Protokoll der Sitzung vom 19.07.2007

Diese Baulinie und drei weitere Atomkraftwerke sind besonders gefährlich. Ich habe die Siedewasserreaktoren Brunsbüttel, Philippsburg, Isar 1 und Krümmel genannt. Dazu kommen Biblis A, Biblis B und Neckarwestheim, die besonders gefährdet sind, was die Wandstärke und die Sicherheit gegen Abstürze von Flugzeugen betrifft. All diese sieben Atomkraftwerke weisen eine Bauweise auf, die eben keine Sicherheit gegen den Absturz von militärischen Maschinen bietet, wie sie derzeit im Einsatz sind, geschweige denn gegen den Absturz von Passagiermaschinen, zum Beispiel vom Münchner Großfl ughafen aus. Wie wir aus einer Anfrage wissen, wird Isar 1 mehr als 120-mal pro Tag im Abstand von einem Kilometer vom Großfl ughafen München aus umfl ogen, im Abstand von einem Kilometer circa 130-mal pro Tag.

Isar 1 ist nicht sicher, was die Wandstärke und die technische Bauausführung betrifft.

(Ludwig Wörner (SPD): Dafür haben Sie eine Nebelwurfanlage!)

Ich habe es gesagt: Isar 1 stammt aus derselben Baureihe wie Brunsbüttel. Ich kann Ihnen sagen: Es gab bereits jede Menge Zwischenfälle, zum Beispiel kam es im März 2006 beim Abfahren von Isar 1 zu einer ungeplanten Reaktorschnellabschaltung und zum Ausfall der Hauptkühlung über 3,5 Stunden. Im April 2006 werden im Atomkraftwerk Isar 1 im Bereich des Wasserstoffabbausystems Risse an Schweißnähten entdeckt. Genau das ist es, was uns sagt: Wir müssen mit

diesem Atomkraftwerk mit ganz besonderer Sorgfalt umgehen, und das bedeutet für uns: Abschaltung von Isar 1.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im baugleichen Reaktor Brunsbüttel kam es im Jahr 2001 zu einer Wasserstoffexplosion im Reaktordruckbehälter. Drei Monate hat man versucht, das zu verschweigen und hat sogar das AKW in Betrieb gelassen – im baugleichen Reaktor wie Isar 1. Isar 1 weist ebenfalls Zwischenfälle und meldepfl ichtige Ereignisse am Reaktor im Wasserstoffabbausystem auf. Das sollte Sie nicht sorglos lassen.

Wir hatten im Jahr 2006 von bundesweit 126 Zwischenfällen 30 in Bayern, im Jahr 2007 bereits 16 in Bayern, FRM eingeschlossen, insgesamt in den Jahren 2002 bis 2006 in Bayern 132 Zwischenfälle.

Aus diesem Grund fordern wir heute ganz bescheiden und zurückhaltend, uns aber unserer Verantwortung bewusst, eine andere Informationspolitik bezüglich der bayerischen AKWs.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wissen: Im Februar dieses Jahres wurde ein Zwischenfall der Meldekategorie „Eilt“ im AKW Isar 1 erst knapp eine Woche später in einer Pressemitteilung veröffentlicht. Vier meldepfl ichtige Ereignisse in Grafenrheinfeld im April 2007 wurden von Eon erst Anfang Mai in einer Sammelpressemitteilung veröffentlicht. Das ist eine fatale Informationspolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jeder, auch Wirtschaftsminister Huber, der sich in dieser Sache berufen fühlt, handelt grob fahrlässig, wenn er behauptet: Das ist in Schleswig-Holstein, das kommt bei uns nicht vor. Diese Beispiele einer mangelhaften, ausgesprochen unverantwortlichen Informationspolitik stammen aus Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Menschenverachtend ist das!)

Lassen Sie mich noch zu einem ganz wesentlichen Punkt kommen. Nach Atomgesetz hat alle zehn Jahre eine periodische Sicherheitsüberprüfung der Atomkraftwerke stattzufi nden. In Brunsbüttel war diese beispielsweise bis zum 30. Juni 2001 vorgeschrieben. Jetzt, sechs Jahre später, ist diese Mängelliste noch nicht abgearbeitet. Sie haben vielleicht mitverfolgt, dass gestern die Deutsche Umwelthilfe genau darauf hingewiesen hat. Mängel der Kategorie K 2 sind Nachweisdefi zite, die kurzfristig zu beseitigen sind. Von dieser Mängelliste, insgesamt 172, wurden gerade mal 7 abgearbeitet, und 165 sind nach sechs Jahren noch offen, Mängel, die eigentlich kurzfristig zu beseitigen sind, Nachweisdefi zite K 2.

Für das Atomkraftwerk Isar 1 in Bayern war diese periodische Sicherheitsüberprüfung bis Ende 2004 durchzu

führen. Bis heute sind keinerlei Informationen über die Ergebnisse dieser periodischen Sicherheitsüberprüfung an die Öffentlichkeit gegeben worden.

Darum dringend, ganz dringend unsere Forderung: Sämtliche Unterlagen der periodischen Sicherheitsüberprüfung für das AKW Isar 1, die zum 31.12.2004 fällig war, sind zu veröffentlichen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn die bayerischen Atomkraftwerke so sicher sind, wie Sie immer behaupten, dann scheuen Sie sich doch nicht, diese Informationen der Sicherheitsüberprüfung an die Öffentlichkeit zu geben.

(Beifall bei den GRÜNEN – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Genau!)

Dann handeln Sie, und handeln Sie heute und stimmen unserem Antrag zu. Wir werden über diesen Antrag namentlich abstimmen lassen.

(Henning Kaul (CSU): Schön!)

In Brunsbüttel, dem baugleichen Reaktor, lagen genau 165 Nachweismängel der Stufe K 2 vor – Bruchsicherheitsnachweis im Rohrsystem nicht bewältigt, Werkstoffprobleme, Mängel in der Elektro- und Leittechnik, Verwundbarkeit gegen Terroranschläge –, die kurzfristig zu beseitigen sind. Legen Sie alle Daten über die Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfung für das bayerische Atomkraftwerk Isar 1 der Öffentlichkeit vor. Es reicht nicht, Personen auszutauschen. Die alten Probleme bleiben, insbesondere die Sicherheitsprobleme.

Atomkraftwerke sind keine Pommesbuden, das sollten Sie wissen.

(Christian Meißner (CSU): Das ist ein toller Satz!)

Die Bürger haben ein Recht auf umfassende Information.

(Christian Meißner (CSU): Purer Populismus!)

Gefragt sind nicht populistische Äußerungen

(Henning Kaul (CSU): Was sind sie denn sonst?)

von Ihrer Seite,

(Beifall bei den GRÜNEN)

sondern Sie müssen Ihrer Verantwortung gerecht werden.

(Henning Kaul (CSU): Was war denn das anderes als eine populistische Äußerung?)

Es gibt in der Sicherheit erhebliche Niveauunterschiede. Glauben Sie etwa, ein alter Fiat 500 ist genauso sicher wie ein neuer Mercedes?

(Christian Meißner (CSU): Und Sie reden über Populismus!)

All diese alten Reaktoren, die ich heute genannt habe einschließlich Isar I, würden heute keine Betriebsgenehmigung mehr in Deutschland erhalten. Nehmen Sie dies zur Kenntnis und tun Sie den ersten Schritt, machen Sie eine umfassende Informationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist das Wichtigste!)

Ziehen Sie dann die Konsequenzen in verantwortlicher Weise; denn das Risiko Atomenergie ist nicht beherrschbar.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Meißner.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Auf Regen folgt Sonnenschein, sagt der Chinese. Dass nach den Meldungen aus Krümmel und Brunsbüttel ein Dringlichkeitsantrag der Kollegin Paulig folgen würde, ist genauso klar wie die Tatsache, dass auf Regen Sonnenschein folgt. Das Allerschönste möchte ich aber gleich an den Anfang stellen. Wenn Sie uns Populismus vorwerfen, gleichzeitig aber eine kerntechnische Anlage mit einer Imbissbude vergleichen, frage ich Sie, ob wir noch in der richtigen Veranstaltung sind. In einem viel zu vielminütigen Beitrag haben Sie eine Plattitüde an die andere gereiht.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Sagen Sie doch etwas zum Thema!)

Sie haben dabei niemals unterschieden zwischen dem, was in Schleswig-Holstein im Hinblick auf die Informationspolitik bedauerlicherweise passiert ist, und dem, was in Bayern Realität ist. Im Gegenteil, Sie haben alles zu einer üblen Brühe zusammengerührt, die Sie in der Öffentlichkeit ausschütten wollen, um die Menschen zu verunsichern. Das ist auch Sinn und Zweck Ihres Antrags, das hat aber nichts mit politischer Verantwortung zu tun. Es ist einfach nur niederer Instinkt und übler Populismus.

(Beifall bei der CSU – Susann Biedefeld (SPD): Wir werden mal schauen, ob Sie noch etwas Sachliches und Fachliches sagen können!)

Grundsätzlich ist es nicht falsch, immer wieder über Sicherheitskultur zu sprechen. Ich kritisiere lediglich die Art und Weise, wie Sie es tun. Es ist nicht falsch, sich immer wieder bewusst zu machen, dass jede kerntechnische Anlage höchste Aufmerksamkeit verdient, bei der die Öffentlichkeit auch einen Anspruch auf größtmögliche

Offenheit und ständige und aktuelle Information hat. Das ist gar keine Frage.

(Susann Biedefeld (SPD): Und Sie reden von Plattitüden!)

Sie mussten aber zunächst eine Geschichte, die sich in Schleswig-Holstein ereignet hat, nach Bayern übertragen. Schauen wir doch einmal nach Krümmel. Über das, was die Firma Vattenfall gemacht hat, brauchen wir uns nicht lange zu unterhalten. Einigen Verantwortlichen hat das auch ihre Tätigkeit gekostet. Sie sind dafür zur Verantwortung gezogen worden. Das zeigt, dass es sich die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Bayern nicht gefallen lässt, wenn über meldepfl ichtige Ereignisse nur Halbwahrheiten oder überhaupt keine Wahrheiten verbreitet werden.

(Susann Biedefeld (SPD): Deswegen werden die Kernkraftwerke aber nicht sicherer!)

Wir alle haben verfolgt, wie von einer Firma, die kerntechnische Anlagen betreibt, Vertrauen verspielt worden ist. Das war falsch, und es ist Vertrauen verloren gegangen.