Protokoll der Sitzung vom 18.07.2002

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Bei- fall des Abgeordneten Güller (SPD))

Sehr entlarvend ist in diesem Zusammenhang die Aussage des Leitenden Oberstaatsanwalts Reinhard Nemetz, wenn er mit größter Selbstverständlichkeit von seiner „Obrigkeit“ spricht; zu einer Obrigkeit gehört eben auch der hörige Untertan.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fünftens. Wir haben mit dem Landeskriminalamt eine Behörde vorgefunden, die die notwendige Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft verweigert und Ermittlungen torpediert. Wir müssen dringend die Notbremse ziehen: Es kann nicht angehen, dass sich nach 40 Jahren CSU-Herrschaft die Staatspartei den Rechtsstaat zur Beute macht. Das ist ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir fordern deshalb erstens mehr Unabhängigkeit für die ermittelnden Staatsanwälte; denn in Bayern werden die Staatsanwälte an extrem kurzer Leine gehalten und können so nach Strich und Faden ausgebremst werden. Es ist an der Zeit, dass die Staatsanwälte von der Leine der Obrigkeit gelassen werden; denn wo ehemals Regierende in internationale Korruption und Waffenschieberei verwickelt sind, braucht es statt obrigkeitshöriger Untertanen mutige und entschlossene Ermittler, die mit der jahrzehntelangen Verfilzung aufräumen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Das Berichtsunwesen zwischen Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwaltschaft und Justizministerium muss endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden, denn die Entscheidungswege müssen transparent und nachvollziehbar werden.

Drittens. Von Justizminister Manfred Weiß fordern wir eine klare Distanzierung vom Verhalten Herrmann Froschauers und seiner Stellvertreter, die mit ihrer Form der Zeugenvorbereitung und der Zeugenabsprachen rechtsstaatliche Grundprinzipien verletzt und den Ausschuss missachtet haben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viertens. Innenminister Beckstein muss die Strukturen im Landeskriminalamt so ändern, dass Aufträge der Staatsanwaltschaft erledigt und nicht abgewimmelt oder ignoriert werden. Die falschen Aussagen vor dem Ausschuss müssen personelle und dienstrechtliche Konsequenzen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Verhältnisse einreißen, wie wir sie im Fall Schreiber vorgefunden haben, dann ist es schlecht bestellt um den Zustand der bayerischen Justiz; das ist der Nährboden für eine politische Justiz.

Ein weiterer Bereich, den der Untersuchungsausschuss aufzuklären hatte, waren mögliche Zahlungen aus Provisionen, Bestechlichkeit, Vorteilsnahmen etc. über Schreiber an Minister oder sonstige Amtsträger. Es ist ausreichend belegt, dass das Rubrikkonto „Holgart“ mit 3,8 Millionen DM Holger Pfahls zuzurechnen ist.

Ungewöhnlich hohe Provisionen sind bei den MBB-Hubschrauber-, Airbus- und Panzergeschäften geflossen, die in dunklen Kanälen gelandet sind. Zum Teil waren die Provisionen vertraglich sogar ausgeschlossen. Selbst beim gescheiterten Bear-Head-Projekt sind erhebliche Provisionen gezahlt worden.

Mögliche Zahlungen an den ehemaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß konnten wir nicht klären, da dies nicht Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen war. Das Beziehungsgeflecht aus CSU-Politikern, Wirtschaft und dem Waffenhändler und Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber ist so eng, die Nähe zur CSU-Staatsregierung unter Franz Josef Strauß und

die privaten Kontakte sind so ausgeprägt, dass Geldflüsse in diese Richtung nicht ausgeschlossen sind.

Nicht ausgeschlossen werden kann auch ein Spendensystem bei der CSU, ähnlich wie es bei der CDU existierte. Hierzu gibt es eine in sich nachvollziehbare Aussage Schreibers – das ist der einzige Punkt, zu dem ich eine Aussage Schreibers heranziehe. Das Testat der Wirtschaftsprüfer, das durch die CSU vorgelegt wurde, bezieht sich nur auf die vorgelegten Unterlagen. Ob diese Unterlagen tatsächlich vollständig gewesen sind, sagt dieses Testat nicht aus.

Gerade der MBB-Hubschrauberverkauf an die kanadische Küstenwache gibt Anlass zu Nachforschungen; denn nach der glaubwürdigen Aussage des damaligen MBB-Repräsentanten in Kanada, Helge Wittholz, sei ihm von berufener Stelle in München erläutert worden, dass die Provisionszahlungen für die CSU gedacht sind. Wir sind diesem möglichen Kick-back-Geschäft nachgegangen und konnten uns auf die Aussage von Helge Wittholz stützen, die durchaus glaubwürdig gewesen ist. Jedenfalls soll dieses Geschäft als Kick-back-Geschäft gedacht gewesen sein für die Unterstützung des späteren konservativen kanadischen Premierministers, Brian Mulroney.

Keine Aufklärung hat die Aussage von Ministerpräsident Stoiber gebracht. Wegen der offensichtlichen Gedächtnislücken konnte er zur Klärung möglicher Geldflüsse nichts beitragen. Es war völlig unglaubwürdig, dass er von nichts etwas mitbekommen haben will, dass er als Generalsekretär nichts mit Parteispenden zu tun gehabt hätte. Schließlich war er im Wahljahr 1980 in der CSUFinanzkommission, die sich speziell um das Sammeln von Spenden kümmerte. Kiep hat damals häufig mit Stoiber über dieses Thema gesprochen, und Stoiber hat zum Beispiel einen Brief an Grundig geschrieben, in dem er Grundig wegen der Abwicklung der besprochenen Maßnahme – damit war eine illegale Parteispende in Höhe von 800000 DM an die CSU gemeint – an den CSU-Spendenverteiler, Rechtsanwalt Dr. Dannecker verwiesen hatte. Nur die bereits nachgewiesenen Vorteile, die er erhalten hatte, waren gerade noch präsent: die Flüge auf Kosten von MBB in sein Urlaubsdomizil in Frankreich und die Nutzung des Holzer’schen Urlaubsdomizils in den Achtzigerjahren. Gleichzeitig hat er sich aber auch an einigen Stellen sehr für das Ermittlungsverfahren interessiert. Herauszuheben ist die Situation, als Monika Hohlmeier als eventuelle Provisionszahlungsempfängerin über ihren Bruder Max ins Gespräch kam. Die Wählerinnen und Wähler werden sich genau überlegen, ob sie einen Kandidaten mit derartigen Gedächtnislücken zum Kanzler haben wollen. Das ist ihre Entscheidung. Für unseren Ausschuss hat er keine erhellenden Aussagen bringen können.

Auch wenn Sie es, meine Damen und Herren von der CSU, immer wieder versuchen: Das Instrument des Untersuchungsausschusses war gerade in diesem Fall sehr erfolgreich. Wir haben Bestätigung für die Arbeit gefunden. Wir haben vieles klarlegen können, vieles herausbekommen. Wir habe Dinge, die zu Unrecht in der Welt waren, auch ausräumen können.

Zum Schluss möchte ich mich ganz herzlich bei der Landtagsverwaltung, bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns Zuarbeit geleistet haben und bei allen Ministeriumsmitarbeitern bedanken, die auch die eine oder andere Nachtschicht geleistet haben. Ich danke den Beteiligten der Landtagsverwaltung, die unser Druckkonvolut innerhalb kürzester Zeit auf den Weg gebracht haben, weswegen es heute hier als Abschlussbericht auf dem Tisch liegt. Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Weiß.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nachdem ich von den Rednern der Opposition mehrmals persönlich angesprochen worden bin, wird sicherlich erwartet, dass ich zu den Sachverhalten noch Stellung beziehe. Vorweg möchte ich mich beim Kollegen Kreuzer bedanken. Er hat schon sehr viel von dem richtiggestellt, was Unrichtiges von diesem Pult verkündet worden ist.

Ich möchte auch einen Dank an die Mitarbeiter der Justiz für die Unterstützung im Untersuchungsausschuss vorausschicken, und zwar an die Mitarbeiter im Ministerium, bei der Staatsanwaltschaft und bei den Gerichten. Der Herr Vorsitzende Güller hat zwar versucht, das lächerlich zu machen, indem er meinte, deren Haupttätigkeit hätte lediglich darin bestanden, mitzustenografieren. Ich muss sehr deutlich sagen: Meine Mitarbeiter haben Tausende von Stunden geleistet, damit dieser Untersuchungsausschuss überhaupt vernünftig arbeiten kann.

(Beifall bei der CSU)

Das beginnt bei der Vorbereitung der Beschlüsse und endet bei ihrer Durchführung. Ich möchte einmal deutlich sagen, was unseren Leuten zugemutet wird. Am vergangenen Dienstag kam ein mehrseitiger Antrag, für über 200 Zitate die Geheimhaltung aufzuheben. Meine Leute haben alle anderen Arbeiten zurückgestellt, um zu überprüfen, wo die Geheimhaltung aufgehoben werden kann und wo nicht. Ich weiß nicht, ob sich auch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte so viel Zeit nehmen konnten. Ich sage deutlich: Die Justiz hat diesen Untersuchungsausschuss nach bestem Wissen und Gewissen unterstützt.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte ein Weiteres sagen. Ich habe sicher einige Erfahrung mit Untersuchungsausschüssen. Ich war bei drei großen Untersuchungsausschüssen der Vorsitzende. Ich habe selten einen Untersuchungsausschuss erlebt, bei dem die Ergebnisse so dünn waren, aber so starke Sprüche gefolgt sind, wie dies hier der Fall war.

(Beifall bei der CSU)

Wenn man den Untersuchungsausschuss teilweise miterlebt hat und sich den Minderheitenbericht ansieht, wundert man sich, was in ihm an Tatsachenverdrehungen und falschen Schlüssen enthalten ist, nur um ein Konglomerat von Vorwürfen zu schaffen mit dem Ziel, irgendjemandem etwas anzuhängen. Zuerst wollte man dem Ministerpräsidenten etwas anhängen, hat aber nichts gefunden. Statt dass man fair wäre und gesagt hätte, nein, es ist nichts da, lässt man es im Raum stehen. Dann versuchte man, dem jeweiligen Justizminister etwas anzuhängen, hat aber auch nichts gefunden. Dies lässt man aber auch im Raum stehen. Am Schluss ging man dann mit absurden Vorwürfen auf die Beamten los in der Hoffnung, etwas werde schon hängen bleiben, was die Beamten und auch die politische Spitze treffe. Ich glaube, dies ist ein fieser Stil. Wenn sich bei einer Beweisaufnahme nichts ergibt, gebe ich das eben zu.

(Beifall bei der CSU)

Wie so etwas abläuft, haben wir sehr deutlich gesehen. Generalstaatsanwalt Froschauer war noch gar nicht vernommen, aber der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses forderte bereits seinen Rücktritt. Das muss man sich einmal vorstellen. Derselbe Vorsitzende, von dem man Objektivität und eine faire Zeugeneinvernahme erwartet, fordert den Rücktritt eines Zeugen bereits vor dessen Vernehmung. Herr Güller, ich glaube, was Sie geboten haben, war kein Glanzstück.

(Beifall bei der CSU)

Weil die Fakten gar so dünn sind, muss man noch einen draufsetzen und fordert den Rücktritt des Amtschefs. Die Begründung lautete im Prinzip: Er war einmal Mitarbeiter in der Landesleitung, und er war Beamter in der Staatskanzlei. Sonst haben Sie überhaupt nichts. Sie haben gar nichts. Das sind Vermutungen, Sie können aber nichts nachweisen. Den Leuten hängen Sie aber etwas an, weil Sie die Hoffnung haben, damit auch die politisch Verantwortlichen treffen zu können.

(Beifall bei der CSU – Güller (SPD): Lesen Sie meinen Bericht! Da steht genügend drin! Lesen und zur Kenntnis nehmen!)

Das Untersuchungsausschussgesetz verlangt richtigerweise vom Vorsitzenden die Befähigung zum Richteramt. Der Hintergrund ist nicht nur, dass er eine Zeugenbelehrung vornehmen kann, sondern der Hintergrund ist, dass auch die Zeugen darauf vertrauen können, fair behandelt zu werden, ehrlich gefragt zu werden. Die richtige Aussage ist nicht diejenige, die dem Vorsitzenden in seinen politischen Kram passt, sondern die richtige Aussage ist die wahre Aussage. Das sollte man sich einmal merken.

(Beifall bei der CSU – Frau Radermacher (SPD): Das ist allerdings wahr!)

Ich habe mir im Nachhinein die Vernehmungen angesehen.

(Zurufe von der SPD)

Schreien Sie doch nicht so herum; jetzt bin ich dran.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch von der SPD)

Ich habe auch noch das Mikrofon. Durch das Mikrofon habe ich einen Vorteil, den ich auch ausnutze.

Ich habe einige Zeugenvernehmungen nachgelesen. Ich füge deutlich hinzu, dass dies nach meiner Vernehmung war. Was habe ich alles an zweifelhaften Vorhalten gelesen, in denen Leute nach Inhalten von Schriftstücken gefragt worden sind, ob sie diese kennen, die Fragesteller aber gewusst haben, dass es Schriftstücke mit diesen Inhalten gar nicht gibt. Dies sind keine fairen Zeugeneinvernahmen. Dies sind Tricksereien, mit denen man versucht, einen Zeugen hereinzulegen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Güller, ich habe drei große Untersuchungsausschüsse geleitet, nämlich „Wienerwald“, „Schalck“ und „Plutonium“. Die stellvertretenden Vorsitzenden dieser Ausschüsse waren innerhalb der SPD sicherlich keine Leichtgewichte, sondern Fachleute. Im ersten war es Frau Carmen König, im zweiten Karl-Heinz Hiersemann und im dritten Franz Schindler. Nach jedem Untersuchungsausschuss haben mir die Kollegen von der SPD bestätigt, dass ich eine saubere und faire Beweisaufnahme gemacht habe. Ich habe nicht getrickst, weil ich Richter war und die Möglichkeit haben wollte, erhobenen Hauptes wieder zur Justiz zurückzukehren. Wenn Ihnen heute solche Vorwürfe gemacht werden, sollten Sie einmal darüber nachdenken, ob Sie Ihre Aufgabe richtig erfüllt haben.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schieder?

Herr Minister, Sie haben richtigerweise gesagt, dass es um die wahre Aussage geht. Warum treffen sich dann Zeugen, um gemeinsam auszumachen, was gesagt werden muss?

Ich werde Ihnen das später in Ruhe erklären. Hier geht es nicht nur um die Durchführung der Beweisaufnahme, sondern auch um die Darstellung des Ergebnisses. Ich werfe Ihnen, Herr Güller, im Hinblick auf meine Aussage vor, dass Sie diese Aussage bewusst falsch dargestellt haben. Ich verweise auf die Seite 39 des Minderheitenberichts, wo es heißt: „Justizminister Dr. Weiß hat in Vorbereitung seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss ein ungewöhnliches Rechtsverständnis demonstriert.“ Wer mir so etwas vorwirft, muss sich sehr sicher sein. Ich möchte Sie einmal nach Ihrer großen Erfahrung fragen, die Sie bezüglich der Durchführung einer Zeugenvernehmung vorweisen können. Ich glaube nicht, dass Sie am Landratsamt Aichach-Friedberg allzu viele Zeugen vernommen haben.