Mit größter Wahrscheinlichkeit wird im Jahr 2004, welches bald bevorsteht, die Entscheidung über die größte Erweiterung der Europäischen Union seit ihrem Bestehen getroffen. Gerade wir in Bayern und Deutschland sollten uns über die Rückkehr, die Integration und Wiedervereinigung in besonderem Maße freuen. Die mittelund osteuropäischen Länder kommen zu Europa zurück. Die Bevölkerung dieser Beitrittskandidaten hat in den vergangenen Jahren enorm viele Opfer gebracht, um europafähig zu werden. Die Europäische Union wird von derzeit 15 auf vielleicht bis zu 25 oder gar 27 Staaten anwachsen. Gerade dies ist der Grund für uns alle, an der Vielfalt Europas festzuhalten und die Einheit nach außen nicht nur zu demonstrieren, sondern auch zu wahren. Dies wird aber nur möglich sein, wenn wir die Vielfalt im Inneren Europas auch künftig bewahren können. Nur so wird Europa bei weiter zunehmender Globalisierung zukunftsfähig sein.
Sie alle können sich noch an den alten 50-DM-Schein erinnern. Auf der Rückseite des 50-DM-Scheins war das Holstentor von Lübeck. Wer das Holstentor von Lübeck kennt, der weiß, dass auf diesem die Worte eingemeißelt sind: Concordia domi, foris pax. Das heißt: Eintracht daheim, draußen Friede. Nur wenn wir in Europa die große Vielfalt erhalten können und diese Vielfalt als unsere Stärke bewahren, dann werden wir in Europa Eintracht haben, um nach außen Frieden demonstrieren zu können.
Die Bundesregierung muss an die Debatten und Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz erinnert werden. Einstimmig, eindeutig und klar haben sich die Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Deutschland im März 2000 und im Juli 2002 für eine klare Kompetenzabgrenzung in Bezug auf die Europa-, Bundes- und Landespolitik ausgesprochen.
Leider ist von dem Umsetzungswillen durch die derzeitige Bundesregierung unter Führung von Gerhard Schröder nichts mehr zu spüren. Meine lieben Freunde, meine sehr verehrten Damen und Herren, es stimmt sehr nachdenklich, dass im Konvent eine Reihe von Arbeitsgruppen zu verschiedenen europapolitischen Themen gegründet worden ist, aber für die wichtige Frage der Kompetenzabgrenzung zumindest bisher keine Arbeitsgruppe geschaffen worden ist.
Der Druck und das Engagement der Bundesregierung und des Bundeskanzlers bleiben aus. Man kann von Fehlanzeige sprechen. Aber wen wundert es? Der Bundeskanzler betreibt Europapolitik nach seiner Tagesverfassung, nach seiner Tagesbewertung und vor allem nach persönlicher Beliebigkeit. Durch eine solche Einstellung hat Europa noch nie positive Schritte nach vorne gemacht.
Europa braucht Partner, auf die man sich verlassen kann. Europa braucht das Bekenntnis zum klaren Wort und zum klaren Willen, wohin die Europareise gehen soll. Ein Europa der Beliebigkeit wird es nicht geben, und wenn, dann wird Europa zum Scheitern verurteilt sein. Es ist deshalb verwegen, wenn der Bundeskanzler heute die Finanzierung der Agrarpolitik in Europa scharf kritisiert, aber selbst beim Gipfel von Berlin nichts, aber auch gar nichts zur künftigen Finanzierung der Agrarpolitik in Europa beigetragen hat. Mit dem Gipfel von Berlin ist kein Millimeter an Boden für die so wichtige Frage der künftigen europäischen Agrarpolitik gewonnen worden. Nachhaltig fordern wir die Staatsregierung auf, alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um von der Bundesregierung die Wahrnehmung deutscher Interessen einzufordern und damit dem föderalistischen Element gemäß dem Aufbau unseres Grundgesetzes gerecht zu werden. Dabei ist die Bundesregierung aufzufordern, sich im Verfassungskonvent für eine klare und konkrete Kompetenzabgrenzung einzusetzen.
Nur wenn es gelingt, ein Europa der Regionen, ein Europa der Vielfalt und ein Europa der Subsidiarität zu entwickeln, wird auch die große Herausforderung, nämlich das Mammutwerk Europa, die Osterweiterung und damit die Wiedervereinigung Europas mit freien und unabhängigen Staaten ein Erfolg werden. Wir haben erhebliche Bedenken, dass diese Bundesregierung mit ihrem Kanzler Gerhard Schröder dieses Ziel erreichen kann. Für diese europäische Vision braucht es zuverlässige, gewissenhafte und berechenbare Partner. Die Bundesrepublik Deutschland muss als eines der größten Länder der Europäischen Union ein solcher Partner sein. Das ist ein weiterer Grund dafür, dass am 22. September dieses Jahres die politische Wende zugunsten Europas in Berlin herbeigeführt wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Antrag lebt davon, dass ihn in der Öffentlichkeit niemand zur Kenntnis nimmt. Ich meine, im Grunde genommen ist das auch das Beste, was man mit diesem Antrag machen kann.
Ich muss etwas erklären. Herr Bocklet ist das Opfer der heutigen Zeitabläufe geworden. Er ist Vorsitzender des ständigen Beirats des Bundesrats. Der Beirat tagt heute Nachmittag. Herr Bocklet dachte, der Antrag würde noch rechtzeitig vorher behandelt. Er musste aber eben während der Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag weggehen; das hat er mir gerade erklärt.
davon gesprochen wird, dass es um deutsche Interessen geht, dann erwarte ich, dass erstens Sie alle da sind und zweitens auch der Ministerpräsident da ist, der aber gerade einen netten Aufenthalt in Frankreich hinter sich gebracht hat. Ich habe aufmerksam die Zeitung gelesen, meine Damen und Herren. Von dem wichtigen Problem, das Sie in Ihrem Antrag formuliert haben, hat er nicht ein einziges Wort gesagt. Über das, was er gesagt hat, werde ich nachher noch reden.
Die Situation ist doch geradezu peinlich. Offensichtlich hat der ansonsten doch sehr brave Ausschuss für Bundes – und Europaangelegenheiten den Auftrag bekommen – ich weiß nicht, von welcher Kanzlei –: Jetzt tut endlich etwas für den Bundestagswahlkampf.
Aber da muss ich schon sagen, Herr Kollege Zeller: Sie wären gut beraten gewesen, bei dem ersten Teil Ihrer Rede zu bleiben. Das waren nette Girlanden für Europa. Aber das, was Sie hier zu unterstellen versuchen, ist peinlich und unangemessen. Wenn Sie dazu eine Zwischenfrage haben, bin ich jederzeit bereit, Sie zuzulassen.
Herr Kollege Müller, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass ich ein völlig unabhängiger Abgeordneter bin und weder eine Anwaltskanzlei noch sonst jemanden brauche, um so einen Antrag zu formulieren?
Jetzt zwingen Sie mich fast, eine Beurteilung abzugeben. Aber ich unterstelle, dass Sie ein von Ihrer Partei völlig unabhängiger Abgeordneter sind oder Ihre Partei völlig unabhängig von Ihnen ist. Ich bringe das gerade ein bisschen durcheinander. Ich kenne die schwäbische Szene und weiß, wie problematisch gerade diese Ausführungen sind.
Sie fordern in Ihrem Antrag eine detaillierte Kompetenzabgrenzung. Das ist ein sehr präziser Begriff. Ich danke Ihnen dafür. Ich nehme einmal die Drucksache mit der Bundesratsentscheidung und lese Ihnen vor, was da beschlossen worden ist, wo Sie ja die Mehrheit haben:
Der Bundesrat unterstreicht, dass eine bessere Kompetenzzuordnung zwischen Europäischer Union und Mitgliedstaaten auch im Sinne der Region ist.
Ich muss Ihnen sagen, aus dem Bessermachenwollen nach dem olympischen Prinzip – ich möchte jetzt nicht den Bundesrat kritisieren; wir wollen alles auf der Welt besser haben – abzuleiten, dass der Kreis, in dem Sie die Mehrheit haben, eine detaillierte Kompetenzzuordnung beschlossen habe, ist schlichtweg falsch und
geschummelt. Das sage ich zu Ihrer Unabhängigkeit. Aber ich nehme an, das kommt nicht von Ihnen; Ihnen wäre es sicher aufgefallen.
Nach unserer Auffassung ist es so, dass wir ein System der Kompetenzzuweisung, und zwar in differenzierter Form, haben wollen. Es gibt Bereiche, wo sich das bewährt hat, und es gibt Bereiche, wo in der Zukunft das Augenmerk stärker auf die Kompetenzzuordnung gelegt werden muss.
Das alles hat etwas mit Subsidiarität zu tun. Subsidiarität, Herr Kollege, ist keine Einbahnstraße. Es wird Bereiche geben – da stimmen wir überein –, wo wir wieder Kompetenzen in der Region brauchen. Wer aber Subsidiarität sagt, sagt automatisch auch: Es wird Bereiche geben, wo es sinnvoll ist, bestimmte Dinge auf höherer, europäischer Ebene zu regeln, zum Beispiel die Sicherheits-, Wirtschafts- und Steuerpolitik. Ich brauche das alles gar nicht aufzuzählen.
Ich stelle fest, Frau Schweder: Wir haben in diesen Dingen im Grunde genommen einen Konsens. Darum überrascht es, dass Sie ein paar Wochen vor der Wahl mit so einem Zeug ankommen und versuchen, etwas zu konstruieren, was mit der Sache nichts zu tun hat.
Jetzt lassen Sie mich ganz kurz noch etwas sagen. Schauen wir einmal auf die Daten. Der Antrag der CSU ist am 25. Juni eingereicht worden. Am 19. Juni, also sechs Tage vorher, gab es die gemeinsame – also auch von der SPD getragene – Bundesratsentschließung. Innerhalb dieser sechs Tage stellten Sie fest: Die Bundesregierung hat nicht gehandelt und hat deutsche Interessen nicht wahrgenommen. Das ist doch geradezu lächerlich, was Sie da machen.
Wenn ich das alles etwas ernster nähme, würde ich zum Beispiel die Rede lesen, die Herr Bocklet im April dieses Jahres gehalten hat, also nach Beginn der Konventsarbeit. Herr Kollege Zeller, da haben wir doch gemeinsam den Bericht gehört. Ich habe mir die ganze Rede noch einmal durchgelesen. Was da stand, habe ich zwar schon einmal gehört und das war auch spannend, aber ich dachte, ich sollte mir einmal diese Abwechslung gönnen und die Rede noch einmal lesen. Sie haben ja darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung für deutsche Interessen spurt. Diese Stelle habe ich dann nachgelesen, aber nichts gefunden. Dann habe ich sie ein zweites Mal gelesen und abermals nichts gefunden.
Aber wenn der Notstand so groß ist, dass Sie davon sprechen, dass die Bundesregierung und Herr Schröder deutsche Interessen, wenn es um die Region geht, nicht vertreten, dann hätte doch Ihr Minister seinen Mund aufmachen müssen. Er hätte einen Ton sagen können. Das fällt Ihnen erst ein paar Tage vor der Wahl ein, wo nur noch Polemik und sonst nichts gemacht wird.
Ich habe dann dummerweise – ich habe es Ihnen gerade erklärt – die Rede von Herrn Bocklet noch weiter gelesen. Das war heute Nacht. Dabei ist mir etwas aufgefallen. Passen Sie jetzt einmal gut auf! – Herr Hofmann,
Hinzu kommen das Interesse der deutschen Landwirte an einer Fortführung der Direktbeihilfen und das Interesse der neuen Länder an einer Fortsetzung der Strukturtransfers und nicht zuletzt das Interesse der Nettozahler an einer Begrenzung der finanziellen Lasten und damit an schnellen Reformen von Agrar- und Strukturpolitik noch vor dem Beitritt.
Meine Damen und Herren, ich wollte, es säßen ein paar Leute aus der Landwirtschaft hier, die davon etwas verstehen. Aber es ist niemand da.
Ich muss Ihnen sagen: Die Kapriolen, die gestern Propeller-Edi in Frankreich vollführt hat, indem er den Kurs Ihrer eigenen Regierung auf den Kopf gestellt hat, haben auch Sie vernommen. Aber Sie sitzen stumm da und halten den Mund. Ich höre von Ihnen keinen Protest. Noch vor vier Wochen haben Sie genau das Gegenteil von dem gesagt, was Propeller-Edi jetzt sagt.
Zum Abschluss noch etwas zur Wahrung deutscher Interessen. Ich möchte Ihnen sagen, ich erinnere mich an Kohl. Überall, wo der hingefahren ist, ist es hinterher sehr teuer geworden. Es ist billig, deutsche Interessen so zu vertreten. Deutsche Interessen vertritt man auch dann, wenn es einmal schwierig wird und wenn man sagen muss, dass man auf die Bürger im eigenen Land und auf die Landwirtschaft zu achten hat. Das ist der entscheidende Punkt. Ihr Herr Ministerpräsident Stoiber ist schon jetzt im Wahlkampf. Da knickt er ein, um sich hinterher einen Orden umhängen zu lassen und um sich dann in fließendem Französisch – „I’m proud“ – bedanken zu können. Herzlichen Dank.
Herr Kollege Hofmann, es ist völlig wurscht. Jedenfalls wird in dieser Lautstärke hier niemand ein „Depp“ genannt!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seien Sie doch nicht so streng mit Herrn Zeller. Er hat hier nur wieder eines seiner Lieblingsthemen oder sein eigentliches Lieblingsthema hochgezogen. Ja, es ist richtig: Es ist sein einziges Lieblingsthema. Das ist der Kompetenzkatalog. Es ist schade, Herr Kollege Zeller, dass Sie da immer noch nicht weitergekommen sind als vor einem Jahr, als wir dieses Thema nach dem Gipfel von Nizza schon einmal behandelt haben. Es wäre nämlich durchaus wertvoll, in diesem Thema einmal weiterzukommen.
Außerdem finde ich es schade, dass diese Debatte jetzt nur von wenigen Kolleginnen und Kollegen verfolgt wird; dabei respektiere ich natürlich deren Hunger. Es handelt sich um ein wichtiges Thema für Europa. Im Grunde sind die Unterschiede gar nicht so groß, wie es uns die CSU glauben machen will.
Sie haben Ihre Rede hier mit vielen schönen Worten begonnen, denen man in weiten Teilen zustimmen kann. Aber dann kam unter Vermischung von teilweise berechtigter Kritik mit Unterstellungen und Halbwahrheiten die übliche Polemik in die Richtungen Brüssel und Berlin. Sie zogen hier ein Theater auf, das uns europapolitisch gemeinsam nicht weiterbringt.
Am Ende ist dann nur eines klar: Ihr Interesse – da bitte ich genau zuzuhören und das in den weiteren Ausführungen genau zu unterscheiden –, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ist nicht ein demokratisches transparentes Europa, in dem dem Europaparlament und somit den Bürgerinnen und Bürgern Europas die tragende Rolle zukommt. Ihnen geht es nur um die Sicherung Ihrer Pfründe, um Machterhalt und unbotmäßige Einflussnahme.
Doch ich möchte Sie warnen: Mit dieser Politik werden Sie noch Probleme bekommen in Bayern. Ihre europapolitische Kritik am Bund könnte noch einmal böse auf Sie zurückfallen; denn ein Kanzler Stoiber würde sich in Windeseile vom Landeseuropapolitiker zum Bundeseuropapolitiker wandeln. Eines liegt doch in der Natur der Sache: In der Europapolitik laufen die Interessen von Bund und Ländern in Teilen heftig auseinander.
Ich gebe auch gerne zu: Als Landespolitikerin halte ich Ihre Kritik an der Europapolitik der Bundesregierung in Teilen sogar für berechtigt. Sie werden es vielleicht nicht wissen: Auch aus den Reihen der Bundestagsabgeordneten der GRÜNEN erhebt sich mitunter deutliche Kritik – sie sprechen da nämlich als Mitglied eines Parlamentes, einer Legislative –, wenn allein aus nationalem Interesse heraus dem Zukunftsprojekt Europa Schaden zugefügt wird.