Protokoll der Sitzung vom 18.10.2007

Einführung einer Klimaschutzabgabe bei Dienstfahrten mit dem Pkw (Drs. 15/7620)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Entschuldigung, der Magerl steckt im S-Bahn-Verkehr!)

Ja und?

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Können wir zuerst die Dringlichkeitsanträge machen?)

Nein, wir können nicht sofort die Dringlichkeitsanträge machen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Nein, ich meine, jemand anderen zuerst reden lassen. Er ist unterwegs!)

Ja, natürlich. Der Kollege Magerl steckt im S-Bahn-Verkehr. Wir wissen, dass das heute eine ziemlich komplizierte Sache ist. Sind Sie damit einverstanden, dass ich mit einem anderen Redner beginne? Dann können Sie zwischenzeitlich regeln, wer für Ihre Fraktion spricht. Das Wort hat der Herr Kollege Kupka.

(Engelbert Kupka (CSU): Zum Klimaschutz?)

Ja, wir sind beim Klima.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln die Themen, wie sie aufgerufen werden. Wir sind da sehr flexibel. Mit dem vorgelegten Antrag soll die Staatsregierung aufgefordert werden, bei allen Dienstfahrten, gleichgültig ob mit dem Flieger oder mit dem Pkw vorgenommen, von Mitarbeitern der Staatsregierung, von Mitarbeitern der Ministerien sowie der nachgeordneten Behörden eine Abgabe für die durch die jeweilige Dienstreise verursachten Treibhausgase zu leisten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Klimawandel ist ein Problem. Es ist sinnvoll und richtig, die CO2-Emissionen zu drosseln. Aktionismus wird uns aber auf diesem Sektor nicht weiterbringen. Es zeigt sich trotz aller Euphorie, die wir auf diesem Sektor weltweit erfahren: Je ehrgeiziger die Ziele sind, desto weiter klaffen Kosten und Nutzen von Klimaschutzmaßnahmen auseinander. Es war deshalb auch nicht verwunderlich, dass alle mit diesen beiden Anträgen befassten Ausschüsse ein negatives Votum abgegeben haben. Auch nach Ansicht der SPD sind diese Anträge nicht zielführend. Wir werden sie deshalb auch ablehnen.

Ich darf kurz die Gründe nennen: Wir sind der Meinung, dass der Wunschgedanke, über solch eine Abgabe eine entsprechende Klimaneutralität von Dienstreisen sicherstellen zu können, einfach realitätsfern ist. Hinzu kommt, dass wir hier einen bürokratischen Aufwand lostreten würden, der in keinem Verhältnis zu dem beabsichtigten Zweck steht. Die einzige Folge wären zusätzliche Kosten. Im Übrigen hat sich die Staatsregierung ohnehin seit längerem bemüht, aufgrund der internen Regelungen Dienstfahrten nur dann durchzuführen, wenn sie absolut notwendig sind und in keiner billigeren oder anderen Art und Weise möglich sind. Außerdem dürfen nach einem Beschluss der Staatsregierung grundsätzlich nur schadstoffarme Fahrzeuge beschafft werden. Aus diesen Gründen lehnen wir die Anträge der GRÜNEN ab und bitten das Hohe Haus, diesem Vorschlag zu folgen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin: Frau Kollegin Biedefeld. Ich möchte inzwischen alle informieren, sowohl diejenigen, die im Hause sind, als auch die Ressorts, dass vermutlich gegen 10.30 Uhr mit den Dringlichkeitsanträgen begonnen wird, sodass Sie sich alle darauf einstellen können. Der Sitzungsablauf beschleunigt sich damit sehr.

(Joachim Herrmann (CSU): Eher früher. Wir haben bloß noch einen Antrag!)

Ja, möglicherweise auch früher, je nachdem, wie die Redezeiten ausgeschöpft werden. Ich bitte Sie, sich jedenfalls darauf einzustellen, dass die Dringlichkeitsanträge relativ zügig beraten werden.

Jetzt: Frau Kollegin.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Auch die SPD-Landtagsfraktion wird die beiden Anträge des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ablehnen. Wir stimmen selten in der Meinung oder auch in der Argumentation mit der CSU überein, aber bei diesen beiden Anträgen ist dies der Fall. Ich kann mich da in der Argumentation im Großen und Ganzen dem Kollegen Kupka anschließen. Es geht zum einen um die Klimaschutzabgabe bei Flugreisen, zum anderen um die Klimaschutzabgabe bei Dienstreisen mit dem Pkw. Zielsetzung ist, dass praktisch pro Dienstreise und auch pro Flug vonseiten der Staatsregierung und der Ministerien eine entsprechende Klimaschutzabgabe an das Unternehmen atmosfair gGmbH abgeführt wird.

Beide Anträge setzen durchaus positive Ziele, das will ich gar nicht bestreiten. Aber es geht auch um die praktische Umsetzung; der enorm hohe bürokratische Aufwand wurde bereits angesprochen. Ein Kollege von mir hat im Ausschuss sogar das Wort „Bürokratiemonster“ benutzt. Man muss wirklich sehen, dass es mit einem enormen Aufwand verbunden ist, wenn wir diesen Anträgen zustimmen und das Begehren in die Tat umsetzen sollten.

Ich bin eigentlich auch gegen eine derartige Zwangsverpflichtung.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD) – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es gibt positive Beispiele. Ich kann es nicht für alle Bundesministerien sagen, aber ich weiß, dass zum Beispiel das Bundesumweltministerium mit Bundesumweltminister Gabriel und den Staatssekretären bei Dienstflügen in Anbetracht unseres Klimawandels an das Unternehmen atmosfair gGmbH freiwillig Abgaben abführt. Wir wollen also nicht diese Zwangsverpflichtung, sondern empfehlen, zu sagen, als öffentliche Hand geht man mit gutem Beispiel voran. Ich kann nicht von privaten Personen, die fliegen, verlangen, so etwas zu tun, wenn ich nicht mit gutem Beispiel vorangehe. Aber bitte jetzt wirklich nicht par ordre de Mufti. Das lehnen wir ab.

Man muss auch sagen: Es geht hier um öffentliches Geld von der einen Hand in die andere. Es ist sinnvoller, dieses Geld zu nutzen, um die Instrumente, die wir als SPD-Landtagsfraktion in vielen Anträgen aufgezeigt haben, einzusetzen, um Energie einzusparen und effizienter zu nutzen sowie um den CO2-Ausstoß angemessen zu reduzieren. Wir haben auch auf Bundesebene bis zum Jahr 2020 entsprechende Ziele vorgesehen, etwa die Minimierung des CO2-Ausstoßes um 40 %. Das erreicht man nur mit einem großen Maßnahmenkatalog. Auf diesem Gebiet brauchen wir angemessene Investitionen. Daher sollte man auch in Maßnahmen investieren wie zum Beispiel in modernere

Flugzeuge mit weniger Kerosinverbrauch und mit weniger CO2-Ausstoß etc. Das wäre zielführender. Wir werden also beide Anträge ablehnen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Nächste Rednerin: Frau Kollegin Kamm für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an dieser Stelle erstens daran erinnern, dass Flugreisen von Steuern befreit sind. Jemand, der fliegt, zahlt deutlich weniger Steuern als beispielsweise jemand, der mit der Bahn fährt. Auch daher wäre es dringend erforderlich, zu sagen, auch derjenige, der fliegt, soll einen Beitrag zum Allgemeinwohl leisten. Denn es ist nicht so, dass diese Abgaben, die an „atmosfair“ getätigt werden, verlorenes Geld sind, sondern das Geld wird für wichtige Investitionen in die Bereiche Solarenergie, Wasserkraft, Biomasse und Energieeinsparung verwendet, vor allen Dingen in den Ländern, die sich solche Projekte oft nicht selber leisten können. Es wird Geld investiert, um beispielsweise Aufforstungsprojekte durchzuführen und hier einen positiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Ich halte es für dringend erforderlich, im Flugverkehr Steuerbefreiungen endlich abzuschaffen. Und ich halte es für dringend erforderlich, hier Mittel für Projekte einzustellen, die dem Klimaschutz nützen, wenn schon geflogen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bedauere sehr, dass Sie heute diesem Antrag nicht folgen wollen. Wir haben gehört, dass es positiv sei, Frau Kollegin Biedefeld, solche Abgaben freiwillig zu tätigen. Dass Sie freiwillig entscheiden, sich selber zu verpflichten, dies bei den Flügen dauerhaft zu tun, dafür würden wir uns bei Ihnen bedanken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächster Redner: Herr Staatsminister Dr. Bernhard.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir praktizieren in Bayern seit Jahren eine ausgeprägte Klimaschutzpolitik. Wir bereiten im Moment das dritte Klimaschutzprogramm vor. Ein wichtiges Thema ist die Vorsorge und Anpassung, und dazu gehört auch die CO2Reduzierung. Nur: Das, was Sie wollen, ist nicht sinnvoll. Es geht zunächst einmal darum, mit unseren finanziellen Ressourcen in Bayern Klimaschutzpolitik zu betreiben. Wir haben in den einzelnen Häusern und auch bei uns vielfältige Vorstellungen, wo wir in Bayern etwas tun wollen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Die finanziellen Ressourcen sind endlich. Deshalb macht es keinen Sinn, Dienstreisen, Flugreisen mit einer Klimaabgabe zu belasten, die Kosten verursacht, aber nicht dort eingesetzt werden kann, wo wir sie einsetzen wollen und müssen. Dies ist das falsche Signal, weil es natürlich so verstanden werden kann: Zahlen wir eine Abgabe, dann brauchen wir uns um die einzelnen Themen nicht mehr zu bemühen. Denn es ist in der Praxis so, dass bei Dienstreisen das Thema Notwendigkeit längst immer geprüft wird. Das heißt, eine solche Abgabe hätte auch keine Lenkungswirkung. Wir gehen, wo immer es möglich ist, zu Telefon- und Videokonferenzen und Ähnlichem über. Herr Kollege Kupka hat schon darauf hingewiesen, dass es ein gewaltiger bürokratischer Aufwand wäre, das jedes Mal zu notieren, auszurechnen und dann wieder abzuführen. Das Begehren ist auch unter diesem Gesichtspunkt nicht vertretbar, und es steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Wir werden demnächst ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorlegen, wie wir hier in Bayern weiter Klimaschutz betreiben wollen.

Was den Flugverkehr anbelangt, befürworten wir es, ihn in das Emissionshandelssystem einzubeziehen. Die Kerosinsteuer ist ein internationales Thema, wie wir alle wissen. Wir sind da völlig offen, aber man muss das Ganze international vernünftig regeln.

Es geht also darum, dass wir zum Klimaschutz Maßnahmen ergreifen, die wir in Bayern selber voranbringen können. Da gibt es eine ganze Reihe lohnender Aufgaben.

Solche Kompensationsmodelle, wie Sie sie sich vorstellen, nach dem Modell des Kyoto-Protokolls betreibt man in aller Regel in den weniger entwickelten Ländern. Das ist sozusagen eher ein Thema gezielter Hilfe für diese Länder. Es geht weniger darum, jetzt eine solche Abgabe zu generieren.

Wir müssen erst einmal unsere Hausaufgaben in Bayern machen, bevor wir bayerische Haushaltsmittel in solche Länder transferieren.

Meine Damen und Herren, aus diesen Gründen, die, wie ich glaube, einleuchtend sind – eine solche Abgabe würde nur Bürokratie erzeugen und keine Lenkungswirkung haben –, wäre das ein völlig untaugliches Instrument der Klimapolitik in Bayern.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Frau Kollegin Kamm hat das Wort zu einer Zwischenintervention.

Herr Staatsminister! Sie haben gesagt, dass eine Kerosinsteuer international geregelt werden müsste. Ist nicht auch der Klimaschutz eine Aufgabe, die nicht nur durch bayerische Projekte gelöst werden kann, sondern zu deren Lösung gemeinsame internationale Anstrengungen vonnöten sind?

Es ist inzwischen in der Klimadebatte eine Binsenweisheit, dass das der Fall ist, Stichwort G 8; das kennen wir doch alles. Wir haben bestimmte endliche finanzielle Ressourcen, die wir für die Klimapolitik in Bayern einsetzen können. Wir haben bestimmte Aufgaben in Bayern; ich habe ja geschildert, was wir in Bayern tun wollen und müssen. Wenn wir nun die Mittel dafür dadurch reduzieren, dass wir Klimapolitik in Entwicklungsländern machen, dann betrachte ich das aus bayerischer Sicht nicht als sehr sinnvoll. Das ist der Kern des Problems.

Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt.

Ich lasse zunächst abstimmen über den Antrag auf Drucksache 15/7619; das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Der federführende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer dagegen dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der SPD. – Die CSU ist unentschlossen.

(Heiterkeit – Engelbert Kupka (CSU): Nein!)

Gegenstimmen: auch die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Nun lasse ich abstimmen über den Antrag auf Drucksache 15/7620; auch das ist ein Antrag der GRÜNENFraktion. Der federführende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen empfiehlt wiederum die Ablehnung des Antrags. Wer dagegen dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der CSU und der SPD. Stimmenthaltungen? – Niemand. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf: