Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 119. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese wurde erteilt. Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 10

Mündliche Anfragen

Ich bitte zunächst Herrn Staatssekretär Regensburger um die Beantwortung der ersten Fragen. Der erste Fragesteller ist Herr Kollege Christ.

Guten Morgen. Herr Präsident, Herr Staatssekretär, Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär, ich frage die Staatsregierung, ob mit einem Schließen der „Schere“ zwischen der momentanen Ist-Stärke der Polizeidirektion in Aschaffenburg und der angestrebten Soll-Stärke zu rechnen ist, vor allem im Hinblick auf einen Erhalt des hervorragenden Aufklärungsergebnisses, aber auch zur Verstärkung der Streifentätigkeit, vor allem an den Wochenenden.

Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Kollege Christ, der Personalnachersatz an die Präsidien der Bayerischen Polizei erfolgt jeweils im März und September eines Jahres unter strenger Berücksichtigung des zum Zeitpunkt der Zuteilung bestehenden Personalfehlbedarfs. Aus dem aktuellen Soll-Ist-Vergleich werden die Fehlstellen errechnet und unter Berücksichtigung langfristiger Abordnungen, Beurlaubungen usw. das tatsächliche Personalfehl ermittelt. Auf der Basis dieser Informationen wird der Zuteilungsanteil für die einzelnen Präsidien so festgelegt, dass nach Möglichkeit alle Präsidien ein gleiches prozentuales Personalfehl zu verkraften haben. Nachwuchsbeamte können nur in dem Umfang eingestellt werden, wie besetzbare Stellen zur Verfügung stehen. In diesem Umstand ist eine Hauptursache der derzeitigen Differenz zwischen Soll und Ist bei den Präsidien und Direktionen in ganz Bayern begründet.

Zum Zuteilungstermin 1. September 2003 erhält das Polizeipräsidium Unterfranken voraussichtlich 30 Beamte, wobei für die Polizeidirektion Aschaffenburg 8 Beamte vorgesehen sind. Aufgrund der in Bayern praktizierten bedarfs- und belastungsorientierten Verteilung von Stellen und Personal und der Tatsache, dass zusätzliche Stellen nicht zur Verfügung stehen, ist es derzeit nicht möglich, die Polizeidirektion Aschaffenburg noch weiter personell zu verstärken. Alle ausgebildeten Kräfte der Bayerischen Polizei sind in den Gesamtsicherheitsauftrag eingebunden und verschiedenen Organisationseinheiten und Dienststellen zugewiesen. Eine außerplanmäßige Verstärkung einzelner Dienststellen könnte damit nur zulasten anderer Dienststellen erfol

gen. Dies ist angesichts der Gesamtsituation nicht vertretbar.

Erste Zusatzfrage: Herr Kollege Christ.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, im Sicherheitsbeirat der Stadt Aschaffenburg haben wir am Montag dieser Woche erst erfahren, dass die Zahl der Gesamtstraftaten der PI Aschaffenburg-Stadt von 2001 mit 5895 auf 6795, also um 900 Fälle, gestiegen ist. Können Sie verstehen, dass ich mich bei diesen steigenden Zahlen für zusätzliche Beamte für die Prävention bei Diebstählen, Sachbeschädigungen und Ruhestörungen einsetze?

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Kollege Christ, ich kann das sehr gut verstehen. Erfreulicherweise kümmern sich auch andere Kollegen intensiv um die Belange der Sicherheit und der Polizei. Allerdings ist die Zahl der Straftaten nur eines von vielen Kriterien, die bei der Personalzumessung eine Rolle spielen. Ich darf feststellen, dass die Polizei in Unterfranken hervorragende Arbeit leistet. Unterfranken hat traditionell das beste Aufklärungsergebnis. Wenn ich es richtig im Kopf habe, toppt die PD Aschaffenburg dieses Ergebnis sogar. Deshalb gehe ich davon aus, dass mit dem vorhandenen Personalstand gute Arbeit geleistet wird und die Sicherheit der PD Aschaffenburg gewährleistet ist.

Zusatzfrage: Herr Kollege Christ.

Herr Staatssekretär, gerade unter Hinweis auf die personellen Zuweisungen, die Sie gerade genannt haben, möchte ich noch eine Frage anfügen: Im Rahmen einer schriftlichen Anfrage im August des vergangenen Jahres habe ich einmal das Verhältnis der Einwohnerzahlen der sieben bayerischen Regierungsbezirke mit den dort eingesetzten Polizeibeamten verglichen. Für Unterfranken ergibt sich demnach eine Zahl von 568 Einwohnern je Polizeibeamten. Dabei muss ich die Betonung auf das Wort „Beamter“ legen. In München und Oberbayern kommen auf einen Polizeibeamten 511 Einwohner. Das ist verständlich. Für Mittelfranken habe ich nur 433 Beamte ermittelt. Herr Staatssekretär, würde eine etwas gleichmäßigere Berücksichtigung der Region Untermain mit Beamten die Schere vielleicht etwas leichter schließen helfen?

Ich würde gerne helfen, diese Schere zu schließen, muss aber betonen, dass dies zulasten anderer Dienststellen ginge. Die Zahl der Straftaten ist nur ein Kriterium für die Personalbemessung. Das Verhältnis zwischen Einwohnern und Polizei ist ebenfalls nur ein Kriterium. Sie wissen, dass wir in einem sehr komplizierten sorgfältigen Verfahren durch eine Sollstärken-Kommission belastungsorientierte Sollstärken festgelegt haben. Jede Region, die damals mehr Beamte erhalten hat, war begeistert, und jede Region, die weniger bekommen hat,

hat die Berechnungsmethode als falsch bezeichnet. Wir haben uns diese Methode wissenschaftlich bestätigen lassen. Das Ergebnis war, dass die Methode eine sehr hohe Treffergenauigkeit hat.

Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Christ.

Herr Staatssekretär, können Sie der Feststellung zustimmen, dass wir in den letzten zehn Jahren mehrere tausend Lehrer eingestellt haben und dass das Innenministerium zu unserer aller Sicherheit auch einmal tausend oder mehr Polizeibeamte gebrauchen könnte?

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Kollege Christ, die Kultusministerin tut sich etwas leichter. Sie muss nur sagen, dass die Zahl der Schüler im nächsten Jahr um 20000 steigen werde. Diese Zahl wird dann durch die Klassenstärken dividiert, was rechnerisch eine bestimmte Anzahl an Lehrern ergibt. Im Regelfall müssen diese Zahlen vom Landtag akzeptiert werden. Ich bin dankbar, dass das Innenministerium im Rahmen des Sicherheitspakets vor zwei Jahren – nach dem 11. September 2001 – 650 zusätzliche Stellen für die Polizei erhalten hat.

Die nächste Frage stammt von Frau Kollegin Schieder. Herr Kollege Hartmann wird die Frage für sie stellen.

Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bayerische Staatsregierung die Befürchtungen des Bunds Naturschutz, was die Lärm– und Abgasentwicklung und die Beeinträchtigung des Naherholungsgebiets Nabburger Stadt und Spitalwald durch das geplante Fahrtrainingszentrum der Bayerischen Polizei auf dem ehemaligen BGS-Gelände Nabburg betrifft, und zu welchem Ergebnis kommt das in diesem Zusammenhang in Auftrag gegebene Gutachten?

Die Errichtung eines polizeilichen Fahrsicherheitszentrums in Nabburg nahe der ehemaligen BGS-Kaserne wird derzeit intern geprüft. Nach den ersten Ergebnissen wäre das Projekt unter rein baulichen Aspekten durchführbar. Die Vereinbarkeit des Projekts mit den Vorgaben der Verordnung über den Naturpark Oberpfälzer Wald, des Bayerischen Waldgesetzes und des Bayerischen Naturschutzgesetzes wurde noch nicht geprüft. Hierzu muss zuvor durch die Polizei definitiv festgelegt werden, auf welcher Fläche und in welchem Umfang das Training stattfinden soll. Ebenso müssen Zeit und Umfang des Übungsablaufs noch präzise definiert werden. Dabei sind auch die vom Übungsbetrieb ausgehenden Immissionen der Art nach festzustellen. Erst wenn diese Punkte geklärt sind, wird die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit dieser Maßnahme nach dem bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften im Vorfeld durch die zuständige Regierung der Oberpfalz geprüft. In diesem Verfahren werden dann auch die

betroffenen Verbände, und damit auch der Bund Naturschutz, beteiligt.

Zusatzfrage: Herr Kollege Hartmann.

Herr Staatssekretär, können Sie trotz des frühen Verfahrensstandes, den Sie eben skizziert haben, schon jetzt etwas zu eventuell denkbaren ökologischen Ausgleichsmaßnahmen sagen?

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Nein, das ist derzeit verfrüht, weil die Untersuchungen hierzu noch nicht durchgeführt worden sind. Ich darf betonen, dass die Entscheidung darüber, ob dieses Zentrum dort überhaupt errichtet wird, noch nicht gefallen ist.

Damit kommen wir zur dritten Frage. Sie wird von Frau Kollegin Gote gestellt.

Herr Präsident, Herr Staatssekretär! Ich frage die Staatsregierung: Weshalb ist Staatsminister Beckstein Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung „Lebendige Stadt“, was hat er bisher als Stiftungsratsmitglied konkret getan, und in welchem Zusammenhang steht die Stiftung „Lebendige Stadt“ zur ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG vor dem Hintergrund, dass der Vorstandsvorsitzende der Stiftung zugleich Geschäftsführer der ECE Consulting ist und ein weiteres Vorstandsmitglied zugleich Geschäftsführer von ECE Projektmanagement ist?

Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Frau Gote, Herr Staatsminister Dr. Beckstein hat sich auf eine Anfrage der gemeinnützigen Stiftung „Lebendige Stadt“ 2001 bereit erklärt, im Stiftungsrat – neben weiteren Mitgliedern wie Herrn Ministerpräsident Prof. Dr. Milbradt, Herrn Ministerpräsident Platzeck, Herrn Senator Perschau oder Frau Stadtbaurätin Thalgott – mitzuwirken. Stiftungsziel ist es, Politiker, Verwaltungsexperten, Städtebauer, Unternehmer, Künstler und andere am Thema „Stadt“ interessierte Bürgerinnen und Bürger zusammenzubringen, um gemeinsam über neue Wege zur Stärkung unserer Innenstädte nachzudenken und bei deren Umsetzung mitzuwirken. Dadurch ist der Zugang zu einem Forum eröffnet, das wesentliche Anliegen der Initiative „Bayerische Innenstädte: attraktiv – lebenswert – unverwechselbar“ sowie das Zusammenwirken öffentlichen Engagements mit privaten Institutionen und Entscheidungsträgern unterstützt. Die Ziele der Stiftung „Lebendige Stadt“ entsprechen weitgehend denen der „Innenstadtinitiative“ der Bayerischen Staatsregierung.

Staatsminister Dr. Beckstein hat bisher in dieser Funktion am 11. Dezember 2001 im Alten Rathaus München den „Preis der lebendigen Stadt“ verliehen und wird am 28. Juni 2003 im Olympiapark München den „Tag der lebendigen Stadt“ eröffnen. Ein Zusammenhang zwi

schen der Stiftung und der Firma ECE besteht in der Form, dass die Firma ECE Initiator und wesentlicher Geldgeber der Stiftung ist. In allen Gremien haben jedoch die so genannten Externen die Mehrheit. Damit ist eine Unabhängigkeit von etwaigen wirtschaftlichen Interessen der Firma ECE gewährleistet.

Zusatzfrage: die Fragestellerin.

Ich nehme an, es ist Ihnen bekannt, dass die Firma ECE Projektmanagement deutschlandweit und mittlerweile auch in vielen osteuropäischen Ländern Einkaufszentren in den Innenstädten baut, welche für den innerstädtischen Handel ein sehr großes Konfliktpotenzial bergen. Ist diese Art der Stadtentwicklung das, was sich das Staatsministerium des Innern unter zukunftsfähiger Entwicklung der Innenstädte vorstellt?

Herr Staatssekretär.

Es ist nicht der satzungsmäßige Zweck dieser Stiftung, dies zu prüfen. Die Stiftung kümmert sich generell darum, dass unsere Innenstädte lebendig bleiben. Das ist ein Bündel von vielen Maßnahmen, die dazugehören. Ich habe vorhin schon betont, dass die Stiftung von den Geldgebern unabhängig ist, weil dort die Externen die Mehrheit haben.

Weitere Zusatzfrage: Frau Kollegin Gote.

Ich muss feststellen, dass Sie meine Frage nicht beantwortet haben. Sehen Sie nicht eine gewisse Absurdität darin, dass gerade diejenigen, die die Städte verwechselbar und alles gleich machen – Sie sprachen eben von unverwechselbaren Städten –, eine Stiftung gründen, die sich diese schönen Ziele setzt? Hier laufen doch die Ziele und die Umsetzung gegeneinander. Sehen Sie hier in der Unterstützung dieser Firma keinen Konflikt?

Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Diese Auffassung kann ich generell nicht teilen. Man muss jeden einzelnen Standort für sich prüfen. Es gibt durchaus Städte, die ECE in ihren Innenstädten als Besuchermagnet haben wollen. Innenstädte sind im Regelfall die Standorte von ECE. Ich weiß es, weil sich auch in meiner Stadt ECE beworben hat, dann aber abgelehnt worden ist. Die Städte hoffen, dass von einem solchen Besuchermagnet auch der übrige Einzelhandel profitiert. Das aber muss in jedem Einzelfall untersucht werden. Mit der konkreten Aufgabe dieser Stiftung hat das nichts zu tun. Wir haben Gott sei Dank ein vielfältiges Mäzenatentum, über das Geld aus dem privaten Bereich kommt. Wichtig ist, dass die Stiftungssatzung so gestaltet ist, dass ein unmittelbarer oder bestimmender

Einfluss der Geldgeber nicht gegeben ist. Das ist hier eindeutig der Fall.

Letzte Zusatzfrage: Frau Gote.

Dient nach Ihrer Meinung die Stiftung „Lebendige Stadt“ dem Renommee der Firma ECE Projektmanagement?

Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Meistens sind solche Interessen mit einer Stiftung durchaus verbunden. Ich kann es im konkreten Fall aber nicht beurteilen.

Damit ist diese Frage beantwortet. Nächster Fragesteller ist Herr Kollege Hartmann.

Herr Staatssekretär, nachdem die Umgestaltung des Rettungszweckverbandes Würzburg durch die Stadt und den Landkreis Würzburg zu einem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung gemäß dem Gesetz zur Einführung Integrierter Leitstellen in Kürze abgeschlossen ist, frage ich die Staatsregierung: Welche konkreten Anstrengungen unternimmt die Staatsregierung, um möglichst bald im Raum Würzburg den Betrieb einer Integrierten Leitstelle über die einheitliche Notrufnummer 112 aufnehmen zu können? Wird die Staatsregierung eine Vermittlerrolle einnehmen zwischen dem Bayerischen Roten Kreuz und der Berufsfeuerwehr Würzburg, die beide für die Durchführung der Aufgaben gemäß dem Gesetz zur Einführung Integrierter Leitstellen in Frage kommen bzw. ihr berechtigtes Interesse signalisiert haben, oder kommt aus der Sicht der Staatsregierung eine dieser Organisationen nicht für diese Aufgabe in Frage?

Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Kollege Hartmann, zuständig für die Errichtung und den Betrieb einer integrierten Leitstelle ist nach dem vom Bayerischen Landtag im letzten Jahr verabschiedeten Gesetz der jeweilige Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung in seinem Bereich. Das Staatsministerium des Innern hat die Rettungszweckverbände bereits bei der Umstrukturierung zu Zweckverbänden für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung beraten und unterstützt und wird den örtlichen Aufgabenträgern auch weiterhin zur Seite stehen. Den Zweckverbänden werden für die Errichtung der integrierten Leitstellen in ihren Bereichen Planungsgrundlagen, Ablaufpläne und weitere Hilfsmittel zur Verfügung gestellt. Mit der Hilfe eines Projektmanagers wird das Innenministerium die kommunalen Aufgabenträger bei den nötigen Ausschreibungsverfahren und in der weiteren Umsetzungsphase nach Kräften unterstützen. Dazu

wird unter anderem auch ein internetbasiertes Projektbüro eingerichtet.

Würzburg gehört aus Sicht des Innenministeriums zu den Rettungsdienstbereichen, die sich für eine Aufnahme in die erste Projektstufe, die das Gesetz vorsieht, empfehlen, da dort genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht und die infrastrukturellen Voraussetzungen auch im Übrigen vergleichsweise gut sind.