Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir nun noch ein persönliches Wort zum Schluss. Ich war Richter in einem Schwurgericht und habe mir oft gedacht, wenn wir dort so gearbeitet hätten und eine Sitzungsleitung gehabt hätten wie in diesem Untersuchungsausschuss, dann wäre ich in diesen Jahren überhaupt nicht mehr nach Hause gekommen.
(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt halten Sie sich aber einmal zurück! – Frau Radermacher (SPD): Haben Sie eigentlich überhaupt keinen Charakter?)
Wenn eine Frage zum zehnten Mal gestellt wurde, wurde sie immer noch einmal zugelassen und die Zeugen wurden tagelang festgehalten, meist ohne Erkenntnisgewinn.
Auch dies sollte uns eine Lehre sein, dass wir die Dinge rechtsstaatlich, aber zügig abwickeln; denn ein Untersuchungsausschuss sollte kein organisierter Zeitdiebstahl sein.
(Anhaltender lebhafter rhythmischer Beifall bei der CSU – Strasser (SPD): Das Beste an der Rede war das Aufhören!)
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kreuzer hat uns hier einen wunderbaren freudschen Versprecher geliefert. Es sei ein Armutszeugnis für die Opposition gewesen, dass sie nicht mehr nachweisen konnte. Herr Kreuzer, Sie hätten uns durchaus helfen können, aber auch ohne Ihre Mithilfe war die Ausschussarbeit erfolgreich.
Herr Kreuzer, Sie spielen die Brisanz dieses Untersuchungsausschusses herunter. Die Arbeit wird unter Wahlkampfgetöse abgehakt und mit haltlosen Unterstellungen gegenüber der Opposition garniert. Angeblich
wird dieser Ausschuss von der Opposition zu durchsichtigen Wahlkampfzwecken instrumentalisiert und das Ermittlungsverfahren skandalisiert. Sie tun die Ergebnisse, die wir Ihnen in unserem Bericht vorgelegt haben und die ich heute noch ausführlicher darlegen werde, einfach ab, als ob sie nicht existierten. Dabei haben wir diese Ergebnisse in allen Einzelheiten nach der Aktenlage und nach den Zeugenaussagen belegt.
Gleichzeitig werden Dr. Maiers Angaben, die durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses bestätigt wurden, als nicht belegbare Mutmaßungen und Verdächtigungen bezeichnet. Diese Taktik ist mehr als durchsichtig. Für die CSU stand das Ergebnis des Untersuchungsausschusses von vornherein fest: Keine politischen Einflussnahmen auf das Verfahren, keine Schmiergeldzahlungen an Funktionäre undParteien.
Mit Beschwichtigungen, Auslassungen, ohne Quellenarbeit und ohne Auseinandersetzung mit dem Akteninhalt und den Zeugenaussagen können Sie nicht von dem Erfolg des Untersuchungsausschusses ablenken. Ihre Bilanz ist nicht haltbar.
Es war während der gesamten Arbeit des Untersuchungsausschusses ihre Taktik, Staatsanwalt Dr. Maier in ein fragwürdiges Licht zu stellen und ihn zu diskreditieren. Wer so mit einem mutigen Staatsanwaltschaft umgeht, will nur von den eigenen Fehlern, dem eigenen skandalösen Verhalten ablenken. Doch Dr. Maier steht nicht allein. Seine Aussagen und Einschätzungen wurden in ähnlicher Weise von seinen Kolleginnen und Kollegen aus der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung bestätigt.
Ablenkungsmanöver haben die Kollegen Kreuzer und Co sowieso permanent geliefert. Sie waren Steigbügelhalter für die Staatsregierung und den Ministerpräsidenten.
Woher zum Beispiel soll eigentlich diese bayerische CSU-Logik kommen, dass vor Untersuchungsausschüssen die Minister und der Ministerpräsident als letzte, sozusagen als krönender Abschluss aussagen? Der einzige Sinn kann nur darin bestehen, dass sie sich dann so richtig vorbereiten können. Denn die bisherigen Zeugenaussagen sind ja bekannt, und das ist dann auch so eine Art Zeugenvorbereitung, zumal die Ministeriumsvertreter im Untersuchungsausschuss immer anwesend sind und die Redemanuskripte von den Mitarbeitern der Ministerien erstellt werden. Da kann einfach nichts mehr schief gehen. Das ist Wahrheitsfindung à la CSU.
Dass aufgrund dieser Reihenfolge Stoiber als Kandidat im Wahlkampf vor dem Untersuchungsausschuss erscheinen musste, war sozusagen ein Schuss, der nach hinten losging. Denn mit der Oppositionsbeschimpfung, die er im Untersuchungsausschuss betrieben hat, und mit der obendrein unglaubwürdigen Aussage konnte er nicht überzeugen.
Eine weitere Taktik, die Sie hier fahren, ist der Angriff auf den Vorsitzenden. Harald Güller hat den Vorsitz völlig korrekt geführt und den Ausschuss souverän geleitet.
Gerade auch aus den letzten Worten von Herrn Kreuzer wurde deutlich, dass Sie es einfach nicht verwinden können, dass erstmals ein Oppositionsabgeordneter an der Spitze eines Untersuchungsausschusses stand.
Ich komme jetzt zum Untersuchungsauftrag. Die Machenschaften des Karlheinz Schreiber und seiner Kumpane Holger Pfahls, Max Strauß und anderer hätten wunderbar weitergehen können, hätte es nicht einen gewissen Georgio Pelossi gegeben, der den Fall Schreiber bei den Augsburger Ermittlern zur Anzeige brachte, und hätte es dort nicht so engagierte Ermittler wie den Steuerfahnder Winfried Kindler und die Staatsanwälte Weigand, Dr. Maier, Dr. Pöschl und den damaligen leitenden Oberstaatsanwalt Jörg Hillinger gegeben.
Den Steuerfahndern fiel Karlheinz Schreibers Kalender aus dem Jahre 1991 in die Hände. Die Fahnder konnten die Verschlüsselung knacken und waren so in der Lage, Pfahls, Strauß, Leisler Kiep, Erich Riedl und den beiden Thyssen-Managern Maßmann und Haastert die von Schreiber gefüllten Schweizer Rubrikkonten zuzuordnen.
Seit 1995 laufen die Ermittlungen in Augsburg mit vielen Hürden und Merkwürdigkeiten. Beschuldigte sind über geplante Ermittlungsschritte und andere Interna bestens informiert: Karlheinz Schreiber hat offensichtlich Zugriff auf Informationen aus dem Polizeicomputer. Holger Pfahls erwartet die Beamten zur Hausdurchsuchung mit offenen Armen, aber mit leeren Schränken und taucht gerade im richtigen Zeitpunkt unter. Max Strauß löscht rechtzeitig die Festplatte seines Laptops, bevor dieser beschlagnahmt wird und die Festplatte später auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Strauß warnt Erich Riedl vor einer vermeintlichen Hausdurchsuchung. Kieps Anwalt weiß, dass sich über seinem Mandanten etwas zusammenbraut, just als sein Haftbefehl beantragt ist. Dies sind nur einige Beispiele.
Als die Augsburger Staatsanwälte nicht nur gegen Karlheinz Schreiber ermitteln, sondern das Verfahren wegen Steuerhinterziehung auf Pfahls, Strauß und Kiep im
Dezember 1995 ausweiten wollen, schrillen die Alarmglocken bei der Generalstaatsanwaltschaft und im Justizministerium. Bei Justizminister Leeb wurde schnell eine Krisensitzung einberufen. Wegen des Verdachts gegen Pfahls wurden sofort weitere Belege nachgefordert. Die entschlüsselten Tagebucheintragungen und die Zuordnung von Personen zu den Schweizer Rubrikkonten wurden zunächst vom Tisch gewischt. Gleichzeitig mangelte es an der notwendigen Unterstützung für die Ermittler. Unterlagen – insbesondere die Briefe von Schreiber an Ministerpräsident Stoiber – wurden nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Dies geschah erst sehr viel später auf Druck der Öffentlichkeit.
Perfekt funktioniert haben in diesem politisch brisanten Verfahren die über 40 Jahre lang trainierten Weisungsund Hierarchiestrukturen bis zum Ministerpräsidenten hinauf. Institutionalisiert ist dies in der bayerischen Form des verschleiernden Berichtswesens, bei dem, je höher man kommt, immer weniger dokumentiert ist. Seit dieses politisch brisante Verfahren an die Öffentlichkeit gelangt ist, funktioniert dieses System nicht mehr ganz so gut.
Die Zeugenaussagen vor dem Berliner Untersuchungsausschuss lenkten den Blick nach Bayern. Die verschwundene Festplatte entrüstete die Öffentlichkeit. Justizminister Weiß und Innenminister Beckstein warteten, falsch informiert durch das Landeskriminalamt, mit falschen Informationen vor dem Landtag auf. Bis heute sind die strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen den inzwischen im Ruhestand befindlichen Hermann Froschauer nicht befriedigend untersucht worden. Auf unsere Strafanzeige wegen des Versuchs der Strafvereitelung hin sind nicht einmal Ermittlungen eingeleitet worden. Es ging um die Verhinderung notwendiger Ermittlungsmaßnahmen. Froschauers Stellvertreter Veit Sauter hatte jene endgültig abgelehnt. Ermittlungen gegen sich selbst sind eben nicht vorgesehen. Eine neutrale Staatsanwaltschaft wurde nicht eingeschaltet.
Nachdem sich die Merkwürdigkeiten häuften, überall nur gemauert wurde, die Auskünfte dürftig oder falsch waren, in den Zeitungen und in Buchveröffentlichungen mehr zu erfahren war als bei der Staatsregierung, wurde der Untersuchungsausschuss hier in Bayern mehr als notwendig. Nach 15 Monaten hat dieser wichtige Untersuchungsausschuss nun seine Arbeit beendet und wir können beachtliche Ergebnisse vorweisen. Allen Unkenrufen der CSU zum Trotz konnten wir massive Behinderungen des Ermittlungsverfahrens gegen Karlheinz Schreiber, Holger Pfahls, Max Strauß, Walther Leisler Kiep, Erich Riedl und andere belegen und nachweisen. Diese gingen insbesondere vom ehemaligen Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer aus. Gedeckt wurde und wird dieses Verhalten vom Justizministerium und vom jeweiligen Minister höchstpersönlich. Selbst von der Zeugenabsprache Froschauers mit seinen Stellvertretern will sich Minister Weiß nicht distanzieren. Vielmehr lobte er Froschauer bei seiner Verabschiedung in den höchsten Tönen als den richtigen Mann an der richtigen Stelle – das will heißen: der richtige Mann, der mit allen Mitteln Unbill von der Staatsregierung abwendet.
Wir konnten nachweisen, dass das Landeskriminalamt seine Unterstützung bei der Untersuchung des Streamer-Bandes aus der Kanzlei von Max Strauß verweigert hat, das Parlament über diese Zusammenhänge falsch informiert wurde und die Mitarbeiter des Landeskriminalamts inklusive des ehemaligen Präsidenten Ziegenaus falsche Angaben vor dem Ausschuss gemacht haben.
Wir haben Licht in das Beziehungsgeflecht der CSUGranden rund um Franz Josef Strauß und seine Nachfolger gebracht. Wir haben die engen Verquickungen von Mitgliedern der Staatsregierung mit zwielichtigen Gestalten wie Karlheinz Schreiber, Dieter Holzer, Holger Pfahls und Max Strauß aufgezeigt und Geldflüsse nachvollzogen, soweit dies nach den Unterlagen, die wir zur Verfügung hatten, möglich war.
Dieses Ermittlungsverfahren war kein normales Verfahren, wie von offizieller Seite und der CSU immer behauptet wird. Das Verfahren wurde ganz eindeutig auf ganz besondere Art und Weise von oben begleitet. Ich komme jetzt im Einzelnen auf die Sachverhalte zurück, denn Sie fordern ja immer Belege und Beweise. Diese werde ich jetzt im Einzelnen darlegen.
Erstens. Notwendige Ermittlungsmaßnahmen wurden von der Generalstaatsanwaltschaft verhindert, verzögert, untergraben, meist mit der Unterstützung oder Billigung des Justizministeriums. Eine Schlüsselrolle hat hier Generalstaatsanwalt Froschauer mit einer Mischung aus vorauseilendem Gehorsam und selbstherrlicher Überzeugung gespielt. Hierzu nenne ich einige Beispiele.
Januar 1996: Die Festplatte aus dem Laptop von Max Strauß sollte entgegen dem Willen des Leitenden Oberstaatsanwalts Hillinger nicht untersucht werden. Jörg Hillinger musste einen genau um 180 Grad anders lautenden Bericht abgeben, als er ihn ursprünglich geschrieben und abgeschickt hatte. Zunächst schrieb er, dass er trotz der hohen Kosten die Festplatte untersuchen lassen wolle, weil eine Untersuchung durch die zu erwartenden Ergebnisse gerechtfertigt sei. Danach musste er schreiben, dass er wegen der hohen Kosten die Festplatte nicht untersuchen lassen wolle, weil dies durch die zu erwartenden Ergebnisse nicht gerechtfertigt sei. Hillinger schrieb dann in einer Aktennotiz, dass er dies als Weisung empfand, suchte dennoch nach Möglichkeiten, die Festplatte zu untersuchen, und dokumentierte die doppelten Berichte samt Aktennotiz in der Handakte und im Berichtsheft, und zwar aus gutem Grund, wie wir heute wissen, denn sonst säßen wir heute wahrscheinlich nicht hier.
Zweite Jahreshälfte 1997/Anfang 1998: Die Zielfahndung nach Karlheinz Schreiber wurde von Froschauer mindestens um ein halbes Jahr verzögert. Damals hätte noch die Chance bestanden, Schreiber in der Schweiz aufzustöbern. Dort hätte er leichter festgesetzt werden können. Die Auslieferung aus der Schweiz wäre mit deutlich weniger Schwierigkeiten verbunden gewesen als im Falle Kanada.
28. April 1999: Hermann Froschauer hat den Vollzug der Haftbefehle gegen Pfahls und die beiden Thyssen-Ma
nager Maßmann und Haastert gestoppt. Auch wenn dies nur für zwei Tage geschah: Damals wusste schließlich niemand, ob Pfahls nicht genau diesen Zeitaufschub zur Flucht nutzen würde.
Der richtige Weg wäre gewesen, den Vollzug der Haftbefehle, die schließlich wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr richterlich erlassen wurden, laufen zu lassen und sie währenddessen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.