Protokoll der Sitzung vom 09.10.2007

Noch wichtiger scheint mir zu sein, dass die Repräsentanz der Frauen in der Bayerischen Staatsregierung auf ein einigermaßen zeitgemäßes Niveau angehoben wird.

(Beifall bei der SPD)

Die Rolle der Frau und deren Bedeutung werden wir nie ganz zum Ausdruck bringen können. Eine gleichmäßige Verteilung von Männern und Frauen in politischen Führungsaufgaben ist aber ein Gebot demokratischer Kultur. Auch dieser Aufgabe werden Sie sich schon in den nächsten Tagen stellen müssen.

Vor allem erwarten wir eine Verkleinerung der Staatsregierung.

(Zurufe von der CSU: Die haben wir doch schon!)

Ich meine mit Verkleinerung nicht die Körpergröße, sondern die Zahl der Minister und Staatssekretäre. Ich meine das ganz ernst.

Es gibt eine verfassungsmäßig festgelegte Höchstgrenze für die Größe des Kabinetts. Herr Stoiber hat diese Höchstgrenze ausgeschöpft.

(Zurufe von der CSU: Bravo!)

Das Ausschöpfen der Höchstgrenze sollte aber die Ausnahme und nicht der Regelfall sein. Deswegen sage ich auch im Interesse der Staatsausgaben – –

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um mehr Ruhe.

Deswegen sage ich auch im Interesse der Staatsausgaben dieses Landes: Das Ausscheiden von Ministern und Staatssekretären muss zwingend dazu führen, dass die Staatsregierung auf ein sachgerechtes Maß zurückgeführt wird.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Die dritte Erwartung ist mir die wichtigste. In dem verbleibenden Jahr muss es deutliche Korrekturen an der Politik der letzten Jahre geben. Sie werden deshalb heute – das werden Sie aber verschmerzen und auch gar nicht anders erwarten – ohne unsere Stimmen gewählt werden,

(Zurufe von der CSU: Oh! Oh!)

weil Sie in den letzten 15 Jahren für eine Reihe von Entscheidungen mitverantwortlich gewesen sind, die wir immer als Fehler gesehen haben und die auch Sie – hier verrate ich kein Geheimnis – teilweise als korrekturbedürftig empfinden. Dann müssen Sie diese Entscheidungen aber auch wirklich entschlossen korrigieren. Die ersten Schritte in diese Richtung waren schwach. Ich erinnere an den Streit um das Büchergeld. Dazu hätte ich mir von Anfang an ein klares Wort des designierten Ministerpräsidenten gewünscht.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Dann wäre Ihr Vorhaben, das Büchergeld abzuschaffen, möglicherweise ein Erfolg gewesen. So war es aber ein Fehlstart und ein Fehlschlag, weil dadurch nur zusätzlicher Unmut bei den Eltern und bei den Familien ausgelöst wurde.

(Zurufe von der SPD: Und bei den Kommunen!)

Wir haben Ihnen in den letzten Wochen einige Vorschläge unterbreitet und Fragen an Sie gerichtet, sei es zur Bildungsgerechtigkeit, zur Kinderbetreuung, zur Energiepolitik oder zum Transrapid. Die Antworten, die wir von Ihnen erhalten haben – teilweise haben wir auch keine erhalten –, waren enttäuschend. Sie waren manchmal lustig formuliert. In der Sache waren Sie enttäuschend. Hier erwarten wir uns deutlich mehr. Gerade auf den Feldern, die ich genannt habe – zum Beispiel bei der Bildungspolitik, bei der Familienpolitik, bei der Kinderbetreuung und bei der sozialen Gerechtigkeit in Bayern – muss es Veränderungen geben, die wir erwarten und die wir in den nächsten Monaten auch einfordern werden.

Ich wünsche uns und unserem Land, dass Sie uns positiv überraschen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Unsere Zusammenarbeit habe ich Ihnen angeboten. Ich freue mich auf die nächsten Monate, auf eine sachliche, aber auch harte Auseinandersetzung im Bayerischen Landtag.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Kollegin Bause das Wort.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Stoiber, auch ich möchte Ihnen persönlich und im Namen meiner Fraktion alles Gute für Ihren neuen Lebensabschnitt wünschen. Genießen Sie die Freuden der Gelassenheit. Sie haben schon angekündigt, dass Sie gerne wieder mehr Bücher lesen und mehr ins Theater gehen möchten. Alles das macht Spaß, und Sie werden feststellen, dass es auch ein schönes Leben nach der Politik gibt.

Ich möchte insbesondere Ihrer Frau Karin danken. Wenn sich jemand heute von Herzen über Ihren Abschied freut, dann ist es, glaube ich, Ihre Frau.

(Allgemeine Heiterkeit)

Frau Stoiber möchte ich danken für ihre immer herzliche Art, für ihren immer herzlichen Umgang und die guten Gespräche, die ich mit ihr führen konnte.

Sie waren etwas besser als die, die wir miteinander führen konnten. Aber, so ist es nun mal.

(Zuruf des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

Wir haben bessere Themen gehabt. Wir haben wahrscheinlich mehr gemeinsame Themen gehabt; zum Beispiel, wie man Karriere und Beruf mit der Familie vereinbaren kann. Dieses Problem hatten Sie ja wohl nicht, Herr Dr. Stoiber.

Die heutige Veranstaltung ist in der Tat ungewöhnlich. Auf den Gängen habe ich gehört, das sei ein „historischer Tag“. Ich möchte dieses große Wort nicht bemühen. Allerdings kommt es nicht so häufig vor, dass inmitten einer Legislaturperiode ein neuer Ministerpräsident gewählt werden muss. Ich persönlich erinnere mich nur an zwei Ereignisse dieser Art: 1988 war das der Tod von Franz Josef Strauß, der eine Neuwahl in der Legislaturperiode erforderlich machte, und 1993 war es der erzwungene Rücktritt von Max Streibl wegen seiner „Amigo-Affären“. Wir sehen, auch Ihre beiden Vorgänger, Herr Stoiber, sind nicht freiwillig aus dem Amt geschieden. Aber bei Strauß und Streibl wissen wir

wenigstens die Gründe für ihr Ausscheiden. Bei Ihnen, Herr Stoiber, ist uns die CSU die Angabe der Gründe bis heute leider schuldig geblieben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Bis heute haben Sie uns nicht verraten, warum der „erfolgreichste Ministerpräsident aller Zeiten“ – so wurde er in den letzten Monaten landauf landab tituliert – seine so beispiellose Leistung für unser Land nicht fortsetzen durfte.

Erst gestern haben Sie, Herr Herrmann, und jetzt mit gleichen Worten wieder, sich fast überschlagen in Lob und Ehrerbietung für Stoibers „großartige Verdienste“, für sein „großartiges politisches Werk“, für seinen „manchmal fast unglaublichen Einsatz“, mit dem er das Erbe seiner großartigen Vorgänger Goppel und Strauß vermehrt habe. Alles war großartig, nur der Abgang nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was war es denn nun? – Affären wie Streibl hatte Stoiber nicht – zumindest nicht dass ich wüsste. Lebendig und gesund sind Sie auch noch. Weitergemacht hätten Sie auch gerne. Warum müssen wir denn nun heute einen neuen Ministerpräsidenten wählen? – Weil Sie des alten überdrüssig geworden sind? Weil Frau Pauli ihn aus dem Amt gejagt hat? Weil die Nachwuchshoffnungen Beckstein und Huber gerne auch noch etwas werden wollten?

Damit Sie mich nicht missverstehen: Auch ich finde, 14 Jahre Stoiber sind genug.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich will hier nicht die falschen Sentimentalitäten fortsetzen. Das haben Sie in den letzten Monaten zur Genüge getan.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für einen wirklichen Neuanfang hat Ihnen aber der Mut gefehlt. Für einen wirklichen Neuanfang hätten Sie den Mut zu Neuwahlen haben müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Jawohl, Ihr Mut hat gerade bis zu den „Kreuther Raunächten“ gereicht. Danach verließ Sie der Mut und Sie hatten Angst vor einer Neuwahl. Sie hatten Angst vor dem Volk – und das die große Volkspartei CSU. Mutig ist das nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nein, was heute inszeniert wird, ist kein Neuanfang. Es ist kein Aufbruch, und es ist kein würdevoller Höhepunkt. Das ist allenfalls das vorläufige Ende einer monatelangen Schmierenkomödie, in der Sie sich alle nicht mit Ruhm bekleckert haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieses Ende ist längst überfällig. Die neunmonatige Abschiedstournee von Edmund Stoiber hat uns alle viel wertvolle Zeit gekostet. Die letzten Monate waren verlorene Monate. Es waren verlorene Monate für den Klimaschutz, verlorene Monate für bessere Bildungschancen, verlorene Monate für mehr soziale Gerechtigkeit in Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Neuwahlen im Januar 2007 wären die beste und sauberste Lösung gewesen. Dann könnten wir heute wirklich von einem Neuanfang sprechen.

Nun zu Ihnen, Herr Beckstein. Sie selbst reden gar nicht von einem Neuanfang. Sie reden ganz vorsichtig von „Übergang“. Sie wissen auch sicherlich warum. Gerne aber reden Sie von einem neuen Stil. Das finde ich schon mal ganz nett. Ich kann verstehen, dass sich die Kolleginnen und Kollegen der CSU darauf ganz besonders freuen.