei der Passbeschaffung nicht mitwirkt; er gehört damit zu denjenigen, die in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden und nie mehr eine Chance haben, da herauszukommen.
Ich frage mich sowieso, wie sich das bayerische Innenministerium insgesamt diese Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten vorstellt. Nehmen wir an, ein Togolese, der vor dem Eyadema-Regime geflohen ist, bekommt aufgrund der Drittstaatenregelung kein Asyl und ist auch nicht über die Genfer Konvention geschützt. Dessen Verfahren also wird abgelehnt. Die Staatsregierung stellt sich danach vor, dass dieser Mensch dann zur togolesischen Botschaft geht und sagt: Ja, ich bin zwar gegen euer Regime, habe in Deutschland einen Asylantrag gestellt, der ist aber abgelehnt worden; bitte, gebt mir Heimreisepapiere! – Das macht kein Mensch, der politisch verfolgt ist! Und die ganzen Botschaftsvorführungen, die wir hier in Bayern diesbezüglich haben, sind ja fast vollkommen erfolglos, denn derjenige, der vor einem Regime geflohen ist, geht nicht dorthin zurück, sondern sucht sich dann ein anderes Aufnahmeland.
Also: Diese fehlende Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Heimreisepapieren ist ein willkürliches Instrument der bayerischen Behörden. Man benutzt es dann dafür, bestimmte Flüchtlingsgruppen unter Druck zu setzen.
Es gibt, meine Damen und Herren, für mich einen ganz klaren Zusammenhang zwischen diesem Gesetz und den vom Innenministerium geplanten „Abschiebeknästen“ in Bayern. Dieses Gesetz regelt die Unterbringung von Flüchtlingen restriktiver, zentralistischer und wird sich damit desintegrierend auf diese Flüchtlingsgruppe auswirken. Damit schafft dieses Gesetz die organisatorischen Voraussetzungen für die im bayerischen Innenministerium geplanten Ausreisezentren. So einem Gesetz,