Protokoll der Sitzung vom 17.07.2002

(Frau Radermacher (SPD): Das ist Gleichwertigkeit!)

Wenn wir wirklich an dieser Gleichwertigkeit interessiert sind, geht es nicht, dass wir die einen von der Schule zur Hochschule gewissermaßen durchmarschieren lassen, während die anderen mit einer beruflichen Ausbildung, wenn sie zur Hochschule gehen wollen, ganz beschwerliche Wege auf sich nehmen müssen, weil ihr Abschluss nicht mit dem Abitur als gleichwertig anerkannt wird. In diesem Bereich gibt es bei uns in Bayern noch sehr, sehr viel zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir vergeuden noch viel zu viele Ressourcen der Betroffenen. Es ist erwiesen, dass diejenigen, die schon eine Berufsausbildung haben, viel zielgerichteter studieren, weil sie genau wissen, wohin sie wollen. Wir erreichen unter den gegebenen Umständen auch nicht das Ziel, mehr Hochschulabsolventen zu bekommen. Ich finde auch Folgendes ganz interessant: Wenn wir für mehr Abiturientinnen und Abiturienten kämpfen, wird uns immer vorgeworfen, wir würden dann zu einer Senkung des Niveaus usw. beitragen. Die Forderung nach mehr Hochschulabsolventen kommt aber aus dem Forum Bildung, dem auch Herr Zehetmair angehört. Offensichtlich ist das also ein Ziel, das sich auch Herr Zehetmair gesetzt hat. Ich frage Sie, warum Sie, wenn dieses Ziel für Bayern so wichtig ist, das erwähnte Problem nicht anpacken. Übrigens hätte ich mir, was den Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte anbelangt, auch von Herrn Kollegen Traublinger eine etwas größere Unterstützung erwartet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Mit Ihrem Antrag, dass ein Bericht vorgelegt werden soll, werden wir nicht sehr viel weiterkommen.

(Zuruf von der CSU: Das ist das Bohren dicker Bret- ter!)

Ja, genau. Vielleicht gelingt es Ihnen ja in Ihrer eigenen Fraktion, dieses dicke Brett zu durchbohren. Uns haben sie auf jeden Fall auf Ihrer Seite. Wir bohren kräftig mit.

Kolleginnen und Kollegen, auch in Bayern gibt es also viel zu tun. Überheblichkeit und das Deuten auf andere mit dem Zeigefinger helfen unseren Schülerinnen und Schülern nicht weiter. Deshalb sollten wir das Wahlkampfgetöse gerade im Interesse unserer bayerischen Schülerinnen und Schüler ganz schnell wieder vergessen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens.

Frau Präsidentin, meine Kolleginnen und Kollegen! Ich

möchte zu zwei Punkten Stellung beziehen, und zwar zum einen zum Bildungs- und Erziehungsplan für die Kindergärten und zum anderen zur Jugendsozialarbeit, die angesprochen worden ist und wozu der Dringlichkeitsantrag gestellt worden ist.

Die Erarbeitung des Bildungs- und Erziehungsplans habe ich beim Institut für Frühpädagogik von Prof. Fthenakis in Auftrag gegeben. Der Rahmenplan für Horte wird jetzt im Herbst den Horten vorgestellt und dann auch dort eingeführt werden. Der Bildungs- und Erziehungsplan für die Kindergärten wird eng mit dem Lehrplan für die Grundschulen abgestimmt. Der Bildungsplan für die Kindergärten ist im Grunde eine Fortschreibung der Vierten Durchführungsverordnung zum Kindergartengesetz. Einen Schwerpunkt bildet die Sprachkompetenz. Weiterhin streben wir eine Verstärkung der Förderung im musischen Bereich und im Bereich Musik und Bewegung, also im sportlichen Bereich, an.

Der Bildungsplan wird für die Kindergärten verbindlich festgesetzt, und die Qualitätsstandards des Bildungsplans werden dann auch bei der Förderung eine ganz wichtige Rolle spielen. Wir brauchen natürlich auch eine Evaluation. Das heißt, auch die Träger müssen sich intensiv mit diesen Qualitätsstandards befassen, weil es sonst die Förderung schlicht und einfach nicht mehr gibt.

Wir brauchen selbstverständlich die enge Verzahnung von Kindergarten und Grundschule. Dabei arbeiten das Kultusministerium und das Sozialministerium sehr eng zusammen. Für die ausländischen Kinder, die schlecht Deutsch können, werden zur Sprachförderung Vorkurse eingerichtet, wobei bei den Einschulungsterminen Sprachstandsdiagnosen durchgeführt werden.

Wir werden auch die Erzieherinnen und die Lehrerinnen der Grundschule in eine gemeinsame Fortbildung schicken, sodass wir auch hier die Intensivierung und Verzahnung der Arbeit der Erzieherinnen und der Grundschullehrer jetzt massiv auf den Weg bringen werden.

Der nächste Punkt, zu dem ich noch Stellung beziehen wollte, ist die Jugendsozialarbeit. Wir haben in Bayern eine Förderung für Jugendsozialarbeit an Schulen auf den Weg gebracht. Ich bitte hier auch zu sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir mit diesem Regelförderprogramm bei den Personalkosten – der Freistaat übernimmt 40% der Personalkosten – wirklich vorbildlich sind.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir sind nämlich das einzige Land, das in ein Regelförderprogramm einsteigt. Das sieht im Moment so aus: an 500 Schulen 350 Sozialpädagogen in den nächsten zehn Jahren.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das bedeutet bayernweit pro Jahrgang 32 Projekte Jugendsozialarbeit. Diese Projekte sollen dort laufen, wo wir gravierende soziale und erzieherische Probleme

haben. Zuständig dafür sind die öffentlichen Träger der Jugendhilfe, also die Landkreise und die kreisfreien Städte.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Hintergrund sind die Modellprojekte zur Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe, die wir gefördert haben. Sie kennen es unter dem Stichwort „Gemeinsam geht’s besser“.

Nun komme ich auch zu Ihrem Problem: In AugsburgStadt und im Landkreis Augsburg sind von der Bundesanstalt im Bereich ABM 37 Projekte berufsbezogener Jugendsozialarbeit gefördert worden. Bundesanstalt für Arbeit, Jump-Programm: Wir können von Bayern aus nicht überall dort, wo der Bund und in dem Falle die Bundesanstalt und die Landesarbeitsämter aussteigen, die Projekte finanzieren. Auch das möchte ich Ihnen ganz klar sagen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bin zu Herrn Gerster, dem neuen Vorstand der BfA, gefahren und habe ihn gebeten, doch nicht in dieser Form aus dem Projekt auszusteigen. Ich habe an Frau Buhlman geschrieben. Frau Buhlman verfügt ja über Mittel. Gerade in dem Bereich berufsbezogene Jugendhilfe gibt es einen neuen Fördertopf. Ich habe darum gebeten, im Augsburger Bereich einzusteigen. Der Staatssekretär war des Öfteren bei Herrn Alt, hat mit ihm geredet und darum gebeten, nicht in dieser Form abrupt aus der Förderung auszusteigen. Herr Gerster hat mir auch konstruktive Übergangslösungen versprochen und zugesagt, zumindest befristet im Boot zu bleiben. Leider Gottes kennen Sie ja die konstruktiven Übergangslösungen wissen ja auch ganz genau, dass das, was man tatsächlich zu finanzieren bereit ist, hinter den ursprünglichen Angeboten weit zurückbleibt.

Deswegen noch einmal ganz klar: Der Freistaat ist kein Ausfallbürge für die Bundesanstalt für Arbeit. Das können wir nicht leisten, und ich bitte, das zu berücksichtigen. Wir bemühen uns natürlich, im Landkreis Augsburg und in der Stadt Augsburg zu helfen, wo wir helfen können. Wir haben in unserem Haus Lösungsmöglichkeiten in diesem Bereich erarbeitet.

Wir müssen natürlich auch darauf achten, dass die Jugendsozialarbeit von der Aufgabenstellung in das von uns definierte Programm hineinpasst. Das ist ganz wichtig. Deswegen finanzieren wir jetzt für die Stadt Augsburg ein Projekt Jugendsozialarbeit aus dem ESF. Die Mittel für 3,5 Projekte werden vom Arbeitsamt zur Verfügung gestellt. Jeweils ein Projekt wird finanziert durch den Landkreis, durch unser Haus und aus Mitteln des ESF, ergänzend mit der Personalkostenförderung aus unserem Haus, sodass wir für Stadt- und Landkreis Augsburg 7,5 plus vier, also insgesamt 11,5 Projekte Jugendsozialarbeit an Schulen aufrechterhalten können.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Münzel?

Okay.

Frau Staatsministerin, Sie haben gesagt, dass diese Schulsozialarbeit in das Konzept der Staatsregierung passen muss. Fänden Sie es vielleicht sinnvoller, dass das Konzept der Schulsozialarbeit, das an einer bestimmten Schule verwirklicht wird, zu den Schülerinnen und Schülern passt, die dort sind?

(Beifall beim BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Münzel, natürlich muss das Konzept zu den Schülerinnen und Schülern passen. Deswegen haben wir in Bayern auch die Modellprojekte auf den Weg gebracht, um tatsächlich ermitteln zu können, wie die maßgeschneiderte Modellförderung in der Jugendsozialarbeit an Schulen aussehen muss. Genau das war der Zweck, und deswegen haben wir dann auch diese Regelförderung auf den Weg gebracht.

Nur, über eines müssen wir uns doch im Klaren sein: Unter den 37 Projekten, die in Augsburg und in Augsburg-Land gefördert worden sind, sind viele Projekte, die letztlich in gar kein Modell hineinpassen und die auch für die Schülerinnen und Schüler gar nicht so sehr maßgeschneidert sind. Frau Kollegin Münzel, wenn Sie sich vor Ort erkundigen und mit den Beteiligten reden, werden Sie dies auch sehr genau erfahren. Deswegen sollten Sie auch das Bemühen der Bayerischen Staatsregierung anerkennen, immerhin 11,5 Projekte weiterzufinanzieren und für deren Finanzierung einzustehen, wobei 3,5 vom Arbeitsamt stammen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dies sollten Sie durchaus anerkennen vor dem Hintergrund, dass ich in Bayern insgesamt 32 Projekte der Jugendsozialarbeit pro Jahr fördern kann.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Das war nämlich der letzte Satz. Deshalb habe ich bei der Zwischenfrage zunächst etwas gezögert. Das Kultusministerium hat zugesagt zu überprüfen, wo in der Ganztagsbetreuung an den Schulen zusätzlich unterstützt werden kann und wo dann an den Schulen mit dem Angebot einer Ganztagsbetreuung in dieser Situation bestimmte Schwierigkeiten, gerade im Bereich der Jugendsozialarbeit, abgefangen werden können.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich möchte abschließend noch etwas dazu sagen. Vor allem Staatssekretär Georg Schmid hat sich intensiv darum bemüht, vor Ort Lösungen zu erarbeiten, die tatsächlich den örtlichen Bedürfnissen entsprechen vor dem Hintergrund

der Modellprojekte, die wir fördern können. Ich bitte, dies auch draußen in der Region der Bevölkerung richtig zu erklären.

(Beifall bei der CSU – Frau Radermacher (SPD): Aber nicht nur für Schwaben!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Das Wort hat nun Frau Schieder.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Ich meine wie so viele Menschen in unserem Land, vor allem wie diejenigen, die täglich mit Schule zu tun haben: Über Pisa ist genug geredet worden, es muss jetzt endlich etwas getan werden.

(Beifall bei der SPD – Kaul (CSU): Ja, in den SPDLändern!)

Die Erkenntnisse aus Pisa müssen im Schulalltag umgesetzt werden, und für die schon lange bekannten Probleme an unseren Schulen – denn wir im Bayerischen Landtag sind für die bayerischen Schulen zuständig – müssen Lösungen in die Wege geleitet werden.

Gerade wegen ihrer hervorragenden Leistung dürfen unsere bayerischen Schülerinnen und Schüler und deren Eltern sowie auch die Lehrerinnen und Lehrer jetzt erwarten, dass wirklich gehandelt und ihr Einsatz nicht etwa durch Nichtstun bestraft wird.

(Beifall bei der SPD)

Von solchen Taten aber war in der Rede von Frau Ministerin Hohlmeier wenig zu hören.

(Zuruf von der SPD)

Außer flotten Sprüchen, einem gehörigen Maß an Eigenlob und natürlich dem immer als notwendig erachteten Schlechtreden der SPD-regierten Bundesländer war nicht so viel dabei,