Protokoll der Sitzung vom 23.10.2007

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Beyer. Jetzt hat für die Staatsregierung Frau Staatsministerin für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie Emilia Müller ums Wort gebeten. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten

Damen und Herren! Die Bekämpfung von Korruption ist ein zentrales gesellschaftliches und auch ein staatliches Anliegen. Korruption zerstört Vertrauen, sie schadet daher der Gesellschaft, dem Staat und letztlich auch der Wirtschaft. Die Regelungen des Vergaberechts haben schon bisher ihren Teil dazu beigetragen, durch formalistische Verfahren die Korruption bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu vermeiden. Die Einrichtung eines Korruptionsregisters oder eines Registers über unzuverlässige Unternehmen kann mit Sicherheit eine sinnvolle Ergänzung sein.

Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses hat selbstverständlich an uns diese Bitte gerichtet, und Herr Dr. Beyer hat es vorhin noch einmal angesprochen. Als neue bayerische Wirtschaftsministerin bin ich natürlich daran interessiert, dass wir sofort auf Anfragen des Ausschusses reagieren.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Hildegard Krona- witter (SPD))

Ich habe vorhin bei uns im Haus nachgefragt. Man hat recherchiert, ob es denn in anderen Ländern derartige Register gibt. Wir waren nicht fündig. Derartige Register gibt es in keinem anderen Nationalstaat innerhalb der Europäischen Union.

(Christine Stahl (GRÜNE): Dann wird es Zeit!)

Wir werden dies dem Ausschuss in Kürze schriftlich zukommen lassen, damit Sie das Ergebnis unserer Recherche schwarz auf weiß haben.

Die Staatsregierung befürwortet ein bundesweites Register, das öffentliche Auftraggeber über Unternehmen informiert, die von anderen Auftraggebern wegen schwerer Verfehlungen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sind. Wir sehen darin einen Beitrag zur Prävention. Prävention ist in diesem Bereich ein wesentlicher Faktor. Eintragungen halten wir allerdings nur dann für gerechtfertigt, wenn korruptes Verhalten, wettbewerbsbeschränkende Absprachen und vergleichbare schwere Verfehlungen, die zum Nachteil öffentlicher Kassen gegangen sind und zum unfairen Wettbewerb beigetragen haben, die Auftragsvergabe nachhaltig stören.

Die Einrichtung eines Korruptionsregisters nach den Vorstellungen der GRÜNEN ist aus unserer Sicht abzulehnen. Es fehlt, wie häufig, das nötige Augenmaß:

(Lachen bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Erstens gehen die Anträge erheblich über das hinaus, was zur Korruptionsbekämpfung sinnvoll ist. Die Kollegen von der SPD sowie Kollege Graf von und zu Lerchenfeld haben es vorhin klar untermauert; nicht nur Korruptionsdelikte sollen nach den Vorstellungen der GRÜNEN zur Eintragung in das Register führen, sondern auch eine ganze Reihe weiterer Verfehlungen, die mit Korruption nichts zu tun haben, zum Beispiel das Vorenthalten von Arbeitsent

gelt oder Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Das kann es wohl nicht sein, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Warum denn nicht? – Christine Stahl (GRÜNE): Warum nicht?)

Zweitens. Die Verurteilung eines beliebigen Mitarbeiters soll zwangsläufig zur Eintragung in das Register und zu einer Einstufung als unzuverlässig im Sinne des Vergaberechts führen. Weitere automatische Folge wäre ein befristeter Ausschluss des Unternehmens von öffentlichen Aufträgen. Nach dem Ansatz der GRÜNEN wird nicht geprüft, ob die Verfehlung einer Person die Zuverlässigkeit eines Unternehmens im Hinblick auf einen konkreten neuen Auftrag infrage stellt. Man kann hier nicht nur auf eine einzige Person abstellen, meine Damen und Herren. Es bleibt auch offen, wie Maßnahmen des Unternehmens zur Verhinderung künftiger Verstöße berücksichtigt werden sollen. Es entsteht der Eindruck, dass es nicht mehr nur um die präventive Bekämpfung von Korruption geht, sondern um zusätzliche Sanktionen über die strafrechtliche Verfolgung hinaus. Das ist nicht Sinn und Zweck von Vergabevorschriften.

Die Ablehnung gilt in gleicher Weise für den Antrag über ein landesweites Register auf gesetzlicher Grundlage. Mit diesem Thema hat sich im Übrigen der Landtag ebenfalls schon befasst und am 17. März 2004 einen entsprechenden Antrag der SPD abgelehnt. Eine neue bayerische Regelung ist auch deshalb nicht erforderlich, weil in der staatlichen Bauverwaltung bereits eine Ausschlussliste geführt wird.

Die Oberste Baubehörde stellt mit rechtsstaatlichen Mitteln sicher, dass Unternehmen von Bauaufträgen ausgeschlossen werden, wenn es zum Schutz vor drohenden schweren Verfehlungen erforderlich ist.

Zum Antrag betreffend Ausschluss der Siemens AG: Kollege Beyer hat es vorhin en détail ausgeführt und seine Auffassung dazu dargelegt. Eine Behandlung unter Beachtung der rechtsstaatlichen Anforderungen kann natürlich auch die Firma Siemens erwarten. Von Rechtsstaatlichkeit ist leider im Antrag der GRÜNEN nicht viel zu bemerken, wenn versucht wird, dem Unternehmen apodiktisch die Rechtstreue abzusprechen. Kategorisch fordern die GRÜNEN den Ausschluss der Siemens AG, aller Tochtergesellschaften und des Gemeinschaftsunternehmens mit Nokia für einen festen Zeitraum von mindestens drei Jahren von allen staatlichen Aufträgen. Was das für die Arbeitnehmer bedeutet, meine sehr geehrten Damen und Herren, können wir hier in seinem Ausmaß gar nicht abschätzen. Aus diesem Grund muss ich einfach sagen: Das ist nicht lauter und nicht seriös.

(Beifall bei der CSU)

Auf die vergaberechtliche Zuverlässigkeit und den Schutzzweck der entsprechenden Vorschriften kommt es Ihnen allem Anschein nach überhaupt nicht an. Für die GRÜNEN spielt es keine Rolle, von wem eine Verfehlung begangen worden ist, ob diese Person noch im Unternehmen tätig

ist oder was das Unternehmen insgesamt zur Aufklärung und zur Vermeidung künftiger Verfehlungen getan hat.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass sich ein Unternehmen um Selbstreinigungsmaßnahmen bemüht.

(Simone Tolle (GRÜNE): Bei Siemens?)

Und das tut Siemens derzeit wirklich absolut. Für Sie sind Personalveränderungen auf allen Ebenen des Unternehmens und vielfältige organisatorische Maßnahmen offenbar vollkommen irrelevant und belanglos. Selbstverständlich, das muss ich in aller Deutlichkeit sagen, heiße ich die Verfehlungen nicht für gut, für die Siemens kürzlich vor dem Landgericht München die Verantwortung übernommen hat.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich begrüße daher die Ankündigung des Unternehmens, die Aufklärung auch in anderen Bereichen voranzutreiben und für die Zukunft die Compliance-Verfahren und die internen Kontrollsysteme weiter zu verstärken.

Der Vorstandsvorsitzende hat ausdrücklich erklärt: Wir dulden kein gesetzwidriges Verhalten und ahnden Zuwiderhandlungen mit klaren Konsequenzen. Ich glaube schon, dass man hier einmal klar sagen muss: Siemens ist wirklich bemüht, die Weichen vernünftig zu stellen. Siemens hat eine Kanzlei engagiert, die die einzige Zielsetzung hat, das Unternehmen zu filzen und ganz genau hinzuschauen, was alles an Problemen im Rahmen des Compliance-Verfahrens vorhanden sind.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Meine Damen und Herren, wenn dieses Programm in einem Unternehmen gelebt wird, ist es auch bei der Prüfung der Zuverlässigkeit durch öffentliche Auftraggeber zu berücksichtigen. Geben wir doch der Siemens AG endlich eine Chance, auch im Hinblick auf ihre Arbeitnehmer.

(Beifall bei der CSU)

Ich bitte das Hohe Haus daher, alle drei Anträge der GRÜNEN abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Staatsministerin, ich bitte Sie, am Rednerpult zu verbleiben für eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Dr. Runge.

Frau Präsidentin! Frau Wirtschaftsministerin, die Selbstreinigungskräfte und Selbstreinigungsmaßnahmen haben Sie schön dargestellt; aber die zählen beispielsweise nach der bayerischen Korruptionsbekämpfungsrichtlinie nicht. Dann sagen Sie das doch dem Bauunternehmen, das Sie ausschließen, sagen Sie

das dem Planungsunternehmen, welches Sie im Durchschnitt für acht Jahre ausschließen. Da greift das nicht. Da kann der Geschäftsführer kommen und sagen, dass sein Familienunternehmen kaputtgeht, aber da greift der Ausschluss schon.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielleicht haben Sie noch nicht so ganz den Zugang zu Ihrem Ministerium, oder das Ministerium hat nicht ganz gründlich recherchiert: Es gibt immerhin zwei Bundesländer, in denen es Korruptionsbekämpfungsgesetze und die entsprechenden Register gibt. Das wurde eingeführt, nachdem 2002 das Ganze auf Bundesebene gescheitert ist.

Nun zu einem Punkt in Ihren ersten Ausführungen. Das können wir überhaupt nicht nachvollziehen. Es geht um öffentliche Aufträge. Die öffentliche Hand muss nicht einem Unternehmen, das rechtsbrüchig ist, öffentliche Aufträge geben, ganz egal, um welchen Rechtsbruch es geht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der öffentliche Auftraggeber hat Vorbildfunktion und Vorreiterfunktion. Warum soll er einen Auftrag an ein Unternehmen vergeben, das gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstößt? Warum soll die öffentliche Hand einen Auftrag vergeben an ein Unternehmen, das seine Arbeitnehmer um den Lohn prellt? Wir meinen, das geht nicht. Aber Sie haben ganz klar gesagt, dass Sie so etwas nicht haben wollen. Da sind wir nicht mit Ihnen d’ accord.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Runge, wenn Sie mir erstens richtig zugehört hätten, dann hätten Sie gehört, dass ich gesagt habe, dass es in keinem anderen Nationalstaat ein Register gibt. Ich habe nicht gesagt, dass wir in den Ländern die große Recherche abgeschlossen haben. Das haben wir derzeit nicht.

Zweitens. Was bedeutet es, wenn ein Unternehmen der Korruption bezichtigt worden ist? Ich kann Ihnen nur sagen: Das Landgericht München hat klar entschieden. Es hat unter anderem eine Geldbuße von 201 Millionen Euro gegen Siemens verhängt. Siemens hat das auch akzeptiert. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind mit diesem Urteil beendet. Ich glaube, wir sollten jetzt akzeptieren, dass es ein klares Verfahren war, dass es ein Urteil gibt und dass Siemens daraus Schlüsse zieht. Ich kann nur einfach sagen, wir dulden kein gesetzwidriges Verhalten bei der öffentlichen Vergabe, auch in der Zukunft nicht.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Frau Kollegin Bause hat gebeten, gemäß § 112 der Geschäftsordnung eine Erklärung zur Aussprache am Schluss der Aussprache abzugeben. Sie kennen die Geschäftsordnung, Frau Kollegin Bause. Sie können nicht mehr zur Sache sprechen, sondern nur eine persönliche Erklärung abgeben. Bitte schön.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, Sie haben gerade gesagt, wir mögen im Parlament doch unsere Worte wägen. Deswegen diese persönliche Erklärung zur Aussprache.

Herr Kollege Lerchenfeld, wo sitzen Sie im Moment?

(Zuruf von der CSU: Er macht gerade Pause!)

Herr Kollege Lerchenfeld, Sie haben gesagt – ich habe es mir notiert –: „Wir von der CSU halten uns im Gegensatz zu den GRÜNEN an rechtsstaatliche Grundsätze“.