Der richtige Weg wäre gewesen, den Vollzug der Haftbefehle, die schließlich wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr richterlich erlassen wurden, laufen zu lassen und sie währenddessen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Stattdessen hat Froschauer willkürlich den Stopp des Vollzugs verhängt, obwohl die Haftbefehle richterlich erlassen gewesen sind.
Staatsanwalt Dr. Maier hat vor dem Ausschuss juristisch fundiert vorgetragen, dass Froschauer mit dem Stopp der Haftbefehle den Rahmen der Dienstaufsicht verlassen hat. Dabei beruft er sich auf das Bundesverfassungsgericht, auf den sogenannten Justizgewährungsanspruch, der bei einem Haftbefehl sofortiges Handeln erfordert. Der Leitende Oberstaatsanwalt Hillinger hatte die Haftbefehle mit Bedacht nicht vorab gemeldet. Er vermutete die undichte Stelle, den Maulwurf, in den höheren Etagen der Justizverwaltung. Hillinger hat sehr vorsichtig gegenüber den vorgesetzten Behörden agiert und lieber erst nach erfolgter Ermittlungsmaßnahme Bericht erstattet. Er befürchtete, die Beschuldigten könnten sonst die Informationen ebenfalls erhalten. Vertrauen zum Amtschef des Justizministeriums Wolfgang Held hatte er anscheinend nicht. Hillinger wird von damaligen Mitarbeitern mit der Aussage zitiert: Dem Held traue ich nicht.
Zwischenzeitlich hatte Hillinger Wolfgang Held sogar darauf angesprochen, dass er ihn im Verdacht hatte.
Oberstaatsanwalt Kolb, damals Stellvertreter von Hillinger, bestätigte, dass auch er in dieser Situation lieber einen Rüffel eingesteckt hätte, als die Haftbefehle vorab zu berichten.
Der Ablauf des 28. April 1999 spitzte sich dramatisch und tragisch zu. Nachdem Hillinger die Weisung Froschauers befolgt und die Haftbefehle gestoppt hatte, verunglückte er tödlich. Er war auf die Gegenfahrbahn gekommen und frontal mit einem LKW zusammengerast. Es gab natürlich viele Spekulationen und Mordtheorien. Diese konnte der Untersuchungsausschuss nach menschlichem Ermessen ausräumen.
Herbst 1999. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Durchsuchung der CDU-Bundesgeschäftsstelle verhindert und damit das Verfahren Kiep behindert. Es sollte geklärt werden, ob 1 Million DM, die Kiep über Schreiber erhalten hatte, in seine Privatkasse flossen und nicht versteuert wurden oder in die Kasse der CDU als illegale Parteispende.
In diesem Zusammenhang wurde den Augsburger Ermittlern auch die Vernehmung des Exkanzlers Kohl als Parteivorsitzender der CDU untersagt. Damals war allen Beteiligten klar, dass eine Durchsuchung bei der CDU und die Vernehmung von Dr. Kohl für das Verfahren durchaus zusätzliche Hinweise in Richtung weiterer Parteispenden zur Folge gehabt hätte. Deshalb war bei dieser Entscheidung mit Sicherheit auch das Justizministerium eingeschaltet.
Schon 1997 durften die Ermittler Kohl nicht vernehmen. Damals hätte er zu der fragwürdigen Entscheidung des Bundessicherheitsrates zur Lieferung des Spürpanzers „Fuchs“ an Saudi-Arabien aussagen sollen. Die Lieferung erfolgte trotz entgegenstehendem Kriegswaffenkontrollgesetz und trotz größter Bedenken der Militärs, da die Panzer aus ihren Beständen geliefert werden sollten. In diese Entscheidung war Pfahls als Verteidigungsstaatssekretär involviert. Pfahls hatte massiv auf diese Entscheidung des Bundessicherheitsrates hingearbeitet. Für diese Tätigkeit wird Pfahls der Empfang von Schmiergeldern in Höhe von 3,8 Millionen DM zugerechnet.
Die Ablehnung der Durchsuchung der CDU-Bundesgeschäftsstelle und der Vernehmung Kohls erfolgte wiederum mit bestellten Berichten. Bei der Besprechung am 30. November 1999 diktierte Froschauer diesen kastrierten Bericht direkt. Die Staatsanwaltschaft in Augsburg und der Sachbearbeiter Dr. Maier sollten wiederum nach Aktenlage die Verantwortung dafür tragen. Gleichzeitig – das war ebenfalls bei der Besprechung am 30. November 1999 – sollten die Augsburger ihre gute Kooperation mit der Steuerfahndung einschränken. Aber genau diese enge Kooperation war gut für das Verfahren. Ohne diese enge Kooperation hätte das Verfahren nicht so erfolgreich geführt werden können. Das bestätigen alle beteiligten Staatsanwälte und die Beamten der Steuerfahndung.
Diese Interventionen Froschauers stehen in klarem zeitlichem Zusammenhang mit dem CDU-Spendenskandal auf der Bundesebene, den die Augsburger Ermittler mit dem Schreiber-Verfahren aufgedeckt hatten. Alles rief damals nach Aufklärung und am 23. November 1999 wurde schließlich der Bundestagsspendenuntersuchungsausschuss eingesetzt. Auch wieder eine Parallele: Spätestens ab Herbst 1999 – so berichtet Staatsanwalt Dr. Maier – seien konsequente und zeitnahe Ermittlungen nicht mehr möglich gewesen. Das passt genau in diesen Zeitablauf hinein.
Zweitens. Wir haben belegt, dass es dauernde Taktik des Generalstaatsanwalts war, das Verfahren klein zu halten, zu zersplittern und die Entscheidungswege zu verschleiern. Hierzu nenne ich ebenfalls einige Beispiele.
Bereits 1997 sprach Froschauer von einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO analog, weil der Beschuldigte unerreichbar sei. Negative Folge einer solchen Einstellung wäre gewesen, dass die übrigen Verfahren – Strauß, Pfahls, Kiep usw. – an andere Staatsanwaltschaften hätten abgegeben werden müssen. Außerdem wären Fahndungsmaßnahmen nicht
mehr mit dem notwendigen Druck weiterverfolgt worden. Rechtshilfeersuchen wären ins Leere gelaufen, wenn die Schweizer oder die kanadischen Behörden von einer Einstellung des Verfahrens erfahren hätten. Gerade beim kanadischen Steuer- und Rechtssystem der Auslieferung, Anklage etc. hätte dies insgesamt zur Erledigung des Falles geführt. Das ist des Herrn Generalstaatsanwalt Auffassung der Verfahrensverschlankung, auf die er nach eigenen Worten auch weiterhin achten wollte.
Mitte 1999 und Anfang 2000 betrieb Froschauer aktiv die Zersplitterung des Verfahrens auf verschiedene Staatsanwaltschaften. Das wäre jedoch der Tod des Verfahrens gewesen, da sich mehrere Staatsanwaltschaften neu in die Materie hätten einarbeiten müssen. Die Akten hätten aufgeteilt werden müssen; Wissen wäre verloren gegangen, unnötige Reibungsflächen wären entstanden. So provoziert man einen Wettlauf mit der Verjährung. Das ist regelrecht eine Handlungsanweisung, wie man ein Verfahren untergräbt.
Dies erfolgte ebenfalls auf dem Weg der bestellten Berichte. Damit sollten die wahren Entscheidungswege verschleiert werden. Die eigentlich verantwortliche Generalstaatsanwaltschaft, auf deren Wunsch hin eine Abgabe der Verfahren erfolgen sollte, wollte für diese Entscheidung nicht in Erscheinung treten. Stattdessen sollte die Verantwortung beim ermittelnden Sachbearbeiter Dr. Maier verbleiben. Dr. Maier hat dies bei seiner Zeugenaussage als äußerst belastend beschrieben. Ihm sollte der schwarze Peter zugeschoben werden. Justizminister Dr. Weiß konnte so bei öffentlicher Kritik immer auf die angeblichen Wünsche der Augsburger Staatsanwaltschaft und insbesondere auf den ermittelnden Staatsanwalt Dr. Maier verweisen. Das ist nicht nur Irreführung der Behörden. Der Justizminister hat so auch die Bevölkerung an der Nase herumgeführt.
In Sachen Leuna/Elf Aquitaine wurden den Augsburger Ermittlern Handschellen angelegt. Dem Bundeskriminalamt und der Arbeitsgruppe Koordinierte Ermittlungen – AKE – wurden die notwendigen Hilfestellungen verwehrt. Das Sammelverfahren, das nach dem Leitfaden zur Bekämpfung länderübergreifender Wirtschaftskriminalität vorgesehen ist, wurde von Bayern aus unterlaufen. Die Staatsanwältin Dr. Pöschl wurde anlässlich einer geplanten Teilnahme an der Vernehmung Dieter Holzers in Paris angewiesen, dass sämtliche Bezüge auf Leuna in ihrem Bericht über diese Vernehmung nicht erscheinen dürften. Bis dahin hatten die ermittelnden Staatsanwälte Erkenntnisse und Beweismittel für ein später zu eröffnendes Ermittlungsverfahren wenigstens gesichert.
Ein Aktenvermerk, demzufolge zwischen Generalstaatsanwaltschaft und Justizministerium vereinbart wurde, kein Sammelverfahren zu betreiben, belegt, dass die Spitze der bayerischen Justizverwaltung nicht an einer Aufklärung dieses Komplexes interessiert war.
Die Verfahren gegen Holzer, Strauß, Pfahls wegen Geldwäsche, also wegen eines Teilbereichs der Vorwürfe,
sind inzwischen eingestellt. Der Subventionsbetrug, bei dem es um dreistellige Millionenbeträge geht, wird schlichtweg von keiner deutschen Staatsanwaltschaft verfolgt.
Drittens. Wir haben aufgezeigt, dass mit der Form des Berichtswesens, wie es in Bayern betrieben wird, Entscheidungsabläufe nicht mehr nachzuvollziehen sind. Froschauer hat eine besonders perfide Ausprägung des Berichtswesens gepflegt. Er hat mit den bestellten Berichten diktiert, was die Staatsanwaltschaft zu denken und zu tun hat. In welchem Maße jeweils das Staatsministerium der Justiz informiert war, wird damit vertuscht, ebenso wer tatsächlich die Entscheidungen getroffen hat. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Augsburgern und dem General wurden von Herrmann Froschauer freilich als „rein fachlicher Diskurs“ geschildert, bei dem angeblich gemeinsam einvernehmliche Ergebnisse erzielt worden seien. Gleichzeitig führt er aber wunderschön aus, nach welchem Prinzip tatsächlich entschieden wird. Dazu ein Zitat von ihm:
Es entscheidet in der Diskussion das bessere Argument. Bei gleichem Gewicht der Argumente entscheidet die Autorität der vorgesetzten Behörde, des höheren Amtes.
Reinhard Nemetz, der Nachfolger von Behördenleiter Hillinger, passt sehr gut in dieses System. Kaum missfällt seiner Obrigkeit, dass so viele interne Notizen über Entscheidungen und Besprechungen in den Handakten dokumentiert sind, schon erlässt er eine Anweisung, dass keine Vermerke über innerdienstliche Vorgänge mehr zu den Handakten gegeben werden sollen.
das nur zur Einschüchterung kritischer Geister dient. Nemetz, der diese Anweisung bestätigte, kommentiert dies lapidar nur damit, dass die Handakten kein Tagebuch seien.
Zur Erinnerung aber: Dem Berliner Untersuchungsausschuss wurden diese Handakten zunächst bewusst vorenthalten.
Vor dem Untersuchungsausschuss haben die Herren von der Generalstaatsanwaltschaft – Froschauer und seine Stellvertreter Veit Sauter und Dr. Walter – ein absonderliches Verständnis ihrer Aufklärungspflichten als Zeugen an den Tag gelegt: Sie haben sich auf Klausurtagungen in Fischbachau gemeinsam auf die Aussage vorbereitet und eine aktenfeste Story verfasst, die dann übereinstimmend im Ausschuss regelrecht verlesen wurde. Dabei haben sie nicht nur ihre Erinnerung bemüht, sondern auch die Handakten der Augsburger, die sie damals – in der Zeit, an die sie sich erinnern soll
ten – gar nicht zur Verfügung hatten; zur Verfügung vielleicht schon, sie hätten sie anfordern können, aber sie kannten sie damals nicht. Bei einer Zeugenaussage jedoch soll man sich an die damaligen Vorkommnisse erinnern und die Akten, die man damals auch zur Verfügung hatte, als reine Erinnerungsstütze heranziehen, nicht aber, um eine aktenfeste Geschichte zu verfassen. Dies entspricht nicht einer korrekten Zeugenvorbereitung. Das Höchste war, Herr Justizminister Weiß, dass Sie dieses Verhalten auch noch vehement verteidigt haben.
Selbst haben Sie sich natürlich auch Ihre Zeugenaussage vom Ministerium vorbereiten lassen. Diese Vorbereitung war dem Zeugen Held vor seiner zweiten Aussage bekannt.
Ebenso kam Ministerpräsident Stoiber mit einer vorbereiteten Erklärung in den Zeugenstand. Hier mangelt es einfach an Unrechtsbewusstsein und am Verständnis für die Zeugenpflichten vor dem Untersuchungsausschuss.
Fünftens. Ein weiterer Bereich, den wir aufklären konnten, ist die Rolle des Landeskriminalamtes, die sich hier sehr fragwürdig dargestellt hat. Besonders betrifft das das Verhalten der drei Herren vom Landeskriminalamt, die vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt haben. Wir haben sie überführt, vor dem Ausschuss falsche Angaben gemacht zu haben. Sie erklärten dies mit Erinnerungslücken. Die falschen Angaben waren allerdings auffallend übereinstimmend.
Die Story der Herren des Landeskriminalamtes hat auch dazu geführt, dass das Parlament vorher in den Erklärungen zum Beispiel des Justizministers und auch des Innenministers hier in die Irre geführt worden ist.
In ihrer zweiten Aussage mussten die drei Herren eingestehen, dass sie von dem Auftrag der Staatsanwaltschaft zur Untersuchung des Streamer-Bandes wussten, diesen aber arrogant ignorierten. Sie wussten auch, dass es sich um das brisante Verfahren gegen Schreiber, Strauß und andere gehandelt hatte. Ohne unsere Detektivarbeit im Ausschuss wären die Herren mit ihrer Geschichte durchgekommen; denn die brisanten Aktenstücke, die der Wahrheitsfindung gedient hätten, waren beim Landeskriminalamt angeblich – rein zufällig – falsch abgelegt worden. Statt law and order herrschen dort Willkür und Schlamperei.
Aufträge der Staatsanwaltschaft werden nur nach Gutdünken ausgeführt oder eben nicht, und unliebsame Akten landen nach Belieben im Ablagen-Nirwana.
Alle diese Beispiele belegen das ganze Ausmaß, mit dem von oben Einfluss auf die Ermittlungen der Augsburger Staatsanwälte genommen worden ist und den Ermittlern immer wieder Knüppel zwischen die Füße geworfen wurden. Und, Herr Kreuzer, ich werde hier
meine Vorwürfe wiederholen, wie ich sie auch auf der Pressekonferenz vorgetragen habe: Der Schreiber-Untersuchungsausschuss hat uns ein ebenso deftiges wie erschreckendes Sittengemälde des bayerischen Justizbetriebes geliefert:
Erstens, eine Führungsriege, die selbstherrlich die elementaren Prinzipien der Strafprozessordnung für sich selbst außer Kraft setzt und sich auf wasserdichte Zeugenaussagen verständigt.
Zweitens, ein Generalstaatsanwalt, der die politische Gesamtsituation zum Maßstab für die Billigkeit seines Ermittlungseifers erhebt. Vor dem Untersuchungsausschuss hat Herrmann Froschauer einen sehr entlarvenden Satz geprägt, aus dem seine Maxime bei politisch brisanten Verfahren überdeutlich wird. Ich zitiere: „Der Staatsanwalt muss bei seinem Tun das Kräfteverhältnis der politischen Strebungen in Erwägung ziehen und auf politische Verträglichkeiten achten.“
Drittens, der gezielte Versuch, die Entscheidungswege von oben durch bestellte Berichte zu verschleiern und unbequeme Ermittler ins Leere laufen zu lassen. Berichte der Augsburger Staatsanwaltschaft mussten auf Geheiß des „Generals“ umgeschrieben und geplante Ermittlungsmaßnahmen aus den Berichten gestrichen werden.
Viertens, ein fein abgestuftes System des vorauseilenden Gehorsams und der politischen Hörigkeit im bayerischen Beamtenapparat, das auch ohne explizite Weisungen von oben wie geschmiert funktioniert, nach dem Motto: Manche sind eben gleicher als gleich – vor allem, wenn man das richtige Parteibuch hat oder die richtige Verwandtschaft.