Nicht anders ist zu erklären, dass ein Bundesinnenminister als jemand, der auch für den Schutz der Verfassung zuständig ist, Vorschläge macht, die erkennbar der Verfassung widersprechen. Nun weiß ich, wir hatten in diesem Land immer Schwierigkeiten mit Bundesinnenministern von der CDU und der CSU. Ich erinnere an Zimmermann und Kanther und nenne ausdrücklich Schäuble. Es ist wohl ein Fluch, mit dem wir es hier zu tun haben. Das bedeutet nicht, dass wir nachgeben müssen, weil die objektive Lage nicht so ist. In diesem Sinne hoffe ich, dass es noch viel mehr Menschen gibt, die Skrupel haben und Ihre Argumentation als das durchschauen, was sie ist, nämlich politische Propaganda.
Als nächsten Redner darf ich Herrn Kollegen Martin Neumeyer ans Pult bitten. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber fast alle Terroristen sind Muslime.“
Dieses Eingeständnis hat der Direktor des arabischen Senders Al-Arabija Abdel Rahman im „Spiegel“-Interview 2004 gemacht. Das Thema Terror beschäftigt die Medien. Der „Focus“ schreibt: „Die Saat ist aufgegangen.“ Er bezieht sich dabei auf die Gefahren, die von Hasspredigern ausgehen, die großen Einfl uss auf junge Menschen und insbesondere junge Männer haben. Necla Kelek hat in ihrem Buch „Die verlorenen Söhne“ erzählt, wie türkische Kinder teilweise als Paschas erzogen werden. Es wird die
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die „taz“ formuliert zu diesem Thema „Die zornigen jungen Männer“ und berichtet über eine Veränderung der politischen Situation in Deutschland. Sie berichtet von einer Ideologie des Dschihadismus, der eine moderne politische Bewegung ist und den Liberalismus und Individualismus ablehnt. Er nährt sich – das ist interessant – aus dem Antiamerikanismus und dem Antisemitismus und ist eine Kampfansage an die Überlegenheit des Westens im ökonomischen, kulturellen und militärischen Bereich. Das Problem der Ideologie des Dschihadismus ist, dass sich sowohl Islamisten als auch rechtsextreme Terroristen dafür interessieren und sich damit identifi zieren. Auffällig ist die Nähe der rechten Szene zur islamistischen Szene. Die Herausforderung ist religiös und ideologisch.
Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die Anschläge gelungen wären. Nicht auszudenken, welches Leid es gegeben hätte und wie viel Blut und Tränen gefl ossen wären. Wir hatten bisher Glück, das Glück des Tüchtigen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie lange noch? – Islam, Islamismus und eventuell auch Islamophobie. Der wieder gewählte türkische Ministerpräsident Erdogan hat in einem türkischen Sender gesagt, es gibt keinen moderaten Islam, es gibt nur den Islam. Konsequenterweise muss man sagen, wenn es nur den Islam gibt, dann gibt es auch keinen Islamismus.
Der Konvertit Dr. Ayyub Köhler, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime und FDP-Mitglied hat in seinem Buch „Islamische Leitbilder“ folgenden Satz geprägt – übrigens, Herr Dr. Köhler ist Mitglied der Islamkonferenz von Herrn Minister Schäuble –: „Das islamische Gesellschaftssystem wird damit aber keineswegs zu einer Demokratie, diese Staatsform ist dem Islam fremd.“ Wird das Gespräch nun einfacher oder schwieriger?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt eine Untersuchung vom Islam-Archiv in Soest von Herrn Salim Abdullah, der bereits seit Jahrzehnten vom Bundesministerium unterstützt wird. Er hat die Frage gestellt: Ist das Grundgesetz mit dem Koran vereinbar? – 37 % der Antworten waren Ja, 21 % der Antworten waren Nein, 17 % keine Antwort und 8,25 % haben nicht nachgedacht. Wenn es wirklich so ist, dass der Koran nicht mit dem Grundgesetz kompatibel ist, dann war die zweite Frage: Wie halten Sie es damit? – 35 % würden sich an die Gesetze halten und 57 % haben dazu keine Angabe gemacht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das muss uns zum Nachdenken bringen. Und trotzdem: Fakt ist, dass wir keinen Generalverdacht aussprechen. Fakt ist auch, dass der größte Teil der Muslime in Deutschland friedlich und glücklich in diesem Land lebt. Fakt ist auch, dass dieser große Teil der Muslime für uns in der Zukunft ein sehr wichtiger Partner in der Politik und der Ausgestaltung unseres Lebens sein wird. Wir wollen ihnen Chancen und Schutz geben.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Dialog allein reicht nicht. Herr Kandler von der FriedrichEbert-Stiftung sagt, wir leben in einer „Dialogeritis“. Allein
das Geld reicht auch nicht, um den sozialen und ideologischen Frieden zu bezahlen. Wir müssen für unsere Werte einstehen. Wir müssen mit unseren Werten überzeugen. Wir werden nicht umhin kommen, die deutsche und die europäische Leitkultur zu verteidigen: Menschenrechte, Freiheit und Gleichheit. Wir haben genug davon – und das können wir überzeugend darstellen.
Menschenrechte, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind nicht teilbar. Deshalb darf es in Deutschland keinen rechtsfreien Raum geben. Der Einzug der Scharia in die deutschen Gerichte durch Zugeständnisse und Kompromisse aufgrund kultureller Herkunft und Tradition von Angeklagten ist nicht zu tolerieren. Das mag dem guten Menschen zwar gefallen, doch wer hier nachgibt, der hat schon aufgegeben. Deshalb ist unser Ziel: Null Toleranz der Intoleranz!
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in dieser Aktuellen Stunde schon sehr viel über die Bedrohung durch den internationalen Tourismus
Terrorismus gehört und es wurde auf die Gefahren hingewiesen. Der Hinweis auf die Bedrohungen kam allerdings nur aus den Reihen der Mehrheitsfraktion, während von Seiten der SPD und von den GRÜNEN zwar von den Bedrohungen gesprochen wird, sie aber von großen Teilen der Opposition überhaupt nicht ernst genommen werden.
Ich sage aber: Wer hier behauptet, dass mit der Diskussion, wie wir sie heute führen, Angst geschürt wird,
der hat den Ernst der Lage nicht erkannt. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir, was den internationalen Terrorismus betrifft, auf Unmögliches gefasst sein müssen. Viele Ihrer Redebeiträge, die wir heute gehört haben, zeigen aber, dass Sie auf dieses Unmögliche nicht eingestellt sind. Sie versuchen stattdessen, diese Gefahren herunterzureden.
(Helga Schmitt-Bussinger (SPD): Es ist unverantwortlich, was Sie da sagen! – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Und gelogen!)
Wir müssen unseren Sicherheitsbehörden die Möglichkeit geben, in jedem Stadium möglichst optimal eingreifen
Eines ist klar, meine Damen und Herren: Jeder, der hier unmittelbare Verantwortung trägt, wünscht sich eine klare rechtliche Vorgabe für seine Entscheidung. Das gilt umso mehr, wenn es darum geht, Menschenleben zu retten oder, unter Umständen, auch nicht zu retten. Genau vor diesem Hintergrund müssen wir die Diskussion sehen, die durch die Aussagen unseres Verteidigungsministers nunmehr in die Öffentlichkeit getragen wurde. Wenn wir die Diskussion aber ansehen, dann muss ich schon sagen, dass ich die Entrüstung, die in der SPD über die Aussagen herrscht, nicht nachvollziehen kann. Schließlich war es doch ein gewisser Verteidigungsminister Struck, der vor einigen Jahren klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er den Befehl geben würde, ein Passagierfl ugzeug abzuschießen, wenn es nicht anders ginge. Das, was Sie hier und heute zu diesem Punkt gesagt haben, kann ich deshalb nur als Heuchelei bezeichnen. Ich reihe es in die Rubrik der Ihnen angeborenen Refl exe ein, von Haus aus dagegen zu sein, wenn CDU und CSU etwas sagen, und zwar ganz egal, was man vor zwei oder drei Jahren selbst dazu sagte.
Wenn Sie sich heute hinter dem Bundesverfassungsgericht verstecken, dann zeigen Sie einmal mehr, dass Sie nicht bereit sind, die Gefährdungen durch den internationalen Terrorismus ernst zu nehmen und Ihre Sicherheitspolitik diesen Gefährdungen anzupassen. Frau SchmittBussinger, Sie haben gesagt, Sie haben keine signifi kante Änderung in der Sicherheitslage erkennen können. Da muss ich Ihnen entgegenhalten, Sie sollten sich einen Termin bei Ihrem Augenarzt geben lassen, denn jeder, der mit offenen Augen in der Sicherheitspolitik tätig ist, wird diese Veränderungen wahrnehmen.
Was machen wir denn, wenn ein Flugzeug, in der Hand von Terroristen, als Waffe benutzt, auf ein voll besetztes Fußballstadion zufl iegt? Was machen Sie dann?
Wollen Sie zusehen, wie das Flugzeug in das Stadion fl iegt, und sagen: Da haben wir nichts machen können. Wollen Sie das im Nachhinein sagen? – Wäre es nicht besser, im Voraus nach Regelungen zu suchen, wie solche Extremsituationen zu verhindern sind?
Ich habe es bereits vorhin gesagt: Wir brauchen klare gesetzliche Regelungen, die wir den Sicherheitsbehörden an die Hand geben müssen. Wir haben derzeit ein Bundesverfassungsgerichtsurteil, aber wir haben keine klare gesetzliche Regelung. Ich fordere Sie deshalb auf: Suchen Sie mit uns nach solchen Regelungen! Beenden Sie Ihre destruktive Sicherheitspolitik, nehmen Sie die Gefahren
ernst! Suchen wir gemeinsam nach Lösungen, streben wir gemeinsam nach den rechtlichen Grundlagen, die wir unseren Sicherheitsbehörden an die Hand geben können. Nur so wird es uns gelingen, den Terrorismus, wie es ihn derzeit gibt, in die Schranken zu weisen.
Für die Staatsregierung erteile ich Herrn Staatsminister Dr. Günther Beckstein das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Die Sicherheitslage hat sich verschärft, das ist allgemeiner Standard. Jeder weiß das. Die Situation ist hochaktuell, denn von Terroristen in Deutschland war geplant, in diesen Tagen einen Anschlag durchzuführen. Dieser Anschlag konnte nur durch die Verhaftung am 4. September verhindert werden. Die Erhöhung der Gefahr ergibt sich auch durch die Angriffe auf deutsche Soldaten in Afghanistan und durch Drohungen, die ausdrücklich gegen Deutschland ausgesprochen wurden. Der Präsident des Bundeskriminalamtes hat eindrucksvoll auf diese verschärfte Lage in einer Sonderkonferenz der Innenminister hingewiesen.
Ich denke, wir sind hierfür gut gerüstet. Frau Kollegin Schmitt-Bussinger, ich sage ganz ausdrücklich, die Kritik, die der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei am Personalstand übt, hat nichts mit Bayern zu tun. Wir haben ein Sicherheitspaket verabschiedet, das über 600 zusätzliche Stellen zur Bekämpfung des Terrorismus enthält.
Solange wir noch die Gelegenheit haben, über 100 zusätzliche Polizisten für den Verkehr zu diskutieren, wäre es völlig absurd zu behaupten, im Kampf gegen Schwerstkriminalität hätten wir Personalmangel. Nennen Sie mir den polizeilichen Vorgesetzten, der sagt: Dafür habe ich kein Personal. Er würde von mir noch am selben Tag auf einen anderen Posten versetzt. Es wird aber keinen geben.
Es wird niemanden geben, der Ihnen in Bayern eine solche Erklärung geben wird. Ich empfehle Ihnen, sprechen Sie mit Herrn Hauptmannl und geben Sie ihm das heutige Protokoll. Er wird Ihnen sagen: Von Bayern haben Sie wenig Ahnung.
Wenn Sie dafür eintreten, dass in Straubing und in Kempten keine Polizeipräsidien entstehen, dann mag das Ihre Meinung sein. Sie sollten dann aber schon sagen, dass Sie für 27 zusätzliche Führungsdienststellen eingetreten sind. Wer gegen eine zusätzliche Behörde in zwei Regierungsbezirken eintritt, der sollte nicht sagen,
Wir sind insgesamt gesehen beim Föderalismus gut aufgestellt; das ist anders, als Herr Kollege Schindler gesagt hat. Das ist in der Zwischenzeit auch bewiesen.