Protokoll der Sitzung vom 12.02.2004

ten länger gesprochen hat, kann das dann auch bei den einzelnen Fraktionen zugeschlagen werd e n , wenn der Wunsch besteht. Ich sage das nur der Vollständigkeit halber.

Ich darf nun das Wort Herrn Kollegen Dr. Kaiser erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Motto der SPDFraktion zum Entwurf des Nachtragshaushalts 2004 lautet: “Politik für Bayern – Zukunft gestalten statt Streichen“. Herr Finanzminister, wir wollen eine konj u n k t u rg e rechte Haushaltspolitik statt dieses Streichkonzerts.

(Beifall bei der SPD)

Der Herr Finanzminister hat längere Ausführungen zur konjunkturellen Situation, zur wirtschaftlichen Situation unseres Landes gemacht. Wir können feststellen: Nach schwierigen Jahren stehen die Zeichen in Deutschland wieder auf Aufschwung. Die Stimmung in der Wirtschaft hat sich deutlich aufgehellt. Die Auftragsbücher werden dicker, und auch die Produktion wächst. Steuerentlastungen und steigende Aktienkurse machen Mut. Allerdings ist die konjunkturelle Wende nicht in trockenen Tüchern. Die Aufwertung des Euro belastet die Ertragslage der im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen. Die Banken verhalten sich weiterhin zögerlich bei der Kreditvergabe. Die Nachfrage der privaten Haushalte ist noch zurückhaltend.

Was macht in dieser Situation die Staatsregierung? Sie propagiert eine regelrechte Manie des Sparens. Sie sorgt durch ihr Streichkonzert beim sozialen, gesellschaftlichen, kulturellen und ökologischen Engagement für großen Missmut. Sie lässt unsere Kommunen schmählich im Stich, und sie senkt die öffentlichen Investitionen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister Faltlhauser, diese Haushaltspolitik verstößt gegen das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft,

(Beifall bei der SPD)

das in § 1 die Finanzpolitik explizit in einen gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang stellt. R01113 § 1 des Stabilitätsgesetzes – Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts – ich zitiere:

Bund und Länder haben bei ihren wirtschaftsund finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirt

schaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen.

Die beiden Schöpfer dieses Gesetzes hatten in der Öffentlichkeit die liebevollen Spitznamen Plisch und Plum. Es waren keine geringeren als Karl Schiller und Franz Josef Strauß als erfolgreiche Wirtschaftsund Finanzminister.

Herr Ministerpräsident, Herr Faltlhauser, mit ihrer Haushaltspolitik des Jahres 2004 missachtet die CSU-Staatsregierung das Andenken und politische Erbe von Franz Josef Strauß.

(Beifall bei der SPD)

Da Sie ein schlechtes Gewissen haben – offensichtlich aufgrund gewisser Vorgänge der letzten Wochen –, haben Sie Ihre Rede überwiegend mit beschwörenden Worten in Richtung der CSU-Fraktion gerichtet.

(Beifall bei der SPD)

In einem Interview mit der „Mainpost“ vom 28. Januar 2004 stellt auch der neue Wirtschaftsweise Prof. Peter Bofinger lapidar fest: „Es gibt keinen Grund für eine fiskalische Vollbremsung.“, nachdem er schon am 2. Januar in der „SZ“ Stoibers sinnloses Sparen angeprangert hatte.

Herr Finanzminister Faltlhauser, ich finde, es ist beschämend, in welcher Art und Weise Sie in diesem Hohen Hause einen bayerischen Professor aus Würzburg abqualifiziert haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir sollten stolz darauf sein, dass ein bayerischer U n i v e r s i t ä t s p rofessor dem Sachverständigenrat angehört. Der Finanzminister sollte nicht in dieser schäbigen Art und Weise über ihn herziehen, so wie Sie es vorhin getan haben.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen gibt es noch eine Menge andere r Stimmen, die unsere Position unterstreichen: Nicht nur das DIW, nicht nur Prof. Peter Bofinger, sondern auch Professor Kleinhenz von der Universität Passau sowie die School of Economics in London sagen, dass das, was in Deutschland passiert, nicht konjunkturgerecht ist. Ich zitiere Herrn Bofinger:

Wie reich wir in Zukunft sein werden hängt allein davon ab, wie gut unsere Infrastruktur sein wird und wie qualifiziert die Kinder und Enkel ausgebildet sein werden. Politiker sollten sich in Sachen Staatsschulden also nicht vom Hausva

termodell leiten lassen, sondern von der Sichtweise des Unternehmers. Was wäre von einem Fabrikanten zu halten, der seinem Sohn in zehn Jahren ein Unternehmen ohne Schulden vererben will und aufhört zu investieren? Das Unternehmen wäre dann vielleicht schuldenfrei, aber es wäre kaum noch etwas wert.

(Beifall bei der SPD)

In einem von der SPD in Auftrag gegebenen Gutachten kommt das DIW zu dem Ergebnis, dass es bei der Haushaltskonsolidierung auf den richtigen Zeitpunkt und die mittelfristige Perspektive ankommt. In der jetzigen beginnenden Aufschwungphase Steuerausfällen durch Ausgabekürzungen hinterherzusparen, ist unserer Meinung nach grundfalsch.

(Beifall bei der SPD)

Alle Erfahrung zeigt: Öffentliche Haushalte können sich nicht in erster Linie aus einem Defizit heraussparen, sie müssen aus der Verschuldung herauswachsen. Haushaltspolitik muss in einem gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang gesehen werden. „Ich will nicht eure Schulden zahlen!“, „Ich soll mir kein Geld pumpen! Und Ihr?“ Mit dieser in Kinderschreibschrift gehaltenen Aussagen eines kleinen Mädchens und eines kleinen Jungen wirbt die Staatsregierung in Anzeigen für ihre Kürzungspläne. „Unser Klassenzimmer ist für die vielen Kinder viel zu klein.“ Warum nur? Warum bekommen wir keinen neuen Spielplatz?“ – das wäre wohl eine Antwort auf diesem Grundschulökonomieniveau.

(Beifall bei der SPD)

Statt eine ernsthafte fachliche Debatte zu führen, werden Steuergelder für eine Primitivpropaganda verschleudert. Hier kann gespart werden!

(Beifall bei der SPD)

Zum Ernst der Dinge: Zum Haushaltsausgleich erhöht sich die Nettokreditaufnahme um 521 Millionen Euro auf 750 Millionen Euro. Dies ist zum Ausgleich der konjunkturbedingten Steuerausfälle in Höhe von ca. 1,6 Milliarden Euro auch notwendig. Schon in den Jahren 2002 und 2003 lag die Verschuldung wesentlich höher als im Haushalt ausgewiesen. So stieg sie im Jahr 2002 tatsächlich von 467,6 Millionen Euro um 550,4 Millionen Euro auf über 1 Milliarde Euro – genau 1,018 Milliarden Euro – und in 2003 nach dem vorläufigen Rechnungsabschluss von 350 Millionen Euro um 773 Millionen Euro auf 1,123 Milliarden Euro. Das heißt, die IstAusaben bzw. Ist-Verschuldung sind wesentlich höher gewesen – auch in den beiden letzten Jahren – als sie im Haushalt ausgewiesen sind. Ich prophezeie, dass das auch für den Nachtragshaushalt 2004 eintreten wird.

Mit Ausgabensteigerungen über dem Wachstum des Bruttosozialprodukts und über den Vorgaben des Finanzplanungsrates wurden in den Wahljahren 2002 und 2003 eine ausgesprochen – hören Sie bitte zu, meine Damen und Herren von der CSU – expansive Haushaltspolitik gefahren, zumindest bis zum Wahltag. Wir wissen alle warum. Vor der Wahl wurde auf das Ausgabenpedal gedrückt.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage allerdings auch: Die ökonomische Grenze für die Verschuldung, das in der Verfassung festgelegt Gebot, dass die Kreditaufnahme nicht höher sein darf als die Investitionen, war und ist in Bayern in weiter Ferne. Trotzdem tritt jetzt die Staatsregierung auf die Ausgaben- und damit Konjunkturbremse. Der massive Rückgang der Investitionsquote verringert die Wachstumschancen in Gegenwart und Zukunft. Wir haben vorgestern in der Presse lesen können, dass der bayerische Wirtschaftsminister erklärt hat, der Aufschwung sei noch nicht gesichert. Recht hat der Mann. Dann tun Sie etwas dafür, dass der Aufschwung gesichert ist.

(Beifall bei der SPD)

Das Ziel eines Haushalts ohne Nettokreditaufnahme in 2006 ist ohne kräftiges Wirtschaftswachstum unerreichbar und unrealistisch. Herr Finanzminister, wenn Sie vorhin das Beispiel Baden-Württemberg angeführt haben, wo die Kollegen von der SPD den dortigen Finanzminister zum Sparen auff o rd e rn , dann hätten Sie auch hinzufügen müssen, wie sich die Schulden in Bayern und in Baden-Württemberg entwickelt haben. In Baden-Württemberg sind sie im Landeshaushalt wesentlich höher als in Bayern, bei den Kommunen ist es aber umgekehrt. Die baden-württembergische Landesregierung ist viel kommunalfreundlicher als die bayerische. Das ist eine gegenläufige Entwicklung, und das hätten sie ehrlichkeitshalber hinzufügen müssen.

Unser Resümee lautet deshalb: Mit ihrer Politik gefährdet die Staatsregierung kurzfristig den wirtschaftlichen Aufschwung und mittelfristig die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

(Beifall bei der SPD)

Zum zweiten Kapitel meiner Ausführungen: Wir wollen von Seiten der SPD Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit statt Zahlenpropaganda, Herr Finanzminister.

(Staatsminister Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Fi- nanzministerium): Oh!)

Ja, oh! Ich werde es Ihnen erläutern.

Wir werden die Ausgaben im Staatshaushalt zurückführen. Gemessen am Jahr 2000 w o l

len wir bis zum Jahr 2008 insgesamt 15 % e i n s p a ren.Für 2004 streben wir Einsparungen in Höhe von 10 % an. Damit ergibt sich ein grundsätzliches Einsparziel in Höhe von 2,5 Milliarden Euro.

Mit dieser bombastischen Ankündigung überraschte der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung vom 6. November Bürger, Landtag, ja seine eigenen Kabinettsmitglieder. Die SPD-Fraktion hat von Anfang an diese Vorgaben nicht nur für ökonomisch falsch, sondern für unrealistisches Propagandageflunkere gehalten. Der Ehrgeiz, 2006 einen Haushalt ohne Nettokreditaufnahme vorzulegen dient ausschließlich dem bundespolitischen Ehrgeiz des Ministerpräsidenten, der im Wahljahr 2006 offenkundig – laut seines Generalsekretärs – noch einmal einen Anlauf auf das Kanzleramt machen möchte. R01114 „Bundespolitische Ambitionen contra landespolitische Aufgaben“, das ist das Motto der CSU, der Staatsregierung und des Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Bei solch hehren Zielen kann man natürlich auf Seriosität, Klarheit und Wahrheit in den Haushaltszahlen keine Rücksicht nehmen. Dass nur der Propagandaeffekt zählt, haben wir auch heute wieder erlebt.

Rechnen wir kurz nach: Das Haushaltssoll des J a h res 2003 betrug 34,94 Milliarden Euro. Das Ausgabesoll des Nachtragshaushalts beläuft sich auf 34,05 Milliarden Euro. Herr Finanzminister das ist, nach Adam Riese, eine Ausgabenminderung von rund 0,89 Milliarden Euro und damit von cirka 2,6 %. Auch wenn man sinnvollerweise die durchlaufenden Bundes- und EU-Mittel von insgesamt 2,748 Milliarden Euro und den Länderausgleich von 2,05 Milliarden Euro aus dem Haushaltsvolumen herausnimmt, wären 10 % Einsparvolumen immer noch 2,93 Milliarden Euro. Das ist schon der erste Rechenfehler, der hier passierte. Man rechnet natürlich damit, dass dies die Bürger nicht nachrechnen.

Im Ergebnis werden – darüber haben sich alle gewundert, als sie den Haushaltsplan bekamen – die Ausgaben um 890 Millionen Euro bzw. 2,6 % gegenüber dem Vorjahr zurückgefahren. Es bleiben also nicht 10, sondern 2,6 % übrig. Die Kürzungsmaßnahme ist ohnehin schlimm genug. Aber das Ganze war ein großes Propagandageflunkere, Herr Finanzminister

(Zuruf des Staatsministers Prof. Dr. Faltlhauser)