Protokoll der Sitzung vom 10.10.2007

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte die Plätze einzunehmen, damit ich die 104. Vollsitzung des Bayerischen Landtags eröffnen kann. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde selbstverständlich wie immer erteilt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich heute zu Beginn der Plenarsitzung folgende Erklärung abgeben: Die Söhne des in Afghanistan seit nun drei Monaten entführten Bauingenieurs Rudolf Blechschmidt, Markus und Tobias, haben sich kürzlich in einem Schreiben an alle Mitglieder des Bayerischen Landtags gewandt und um Unterstützung für die Freilassung ihres Vaters gebeten. Gestern, am Mittwoch, dem 09.10.2007, fand im Büro des Landtagspräsidenten ein Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden Joachim Herrmann für die CSU, Franz Maget für die SPD und Maria Scharfenberg für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und den Söhnen statt. Die Söhne erläuterten die Situation und ihre Hoffnungen und Erwartungen an die Bundesrepublik Deutschland.

Alle Sachverhalte und Vorschläge verlangen äußerste Diskretion. Alle Vertreter der Fraktionen werden ihrerseits in Kontakt mit den Verantwortlichen in der Bundesrepublik treten und von diesem Gespräch berichten.

Der Bayerische Landtag fühlt sich der Familie in Solidarität verbunden. Die sich nun schon drei Monate hinziehende Situation ist eine außerordentliche Belastung für den Verschleppten und seine Familie. Der Bayerische Landtag solidarisiert sich mit der Familie und hofft, dass die Bemühungen bald zur Freilassung führen.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich zwei Glückwünsche aussprechen. Geburtstag feiern heute Herr Kollege Wilhelm Leichtle und Herr Kollege Otto Zeitler. Ich gratuliere den beiden Kollegen persönlich und im Namen des gesamten Hauses und wünsche ihnen alles Gute, insbesondere Gesundheit und viel Erfolg bei ihrer Arbeit im Parlament. Darüber hinaus herzlichen Glückwunsch und alles Gute.

(Beifall)

Bevor ich die Aktuelle Stunde aufrufe, darf ich aus gegebenem Anlass und, Frau Kollegin Scharfenberg, auf Wunsch der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, meinerseits eine Erklärung abgeben. Ich beziehe mich auf die 102. Plenarsitzung vom 25. September 2007 zum Tagesordnungspunkt „Ministerbefragung“.

Nachdem ich Frau Kollegin Tolle bei der letzten Ministerbefragung in ihrem Redebeitrag unterbrochen habe, erkläre ich, dass ich sie keineswegs in ihrem Redetext einschränken wollte. Mir ist klar, dass sich die Ministerbefragung im Probelauf befi ndet und deshalb im Detail

in der Geschäftsordnung noch nicht festgelegt ist. Ich erlaube mir allerdings, Frau Kollegin Tolle, darauf hinzuweisen, dass Sie in Ihrer Redezeit weder in der Länge noch inhaltlich benachteiligt wurden. Das kann im Protokoll eindeutig nachvollzogen werden. Im Übrigen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, werden vor der nächsten Ministerbefragung hier im Hohen Hause die für den Probelauf vereinbarten Regelungen noch einmal detailliert erläutert und nicht nur für das Hohe Haus, sondern auch für die Mitglieder der Staatsregierung erklärt.

Ich hoffe, ich bin damit dem berechtigten Wunsch der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN nachgekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der SPD vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde beantragt zum Thema „Kein Transrapid in Bayern – keine Untertunnelung Münchens, sondern verantwortlicher Umgang mit Bayerns Steuergeldern!“

Der Ablauf der Aktuellen Stunde ist allen Beteiligten bekannt. Ich bitte den ersten Redner ans Pult zu kommen. Das ist Herr Kollege Ritter. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Wochen hat die Staatsregierung ein wahres „Meisterstück“ in Sachen politisches Marketing abgeliefert: Die Finanzierung des Transrapids gesichert, jetzt kann gebaut werden! Das war die Botschaft, die in der Presse breitgetreten wurde.

Tatsache ist aber, dass sich an den offenen Fragen zur Finanzierung des Transrapids überhaupt nichts geändert hat. Immer noch wird mit der völlig unrealistischen, mehrfach widerlegten Summe von 1,85 Milliarden Euro gerechnet. Es ist immer noch ein erklecklicher Anteil nicht fi nanziert. Es wird mit Geld gerechnet, das es nicht gibt und das es auch nicht geben wird:

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Virtuell!)

einer Beteiligung der Flughafengesellschaft sowie Zuschüssen der EU.

Das Ganze ist schon ziemlich dreist, aber es wird noch dreister, wenn man sich die Realisierungsvereinbarung, die im Anhang an diese Pressemitteilung mitgeliefert worden ist, etwas genauer anschaut. Darin haben Bahn und Industriekonsortium vereinbart, dass sie sich beim Bau an den behaupteten 1,85 Milliarden „orientieren wollen“.

Ansonsten bedient man sich in dieser Realisierungsvereinbarung eines sehr kreativen Vokabulars, um von den ungelösten Problemen abzulenken. Es wird jetzt ein DtC, ein Design-to-Cost-Prozess eingeleitet.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Hauptsache Englisch!)

Das heißt jetzt nicht, wie man meinen könnte und wie es die Staatsregierung verkauft, dass das Industriekonsortium sagt: Wir bauen den Transrapid für 1,85 Milliarden Euro, sondern es heißt – wer in seiner berufl ichen Praxis einmal mit so etwas zu tun gehabt hat, wird es bestätigen können –: Schauen wir erst mal, wie viel das überhaupt mindestens kostet,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Und dann sehen wir es schon!)

und dann schauen wir, ob wir jemanden fi nden, der auch bereit ist, diese Summe aufzubringen. Das ist eine ganz andere Aussage als die, die die Staatsregierung an die Öffentlichkeit trägt.

Sie haben es gehört: Man hat sich ganz und gar nicht auf einen Kostenrahmen von 1,85 Milliarden Euro festgelegt, sondern will erst einmal ganz genau ausrechnen, wie viel das Ding kostet – von wegen fester und qualifi zierter Kostenrahmen, den uns das Wirtschaftsministerium immer verkaufen wollte.

Das ist kein Erfolg der Staatsregierung,

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

sondern eigentlich ist es ein Schlag ins Gesicht der Staatsregierung, die völlig unbeeindruckt von seriösen Rechnungen und Gutachten immer von dieser Summe gesprochen hat.

Jetzt zeigt sich auch, dass das Wortgeklingel Erwin Hubers vom „Hightech-Projekt“ von der „technologischen Leadership“ und wie diese schönen englischen Begriffe alle lauten, nichts anderes ist als fi nanzpolitischer PiP, nämlich „Pfusch in Progress“.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Langsam scheint die Realität bei der CSU und bei der Staatsregierung anzukommen. Der mittlerweile zum Ministerpräsident gewählte Günther Beckstein sagt, dass man den Transrapid nicht um jeden Preis wolle, und der Oberbürgermeisterkandidat der Münchner CSU, Josef Schmid, erkennt langsam, dass es in München eigentlich überhaupt niemanden gibt, der diesen Transrapid haben will.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau!)

Sein Lösungsvorschlag ist deshalb ganz einfach: Man lege diesen Transrapid im gesamten Stadtgebiet in einen Tunnel. Er sagt dabei kein Wort über die zusätzlichen Kosten. Diese liegen realistisch bei einer doppelgleisigen Verlegung bei ungefähr 120 Millionen Euro pro Kilometer Tunnel. Er sagt kein Wort darüber, dass seine Variante im gesamten Planungs- und Genehmigungsverfahren überhaupt nicht vorgesehen ist. Er sagt auch kein Wort darüber, dass die zusätzlichen Kosten eines neuen Planungs- und Genehmigungsverfahrens, würde man es jetzt einleiten, bei circa 200 Millionen Euro liegen würden.

Entweder weiß er das nicht, meine Damen und Herren, und wenn er es nicht weiß, dann sollte er sich dringend überlegen, ob Oberbürgermeister der richtige Job für ihn ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Oder er weiß es und verschweigt es. Dann, glaube ich, werden ihm die Münchner Wählerinnen und Wähler dafür die Rechnung präsentieren.

Er macht einen entscheidenden Fehler. Es sind nicht nur die Bürgerinnen und Bürger in Moosach und Feldmoching, die diesen Transrapid ablehnen, weil sie unmittelbar davon betroffen sind. Der Transrapid wird abgelehnt von der übergroßen Mehrheit der Münchnerinnen und Münchner, der Bürgerinnen und Bürger der Umlandgemeinden und der bayerischen Bürgerinnen und Bürger, weil er eine immense fi nanzielle Belastung mit sich bringt, die in keinem Verhältnis zum Nutzen steht, weil es deutlich günstigere und effektivere Lösungen gibt und weil viele Regionen in Bayern darunter leiden, dass der Regionalverkehr durch Staatsregierung und Bahn systematisch ausgedünnt wird. Aber es ist Wahlkampf, und da glaubt die Münchner CSU, alles versprechen zu können.

Für uns wäre es interessant zu erfahren, wie die Staatsregierung zu dieser Forderung steht. Sie ist für uns ein Grund mehr, dieses Projekt abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

Danke schön.

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pschierer. Für Sie wurden 10 Minuten Redezeit beantragt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nicht mehr mitgezählt, zum wievielten Male wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Die Argumente sind weitgehend ausgetauscht, und einen neuen Erkenntniswert verspreche ich mir von dieser Aktuellen Stunde nicht.

(Franz Maget (SPD): Doch! Die komplette Untertunnelung!)

Trotzdem möchte ich Ihnen ein paar Aspekte in Erinnerung rufen. Was mich so verwundert, Herr Kollege Maget und Kollegen von der SPD: Sie machen einen Eiertanz, wie es selten einen gegeben hat.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Was, wir?)

Zu Beginn dieser Diskussion waren Maget und große Teile der Münchener SPD für den Transrapid. Dann hat man erkannt, dass das in der Bevölkerung vielleicht nicht immer so zu transportieren ist, wie man sich das vorstellt, und getreu der populistischen Manier, man will Beifall kriegen, auch wenn er von der falschen Seite kommt, hat man gesagt: Jetzt sind wir wieder mal dagegen. Was Ihnen zum Schluss eingefallen ist, Herr Maget – und das werfe ich der Münchner und der bayerischen SPD vor, das war auch der einzige Unterschied bei allen aktuellen Debatten –: Sie haben die Argumentation jeweils etwas geändert. Zunächst ging es um die Frage der technischen Machbarkeit – dann war diese Frage geklärt. Dann stand das Thema Sicherheit im Vordergrund – dann war das geklärt. Dann kam das Thema Lärmschutz. Schließlich ging es um die Finanzierung, und jetzt, da die Finanzierung geklärt ist,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Was ist da geklärt? Nichts ist geklärt!)

fangen Sie mit dem Eiertanz von vorne an.

Herr Kollege Maget und liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Tatsache ist, dass der Transrapid im Koalitionsvertrag steht. Herr Kollege Maget, ich fi nde es schon seltsam und auch nicht in Ordnung, dass die bayerische SPD in Berlin nicht in der Lage ist, ihre Kompetenz zu nutzen und ihre Argumentation durchzusetzen. Wenn Sie den Transrapid nicht gewollt hätten, dann wäre es Ihr Job gewesen, in Berlin dafür zu sorgen, dass er gar nicht in den Koalitionsvertrag hineinkommt.